Home Archiv Ausstellungen Autor Besucher Copyright Impressum Künstlerportrait Literaturgutachten Lyrik und Prosa…Presse/Literatur Presse/Ingenieurarbeiten Vita |
||
Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987 …da liegt mein Herz, Geschichten aus Niemandsland 2022 -2024 (im
Entstehen) z.B.: 100 Jahre „Kafka“, eine herrenlose
Fundsache (neu)
|
||
zu Olympia – olympische Spiele! |
||
online und im Buchhandel |
Lyrik, Prosa und Ingenieurarbeiten |
|
Es werden Gedichte vorgestellt, die in ausgewählten Anthologien
veröffentlicht wurden, sowie der lyrische Zyklus: „Namenlos
von meiner Insel, 42 Briefe“, z.B.: Alles ging sehr schnell: In einem nahen, fernen Ausland, wo
ein Menschenleben rasch verblühte, Nahm man mich gefangen. Einer Schuld war ich mir nicht
bewusst, Ich wurde nicht befragt, Und ich gestand. |
Im Buchhandel und online: Gedichte, veröffentlicht
in ausgewählten Anthologien,
und Namenlos von meiner Insel, 42
Briefe 108 Seiten, Format A5 3. Auflage Harald Birgfeld Online bestellen sowie im Buchhandel, € 8,90 inkl.
MwSt. Zum Buchshop ISBN 978-3-73-22-4803-2 Der
vorliegende Gedichtband ist auch in den USA, Großbritannien und Kanada unter obiger ISBN und bei abweichenden Preisen bestell- und lieferbar. Auch als E-Book € 6.99 Zum Buchshop ISBN 978-3-73-22-7798-8 |
Inhaltsverzeichnis, Gedichte, veröffentlicht in ausgewählten
Anthologien
und
Inhaltsverzeichnis, Namenlos von meiner Insel,
42 Briefe
"Es lohnt sich,
einmal einen heutigen Dichter kennen zu lernen, der mit der deutschen Sprache
einen faszinierend fremden Weg betritt und trotzdem dem Leser Freiraum lässt
für eigene Gedankengänge, ohne dass die Probleme in erhobener Zeigefingermanier
zu zeitkritischen Trampelpfaden werden." (1986: Gutachten).
Harald Birgfeld, von Beruf Diplom-Ingenieur, schrieb die meisten seiner Gedichte während der morgendlichen Fahrt mit der Hamburger S-Bahn zur Arbeit. Seine Texte entstanden fast immer bereits in endgültiger Form.
Copyright 2014 beim Autor, Harald
Birgfeld, alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne
schriftliche Erlaubnis des Herausgebers, Harald Birgfeld, reproduziert werden.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verfilmung und
Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Herausgeber, Autor,
Redakteur: Harald Birgfeld, e-mail:. Harald.Birgfeld@t-online.de
Gedichte,
veröffentlicht in ausgewählten Anthologien
(2009:
„Bibliothek deutschsprachiger Gedichte“, 82166 Gräfelfing/München,
„Ausgewählte Gedichte XIII“) (2012: „Jahrbuch
für das neue Gedicht“ der Frankfurter
Bibliothek der Brentano – Gesellschaft, ausgewählt für die Frankfurter Bibliothek der Klassikerausgabe: „Die
besten Gedichte) (2007: „Liebe in all ihren Facetten“ des Lichtstrahlverlages, 99853
Gotha) (2009: „Bibliothek deutschsprachiger Gedichte“, 82166
Gräfelfing/München, „Ausgewählte Gedichte VX“) (2006: „Jahrbuch
für das neue Gedicht“ der Frankfurter
Bibliothek der Brentano – Gesellschaft, ausgewählt für die Frankfurter Bibliothek der Klassikerausgabe: „Die
besten Gedichte) (2013:
„Bibliothek deutschsprachiger Gedichte“, 82166 Gräfelfing/München,
„Ausgewählte Gedichte XVI“) |
(2013: „Jahrbuch
für das neue Gedicht“ der Frankfurter
Bibliothek der Brentano – Gesellschaft). (2013 ausgewählt
für die Frankfurter Bibliothek der Klassikerausgabe: „Die besten Gedichte“) (2008: „Jahrbuch
für das neue Gedicht“ der Frankfurter
Bibliothek der Brentano – Gesellschaft). (2008 ausgewählt
für die Frankfurter Bibliothek der Klassikerausgabe: „Die besten Gedichte“) (2009: „Jahrbuch
für das neue Gedicht“ der Frankfurter
Bibliothek der Brentano – Gesellschaft). (2009 ausgewählt
für die Frankfurter Bibliothek der Klassikerausgabe: „Die besten Gedichte“) (2007: „Jahrbuch
für das neue Gedicht“ der Frankfurter
Bibliothek der Brentano – Gesellschaft). (2007 ausgewählt
für die Frankfurter Bibliothek der Klassikerausgabe: „Die besten Gedichte“) |
(2010: „Poesiealbum neu“, Gesellschaft für
zeitgenössische Lyrik, e.V. Leipzig) (2008: „Poesiealbum neu“, Gesellschaft für
zeitgenössische Lyrik, e.V. Leipzig) (2008:
„Bibliothek deutschsprachiger Gedichte“, 82166 Gräfelfing/München,
„Ausgewählte Gedichte XI“) (2010: „Jahrbuch
für das neue Gedicht“ der Frankfurter
Bibliothek der Brentano – Gesellschaft). (2010 ausgewählt
für die Frankfurter Bibliothek der Klassikerausgabe: „Die besten Gedichte“) (2010:
„Bibliothek deutschsprachiger Gedichte“, 82166 Gräfelfing/München,
„Ausgewählte Gedichte XIII“) Wir gerieten in den Gürtel der Meteoriten (2011: „Jahrbuch für das neue Gedicht“ der Frankfurter Bibliothek der Brentano – Gesellschaft, ausgewählt für die Frankfurter Bibliothek
der Klassikerausgabe: „Die besten Gedichte) |
Namenlos von meiner Insel, 42
Briefe
Namenlos von meiner Insel, 1.
Brief, Gefangennahme, Namenlos von meiner Insel, 2.
Brief, Auf dem
Reaktor-U-Boot, Namenlos von meiner Insel, 3.
Brief, Schmerzhaft Sehnsucht, Namenlos von meiner Insel, 4.
Brief, Namenlosigkeit, Namenlos von meiner Insel, 5.
Brief, Drei junge Frauen, Namenlos von meiner Insel, 6.
Brief, Schwere Blütendolden, Namenlos von meiner Insel, 7.
Brief, Kunst im Raum, Namenlos von meiner Insel, 8.
Brief, Auf der Speisetafel, Namenlos von meiner Insel, 9.
Brief, Angst mit Angst
bekämpfen, Namenlos von meiner Insel,
10. Brief, Sie kämmte sich Namenlos von meiner Insel,
11. Brief, Die drei Frauen, Namenlos von meiner Insel, 12. Brief, Ob ich Tango tanzen
könnte, Namenlos von meiner Insel, 13. Brief, Eine Probefreiheit, Namenlos von meiner Insel, 14. Brief, Kein Geräusch, Namenlos von meiner Insel, 15. Brief, Ausgeliefert, |
Namenlos von meiner Insel, 16. Brief, Im „Großen Haus“, Namenlos von meiner Insel, 17. Brief, Doppelgänger, Namenlos von meiner Insel, 18. Brief, Ein weiteres Geheimnis, Namenlos von meiner Insel, 19. Brief, Eine junge Frau, Namenlos
von meiner Insel, 20. Brief, Moderne
Technik, Namenlos von meiner Insel, 21. Brief, Mit honigsüßen Worten, Namenlos von meiner Insel, 22. Brief, Unterwasserspiele, Namenlos von meiner Insel, 23. Brief, Kannst du singen? Namenlos von meiner Insel, 24. Brief, Ein Spion, Namenlos von meiner Insel, 25. Brief, BioCurious Namenlos von meiner Insel, 26. Brief, Zwillingswesen Namenlos von meiner Insel, 27. Brief, Der Besuch des Gartens Namenlos von meiner Insel, 28. Brief, Morgen bin ich keine Zeit für dich Namenlos von meiner Insel, 29. Brief Schreib mich gut (2012, „winter märchen haft“, Winteranthologie,
novumverlag, Österreich) |
Namenlos von meiner Insel, 30. Brief Sie sind unser Ehrengast Namenlos von meiner Insel, 31. Brief Wären doch Soldaten alle
so wie Sie Namenlos von meiner Insel, 32. Brief Immer ist der Mensch allein auf dieser Welt Namenlos von meiner Insel, 33. Brief Nachts lieg ich an
seiner Seite Namenlos von meiner Insel, 34. Brief Meine Lust
zu malen Namenlos von meiner Insel,
35. Brief Neues aus
der Wissenschaft Namenlos von meiner Insel, 36. Brief In einem sogenannten
Notfall Namenlos von meiner Insel, 37. Brief Gerne
hätte ich ihr das geglaubt Namenlos von meiner Insel, 38. Brief Es war
nicht Platz genug in mir Namenlos von meiner Insel, 39. Brief Hilfe oder
Menschenraub Namenlos von meiner Insel, 40. Brief Das sagte
alles. Namenlos von meiner Insel, 41. Brief Die Sehnsucht schläft,
die Sehnsucht wacht Namenlos
von meiner Insel, 42. Brief Die Beine aber liefen mir vorweg |
Gedichte,
veröffentlicht in ausgewählten
Anthologien
Eigentlich war
es ganz anders. Immer wünschte ich mir jemanden, Der mich verstehen konnte, Und der Ansatz, dachte ich, Sei gut. |
Die Wahrheit aber war, Dass schon der Ansatz In die falsche Richtung zeigte. |
Auf dem Bahnhof standen meine Doppelgänger Überall herum. Sie waren nackt wie ich Und trugen auch darunter Keine Kleidung. Alle warteten Auf meine Ankunft. |
Und zwang mir harte Arbeit ab. In mir, vergaß ich zu erwähnen, Mussten die Gefangnen in den Steinbruch gehn Und durften über die Gefahren, Über diesen Zwang, Kein Sterbenswort erwähnen. |
Wenn mich jemand nach mir fragte, Und ich lügen musste, Drang oft weißer Staub nach außen, Blässe schoss in meine Wangen. |
Trotzdem hielt ich die im Steinbruch Abgeschnitten von der Welt Und achtete darauf, Dass sie kein Sterbenswort erfuhren. Sie erfuhren nichts Von einer andren Welt. |
Dem hatte man das Jesuskind Herausgeschnitten, Das lag auf dem Tisch Und wurde operiert. Die Ärzte waren zu beschäftigt, Um mich zu bemerken, Und ich selbst bemerkte nichts. |
Mit meiner Hand griff ich, Wie zum Beweis, Ins Leinwandloch, Das überwachte ein geheimes Auge, Und Alarm wär angesprungen Hätte man mich nicht im letzten Augenblick Zurück gerissen. |
Ja, man schalt mit mir, Ich sei voll Unvernunft, Dass ich in eine offne Wunde Hatte greifen wollen. |
Und seh mich um: Es ist erstaunlich. Die Bedienungsplätze vor den anderen Geräten Sind nicht mehr besetzt. Ich sehe, Dass sich die Geräte selbst bedienen. Ein Verdacht kommt auf. |
Ich seh mich an, Ich denk an mich, Ich denke, dass ich mich am besten Durch mich überprüfen lassen werde. Das hält an. |
Ich werde eines Tages eine Antwort Wissen. |
Außerhalb von
mir: Wo ich das
Gras vermutete, Wo früher
Halme wuchsen, Schoss jetzt
Draht aus Eisen Und Gestänge
aus der Erde. Es war
Wachstum, Das sich frei
verbreitete. |
Von drüben
kamen Fressmaschinen, Die auf
dieser Weide grasten, Üppig war das
Angebot. |
Ich steh der
Flucht entgegen, Den Maschinen
gegenüber, Meine
Fingerspitzen Zeigen
leichten Rost, Vielleicht
nur Flugrost. |
Gürtel der Meteoriten
10.000
Aufschläge, Aufschlag 7101 Drüben sollte ich mich an der Pforte melden und mit einem Messingreifen klopfen, Und ich sah genau, dass hinter dieser Pforte, die ein Rahmen hielt, sich weiter nichts
befand, |
Es stand dort kein Gebäude, Und es war kein Mensch zu sehen, Und man sagte mir, dies wäre eine Sache des Vertrauens, Und ich ging und klopfte an. Es war natürlich ganz umsonst, Und auf der andren Seite fühlte sich nicht einer Angesprochen. |
|
Ich ging hinaus ans kleine Ufer
dieser Nacht, Und über mir, das dunkle Blech, Millionenfach durchstochen, Dass das Licht dahinter, Niederblitzte, Wölbte sich mir zu. Die Landschaft war allein. |
Von dir erfuhr ich nur, Weil wir zur gleichen Zeit Den Blick zum Großen Bären Richten wollten. |
|
Hinterglasgemälde Draußen stand in einer Fensterhöhe, Oberhalb des letzten Häusergipfels, Außerhalb davon in einer grauen Wand aus Nebel, Leichtem Regen, Schnee, Ein Möwenvogel. |
Seine braunen Flügelränder schnitten In der kurzen Zeit des Augenaufschlags Eine Schrift, ein Zeichen, Fast ein wenig Wiedersehensfreude in die Luft, Den Fetzen von Erinnerung vielleicht, Das Staunen, noch in dieser Höhe auf Lebendigkeit Zu stoßen. |
Ich, in meinem einen Fenster, eines Tausendfensterfelsens, Wusste nicht, dass die Gemälde hinter Glas Nur in Gefangenschaft entstehen. |
Meinem
Wärter hing ich an, Der
lebte in dem Räderwerk Und
war mir unbekannt. Er
wusste davon nichts Und
wachte über mir Und
über mich. |
"Ihm,"
sang ich laut, "Sei
Lob und Dank. Ein
guter Wärter ist ein Schutzpatron. Ihm werde
ich die Füße, Nein,
die Sohlen seiner Füße küssen." Jeder
hörte, dass ich ehrlich war. |
In
meinem Falle Tauschte
man sofort den Wärter aus Und
tuschelte: "Die
stärkste Liebe Stirbt
an Trennung." |
Man schenkte mir zur Strafe Eine Reise an ein Meer. |
Das Meer war selbstverständlich Ohne Wasser, Und statt Palmen an der Küste Standen eng an eng, Als Gitterstäbe an dem Rand, Versteinerungen, alles Menschen, Die sich trotzdem immer noch Bewegen konnten. |
Aber, welch ein Leben führten sie. Sie waren völlig mit sich selbst Beschäftigt, Und sie ließen mich nicht durch Durch sich. |
Mein Schatten vor der Tür Und wollte heim, Zurück zu mir. |
Ich hatte ihn bis dahin Nicht einmal vermisst. |
|
„Ich bin Delfin Und schwimm im Meer Dahin.“ |
Das ist ein Kinderreim, den hat sich Mama für mich ausgedacht, Sie hat mir auch noch beigebracht, Dass ich ein wenig anders bin als
andere. |
Ich habe eine Nylonschnur um meinen Hals, die hatten wir zu Anfang nicht
beachtet, Doch sie wird mich langsam würgen, Und sie hindert mich schon jetzt Zu schwimmen und zu springen Wie die anderen, und ganz zuletzt Werd ich, obwohl ich doch Ein Kind des Wassers bin, An ihr in meinem Meer, Ertrinken. |
Im ganzen Haus ist alles still. Der Künstler sitzt in seinem Atelier Und blickt auf das Modell In einer Ruhe, die nicht ruhig werden
will, Und seine Augen geistern über es hinweg Und nehmen hier den Arm, Ein Stück vom Leib beiseite, Legen ihre Beine fort Und schieben sie ihr auf den Rücken. |
Gut, dass sie nichts sieht von dem, Was er sich denkt, denkt sie, Sie fände sich nicht wieder. Ihre Haare fallen weich und lang, Das ist ein Anfang, wie er ihn sich
wünscht, Und diesmal will er alles mit dem
dritten Auge sehn, Das, hat er ihr erklärt, Sitzt hinter seiner Stirn Und reagiert auf Wärme. Rot wird er sie malen, Rot in allen Tönen, Rot in allen Farben, Und die Leinwand steht Als Halteschild dazwischen. |
Nun, so will er es, Soll sie sich auf den Körper malen
lassen, Und sie lässt es zu Und lebt ja auch mit ihm, Und aus dem Fenster ruft er In die menschenleere Straße seine
neue Welt, Und alle lädt er ein zu sich, Danach verlangt er Wein, Sie lebt schon lange so mit ihm
zusammen Und reicht ihm ein Glas Und denkt an das Vorher, Das wird nachher zum Jetzt, Das muss sie sich bewahren. |
Namenlos von meiner Insel, 42 Briefe,
Lyrik
Namenlos von meiner Insel, 1. Brief, Gefangennahme Alles ging sehr schnell. In einem nahen, fernen Ausland, wo ein Menschenleben rasch verblühte, Nahm man mich gefangen. Einer Schuld war ich mir nicht bewusst, Ich wurde nicht befragt, Und ich gestand. Man fällte noch in meiner Gegenwart das Urteil: Tod durch Erhängen, Und dann, als ein Kader Zweifel hatte, Wegen einer Sprachverwirrung: Lebenslängliche Verbannung. |
Meinen Namen hatte man mir aberkannt Und schickte mich auf eine Dieser kleinen Inseln tief im Süden, ohne Anschluss an die Welt. Ich durfte unter wenig Menschen leben. Man versicherte, mit keinem über meine Schuld zu reden. Einmal jährlich darf ich einen Text Verfassen, der erscheint, wie dieser, Irgendwo und ohne meinen Namen. |
Jetzt, mit dieser kleinen Freiheit, Wende ich mich an die Präfektur, An jede Obrigkeit, Und frage nach: Warum, weshalb, aus welchem Grund Hat man mir Solches angetan. Es geht mir wirklich gut auf meiner Insel Und ich klage nicht Und spreche schon mit einer Frau, Die mich versorgt, Und sicher bin ich schuldig, Aber ich erfahre nichts Und bitte die, die über mich Gericht gehalten
haben, Zu verzeihen: „Geben Sie mir meinen Namen Wieder.“ |
Namenlos von meiner Insel, 2. Brief, Auf dem Reaktor-U-Boot Es war ein böser Trick, Dass man mich von der Insel Einen Brief verfassen ließ, Man wollte Namen hören Und dass ich die Obrigkeit beschuldigte War dumm von mir, Da gab es kein Verzeihen. Man verbot mir jede Körperpflege Und verschleppte mich auf ein Das mit reichen Passagieren Bis in größte Tiefen tauchte. |
Wochenlang muss ich In dem Maschinenraum gewesen sein, Und Namen, die man hören wollte, Gab ich zu. Ich musste mich mit einer Lederpeitsche selber schlagen Bis das Blut austrat. Dann schickte man mich wieder heim Auf meine Insel, So, als wär nichts gewesen. |
Bei der Frau, die mich versorgte, Fand ich fast wie selbstverständlich Schreibzeug und Papier. Sie zeigte mir den hohlen Stein In einer Mauer eines Hauses. Dort versteckte ich den neuen Brief, Den schrieb ich gleich nach meiner Rückkehr, Der war schon am andren Tag in einer großen Zeitung Nachzulesen. Das bewies sie mir in einer Sendung, die sie täglich sah. |
Namenlos von meiner Insel, 3.
Brief, Schmerzhaft Sehnsucht Ich war so maßlos traurig Und so voller Hoffnungslosigkeit. Ich durfte meinen Namen Nicht benennen Und ich wurde nicht danach gefragt. Am Tisch fand ich die Frau, die mich versorgte. Mit ihr saßen dort vier Männer, Die sich friedlich zeigten, Bei der Mahlzeit. Denen teilte sie sich auf, Sie waren Brüder. Mit dem Winken ihrer Hand Bat sie mich hin zu sich An ihre rechte Seite, wo noch Platz war, Auf die Bank. |
Die Männer schauten unbeschwert auf mich, Und einer gab mir seine Hand. Sie aber beugte meinen Nacken Tief in ihren Schoß. Ich drehte mein Gesicht zu ihr Und sah sie von dort unten an. Sie öffnete ihr Kleid Und beugte sich leicht über mich. Sie gab mir ihre Brust. Ich hatte schmerzhaft Sehnsucht Nach ein wenig Weiblichkeit, Die stillte sie auf diese Weise. Wunderbar durchströmte mich, Was sie mir tat, Und warme Dankbarkeit Stieg in mir auf. |
Die Männer nahmen das Geschehen Wahr und ließen es gelassen zu. Mein dritter Brief, in dem ich Dieses alles schreiben würde, Lag nur wenig später fertig Auf dem Tisch, Und einer ihrer Männer nahm Ihn mit. |
Namenlos von meiner Insel, 4.
Brief, Namenlosigkeit Vielleicht ist dies das letzte, Was von mir nach außen dringt. Man holte mich zurück Von meiner Insel, Denn die Richter über mich Verfügten, dass der erste Spruch Doch gültig sei: Tod durch Erhängen. Die Vollstreckung wurde aber Ausgesetzt. Begründung gab es keine. |
Eine Frau vom Komitee nahm mich Beiseite Und sie sagte mir, ich sollte Alles nicht persönlich nehmen, Weil ich durch den ersten Richterspruch Zur Namenlosigkeit Doch keinerlei Persönlichkeit mehr hätte. Dies wär auch der eigentliche Grund Warum das Urteil nicht Vollzogen werden könnte. All die andren hätten das ganz schnell Verstanden und auch richtig Darauf reagiert. Ich könnte, wenn ich wollte Heim auf meine Insel Oder würde namenloses Opfer meines eignen Handelns werden. |
Auf dem Tisch, an dem ich mich Entscheiden sollte, lagen Bleistift und Papier. Ich schrieb den vierten Brief. Man wartete nun meine Zeilen ab, Die wollte aber niemand lesen, Steckte meinen Brief in einen Umschlag Adressierte ihn und übergab ihn Einem seriösen Boten Zur Beförderung an eine große Zeitung. Mich verbrachte man erneut auf Meine Insel. |
Namenlos von meiner Insel, 5.
Brief, Drei junge Frauen Angekommen auf
der Insel Brachte man mich
in ein neues Haus. Das Haus war ein
Geschenk für mich. Es hatte keinen
Namen an der Tür. Die Frau, die
mich versorgte Fragte mich nach
meinem Alter, Und ich wagte
keine Antwort, Ihretwegen. Die vier Männer,
denen sie sich teilte, Waren nicht
dabei. Am andren Tag
bekamen wir Besuch von Fremden in
Begleitung, Die befragten
mich in ihrer Sprache. Wenig später
holte man mich wieder ab Und brachte mich
erneut Auf das Reaktor-
U-Boot Und behandelte
mich besser als die Luxuspassagiere. Der
Maschinenraum, in dem ich früher An den
Dampfturbinen Arbeit machte, Blieb für mich
verschlossen. |
Dann gab man mir gute Kleidung, Legte Wert auf Sauberkeit Und abends war ich mit drei jungen Frauen Gast bei einem Mann, der über allem stand. Die Frauen hielten Einigkeit und Nacheinander, jeweils für drei Abende, War ich auch Gast in ihren abgedunkelten Kabinen. Jede zeigte Leuchten in den Augen Mit verheißungsvollen Blicken, Und ich blieb die Nächte. Jede Frau erzählte mir dabei von einem Schicksal, Das sie hatte, dass sie sich von mir Ein Liebesglück versprach, Das sie, ich wüsste schon warum, Sonst niemals haben könnte, Und sie wollte nur ein Kind von mir. Ich wäre namenlos und hätte doch nichts Zu verlieren. |
Ich gab alles zu Und übersah nicht die Gebrechlichkeit Der amputierten Leiber unter mir. Man brachte mich nach dieser Zeit Zurück auf meine Insel, zu der Frau, Die mich versorgte, Und sie schwor, dass auf der Insel Nie ein neues Haus gestanden hätte. Bis hier schrieb ich meinen fünften Brief Und ließ ihn einfach liegen. Der war, wie von mir erwartet Schon am nächsten Morgen Fort. |
Namenlos von meiner Insel, 6. Brief, Schwere Blütendolden Die Frau, die mich versorgte, War sehr lieb zu mir. Ich glaube nicht, dass sie mich einfach Liebte, es war viel, viel mehr. Ihr Blick verriet mir, dass sie sich Geborgen bei mir fühlte, Dass sie meine Nähe suchte. Eines Tages schaute sie mich an Und bat mich, sie ins Inselland Zu führen. Ich war überglücklich, Und es war die Sehnsucht nach dem Schönen, die mich leitete. Ich traute ihr und legte ihren Arm In meinen. Sie bedankte sich mit einem Mädchenhaften Blick zu mir, Doch den verstand ich nicht. |
Sie schlug mir
einen Kurzweg vor Und führte uns
in einen Garten voller Unbekannter
Blumen. Schwere
Blütendolden streiften unsre Arme, strichen
über die Gesichter Als ein leiser
Hauch Von zartester
Berührung. Deren Leichtigkeit
und warmer Duft Verführten uns,
dass wir uns an den Händen halten
wollten. Sie stand
plötzlich still Und schloss, mir
zugewandt, die Augen. Als in einer
leeren Kirche standen wir In feierlicher
Ruhe, Und ich gab ihr
einen Kuss Und wusste nicht
mehr, Dass sie sich
vier Männern teilte. |
Diesen sechsten
Brief schrieb ich Nicht auf. Er hing trotzdem
bei meiner Rückkehr An der Innenwand
der Tür zu meinem Raum Und wurde auch
nicht abgeholt Wie all die
anderen. Die Frau, die
mich versorgte Spielte nebenan
auf einer Okarina ihre
Melodien. |
Namenlos von meiner Insel, 7.
Brief, Kunst im Raum Am andren Morgen wurde ich in aller Frühe wach. Ich hörte Männerstimmen Und die Stimme einer Frau. Man drang in meine Wohnung Und erteilte mir Befehle in der fremden Sprache. Ich gehorchte und mit etwas Kleidung führte man mich ab ins Freie. |
Draußen kam die Frau, die mich versorgte, Ebenfalls aus ihrer Wohnung, Und sie sah mich an und sah durch mich hindurch. Gelangweilt biss sie ab von einer Frucht in ihrer
Hand. Ich eilte auf sie zu und wollte etwas sagen, Aber sie blieb fremd und schaute in die Leere. Gestern hatte ich sie noch geküsst. Nun lag in ihren Augen Abgewandtheit, Die mir jedes Wort im Hals erstickte. An der Mauer stand ein Reisigbesen. Den sie nahm, damit den Weg zu fegen, Doch dann stützte sie sich darauf ab Mit einem neuen Blick auf unsre Gruppe, So als sähe sie zum ersten Mal ein Kunstwerk, Über das sie staunte. Ohne sich zu rühren wurde sie auf diese Weise Selbst zur Kunst im Werk, im Raum. Und ich, zur Namenlosigkeit verurteilt und zu Lebenslänglicher Verbannung, Konnte nur noch demutsvoll verharren. |
Wenig später brachten mich die Männer und die
Frau Erst auf ein Boot zum Übersetzen, Dann an einen Zug und in ein Abgesperrtes, isoliertes Sitzabteil. Man gab mir dort, was ich benötigte. Die Reise endete nach einem Tag und einer Nacht in ungewisser Fahrerei direkt in einem Berg weit unter Tage. Hier, in einem großen Raum mit vielen Menschen und sehr wenig Licht, Erhielt ich eine neue Bleibe. Die war nur ein Drahtgestell als Bett mit festem Stoff bespannt. Als ich mich umsah Fand ich unter dem Gestell in einem Umschlag Unbeschriebenes Papier und einen Stift. Ich schrieb den siebten Brief, Den hob mein Bettennachbar wortlos auf Und trug ihn als ein Bote fort. |
Namenlos von meiner Insel, 8.
Brief, Auf der Speisetafel Aus dem Berg war kein Entkommen, Aber niemand wurde hier bewacht. Allein der enge Schienenstrang Gab eine Richtung an. Dorthin verschwanden manchmal Leute. In dem Berg war ich zum Küchenpersonal Gerufen worden, ohne Zwang und ohne Mich zu drangsalieren. Niemand nahm sich meiner oder eines andren an. Es gab auch Frauen, die wie wir behandelt wurden. Sie entschieden sich in jeder Sache selbst. In meiner Küche gab es kaum ein Wort zu sagen, Niemand gab Befehle, Niemand hörte zu, falls jemand redete. Das Essen selbst war pünktlich aufgetischt Und wurde abgeräumt von Frauen, Männern, Die man sonst nicht sah. Sie sprachen eine fremde Sprache unter sich. |
Beim Essen stellte sich bald eine Enge Bindung ein, vielleicht, weil jedes Essen Eigentlich ganz harmlos einen Namen hatte. Manchmal aber standen „Blut“, dann „Leber“, „Herz“ und „Nieren“ oder „Lunge“ Auf der Speisetafel. Das entsetzte uns. Wir wichen blitzschnell aus, als ein gejagter
Fischschwarm, Und entflohen. Dann, bei einem der Tumulte, stieß ich in ein
Messer Und verletzte mich in Panik an der linken Hand. Zurück blieb eine Narbe. Damals zählte ich die Tage und die Nächte Und blieb länger als ein Jahr und sah kein
Sonnenlicht. Dann wurde ich, als hätte man mich irgendwo Gefunden, wieder heimgebracht auf meine Insel. |
Dort erwachte ich am hellen Tag Aus tiefstem Schlaf und sah Die Frau, die mich versorgte, neben mir am Bett. Ich wollte ihr erzählen und sie fragen, Sie jedoch bestand auf den Besuch der Nachbarin,
die einen Tag vor meinem Abtransport ein Kind geboren
hatte, Das war jetzt und heute keine vierundzwanzig
Stunden alt. Ich sah auf meine Narbe an der Hand Und auf die Frau, die mich versorgte. Sie verneinte mit dem Kopf. Ich schrieb, in mich gekehrt, den achten Brief, Den trug sie augenblicklich fort. |
Namenlos von meiner Insel, 9.
Brief, Angst mit Angst bekämpfen Meine Briefe fanden nirgends Echo, Dass, obwohl sie nachzulesen und zu hören waren. Niemand fand es sonderbar, Von einem Namenlosen ohne jeden Umweg etwas zu erfahren. Die Erlaubnis, Briefe zu verfassen, ohne Dass man an den Schreiben Etwas änderte, erfüllte mich mit Mut. In Zukunft würde ich mich gleich an jeden Und an alle in der Heimat wenden Und um Hilfe bitten. Ich sprach mit der Frau, die mich versorgte, Und erfuhr, dass meine Briefe schon von Anfang an Für jeden zugänglich und öffentlich gewesen waren. Dass das Urteil über meine Namenlosigkeit Und lebenslängliche Verbannung als persönliches Geschick Und meine eigne Schuld empfunden wurde. Niemand würde sich je um mich kümmern wollen. |
Als die Frau, die mich versorgte, Meine Angst erkannte, riet sie mir, Ich sollte Angst mit Angst bekämpfen, Und sie sagte: „Willkür ist der schlimmste Terrorismus“. Das verstand ich nicht. Dann aber kam sie eines Abends, Legte sich entkleidet auf mein Bett, als wollte sie sich mir beweisen. Das verwirrte mich, und ich war traurig Und sah hoffnungslos auf sie herab. Sie aber zeigte mir mit ihrem Finger An der Taille eine schwarze Tätowierung, Die mich tief erschrecken ließ, Es war das mittelalterliche Zeichen Von der Tür zu einem an der Pest Erkrankten. „So kannst du dich schützen“, sagte sie. Dann sah sie mich sehr lange an. Ich hätte sie gern lieben wollen, Und mein Herz war wach, Doch das, was ich die Seele nannte, Wog in mir so schwer wie Stein. Ich dachte auch daran, Dass sie sich in vier Männern teilte. |
Nun schreib ich den neunten Brief Und hoffe auf kein Wunder, Denn ich spüre die Gefahr Um die Organe meines Körpers. Einer ihrer Männer hat mir das Tatoo gestochen. Er war freundlich und entgegenkommend. Dieser Brief blieb ein paar Tage unentdeckt, Dann war er fort wie all die anderen. |
Namenlos von meiner Insel, 10.
Brief, Sie kämmte sich Am neuen Morgen schienen alle meine Spuren wie verweht, verwischt. Ein Ungefühl nach völliger Verlassenheit Stand mir im Hals. Im Haus lag nichts, stand nichts Und es gab nichts, was mich an mich Erinnerte. Im Nachbarhaus war niemand, und die Frau, die mich versorgte, gab es scheinbar nicht. Ihr Haus war leer und ohne Möbel, Kein Gerät und keine Gegenstände. Nichts bezeugte, dass hier jemals jemand ein Zuhause hatte oder hatte haben können, Und es steckte auch kein Schlüssel in der Tür. Ich ging zum Strand und dort entdeckte ich, Dass meine Spur von mir vor mir im Sand Zum Wasser führte, Das entfernte sich mit jedem Schritt Und immer schneller in die Ferne. |
Ich begann dem nachzulaufen, doch es Floh mit wachsender Geschwindigkeit. Da blieb ich stehen. Statt nun selbst zu fliehen, hielt ich fest an Diesem Augenblick der Leichtigkeit in mir Und hatte keine Angst. Mit einem Helikopter brachte man mich Heim auf meine Insel. Nichts an meinem Körper hatte sich verändert, Lediglich ein kleines Pflaster auf dem
Oberschenkel Überdeckte einen Einstich. Von der Frau, die mich versorgte, sah ich bei der Ankunft gleich den Rücken und die federnd Dunkelroten Haare, die in langen Locken Fast bis zu den Hüften reichten. Ihr Gesicht sah ich im Spiegel, und sie kämmte
sich. Sie sah daraus voll Freundlichkeit zu mir. Ich hätte meinen Mund, die Nase und die Hände
gerne In ihr Haar gedrückt. |
Da kam sie langsam auf mich zu und Drehte mir, ganz nah, den Rücken zu. Mit ihrer rechten Hand schob sie die Haare aus
dem Nacken Über mein Gesicht und über meinen Hals, Und sah mich von der Seite an. Die Leute, die mich brachten, nahmen Nicht Notiz davon. Es war als stünden wir auf einer Bühne Ohne jedes Publikum. Mein Herz schlug schnell, Es war der engste Schritt in unsrem Tanz. Ich schrieb danach den zehnten Brief und Rätselte nicht um Erklärungen. Ich weiß auch nicht, wer diesen Brief und wohin Weitertrug. |
Namenlos von meiner Insel, 11.
Brief, Die drei Frauen Ohne Vorbereitung holte man mich ab von meiner
Insel. Die Bewacher kannten mich, Doch ihre Sprache blieb mir fremd. Ich zeigte keinen Widerstand, Und war ergeben in mein Los: Zu lebenslanger Namenlosigkeit verurteilt. Der Transport war eigentlich mehr eine Reise, weil man höflich zu mir war und Mich in keiner Weise drangsalierte. Mehrfach wendete man sich an mich mit Fragen oder mit Bemerkungen, Doch die verstand ich nicht. Wir kamen wieder zum Reaktor-U-Boot. Das war aufgetaucht auf hoher See, und ich
gelangte Aus dem Helikopter über eine Einstiegsluke in das
Schiff. Man hatte mich erwartet, und man brachte mich In eine aufwendig gestaltete Kabine, Wo ich, wie das zweite Mal davor, Zur Körperpflege und zur Kleidung alles passend
fand. |
Am ersten Abend hatte ich Begegnung mit dem Mann, der über allem stand. Der lud mich freundlich ein zu einem Essen mit
den Frauen, die ich von dem zweiten Treffen her Noch kennen sollte. Das gefiel mir nicht, weil man mir damals Keine Wahl gelassen hatte, und ich nacheinander Mit drei amputierten Frauen für drei Nächte Unfreiwillig schlafen musste. Die drei Frauen kamen auf mich zu Und gaben mir fast schuldbewusst Ein wenig Selbstvertrauen, weil sie mich in
meiner Sprache grüßten und nach meinem Wohlbefinden fragten. Ihre Hände lagen dabei voller Stolz Auf ihren Unterleibern. Eine trat heraus und sagte mir, wie Glücklich sie nun wären, und sie kämen Aus dem Land, wo Männermangel herrschte, Ja, ich sollte alle drei in dieses Land, das hoch
in Kalten Bergen liegt, begleiten, Und ich wäre sofort frei. |
Sie überreichte mir drei Fotos von den
Ungeborenen. An meinem Urteil über lebenslange Namenlosigkeit Vermochten sie zwar nichts zu ändern, Aber sie versprachen Wohlstand und dass ich mit Allen drein gemeinsam leben dürfte. Alle gratulierten mir zu diesem Glück, Und Tränen standen ihnen in den Augen. Ich verfluchte aber diesen Augenblick Und sehnte mich sekundenlang nach
Selbstkasteiung. Eine Antwort gab ich nicht. Ich ging statt dessen aus dem Raum durch eine
Tür, Die war ein wenig angelehnt, Und stand vor meiner Unterkunft auf meiner Insel, Vor der Frau, die mich versorgte. Sie nahm mir die Fotos aus der Hand Als wüsste sie Bescheid. Ich schrieb den elften Brief Und gab ihr den dazu. Sie wandte sich mit einem Lächeln ab Und ließ mich wortlos stehen. Mir im Rücken spürte ich die Unzufriedene Gesellschaft. |
Namenlos von meiner Insel, 12.
Brief, Ob ich Tango tanzen könnte Die Frau, die mich versorgte, Saß in meinem Zimmer auf dem Stuhl An meinem Bett. Ich stand davor und sah auf sie herab. Ich wusste nicht, wie weit ich ihr Vertrauen durfte, und ich hätte sie sehr gerne Sehr begehrt. Da stand sie auf und fragte, ob ich mit ihr Tango tanzen würde, ob ich Tango tanzen könnte. Dabei senkte sie den Kopf und Blickte mich von unten stolz und sehr ernst an Und legte meinen rechten Arm an ihre Taille und begann mit ihrem linken Fuß Den Takt zu stampfen. Ich war irritiert, mir fehlte die Musik. Doch ihre Schritte und ihr Leib, und weil ich
ihre Körperliche Enge, Haut an Haut, verspürte, Ließ ich sie sich von mir drehen und sich an mich
reißen, Und ich wurde ihr zum Halt Und sie mir meine einzige Trophäe. |
Sie trug eine luftig weite, ärmellose, weiße
Bluse, Ihre blanke Stirn warf Sonnenlicht zurück, Und in der Anmut der Bewegungen Ließ sie die Blicke Mir nicht aus den Augen gleiten. So gab sie sich ihrem Tänzer hin, In unsrem Atem waren wir vereint. Wir tanzten kurz und schnell Bis sie sich plötzlich ganz aus meinen Armen rollte und zurückgedreht, wie leblos Mir zu Füßen sank. Ich war wie sie erschöpft und half ihr auf. Es roch nach Sperma. Meine Frage nach Vertrauen stellte sich nicht
mehr. |
Sie tänzelte noch für Minuten durch den Raum, als müsste sie ein Puzzle Stück für Stück und Schritt für Schritt Zusammensetzen und zusammenfügen, Eine Kette von zerrissenen Ereignissen Für sich noch einmal nacherleben. Dann gab sie mir flüchtig einen Kuss Und stützte sich dabei auf meinen Armen ab. Der zwölfte Brief lag tagelang auf meinem Tisch, als sollte ich mir alles gründlich
überlegen. Danach war er fort. |
Namenlos von meiner Insel, 13.
Brief, Eine Probefreiheit Ich wurde wieder abgeholt. Es sollte neu verhandelt werden. Sicher zweifelte nun keiner mehr an meiner Unschuld und ich käme frei. Die Frau, die mich versorgte, Wollte einfach mit mir kommen, Und man hatte scheinbar nichts dagegen, Doch man tat als gäbe es sie nicht. Ich kam erneut vor ein Gericht. Die Frau, die mich versorgte, Sprach als Übersetzerin zu mir Und ließ mich wissen, dass man mir Zur Probe, also auf Bewährung, Meine Freiheit geben wollte. Diese Probe, diese Freiheit, hätte nichts Mit mir zu tun und änderte auch nichts an meinem
Urteil, Nein, sie wäre eine Probefreiheit meiner alten
Welt. Die sollte sich bekennen. Das verstand ich nicht. |
In meiner alten Heimat angekommen Sah ich gleich, dass an der Eingangstür Ein fremder Name stand, und Nachbarn, die Ich kennen musste, gab es nicht. Man sprach mich aber an und fragte, Ob ich der sei, der im Ausland zwar begnadigt, Aber schuldig und verurteilt worden sei. Die Frau, die mich versorgte, Sagte mir, dass diese Leute nur das Wissen
hätten, Das ich selbst in meinen Briefen mitgeteilt Und fortgegeben hätte. Niemand hier bezweifelte die Schuld an mir Und dass es alles schon mit rechten Dingen Zugegangen sei. Man wendete sich ab. Es hieß sogar, dass man mich hier nicht haben
wollte, Und man kehrte mir den Rücken. |
Auch die Frau, die mich versorgte, war kein
Trost, Im Gegenteil. Von ihr erfuhr ich nämlich, dass man mir die
Heimkehr Auf die Insel offenhielt, ich brauchte dem nur
zuzustimmen. Namenlos in meiner Heimat, sollte ich mich wie in
der Verbannung Unfreiwillig und doch freiwillig dem Urteil, dass ich nicht verhindern konnte, beugen, Und mich fremdbenutzen lassen. Einzig in der Frau, die mich versorgte, sah ich Noch die Hand, die sich mir bot, Und floh in Angst mit ihr zurück auf meine Insel. Diesen vielleicht letzten Brief schrieb ich In großer Eile, und er wurde, wie noch feucht, Mir aus der Hand gesogen und verschwand. |
Namenlos von meiner Insel, 14.
Brief, Kein Geräusch Diesen Morgen schlief ich lange Und erwachte von der Ruhe um mich
her. Von draußen drangen keine Laute, kein
Geräusch zu mir, Es schien als wäre alles das, was
mich umgab, in Stoffe, Tücher, Watte eingeschlagen. Dumpfe Stille hielt den Atem an. Ich ging an meine Haustür Um hinauszuschauen, Doch sie war verklemmt, Es drückte sie von außen etwas zu. Ich sah durch einen Spalt Und fand ganz eng ans Haus
gewachsenes Gestrüpp, dahinter Bäume, aufrecht
und gestürzt, Die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Urwald hatte sich dort ausgebreitet. Durch das Fenster war ein starker Ast
gewachsen, Der stieß an die Zimmerdecke. Jenen kleinen Sandweg, der zu meiner Haustür führte, hatte sich Natur
zurück erobert. Ich stieg an dem Ast ins Freie. Niemand war zu sehen. Weit zu gehen traute ich mich nicht, Ich hatte Angst, es war mir alles
fremd. |
Ich kletterte zurück ins Zimmer. Es war dunkel hier und Lampen
funktionierten nicht. Ich setzte mich zurück aufs Bett. Da öffnete sich eine Tür, die ich
zuvor noch nie Gefunden hatte, neben meinem Bett in
einen andren Raum. Der war mein ursprünglicher Wohnraum
in Kopie, Ganz gleich und ohne diesen
Wildwuchs. Alles dort war so wie ich es kannte,
so wie immer. Etwas seitlich hielt die Frau, die
mich versorgte, Mit der rechten Hand den Türgriff, Und mit ihrem linken Zeigefinger
winkte sie mir zu, Dass ich ihr folgen sollte. Dann verschwand sie hinter ihrem
Türblatt. Ich stieg übers Bett nach drüben,
doch sie hatte diesen Raum Schon durch die Eingangstür
verlassen. Ich trat ebenfalls nach draußen und
fand alles Unverändert und vertraut wie eh und
je. Der Sandweg führte als ein Rinnsal
auf die Haustür zu, und alles war
verlässlich. Die Geräusche waren mir gewohnt, und
nebenan Sprach jemand laut, ein anderer sang
eine kleine Melodie. Die Zwischentür zum ersten Raum war
zugeschlagen. Ich ging wieder hin und öffnete sie
weit, um nachzuschauen, Was ich dort verlassen hatte. Urwald hatte sich tatsächlich bis
hier ausgebreitet. |
Ich stand noch im Rahmen dieses
Durchgangs Als die Frau, die mich versorgte,
wieder eintrat. Die vier Männer, denen sie sich
teilte, waren auch dabei. Sie gaben mir ein Zeichen, dass ich
mich entscheiden sollte. Ich ging in den neuen Raum. Sie wollten nun den Durchgang wie mit
Fensterläden schließen. Das war mir zu grob und viel zu
unwirklich. Das spürte wohl die Frau, die mich
versorgte. Sie sprach mit den Männern und nahm
mich in freundschaftlicher Führung mit sich weit nach draußen
bis hin zu den Blumengärten. Nirgends sah ich Wildwuchs oder
Urwald. Erst am späten Abend kamen wir
zurück. Die Männer hatten in der Zwischenzeit
die Öffnung Sowie jede Spur zu einem andren Raum
beseitigt, Und auch draußen konnte ich nichts
finden. In dem neuen Zimmer schrieb ich alles
auf, Was mir seit diesem Morgen
widerfahren war. Ich suchte nicht nach Fragen oder
Antworten. Dem Brief gab ich die Nummer
Vierzehn. Er lag tagelang in meinem Zimmer
neben meinem Bett, Dann hatte man ihn abgeholt. |
Namenlos von meiner Insel, 15.
Brief, Ausgeliefert Das Urteil stand mir hoch als Wand
vor Augen: Ohne Schuld war ich in einem fremden
Ausland Erst zum Tod durch Hängen abgeurteilt
worden, Später, wegen einer Sprachverwirrung, Namenlos verbannt auf diese Insel. Hier war ich der Willkür Unbekannter
ausgeliefert. In der Heimat hatte ich noch
Schlimmeres erlebt: Man wollte mich dort nicht mehr
haben, Weil man mich für schuldig hielt. |
Die Rückkehr war mir so vereitelt
worden. Nirgends konnte ich Vertrauen fassen, Auch nicht zu der Frau, die mich
versorgte. Lange dachte ich darüber nach. Ich wusste nicht, ob sie und die vier
Männer, Denen sie sich teilte, einer
Obrigkeit gehorchten. |
Diesem, meinem neuen Brief, gab ich
die Nummer fünfzehn, Und ich wusste nicht, für wen, für
was ich alles festhielt. Draußen mochte es noch jemand geben, Der viel Schlimmeres erlebte und
erfuhr, Doch konnte mir das Trost sein und
Vertrauen schenken? Worauf konnte ich noch hoffen? Gleich nach seiner Niederschrift war
dieser Brief Verschwunden. |
Namenlos von meiner Insel, 16.
Brief, Im „Großen Haus“ Ich verließ das Haus Und ging spazieren. Da fuhr neben mir ein Wagen auf. Der wurde von der Frau gelenkt, die
mich versorgte, Und sie fragte, ob ich sie begleiten
wollte. Sie war auf dem Weg zum „Großen
Haus“. Das kannte ich noch nicht. So stieg ich zu ihr ein. Sie sah ein wenig anders aus als
sonst. Ich sah sie von der Seite an, mir
fiel jedoch nichts weiter auf. Wir fuhren zu dem „Großen Haus“. Es schien sehr herrschaftlich. Von weitem sah ich viel
Geschäftigkeit. In nächster Nähe gingen dann zwei
Frauen, Die der Frau, die mich versorgte, zum
Verwechseln Glichen. Ich war irritiert, Die Frau saß neben mir und war auch
draußen. Eine von den beiden sah ein wenig
jünger aus, Die andere schien älter. |
Meine Fahrerin blieb ungerührt. Wir traten ein. Gleich hinter dem Empfang stand ich. Ich stand dort zweimal, Einmal so wie ich vor Jahren
ausgesehen hatte Und daneben ganz genau wie jetzt. Ich wollte mich verstecken. In dem ganzen Haus war reges Tun und
auch viel Lässigkeit. Ich traf auf immer neue Doppelgänger. Keiner staunte, alle waren
ungewöhnlich frei. Ich kannte mich bald nicht mehr aus. Die Frau, die mich versorgte und den
Wagen Hergefahren hatte, konnte ich nicht
mehr entdecken. Sie war in zu viele gleiche Frauen
eingetaucht. Da wurde ich von einem meiner
Doppelgänger angesprochen. Er sah mich sehr freundlich an. Er sprach jedoch nicht meine Sprache, Und ich lächelte verständnislos
zurück. Ein wenig aber spürte ich Vertrauen, Und ich hatte Lust ihn zu berühren. |
Viele Wochen lebte ich im „Großen
Haus“. Wir gaben uns an Kleidung, Essen,
Überflüssigem Und an Erforderlichem was wir
brauchten. Immer war jedoch schon alles angetan
und Stand bereit für mich, für alle meine
Ichs Und für die Doppelgängerinnen von der
Frau, Die mich versorgte, und sie selbst
darunter. Eines Tages redete von denen eine
ganz vertraut mit mir, Dass ich „der in Verbannung“ sei, Sie führe wieder heim und wenn ich
wollte.. Ich war gleich dabei und sagte: „Ja“,
Doch trauen konnte ich ihr nicht. So fuhren wir zurück. Zu Hause angekommen Stand die Frau, die mich versorgte,
uns im Weg, Und ohne Staunen öffnete sie mir die
Wagentür. Sie fragte nur, ob ich im „Großen
Haus“ gewesen sei Und sah gelangweilt auf die
Doppelgängerin. Die grüßte sie und fuhr, als wäre
nichts, davon. Mein neuer Brief erhielt die Nummer
sechszehn, Und er wurde schon am andren Tag Von jemand wortlos abgeholt. |
Namenlos von meiner Insel, 17.
Brief, Doppelgänger Die Frau, die mich versorgte, War bei mir am späten Vormittag zu
Gast und Sprach von großem Glück, das uns
beträfe. Ich verstand sie nicht. Sie wollte deshalb mit mir leise
dieses Haus verlassen und zum „Großen Haus“, Wo unsre Doppelgänger lebten, fahren. Für Sekunden hatte ich mir anderes
von ihr Versprochen, und ich hätte sie so
gern geliebt. Das spürte sie und gab mir zu
verstehen, Dass sie etwas wüsste, was für sie
und mich Und die vier Männer, denen sie sich
teilte, Wichtiger und von Bedeutung sei. Sie sah mich dabei aber an, dass ich
sie in die Arme nehmen musste. Für den Augenblick fing ich sie auf, Doch sie gab sich als Frau und wollte
keinen Trost. Wir liebten uns das erste Mal. Das dauerte bis in die Dämmerung. Dann aber wollte sie mir zeigen, was
sie wusste, Und wir fuhren los. Nicht weit vom „Großen Haus“ entfernt Versteckten wir uns hinter einem Busch. Doch das war gar nicht nötig. |
Ich erkannte Schreckliches. Es lagen alle Leiber unsrer
Doppelgänger leblos Vor dem Haus. Sie waren noch zum Teil bekleidet,
aufgestapelt und an vielen Stellen ihre Körper aufgeschlitzt und
schlimm Entstellt. Wir sahen Kinder unter ihnen, aber
wagten uns nicht Nah an sie heran und nicht, sie zu
berühren. Links vom „Großen Haus“ erkannte ich
die Männer, Denen sich die Frau, die mich
versorgte, teilte. Die vier Männer trugen Schutzanzüge,
und es schien, Dass sie die toten Leiber sammelten,
um sie zu Transportieren. Einer von den Vieren schrieb an einer
Liste. „Uns“, so sagte sie, „hat man
verschont, weil wir die wahren Körper haben. Unsre Doppelgänger waren scheinbar
ein Versuch, Sie hatten aber wahres Leben, Denn sie hatten Kinder. Das war mir seit langem schon
bekannt.“ |
Ich hielt bei dem Gedanken an die
Kinder meinen Atem an, das Herz schlug mir im Hals. Ich fühlte mich als Vater und empfand
doch keine Trauer. Sie stand lange still und schlug dann
vor Zurück zu fahren: „Wir sind hier umsonst, wir können
und wir konnten Gar nichts machen. Keiner von uns weiß, warum sie
sterben mussten.“ Diesmal gingen wir zu ihr nach Hause, Und wir liebten uns ein zweites Mal
in Tränenreichem Wiedersehen, in
Verzweiflung und in Abschied. Tage später schrieb ich, Alles auf und gab dem Brief die Nummer siebzehn. Der lag lange unbeachtet hinter
meinem Bett Bis ich ihn fast vergessen hatte. Eines Tages aber wollte ich das
„Große Haus“ erneut besuchen, Doch es gab nichts mehr, kein Haus,
kein Grab und keine Spur. Seitdem war auch mein Brief Verschwunden, so wie all die anderen
davor. |
Namenlos von meiner Insel, 18.
Brief, Ein weiteres Geheimnis Meine Liebe, die ich zu Mir hatte, ging verloren, Ich empfand mein Lieben Nicht mehr liebenswert Und dass ich mit der Frau, Die mich versorgte und die sich Vier Männern teilte, Liebe hatte, war Mir ein Geschenk in aussichtsloser Lage. Sie war mir ein Himmel, den ich in der Kleinsten Wasserpfütze sah. Ich war am Rande des Betruges, Des Verrats an mir. Ich hasste mich und dankte allem Über mir zugleich, dass es dies wunderbare Wesen gab. Wir hatten kein Geheimnis Voreinander und vor niemandem, Und doch war es für andere nicht nur, als Wäre nichts, es war viel weniger, es Intressierte sich nicht einer für uns zwei, Und selbst die Frau, die mich versorgte, Die mir nun so nahe stand, war Unpersönlich, höflich, Und sie fragte mich nach gar nichts aus. Ich drängte sie, mir zu erzählen, Was sie fühlte, was sie dachte, Und vor allen Dingen, wie sie hieß. Die Frage schien ihr fremd, Als wüsste sie nicht, was ich meinte, Aber sie war aufgeregt Und wollte mir ein weiteres Geheimnis zeigen. |
Also fuhren wir in eine Gegend dieser Insel, wo sich Wellen Ohne Sturm an einer Küste brachen Und zu Wassersäulen türmten. Es war tosend laut. Sie schrie mir zu und flüsterte
zugleich: „Darunter leben sie versteckt Und können rasend schnell nach Oben kommen. Niemand ist vor ihnen sicher, Sie bestimmen über alles!“ Ich war überrascht und Konnte eine solche Technik nicht Verstehen. Doch vor meinen Augen brachen Gischt und Wassersäulen in ein Nichts Zusammen, und der Felsenboden senkte Sich nach unten ab, dort sah ich Glasverdeckte Häuser, die im
Kunstlicht Standen. Dann verschloss sich alles wieder, Und die Wassersäulen stiegen auf. Ein leichter Wind trug Wassernebel her zu uns. |
Er schmeckte nicht nach Salz. Wir fuhren heim und saßen lange Auf dem Bett in meinem Zimmer. Keiner von uns beiden Wusste etwas zu erklären. Keiner wagte das Gesehene zu Deuten. Wieder schrieb ich alles auf Und gab dem Brief die Nummer
achtzehn. Als die Frau, die mich versorgte, Spät am Abend ging, Nahm sie den Brief vom Tisch Und nahm ihn wortlos mit sich fort. Ich rief ihr meine Frage nach. Doch schien es mir als wäre plötzlich Eine jeden Laut verschluckende und
unsichtbare Trennwand zwischen uns. Sie konnte mich nicht hören. |
Namenlos von meiner Insel, 19.
Brief, Eine junge Frau Die Frau, die mich versorgte und die
sich Vier Männern teilte, kam, mich zu Besuchen. In der Hand hielt sie die Okarina,
die sie Eigenwillig spielte, und sie fragte
dann, Ob mir ihr Spielen recht sei. Ihre Melodie war leicht und sanft, Sie rührte mich in fremder Weise, War das Trippeln einer Frau in
buntem, engem Rock Auf hölzernem und doch gedämmtem
Boden. Diese Frau, von der ich keinen Namen
wusste, Hatte ich geliebt und war doch nicht
in Leidenschaft zu ihr, Es war, als lägen unsre Zimmer auf
dem selben Flur, Ganz nah, und doch so weit entfernt, Es schien, wir müssten uns von uns Erlaubnis holen, um uns zu besuchen. Ihre Melodie klang aus. Sie wollte wissen, ob ich auch ein Instrument zu spielen wüsste, Und ich hatte keine Antwort, denn mir
war sie nicht Die Spielerin auf einem Instrument, Sie war viel mehr die Bringerin von Liebessehnsucht. Ihre Frage ließ ich liegen. Hier in meinem Zimmer war es eng, und Sie war nah an mir, Ich wagte aber nicht, sie zu
berühren. Ja, ich spielte auch ein Instrument
und Sagte es ihr jetzt. Sie aber sprach von etwas anderem, Und sagte, dass sie eine Frau an
ihrer Seite hätte, und die würde draußen
warten. Diese Frau wär ein Beweis, ein
schlimmer leider, Aber sie wär noch am Leben. |
Ich verstand kein Wort und wurde hart
aus meiner Kleinen Harmonie gerissen. Ich ging vor die Tür nach draußen. Dort stand eine junge Frau mit einem
leichten Seidentuch um ihren Kopf, das nur
zwei grüne Augen Ausschau halten ließ. Sie sprach mich holperig in meiner
Sprache an, Entschuldigte sich aber gleich dafür. Sie zeigte Anmut, und das Tuch War Teil von einer feinen Schönheit. Dann jedoch zog sie das Tuch wie
einen Schleier langsam vom Gesicht. Das war entstellt, gleichzeitig aber
so verheilt, Als hätte sie ein viel zu festes,
weißes Tuch um Ohren, Nase und den Mund gezogen. Ihr, so sagte mir die Frau, die mich
versorgte, Hätte man die Lippen, Ohren, Nase
einfach abgeschnitten Und sie ihrem Schicksal überlassen. Das tat mir unendlich leid. Ich nahm sie ohne Worte und mit
großer Vorsicht in die Arme. Sie jedoch war fest und unbeirrt und
wies den Trost von sich. „Ich habe Schlimmeres erlebt als das, Was ich dir zeige“, sagte sie und Zog den Schleier des Erbarmens Wieder über ihr Gesicht und ihren
Kopf. |
Es war schon spät am Abend, Und die Frau, die mich versorgte, Ging mit ihr voran und mir an ihrer
Hand, In meine Wohnung. „Keiner hat mehr Umgang mit der
Frau“, Sprach sie wie zu sich selber, aber
laut. Die Frau war still und setzte sich in
Artigkeit auf einen Stuhl. Die Frau, die mich versorgte, sagte
noch im Gehen: „Diese Frau hat niemanden, sie bleibt Nur ein paar Tage. Sie vertraut in allem ganz auf dich Und danach wirst du nie im Leben
wieder Etwas von ihr hören.“ Da verstand ich meinen Auftrag Und bedachte alles sehr genau. Aus Mitleid wollte ich die Frau nicht
haben, Dazu war sie auch zu stolz. Sie wollte sich jedoch in ihrer Not
von einer andren Not durch mich befreien lassen. Nach fünf Tagen war sie früh am
Morgen Wieder fort. Ich hatte sie sehr gern an meiner
Seite. Alles schrieb ich wieder auf und gab
dem Brief die Nummer neunzehn. Den nahm sie bei ihrem Auszug Heimlich, ohne mich zu fragen, mit. Die Frau, die mich versorgte, Hatte einen langen Blick für mich. Der schien gemischt mit Neugier und
mit Aufmerksamer Dankbarkeit. |
Namenlos von meiner Insel, 20.
Brief, Moderne Technik In meiner hoffnungslosen Lage Tastete ich vorsichtig nach etwas
Glück. Ich lebte namenlos verbannt in Unbekannter Fremde auf der Insel, und
in meiner Heimat glaubte man dem Urteil über
mich, zu dessen Grund mir niemand jemals etwas hatte Sagen wollen. Meine Heimat nahm mich nicht mehr
auf. Ich war ein Todeskandidat, Und nur durch eine Sprachverwirrung Blieb das Todesurteil ausgesetzt. Man wandelte es um in lebenslängliche
Verbannung Und in Namenlosigkeit. Von da an war ich fremdbestimmt, Und es verfügten Unbekannte über mich In ungebremster Willkür, Und seit kurzer Zeit empfand ich Mut
zur Gegenwehr und dachte weit zurück Und sehr weit in die Zukunft, denn
die hätte Ich vielleicht zusammen mit der Frau,
die mich Versorgte und die sich vier Männern
teilte, Finden können, doch sie blieb mir
trotz Der körperlichen Nähe unvertraut. |
Ich ging zu ihr und fragte sie nach
technischen Verbindungen in meine Heimat. Davon hatte sie erfahren und sie
führte mich Sehr weit zu einem kleinen Haus. In dem fand ich moderne Technik,
deren Umgang und Benutzung sie mir zeigte. Es war nichts Verbotenes dabei. Wenn ich die Nummer oder Anschrift
eines Adressaten wüsste, könnte ich hier
alles Nutzen, Der Empfänger müsste lediglich zur Kostenübernahme Einverständnis geben. Darin sah ich kein Problem und rief
aus alter Zeit die erste Nummer des Vertrauens
auf. Als die Verbindung stand und ich auf
einem Bildschirm die Person im Kreis von
Freunden Sehen konnte, lehnte man dort jede
Kostenübernahme Strikt und einfach ab. Die Stimmen hörte ich sehr gut, und
auch das Bild War einwandfrei. Mich aber konnten sie nicht hören, Keiner wollte mit mir sprechen. Es war kein Betrug. |
Die Suche nach ein wenig Glück Nahm eine sonderbare Wende. Unglück in der Fremde und in meiner Heimat hielten sich so
gleichgewichtig In der Waage, dass mich
Ausgeglichenheit, Zufriedenheit und nie gekannte
Glücksgefühle Überkamen. Eine reiche Stille breitete sich in
mir aus Und ließ mich schweben. So nahm ich die Frau, die mich
versorgte, An die Hand, und auf dem Weg zurück War ich ein freier Mann. Ich fühlte in mir Sicherheit
erwachsen Und es schien, dass ich nicht einem
Menschen mehr Nur das Geringste schuldete. Zuhause schrieb ich alles wieder auf, Der Brief erhielt die Nummer zwanzig. Und noch während ich die Zeilen
schrieb, Erstarkten meine Glücksgefühle, und
es blieb Nicht nur Erinnerung an einen schönen Augenblick, es wuchs in mir Vertrauen
in die Zukunft. Dieser Brief lag lange unbeachtet in
dem Zimmer. Irgendwann verlor ich ihn aus meinen Augen. |
Namenlos von meiner Insel, 21.
Brief, Mit honigsüßen Worten Das Leben, das ich führte, nahm mich
in Beschlag, und es schien alles gut. Ich hatte mich daran gewöhnt und
musste mich um Gar nichts kümmern, Und die Frau, die sich vier Männern
teilte, Sorgte sich um mich mit größter
Freundlichkeit Und manchmal auch mit Liebesnähe, Doch sie sprach kein Wort darüber. Was sie dazu trieb blieb ein
Geheimnis. Wünsche, die ich hatte, nahm sie
ernst Und half nach Kräften. Ungeachtet dessen, sah sie ganz
gelassen zu Als mich erneut drei Männer holten Und gefesselt in ein Auto zerrten. Ich versuchte diesmal Widerstand, den
gab ich aber sehr Schnell auf. Die Männer setzten sich im Fahrzeug
Atemmasken auf, Und ich erwachte erst bei Dunkelheit
in einem fremden Raum. Mir war ein wenig übel. Mit der Fessel an den Handgelenken
tastete ich Meinen Körper ab. Ich suchte nach Verletzungen, nach
Narben, die vielleicht Entnahmestellen wären oder nach
Verbänden. Dabei bohrte ich mir aus Versehen mit
dem freien Fesselende In den Leib und fürchtete das
Schlimmste. Aber ich fand nichts und unterdrückte
meine Angst. Ich schlief danach sehr lange weiter,
bis man mich in fremder Sprache weckte und die Fessel von den Handgelenken schnitt. Man führte mich in einen Raum mit
anderen und gab mir Trinken und zu Essen. Über mir in allen Zimmerecken sah ich
winzige Geräte, die mich Gleich beim Eintritt in den Raum
erfassten, sich Geräuschlos und synchron mit mir
bewegten. Nach dem Essen führte man mich in den
ersten Raum zurück, Und ließ mich dann allein. |
Ich sah nun, dass die Liege recht
bequem, Fast komfortable war, Es standen unerwartet viele schöne
Möbel zum Benutzen. Eine Tür war angelehnt und führte in
ein Bad mit Dusche Und den Dingen, die ich gern zur
Körperpflege hatte. Oben, an der Zimmerdecke aber hingen Wieder die Geräte, die mich stumm
erfassten Und verfolgten. Es war hell, und ich erkannte nicht Ob ich im Kunstlicht oder in der
Sonne stand. Es lagen Kugelschreiber und Papier
auf einem Tisch. Mit einem Regler ließ sich die
Beleuchtung steuern. Tagelang und regelmäßig nahm sich
jemand meiner an, Und führte mich zum Speiseraum und
auch zu einem Pool, Doch keiner konnte mich verstehen. Eines Abends aber sprachen mich zwei
unscheinbare und doch Auffällige, junge Frauen freundlich
und in meiner Sprache an. Sie hatten beide schulterlanges Haar
mit Locken, die Kastanienfarben schimmerten. Es waren Zwillinge, in allem zum
Verwechseln gleich. Sie flöteten mit honigsüßen Worten, Und sie geizten nicht mit eleganten
Künsten ihrer Augen und mit Handbewegungen in ihre
Haare und mit Großen Gesten, die bis nah an meine
Schultern reichten. Fast wie selbstverständlich kam es
dann, dass sich die eine Sanft entschloss, und mir im Beisein
ihrer Nachbarin das Angebot, sie zu begleiten,
unterbreitete. Das war verlockend und mir mehr als
recht. Die ganze Nacht verbrachte ich mit
ihr. Am zweiten Abend ließ sich ihre
Schwester mit mir ein. Ich konnte sie jedoch von ihrer Zwillingsschwester überhaupt nicht
unterscheiden. Dann verbrachte ich die dritte Nacht
mit beiden, Weil sie es so wollten. Beide waren dabei sehr gesprächig. |
Ich erfuhr von ihnen, dass sie in den
letzten Vorbereitungen zu einer Reise in den
Orbit waren, Und hier machten sie nur kurz
Station. Die Reise würde viel zu lange für ein
Menschenleben dauern, deshalb wollten
oder mussten sie im Raum Familie gründen und durch sie
den Flug Zu Ende führen lassen. Sie erzählten völlig unbeschwert,
dass sie Geschlechtsneutral geboren worden
wären Und dass dieser Umstand erst die
Reise möglich machte. Weiter sagten sie, sie könnten Sperma lebenslang in sich lebendig
aufbewahren Und gezielt zu jeder Zeit ein Ei
damit befruchten, Dass sie das Geschlecht bestimmen und
sogar Dem Nachwuchs ihre eignen Fähigkeiten
und den Samenvorrat mit vererben konnten. Ich als Namenloser hätte dabei nichts
riskiert. Ich könnte nichts verlieren Und durch sie im Grunde nur gewinnen.
Alles wäre denkbar ohne dass ich
einen Nachteil haben würde. Von dem neuen Wissen wollten sie mir
weiter nichts erzählen. Ich sah mich nicht nur von beiden
Schwestern schwer Betrogen sondern auch von mir
verraten, Denn ich hatte mich das Opfer meiner
eignen Eitelkeit und Lust und Dummheit
werden lassen. Anderntags war keine Spur mehr von
den Zwillingen zu finden. Wieder schrieb ich alles auf und gab
dem Brief die Nummer einundzwanzig. Dem galt lange kein Intresse Bis ich ihn vergessen hatte und nicht
wieder fand. Ich wohnte lange völlig unbehelligt
weiter in dem Haus Und hatte freie Zeit, die wollte ich
für die Erkundung nutzen. |
Namenlos von meiner Insel, 22.
Brief, Unterwasserspiele Man hatte mich gefesselt und
verschleppt. Es schien, dass mein Verschleppen
eine Sache war, die ich nicht mit Gefangenschaft verwechseln durfte, Denn die Fessel war mir bei der
Ankunft abgenommen worden. Niemand zeigte Grenzen auf, Man zwang und drängte mich zu nichts. Der Raum, in dem ich mich befand, Und der zuerst für mich
Gefängniszelle war, Der Speisesaal und auch der Pool Verloren langsam mit den vielen
Wochen Aufenthalt, An Fremdheit. Dass sich niemand zu erkennen gab,
und Niemand meine Sprache sprach, Ertrug ich schwer. Ich wusste nicht, wie ich mich
orientieren sollte. Ich vermisste auch die Frau, die mich
versorgte, Und die sich vier Männern teilte. Ich vermisste meine Insel. Aus der Orientierungsnot jedoch wuchs
Neugier für die Welt, die
Niemandswelt, In der ich mich befand. Ich wollte wissen, welche Leute außer
mir in diesem Haus Zuhause waren und begab mich auf
Erkundung. Überall entdeckte ich, dass Menschen
sich ganz Nebensächlich grüßten oder
ignorierten und zugleich Erlebnisleben führten, die ich so
nicht kannte. Hohe lichterfüllte Räume reichten
allseits bis in weite Fernen, Landschaft wandelte sich nahtlos um
in Unterwasserlandschaft, Und ich sah sie tief im Raum
verschwinden. Bäume allerdings und Sträucher gab es
nur als Meerespflanzen, die sich ohne jeden
Wellengang Und ohne Strömung, ohne Wasser um sie
her, in sanften Schwingungen bewegten. Zwischen ihnen schwebten, flogen Große, kleine Meerestiere, die in
Schwärmen oder Einzeln kamen und verschwanden. |
Jemand neben mir sah mein Erstaunen,
und in meiner Sprache sagte er: „Was du hier
siehst, ist alles wahr, Du kannst es glauben. Nichts ist
Illusion.“ Das war von jenen Männern einer, die
mich oft begleiteten und Sonst in meiner Sprache nichts
verstehen wollten. Ich durchstreifte Raum um Raum, und
sah in ihnen viele Männer, Frauen, Kinder wie sie
miteinander spielten. Ihre Kleidung war mir fremd und immer
eng anliegend. Auf sehr großen, supergroßen Tischen und darüber lagen und
bewegten sich mir Völlig fremde Meerestiere frei von
allem Wasser, Aber so als wären sie in ihrem
Element und doch gefangen. Eine Art Gehege ohne Zaun war offensichtlich
diesen Tieren vorbehalten, und mir schien,
sie trügen nur zur Unterhaltung der Besucher bei. Man achtete jedoch nicht viel auf
sie. Ganz hinten aber sah ich, dass sich
Menschen drängten Und vor einem übergroßen Fenster
standen, Das war leicht gewölbt nach draußen. Hinter diesem Fenster sah ich
Meeresgrund und Meer, und darin Menschen, die noch eben neben mir
gestanden waren, wie sie Diese fremde Welt für sich eroberten
und dort spazieren gingen. Sie betraten und verließen Meeresgrund
und Meer durch eine Wand, Die schien wie Glas zu sein. Sie gingen beim Betreten einfach auf
die Fläche zu, und die Umhüllte sie sofort und gab sie beim Verlassen unbeschadet wieder frei. |