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Lyrik, Prosa und Ingenieurarbeiten |
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Der vorliegende Gedichtband spannt in 57 zeitgenössischen
Gedichten einen schillernden Facettenbogen von jeweils 3 Gedichten zu insgesamt
19 berührenden menschlichen Anliegen und zwischenmenschlichem Verständnis. |
IM
REISSVERSCHLUSS DER ILLUSION Lyrik
2018, 57
zeitgenössische Gedichte. 115 S. Dieses ist der
erste Band einer Trilogie von Facettengedichten. Harald Birgfeld 2.
Band der Trilogie: Die Frau des
Terroristen, 53 zeitgenössische Gedichte. 3.
Band der Trilogie: Die Insassinnen, Epos. Jetzt „IM REISSVERSCHLUSS
DER ILLUSION“ direkt online
bestellen sowie im Buchhandel, 116 Seiten, € 7,99 inkl. MwSt. Zum Buchshop ISBN 9783746098005 „IM REISSVERSCHLUSS DER ILLUSION“ ist auch in den USA, Großbritannien und Kanada unter obiger ISBN und bei abweichenden Preisen bestell- und lieferbar. Auch als E-Book € 5,49 Zum Buchshop ISBN 9783744850940 |
Buchtitel ISBN 9783746098005
Inhaltsverzeichnis
nach Themen
Inhaltsverzeichnis alphabetisch
Copyright 2018 beim Autor, Harald Birgfeld; alle
Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne schriftliche
Erlaubnis des Herausgebers, Harald Birgfeld, reproduziert werden. Das gilt
insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verfilmung und
Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Herausgeber, Autor, Redakteur: Harald Birgfeld, e-mail:. Harald.Birgfeld@t-online.de
Inhaltsverzeichnis nach Themen
Auf dem rechten Weg in die Irre Die Kleinheit eines Augenblickes Die Niederwerfung eines Volkes Die Tür, die nicht ins Freie führt Ein Bild von einem Bild entsteht |
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Inhaltsverzeichnis alphabetisch
Die Kleinheit eines Augenblickes Die Niederwerfung eines Volkes |
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Die blonden Haare waren
ihr schnell abgemagert, Und sie trug als
Kopfschmuck Ringe unter ihren
Augen, Und sie war noch
keine dreißig Jahre alt. Ihr Schwur, Sie würde gerne
eine Freiheit Gegen eine andre
tauschen, Kam ihr später viel
zu kindisch vor. Sie hatte sich
gedacht, Wenn alles so
gelänge, wie sie dachte, Würde sie sich auch
die Zähne In der neuen
Freiheit richten lassen, Und sie hatte noch
das Wort des Arztes In den Ohren: "Wenn Sie
drüben sind, Dann lassen Sie
sich alles machen, Und die Brücke
machen Sie aus Gold!" Sie hatte ja ihr
goldnes Kreuz, Das wär' ein Opfer, Und ihr Glaube war
ganz fest, Der hätte nicht
darunter leiden können. |
Und nun saß sie
hier in einem Kellerloch, Das war als Wohnung
gar nicht schlecht, Und fraß an ihr Und an dem Kind. Das Kreuz, das sie
am Halse trug, War unberührt
geblieben, Und sie trug ein
andres Kreuz, Das brauchte dieses
kleine, Und die Zähne
richtete man hier mit Kunststoff, Der war billiger
und besser. Doch das schlimmste
war ihr Frühling, Der kam nicht in
Blüte, Und er hatte doch
so hoffnungsvoll begonnen. Drüben in dem
Nachbarland Stand man als junge
Frau Und hoffte auf den
Mann, den man nicht kannte, Aus dem
Nachbarland, Der durfte ein und
aus Und auch die
Ehefrau. |
Sonst war das Nachbarland
kein Nachbarland, Man hatte einen
Giftzaun hochgezogen, Und sie hatte
diesen Mann gefunden, Und er fuhr in
jeder Woche einmal Ihre Straße an, Und viele Frauen
kamen her, Und viele Frauen
sah man auf der Straße, Und sie hatte
dieses Glück gehabt Und etwas mehr. Dann kamen sie
voran und her, Sie hatte ihm ihr
Herz Nun wirklich
aufgeräumt Und konnte lieben, Wie sie ihm es von
sich wünschte, Und sie blieb für
ihn Und auch das Kind, Ein flüchtiges
Gesindel, Das hing ihm am
Halse. |
Sie war noch
Schülerin Und kam aus gutem
Hause, Und sie war ein
Musterkind Und war ein liebes,
frohes, lebensfrohes Und gesundes Kind Und war im Übergang
vom Mädchen Zu dem
Zwischending, Das wäre gerne eine
Frau Und möchte doch ein
Mädchen bleiben, Und das Fräulein
hatte man ja abgeschafft, Das wäre so ihr
Zustand, Den würd' sie
natürlich leugnen, Wenn man danach
fragte, Und sie stand ein
wenig fester In der Spur als
andere Und hinterließ nur
Spuren, Die ein wenig
freundlicher als andre waren. |
Väter würden sie
sich leicht Als
Schwiegertochter wünschen können, Aber das war auch
nicht zeitgemäß Und nicht modern, Obwohl man dieses
Mädchen ohne Zögern Lieber unmodern
gesehen hätte, Und sie war's
vielleicht im Grunde auch. Sie selbst war, Wenn man sie in
Ruhe ließ, Mit sich
beschäftigt, Und sie spielte
eines dieser Saiteninstrumente, Und sie hatte
Unterricht Und kleidete sich
angenehm Und immer etwas
unbewusst Und dann bewusst zu
ihrem Vorteil, Und sie wuchs
beneidenswert Von niemandem
beneidet Unter liebevollen
Händen auf Und riss sich, Wenn das Leben auf
ihr ritt, Im Handumdrehn die
Haare auf, Und ihre Augen
stießen in den Wind Und riefen nach der
Sonne, Und sie würde, wenn
es irgend ginge, An der Nordsee eine
Sturmflut Miterleben wollen. |
Und sie wollte
diesen Sturm um sich Und alles sollte um
sie wüten, toben, Und sie wollte das,
was sich so salzig Auf den Lippen
niederschlug, In einer Gier, als
gäbe es kein Salz Auf dieser Welt, Mit Schaum
vermischt probieren. |
Er stand im Abitur Und stand schon
außerhalb Und hätte nicht
mehr in die Schule kommen müssen, Und er war zu klug Und war zu gut, Und jeder seiner
Lehrer lernte schon von ihm Und stellte ihn
jetzt frei Und stellte es ihm
frei, Das konnten sie Und auch vor sich
vertreten. Und sie mochten ihn
sehr gern', Und er schrieb
trotzdem mit Und kam wohl mehr
aus Kameradschaft Zu den anderen, Die freuten sich Und sahen ihn sehr
freundlich an Und hatten nichts
von ihm, Und er erzählte in
der Pause, Dass er grad' von
einer andren Prüfung käme, Und er hätte nur
aus Übermut Und mit Erlaubnis
zweier Professoren Eine Prüfung für
Juristen mitgemacht, Dort hätte er den
Fall ganz anders, Als es in den
Büchern stand, gelöst, Und viel
verständlicher Und viel juristischer,
als man es dachte, Und er war
herausgeragt, Und seine Arbeit
würde man nun weiterreichen. |
Und die andren
kannten seine Späße, Seine Kapriolen, Und er hatte seinen
Orgelschein gemacht Und übersetzte nur
zum Zeitvertreib Den ohnehin schon langen,
schweren, deutschen Text Erst ins
Lateinische Und dann ins alte
Griechisch, Beides, fand er,
waren tolle Sprachen, Und zurück ins
Mittelhochdeutsch, Und er war im Sport
so voller Kraft Und Überkraft, Dass er sich
zweimal etwas brach, Darüber schrieb er
beide Male Einen medizinischen
Befund, Den brauchte ihm
kein Arzt zu korrigieren. |
Und in seiner
freien Zeit ging er auf Jagd Und jagte nichts Und hatte seinen
Jagdschein Ungewöhnlich früh
und gut gemacht, Man musste ihn für
ihn verwahren. Nach dem Abitur, so
hatte er beschlossen, Würde er, Weil ihm ja alle
Türen offen stünden, Die Akademie für
Forstwirtschaft besuchen Und dem Wald Zu einem echten
Wald verhelfen. |
Dieses dumme Ding,
die Zeit. "Zeitenlose
Zeit", hört sie's im Kopf. Es schießt der
Spruch durch ihre Selbstgespräche Als der Ruf nach
einem kleinen Kind, Als suchte man im
Spiel sein eignes Kind Und wüsste ganz
genau, Wo es im Zimmer
steckt, Und geht an ihm
vorbei Und ruft es
möglichst ahnungslos Und überhört
absichtlich die Geräusche, Die es macht, damit
man's nicht bemerkt. Ihr tut nichts
leid, Und heute hat sie
einen Tisch gedeckt Und will ein Datum
feiern, Und es ist noch
etwas Zeit, Und alles hat sie
vorbereitet, Und sie weiß nicht, Ob die andren
Frauen ehrlich sind, Wenn sie sie ab und
zu beneiden. Sie weiß jedenfalls
von sich, In ihrem Leben
hatte alles seinen Preis, Und manchen Preis
muss man vorweg bezahlen. |
Auf dem schweren
Tisch steht eine Galerie Von schönen Dingen; Teller, Gläser, silberne
Bestecke, Blumen, seidene
Servietten, Kerzen, Kleine
Porzellanfiguren, Schüsseln denen
Obst entwächst. Das Zimmer selbst
strahlt eine Liebe aus Zu den Personen,
die hier wohnen, Dass sie sich die
Arme In dem Nacken
faltet Und auf alles
lauscht, Was in ihr klingt. Und die Musik ist
auch das Schnitzwerk Dieses Augenblicks, Und jemand, den sie
gar nicht sah, Nimmt ihr die Hand
zurück Und hält sie leicht
in seiner, Und sie dreht sich
nun im Tanz mit ihm Und flügelleicht
wird sie Und denkt, man soll
nicht so viel fragen. |
Und sie trägt ein
langes weites Kleid, Bestickt mit
tausend Kleinigkeiten, Die aus ihrem Leben
sind, Und ist im Kleid
voll Rauschen, Knistern,
Nachsichziehn, Und rundherum sind
Spiegel, Die bespiegeln sie, Und in den Saal, der
sich nun richtig weitet, Werden schlanke
Gläser auf Tabletts herein getragen, Das sind wunderbare
Tänzerinnen, Die, den Tanz in
ihrer Füllung perlen lassen, Und heraus aus
einer Eigendrehung Ist sie selbst im
Glas Und sieht hindurch Und lacht laut über
die verzogenen Gesichter, Und die neigen sich
nun alle über sie, Und sie erkennt ihr
Kind, Das weckt die
Mutter auf Und ruft nun noch
einmal: "Es klingelt
schon". |
Er verstand total Die Welt in seiner
Welt, Und andre Welten drängten
sich in seine, Und die hatten
wenig Glück mit ihm, Er konnte sich
bescheiden, Und er hatte sich
beschieden Und entschieden, Und
Berührungspunkte waren spürbar, Und man musste sich
das eine oder andre Mal Verzeihen können. Irgendwie war er
auch sehr brutal zu sich Und hatte eine
rücksichtslose Phantasie, Und eine Sprache,
sagte er, ist weiter nichts, Als dieser
aufgehackte Untergrund für Schienen, Eine Schwelle reiht
sich darauf an die andere, Und oben reisen die
Gedanken gnadenlos. |
Bis jetzt war ihm
die Reise recht, Und eines Tages, Es war gar kein
Grund ersichtlich, Endete die
Reiserei, Man zwang ihn,
einen Bahnhof zu betreten, Den er gar nicht
kannte. Was ihn, bis
hierher getragen hatte, Reiste weiter ohne
ihn, Er selbst ließ dies
Geschehen unbeachtet, Und er sah sich um Und suchte einen
Grund, Der war nicht
flüchtig Und war nicht
vorhanden, Und der war in ihm, Und in ihm
schwankte eine Leere Bis in das
Bewusstsein, Eine Angst von
großer Kraft Schoss durch die
Risse eines Deiches, Den er nie gesehen
hatte, Und er wusste nicht
einmal, Was der
zurückhielt. |
Eine Panik hatte
ihn gelähmt, Und eine Frau in
seiner Nähe Sprach ihn an, Er konnte sich ihr
nicht erklären, Und die Schwellen
seiner Sprache Lagen völlig ungeordnet
unter den Gedanken, Und in den Gedanken War für Worte, für
Erklärungen, Nicht Platz, nicht
Raum, Er war auch zu
beschäftigt, Und er ging zu
einem Arzt, Den hatte seine
Frau schon informiert, Sie hatte auch
gemeint, Ihr Mann sei sicher
viel zu sehr belastet, Und der Arzt
entdeckte viel an ihm Und schwieg dazu, Und dachte an sich
selber Und wie wenig ihm
sein Wissen nützte, Und verschrieb ihm
eine Medizin. |
Es stand in ihr am
Horizont Ein Flächenbrand, Und sie war aus
Papier Und ängstigte sich
sehr, Und Schuld daran
war diese Sommerhitze, Diese Schwüle, die
nicht wich,. Und sie in dummer
Eile Auf die Straße
hetzte, Und der Schweiß
brach aus Und stand auf ihrer
Stirn Und lief am Hals
herab Und in ihr Kleid. Darunter trug sie
kaum noch Wäsche, Und sie würde
salzig schmecken, Und sie sehnte sich
nach Wasser, Nach dem Bad, Das müsste
innerlich entstehen, Und sie kam grad'
aus der Dusche, Die erreichte nicht
den Herd in ihr, Und auf der Straße
blieb sie stehen Und geriet in einen
Wirbelwind aus Staub, Den riss ein Auto
hoch, Und auf den Weg
flog ohne Grund Der Außenspiegel,
der brach nicht entzwei Und wurde nicht
vermisst. Der Fahrer sah ihn
auch nicht liegen, Und sie bückte sich
danach Und sah sofort die
Eigenart in ihm, Er spiegelte, was
er erfassen konnte, unter sich Und in die Erde,
die ihn trug. |
Sie war ganz
fassungslos Und sah hinein, Und alles wurd' in
ihm verkleinert, Und die Sonne stand
in ihm Und wurde
ausgeblendet, Und es war der
Nachmittag, Der kam vor Hitze nicht
voran Und heiß war jedes
Gitter, jede Straße, Und der Brand kam
immer näher. Und sie riss ein
trocknes Gras Von einer braunen
Wiese ab Und steckte es sich
in den Mund, |
Und irgend etwas
müsste man beginnen, Ohne zu
verbrennen., Und sie war doch aus
Papier Und riss ein
Streichholz an Und warf es unter
sich Und ging nicht von
der Stelle und hielt Stand, Sie liebte es, Wenn sie in Flammen
stand Und sich zu Asche
brannte. |
In der Birke zählte
sie elf Krähen, Und die krächzten, Und sie dachte
sich, dass die sich zanken, Und sie dachte
auch, Das ist vielleicht
die Sprache, Die sie sprechen
und verstehen, Und sie dachte
gleich an sich Und sah sich
zwischen ihnen als ein Schwarztier, Und sie käme um bei
denen, Und sie hatte einen
jungen Mann entdeckt, Der passte ganz
genau, Der hatte auch
Vermögen Und bis jetzt noch
nicht an eine Frau gedacht, Sie war darin
geschickt und schnell Und umsichtig
gewesen, Und er hatte sie
genommen, Und er machte sie
zur Mitbesitzerin. Nun hörte sie
erneut auf das Gekrächz' der Krähen Und verstand ein
wenig mehr Und sicherte ihr
Überleben ab. |
Sie selbst war als
ein Wunschkind Einerseits geboren, Und die andre Seite
war im selben Augenblick Geflohen, Und sie wurde großgezogen
von dem andren Mann, Den sie nun Vater
nannte, und der Mutter. Ihren eignen Leib Hielt sie dem
eignen Mann versteckt Und offenbar In Trauer und in
Sorge immer wieder hin Und wünschte sich
von ihm, Dass er sich
endlich etwas von ihr wünschte, Dass sie von ihm
schwanger wurde, Zog sich auch von
ihm darum zurück Und half zum
Schluss ein wenig nach. |
Nun saß sie oben in
der Spitze Unter all den
Krähen, Und sie hielt die
Hände auf den Leib Und spürte warme
Säfte in sich kreisen Und verstand von
dem Gekrächze Jedes Wort Und herrschte über
alle, Und die Zeit der
Niederkunft, beschloss sie, Würde auch zum
Augenblick, In dem sie ihre
Welt gebären würde, Und die sollte ohne
Schaden sein, Und das Gekrächze
schwarzer Krähen Würde sie im Handumdrehen
aus den Birken dieser Welt Vertreiben. |
Er lag noch auf der
Straße, Kurz vor einem Ort, Dort wollte er die
Nacht verbringen, Und er würde sich
Zuhause melden, Schnell nach
aktuellen Dingen fragen, Und er sprach im Auto
mit dem Auto. Früher, dachte er, Sprach so der
Reiter mit dem Pferd. Er hatte seinen
Sommer hinter sich, Und ihm war nichts
passiert, Und immer lag ihm
jemand auf der Lauer, Dafür hatte er
Instinkt entwickelt, Und er selbst war
redlich, Kaum geschwätzig, Unterhielt sich gut Und hatte einiges
aus seinem Leben überschwiegen. Das, so dachte er
bei sich, Nehm' ich mit mir
ins Grab, Und dachte auch
daran, Wie er wohl enden
würde, Und er machte Licht
an seinem Fahrzeug an, Das griff gleich
auf den Seitenstreifen, Und er sah dort
eine elegante Frau Aus einem Wagen
steigen, Der stand viel zu
schräg Und kam nicht mehr
voran. |
Sie sah zu ihm und
winkte ihm, Er dachte, der kann
ich den Rahmen bieten, Der ihr fehlt, Und eine Wachheit
schoss durch ihn, Er dachte auch, Es könnte sich
daraus für ihn etwas ergeben, Ihren Wagen würd'
er liegen lassen, Und in seinem Alter
brauchte man Ein Abenteuer, wenn
es eines geben sollte, Nicht zu fürchten. Und sie stieg
gleich ein Und knöpfte ihre Bluse
etwas strenger zu, Das brachte wenig, Und sie kannte das
Hotel, Weil sie, wie er,
auf Reisen war. Sonst war sie
freundlich still Und ungeheuer
anschmiegsam Und aß mit ihm Und zahlte auch ihr
Zimmer selbst Und kam zu ihm und
blieb bei ihm Und stand dann auf Und holte ihm, weil
er es wollte, Als sie danach
fragte, Ein Glas Wasser, Davon trank er
einen Schluck Und gab das Glas
zurück. |
Die Wirkung setzte
sofort ein, Und das Bewusstsein
zeigte ihm Noch einen
Augenblick, Den starrte sie ihn
wartend an, Und der Gedanke an
Betrug in ihm brach ab. Sie nahm ein Bad
bei ihm Und alles, was er
hatte, Schecks und Geld, Den Ausweis und
sein Gold Und hinterließ in
ihm ein Allerweltsgesicht, Das konnte er der
Polizei, Die erst am Morgen
kam, Nicht mehr
beschreiben. |
Sie sagte sich
sofort, Die andre Frau hat
auch nicht mehr als ich Und Jugend ist
nicht alles, Und was ich hab,
hat sie sicher nicht, Und das hat sich
bewährt, Und eigentlich bin
ich im Vorteil, Und ich will sie auch
nicht kennen lernen, Danach drängte sich
die andere. Sie dachte auch an
eine neue Freiheit, Die könnt
unermesslich sein, Und einen solchen
Maßstab Hatte sie für sich
noch nicht bereit. Sie wusste was sie
hatte, Und das gab sie so
nicht her Und wollte sich
nicht daran klammern. Ihre Apotheke war
noch sauber aufgeräumt, Und ohne Überfall War sie bisher
davongekommen. Abends machte ihr
ein Anruf von ihr klar, Dass er sich
schnell entschlossen hätte, Und es wäre besser
so, Und für Gespräche, Um den Zustand neu
zu klären, Fände man bestimmt
bald Zeit, Und über alle
andren Regelungen Sollte sie nun ohne
Sorgen sein, Das käme auch in
Ordnung, Und er kam nicht
heim. |
Am Morgen nach der
Nacht, Die sich als Nacht
nicht zeigte, Warf sie ihren Lieblingsstuhl,
der war antik, Mit ungeheurer
Kraft zu Boden, Und es brach von
ihm ein Bein Als Sprödbruch in
drei Teile. Das war nun ein
echter Grund zum Weinen. Und sie schwor zu
handeln, Und es sollte sie
kein Telefongespräch Aus ihrer Hand
entblößen, Und der Wind stand
scharf und kalt Vor ihrer Tür, Und ihre Apotheke
hatte plötzlich nur Verfallstermine
aufzuweisen, Jede Gültigkeit war
überschritten. So verging der
zweite Tag, Und sie litt unter
einer Blutung, Die war plötzlich wichtig,
weil sie nicht Im Rhythmus lag, Sie musste sich
auch eine andre Blutung In sich stillen, Und sie dachte
voller Hoffnung Und mit etwas
Stolz; Vielleicht kann man
sich auf den Mann verlassen, Und es war ja
vorgesorgt, Und überhaupt,
verlassen hat er mich noch nicht. |
Sie suchte kein
Gespräch mit ihm, Er hatte ja noch
nicht mit ihr gesprochen. Dann, am vierten
Tag kam er nach Haus. Sie war geschwächt Und auf ihn
angewiesen Und wies nicht auf
ihn Und fragte, ob er
bleiben würde, Weil sie einen
Stuhl zu reparieren hätte, Und die Apotheke
sei nicht aufgeräumt. Er machte sich
sofort daran Und leimte fast die
ganze Nacht Das trockne
Holzbein, Und sein Ehrgeiz
war, dass niemand, Der den Stuhl
bewundern wollte, Über seine
Klebestellen fiel. Er wollte selbst Auch gar nichts
davon wissen. |
Die Bewohner großer
Meere senden mich, Ich soll die
Wolkendecke untersuchen, Die sich auf der
Wasseroberfläche bildet Und in Schollen
bricht, So nennen wir das, was
die andren Wolken nennen, Und ich bin
Bewohner eines Meeres Und gelang das
erste Mal nach außerhalb. Man gab mir Raum
und Zeit , Die sind hier so
unendlich weit Und übergroß, Dass ich den Raum,
die Zeit vergaß, Und alles, was mich
unter Wasser band. Und über Licht aus
Eis und Wärme Muss ich unbedingt
berichten. Beides ist für die
Bewohner kalter Meere Tödlich. |
Als ich aufstieg, Zielte man mich in
Gebiete größter Schollen, Und man wusste von
der Tageslänge, Die nicht endete, Das war für uns von
Vorteil. Schwer war unser
Durchbruch, Und die Kleidung,
die mich schützt, Von unschätzbarem
Wert, Und wir erwarten
hier kein Leben Und erforschen
jedes Eisgefilde. Starr steht eine
Sonne, Und wir hatten nie
zuvor Gelegenheit, So nah an sie
heranzukommen, Und wir messen und
vermessen alles. |
Unser Wissen musste
sich bisher Auf Strahlen
konzentrieren, Die durchs Wasser
brachen Und im Meer zu
finden waren. Oben auf dem Eis
erkennen wir die Welt Und sehen auch, Dass wir im Anfang
des Erkennens stecken. Eine andre Reise
soll in zwanzig Jahren Auf die abgewandte
Seite führen, Dort, sagt man,
herrscht ewig Finsternis, Und wir, Die aus den Meeren
kommen Und ins Eis geraten
sind, Verwandeln unsre
eigne Welt vollkommen, Und sind hier
nichts weiter, Als ein Eiskristall
im Wind. |
Nachts stand ich
allein am See, Der war gefroren, Und ich wollte auf
die Schreie achten, Die sich in den
Rissen jagten, Die sich durch die
Decke zogen. Nachts stand ich
allein am Eis Und sah auf einen
weißen Mond, Der wurde
strahlender Als seine Sonne. |
Nachts stand ich
allein am Eis Und fror Und sah in tiefe
Schatten, Die sich reglos
regten Und mit knisternden
Geräuschen aus den Zweigen In ein Eigenleben
flohen. Nachts stand ich
allein am Eis Und wusste nur von
mir Und sah so scharf
es ging Ans andre Ufer, Und es mochte sein, Dass meine
Einsamkeit in Wahrheit Nur ein Teil von
vielen Einsamkeiten war. |
Am Eis wurd' ich
zum Eis. Die Luft wurd' Eis,
die Erde, Jeder Laut, das
Fühlen, Schmecken Riechen, Ich kristallisierte
durch und durch Und machte mich zu
seinem Klirren, Das klang wohl in
mir Und machte stumpf Und sehr ergeben, Und ich lag bequem Und fasste mich
nicht an, Und achtete auf
Risse, Die sich durch mich
zogen Und in Schreien mich
durchjagten. |
Nur ein
Flügelschlag. Aufgeschreckter
Tannenzweig. Schnee fällt aus
dem Grün. |
Nur ein
Flügelschlag. Die letzte rote
Beere. Keine Spur im
Schnee. |
Nur ein
Flügelschlag. Den Schnabel in die
Sonne. Eiskristall fliegt
auf. |
In der Auswahl
herbstlich brauner Hüte Den zu wählen, der
ihr steht und passt Zu dem passt, Was sie heute
tragen will, Ist schwer. Sie ist zu fest
entschlossen, Um sich zu
entschließen, Und das Wetter
lässt auch einiges nicht zu, Es geht ein kalter
Wind dort draußen, Und hier drinnen in
der Wärme Schichtet sich die
Kälte, Und sie ist ein
Mensch, Der spürt mit
seiner Haut, Und die bezieht
sich unter ihrer Kleidung Mit dem Schauer
eines Frostes, Und sie hat auch
Angst, Dass ihre Haut
darunter leidet. Schnell schiebt sie
die Ärmel hoch Und sieht ihr
Silberfell sich aufwärts stellen, Und dann richtet es
sich wieder, glättet sich Und liegt nun
wieder flach. |
Und sie ist stolz auf
diese Haut, Auf diese
Trockenheit, Die ist nur soweit
trocken, Dass sie unter
eigner Hand Und auch in andrer Zum Geschmeide
wird, Zu einer
Perlenkette, Die möcht' man sich
durch die Lippen ziehen, Und sie hebt den
Arm Und leckt ihn mit
der Zunge Und empfindet sich. Wenn sie ein andrer
wär', Würd' sie nicht
Rücksicht nehmen Und nicht von sich
lassen, Und sie wüsste dann
um sich Und würde sich
zugrunde richten, Und man glaubt ihr,
Gott sei Dank, Dass sie sensibel
ist, Und schnell bekommt
sie blaue Flecken. |
Nun entdeckt sie
dieses braune Seidentuch, Das schlingt sie
unter ihrem Hut Um ihren Kopf, Das schnürt sie
ein, Versteckt sie
rundherum Und macht sie
irgendwie begehrt, Das hatte ihr
gefehlt. Sie nimmt den
hellen Pelz Und zupft an ihrem
Stirnhaar, Wegen seiner Farbe, Und geht aus. Man kann sich in
den Kaufterrassen, Ohne sich gleich zu
verkaufen, Sehen lassen, Und man wird
gesehen, Das geschieht
geschickt, Indem man Leute
übersieht, Und sie, wie
ungeschickt und unaufmerksam, Noch im letzten
Augenblick Entdeckt und sich
entdecken lässt. So nimmt sie ihrem
Tag die Täglichkeit, Die würde sonst
nicht weichen. |
Er sagte, als er
ankam: "Ich bin hier
und mag euch alle gerne", Und die Leute
wussten nicht einmal, Woher er kam. Er nannte
irgendeine Stadt, Die lag wohl
außerhalb Und war ganz
unbekannt, Und jeder wusste
jetzt, Das war die Stadt,
aus der er kam. Die Leute hatten
ihn gefragt, Weil er im
Städtchen an der Straße saß, Und seiner Sache
sicher war, Das tat sonst
keiner, Und die Leute
hatten ihn gefragt, Ob er nicht Hunger
habe, Und er sah ja nicht
verwahrlost aus, Und hatte eine
Freude im Gesicht Und eine
Freundlichkeit, Und Durst, so sagte
er, Sei auch vorhanden, Und man schämte
sich, Ihn nicht danach
gefragt zu haben. |
Und er wurde Gast Und durfte bleiben
für die Nacht, Und abends schon
erschienen Nachbarsleute, Die nach diesem
Neuling fragten Und ihn selber
sprachen, Und er war sehr
lieb und ihnen zugetan Und wortgewandt und
aufgeschlossen, Und er gab den
Leuten Rat, Dass sie sich von
ihm An die Hand
genommen fühlten, Und er war noch
keine dreißig Jahre, Und die Tochter war
sofort verliebt in ihn, Und ihre Augen
zogen weite Kreise, Zogen immer wieder
über ihn Und sahen ihn noch
lange, Und sie strich ihm
in Gedanken, Als sie längst in
ihrem eignen Zimmer schlief Und wachte, Über seine Lippen, Seine Hände, Über alle Worte,
die er allen sagte. So nahm sie in ihm
ein Bad Und war dort nicht
allein, Und keiner wusste
von den andren. |
Alle dachten an den
jungen Mann, Und jeder, auch die
Männer, Waren ganz vertraut
mit ihm Und trauten ihm
gleich alles an, Das hätten sie sich
nie getraut, Und niemand sprach
in seiner Gegenwart Die Schmutzigkeiten
an. So war er Gast Und machte, die ihn
luden, Weit im Vorhinein
zu seinen Gästen, Und er blieb ein
Jahr Und tat sonst
nichts, Und alle taten
alles nur für ihn, Und jeder wusste es Und jeder schwieg Und liebte ihn für
sich, Und keinem gab er
körperliche Liebe. Und an einem Tag Ging er mit einem
letzten Nicken seines Kopfes Fort, Und Tränen sah man
in Gardinen hängen, Und es wagte
niemand Ihn zurückzuhalten. |
Der Tag war kaum
noch Tag. Der Gutenachtgesang
der Vögel, Der, das wussten
wir inzwischen, Nicht zu unsrer
Freude angestiftet wurde, Läutete den Abend
ein, Dann kamst du heim Und fandst sofort
den Brief, Und schon im Öffnen Jubelte ein Licht
in deinen Augen, Das traf dich von
außen Und entzündete in
dir ein Funkeln, Das von den
Facetten deiner Netzhaut wider strahlte, Und ich sah, Dass es sich in den
Kanten Echter
Freudentränen brach. |
Im dummen
Ordnungssinn, so fiel mir ein, Hat kürzlich unser
Nachbar Einen Baum um einen
Arm beraubt, Der lag am Boden, Und der Abend kam
herauf , Und in den Ästen Über diesem Ast,
der fehlte, Saß ein Muttervogel
oder Vatervogel, Dem der Landeplatz
zum Nestloch fehlte, Und der Nachbar
schiente den gefallnen Arm An seine Stelle, Und es war ja nur
die Aufmerksamkeit die
in dieser Unaufmerksamkeit
gelegen hatte, Und so sah ich dich Und hörte, wie du
riefst: "Hurra, es
fängt der Tag am Tagesende an", Du schluchztest in
der Freude, Und die Arme, die
du von dir warfst, Verlangten nach
Umarmung, Und sie schlangen
sich, Mit dir im Schleppe Um einen Schrank, Das ging zu
langsam, dann um mich. |
Du drehtest dich
dabei in Wahrheit als ein Kreisel, Als ein Kreisel um
dich selbst Und schwangst weit
aus, Obwohl du mich im
Drehen Mit zu drehen
wünschtest, Und du sprangst in
eine Kettenschaukel, In ein
Kettenkarussell, Das drehte sich, Das drehte dich, Und alles drehte
sich um dich Und drehte sich um
dich Und drehte dich um
sich. Dir glitt der Brief
zu Boden Und du griffst ihm
nach Und risst ihn hoch Und schlugst die
ganze Schreiberei Vor dein Gesicht Und weintest
endlich laut vor Glück In deinem Glück, Das konnte niemand
hören, Außer dir. |
Er kam an unsren
Zaun, Der war für ihn
kein Zaun, Und sagte:
"Guten Tag", Und wünschte ihn
uns wirklich, Und er wünschte
auch, Dass wir dasselbe
für ihn wünschten, Und er kam in
unsren Garten, Und er sagte:
"Wenn ich darf, Dann helf' ich bei
der Gartenarbeit, Und ihr gebt ein
Geld dafür, Und Geld gibt man
für Arbeit.“ Und es sollte nur
ein Geld sein, Und ich hielt ihm
eine Münze hin, Die war nichts wert Und war ihm wert
genug, Und ich war im
Betrug und zeigte einen Geldschein, Der war seine
Arbeit wert, Der war ihm wert
genug, Und er sah nicht
den Unterschied. Er sollte seinen
Schein bekommen, Wenn er fertig war. Zur Mittagszeit Kam er an unsre
Küchentür Und setzte sich an
unsren Tisch. Es fehlte ein
Gedeck, das sah er gleich, Das sagte er, Das reichten wir
schnell nach. Er aß mit uns und
trank mit uns Und wusste seinen
Namen nicht Und sagte, wie er
hieß Und wie ihn andre
riefen, Und in seiner
Anstalt wäre er Schon etwas
Besseres. |
Und durfte außer
Haus dazu verdienen, Und er wäre in der
Anstalt in der Pflicht Und hätte auch ein
Schloss Vor seinem Schrank, Das durfte er nicht
selbst bedienen, Und er 'wickelte
die Jungs': "Die sind sehr
krank, Und einer muss sie
immer reinigen, Die sind so alt wie
ich, Und leben nicht
mehr lang' Und spüren nichts
und sind todkrank Und liegen
angeschnallt in ihren Betten. Und ich bringe
ihnen manchmal etwas mit Und halte es vor
ihre Augen, Und sie zucken dann
und schreien laut, Das ist die Freude, Die will
'raus." Dann fand er sein
Papier, Das zeigte er, Es war die
Radfahrprüfung, Und die hatte er
bestanden, Und er war darauf
benannt mit einem Zeichen Und mit einer
Nummer, Und er hieße, sagte
er, Und zeigte mit dem Finger
auf die Schrift: 'Karl-Heinz', Und steckte seinen
Ausweis wieder ein. "Und ich muss
pünktlich sein". |
Im Garten machte er
die Arbeit gut Und rauchte die
Zigarre, die war kalt, Die rauchte er erst
abends richtig, Und er würde alle
vierzehn Tage Wiederkommen, Und er fragte uns
nach unsren Namen, Und wir wären gute
Leute, Und er ginge nur zu
guten Leuten, Und er selbst sei
gut Und völlig
ungefährlich. Und er nahm den
Schein, "den gebe ich
in meiner Anstalt ab, Weil ich ja alles
habe, Und man gibt mir
dafür etwas anderes", Und wünschte einen
'Guten Tag', Und wünschte ihn
uns wirklich, Und er wünschte
auch, Dass wir dasselbe
für ihn wünschten, Und die Kinder
riefen ihm Noch
Freundlichkeiten nach, Und ging und kam,
wie er gesagt, Jahrein, jahraus, Und sagte überall: "Ich lebe
jetzt in zwei Familien". |
Sie war die
Tagesfrau Und nannte sich
"Modell" Und gab die Weiten
an, Die waren nicht die
wahren Weiten, Und ihr Telefon War nicht ihr
wahres Telefon, Das lief auf die Zentrale, Und wer zu ihr kam, Der zahlte nicht, Der hatte alles
abgemacht, Und alles dauerte
die Zeit, Die war fast immer
gleich, Und nachmittags zog
sie in dieses Zimmer, Das war immer
aufgeräumt Und lag gleich
neben einer Wohnung, Und von nebenan
rief oft ein Mensch, Der wollte Ruhe
haben, Und man hörte auch
um diese Zeit Das Kindertoben, Und in ihrem Zimmer
wurde manchmal auch getobt. |
Bei jungen Männern Hatte sie noch eine
echte Chance, Die hatten sowieso
kein Geld Und hatten einen
Sonderpreis Und durften nicht
so viel Von ihr verlangen, Und sie war ja
nicht mehr jung, Und wäre sonst wohl
kein Modell am Tage, Und die anderen, Die wegen ihrer
Qualität am Tage lagen, Waren weit, weit
über ihr Und gaben ihre
Weiten auch nicht an Und wurden sehr oft
eingeladen Und woanders
ausgeladen, Und die waren dort
als Stargast eingeladen, Davon konnte sie
nur träumen. Und sie machte
pünktlich Schluss Und hatte noch
Familie, Und es kam dann
vor, Dass jemand nach
ihr fragte, Hatte sich ihr
angesagt und kam zu spät. Dann gab sie ihre
'Freundin' an, Die kannte sie
sonst gar nicht, Und die lernte sie
vielleicht In diesem
Augenblick erst kennen. |
Außer diesen Frauen Kamen keine Frauen
auf das Zimmer, Das verbat sie
sich, Und andre Frauen
trauten sich nicht 'rauf. Und Stunden lang
saß sie oft ungefragt Und wartete, dass
man sie fragte, Und sah das
Programm von gestern Abend an Und sah in
Spielkassetten, Und sie rauchte
nicht Und trank nur
selten Und sie war nicht
überfordert Und verdiente sich
ein wenig nebenbei, Das durfte man sich
nicht verdienen, Und sie hatte keine
Sorgen mit der Steuer, Und es steuerte
auch niemand sonst an ihr, Und wer das Zimmer
regelte, Ging sie nichts an. Mit ihrem
Auftraggeber sprach sie nur Am Telefon, der gab
Bescheid, Und hier in ihrem
Zimmer gab es Zeit zu lesen, Und sie dachte über
eine Kurzgeschichte nach, Darin beschrieb man
eine ewig kranke Frau, Die lernte nie in
ihrem Leben Das Gefühl der
völligen Gesundheit, Des sich Streckens
unter ihrer Haut, Des Übermutes ungenutzter
Kräfte Kennen. |
Das alte Leben Lebte immer noch in
alter Post Und alten Briefen
fort Und war schon lange
tot, Und das, was lebte, War die Hoffnung
auf die Saat, Die hatten Winde
fortgerissen, Als es stürmte, Und er wusste, wo
er einmal liegen würde, Und die Schrift im
Stein Stand auch schon
fest bis auf die eine Zahl. Er würde noch ein
letztes Mal An ihrer Seite
liegen, Und er dachte Über diesen Punkt
hinaus Und dass die Zeit
danach verlaufen würde, Und man würde ihre
Knochen Durcheinander
pflügen und vermischen Mit den anderen,
die er nicht kannte, Und von ihm und ihr Und von den anderen Würd' letzten Endes
gar nichts bleiben. Und ein andrer
Platz stand unter Denkmalsschutz, Das nützte auch
nichts, Und er ging dorthin Und sah sich alles
an Und hatte ja noch
Zeit Und sah die
Namensschilder, Schwarze
Marmorplatten, auf der Erde liegen. |
Nichts war hier
gemacht. Der Zaun verbog im
Rost, Der kam, das sah
man gleich, Aus dieser Erde, Und es lagen ausgefahrne
Kinderwagen., Dosen, Zeitungen,
Papier, Elektroteile, Autowracks
vermischt mit Letzten Wünschen,
Seufzern, Hoffnungsvollen
Sprüchen, Hoffnung auf den
Glauben, Auf die Wiederkehr, Auf edles Handeln
Überlebender Und auf Gedenken Durcheinander. Eine große Linde
war In ein Familiengrab
gewachsen, Und es ging von ihr
viel mehr aus Als von jenen
Dingen und den Menschen, Die dort unten und
im Boden lagen. Ihretwegen kam er
her Und sah an ihrem
Stamm nach oben in die Krone, Die nun wirklich
etwas krönte, Und das fand er
nicht heraus Und war sehr oft
bei ihr. |
Im Nachbarland, Das war das eigne
Land, Gab's einen Maler, Der seit über
zwanzig Jahren Lindenbäume malte, Und er malte ihre
Wurzeln Und den Teil der
Wurzeln, der zu sehen war, Und malte, was er
sah Und sah es immer
neu, Mit immer neuem
Auge, Und die Bilder die
er malte, Rührten alle und
besonders alte Leute In ganz sonderbarer
Weise, Und sie gaben eine
Ruhe Und sie waren die
Beruhigung an sich, Nach der man, Wenn man in der
Ruhe lebte, Gierig Ausschau
hielt. Es war wohl kein
Geheimnis, Wenn man das
Geheime Offenbaren konnte, Und es stand vor
ihm Und war ein Fall
der Denkmalspflege, Und es müsste sich
ihm doch auch offenbaren, Wenn schon jeder
davon wüsste. |
In dem Strafvollzug Vollzog man keine
Strafe. In der Strafanstalt
zog man die Strafe an, Damit man lernte,
sie von sich zu weisen. In der Zelle war
ein Goldknopf An der Tür. Wer den benutzte
rief die Dienerschaft, Die kam sofort
herein Und fragte Wünsche
ab, Falls man sie
formulieren konnte, Und die Tür blieb
nur für sie Ein Durchgang, Sonst war sie ein
Teil der Wand Und undurchlässig, Und die Tür an sich
blieb unsichtbar. Der Raum war groß
genug Für drei Personen, Und als erste kam
ein Mann Von etwa vierzig
Jahren, Der war angenehm
enttäuscht und überrascht, Dass eine
Dienerschaft sich sorgte, Und er hatte
Wünsche, Die erledigte man
gleich, Und diese
Kleinigkeit, die an dem Ausgang hing, War irgendwie
gerecht Und würde bald ein
Ende haben, Und er wünschte
sich für sich, Weil ihn hier
keiner kannte Und Besuch nicht zu
erwarten war, Und weil die Zelle
richtig schien, Die Frau dazu, um
derentwillen er In dies Verließ
getragen worden war. |
Man stellte ihm den
Wunsch anheim Und könnte ihn
erfüllen, Wenn auch er den
Wunsch der Frau, die zu ihm käme, Nach dem Menschen
ihrer Wahl, Im Vorweg
akzeptieren würde, Und er stimmte zu. Die Frau, die in
das Zimmer kam, War eine Fremde, Die er nie zuvor
gesehen hatte, Und sie war in
seinem Alter, Und sie hatte diese
Sonderheit, Die Frauen haben,
die im Grunde Männern ähnlich
sind, Ihn widerte die
Doppelfremdheit an, das brauchte er
nicht zu ertragen Und beschwerte
sich, Das hatte man mit
ihm nicht abgemacht, Und die Beschwerde
nahm man an. |
Die Frau war kühl Und kümmerte sich
nicht um ihn Und hatte ihre
Möglichkeit sofort erkannt Und wünschte sich
die Freundin auf die Zelle, Und er warnte sie, Und sie war fest
entschlossen, Und es kam ein
junger Mann zu ihnen, Der fiel ihm gleich
vor die Füße, Und das war ein
weicher Mensch, Der ekelte sich vor
den Frauen, Und die
Dienerschaft zog sich zurück Und baute ihre
Glocke- ab, Und in die Wand
schob man nun eine Eisentür Mit einer kleinen
Klappe, Und sie weigerten
sich alle drei, Besucher, gleich
wer käme, Zu empfangen. |
Nach seinem
Herzinfarkt Nahm ihm sein Herz
nur noch Sehr wenig ab, Und eine Ader, die
zum Herzen führte, Führte viel zu viel Und bildete den
Blutsack aus Aus einem Rückstau,
der war gar nicht abzubauen, Und es staute sich
auch eine Angst, Die spürte er, Die drückte bis
nach außen. Über seine Medizin
hinaus Bekam er eine
Medizin, die half ihm nicht Und zog ihm eine
rosafarbene Gardine Vors Gesicht, Die täuschte ihn
und warnte ihn, Sich nichts mehr
zuzumuten, Und es wuchs sein
Mut Und er fand neue
Kraft, die durfte er nicht brauchen, Und er spielte hoch Und dachte lange
nach, Und mit der Arbeit
konnte er so jäh nicht enden, Und die Arbeit war
viel besser ohne ihn gemacht, Er dachte dabei an
das Geld nachher, Das wurd' mit jedem
Tag getaner Arbeit mehr. |
Er hatte hohe
Schulden abzuzahlen, Und er zahlte
lieber eher Und ein wenig
weniger und dafür mehr Und dürstete nach
dieser Trockenheit, Nach einem
sorgenfreien Bad Und sehnte eine
Zeit herbei, In der er sich um
diese Dinge sorgen könnte. Seine Tage waren
lang Und hatten keinen
Übergang zur Nacht, Die trat nicht ein, Und Nacht war
tagelang Und Tag war
nächtelang, Und insgeheim
bestand sein Wachen Aus dem Warten Und sein Schlafen
aus dem Lauschen. |
Zeit im Übermaß in
knapp bemessner Zeit. Und jede Rechnung
endete damit: "Wie lange
noch", und "Wie viel Zeit
ist schon vorbei", Sie dehnte sich
dabei nach vorn' unendlich aus, Und war doch sicher
kurz, Und die Vergangenheit
schien ihm Ein kümmerlicher
Tag, Der hatte sich im
Eigenfraß An ihm vorbei
gedrängt, Und seine
Wichtigkeit verloren Und sich selbst
verdaut. Die Krankheit war
sein Wendepunkt. Bis hier war
Unersetzlichkeit von ihm Ganz hoch gehalten
worden, Und nun dachte er
an Herzversagen Und an Herzersatz, Dem hätte er nicht
widersprochen. |
Sie war nur eine
Lehrerin Und kein Soldat Und hatte keine
herrischen Manieren, Und sie lebte in
dem Einundfünfzigländerstaat Und kam aus einem
Bundesland Und war für eine
Reise programmiert, Die sollte sie und
eine andre Frau Und weitere fünf
Männer in das Zweiundfünfzigland, Das stand am
Himmel, tragen. Dort hing auch die
Fahne der Nation Und stand, von
ihrer Wohnung aus gesehen, Auf dem Kopf, Und würde sich im
Raumflug, Der das Oben unten
und das Unten oben Und das Oben und
das Unten überall und nirgends zeigte, Richtig stellen. |
Anfangs hatte ihre
Reise Hindernisse, Das verstanden
alle, Und es gab wohl
keinen Menschen Auf der ganzen
Erde, Der es ganz
verstanden hätte, Dann hob ihre Fähre
ab, Und startete mit
einem Traum für sie, Der war die wahre
Nüchternheit Und keine Träumerei Und voller
Wachheit, Dass sie nichts an
diesem Traum versäumte. Sie gab Daten durch
und Zahlen, Und sie glaubte in
der größten Weite Die Familie und die
Klasse stehn zu sehen, Sicher irrte sie, Und unter ihr tat
sich das große blaue Auge auf, Ein Auge, dass den
Flug beäugte Und auch schlief
und lauerte, Ein Auge, das schon
einen falschen Namen trug, Denn die Geschichte
seiner Namensgebung War ein Irrtum, der
lag sehr wahrscheinlich In den Dezimalen. |
Unten lag ein
Schiff in diesem Auge, Das sah auch den
steilen Anstieg, Sah den weißen
Faden, Der sich in den
Himmel schrieb, Und sah auch, wie sich
plötzlich An dem Kopf der
Nadel Eine Flamme löste Und sich eine
Explosion Von ungeahnter
Kraft entfaltete, Die riss den Faden
ab, Schlug einen
Knoten, Der im Knoten
weiter explodierte Und trieb ohne Halt
den Antrieb in die Höhe Bis zur völligen
Verzehrung. Dieser Tag der Tage Nahm in sich kein
Ende Und war eine Zweiundfünfzigstaatenexplosion, Die registrierten
alle Seismographen dieser Erde Voller Schrecken Und Ernüchterung. |
Ein Bild von einem Bild entsteht
In Gedanken War er nie in den
Gedanken anderer gewesen, Und er hatte sich
davor bewahrt, gewehrt, Sich nicht dazu
verführen lassen, Und man sprach zu
ihm von Kunst, Die war für ihn von
vornherein verkehrt Und ohne Leben Und so völlig
sinnlos, Und er prahlte auch
damit, Und das sei gut, so
sagte man zu ihm, Denn jeder Weg zur
Kunst beginne mit der Einsicht, Dass sie völlig
sinnlos sei Und ganz umsonst, Und das gab ihm zu
denken, Und er konnte den
Gedanken, den er gut verstand, Noch nicht zu Ende
denken, Und er fragte nach Und die er fragte,
lachten über ihn Und machten ihn zum
Narren. |
Und er sagte sich,
er sei ein Narr, Und zog sich eine
Narrenkappe Über beide Ohren, Und die andren
sollten sehen, was sie sahen, Und dass er sich
sah Und trug die Kappe
falsch herum Und deckte seine
Augen damit zu, Und schnitt in sie
zwei Schlitze, Und das reichte
ihm, Man kannte ihn
nicht wieder. Und man sprach mit
ihm Und hielt ihn für
den Künstler, Der wär' voller
Neuideen, Die sprängen ihm
schon über seinen Kopf, Und er verstand
doch nichts davon Und sollte Künstler
sein Und fragte sie
warum, Und das, erkannten
die, die fragten, Sagte er zu ihnen, Dass sie sich nun
selber fragten Und betonten ihn, Und die Methode
seiner Arbeit Wurde von Erfolg
gekrönt. |
Und viele, die so
mit ihm sprachen, Wurden über ihre
eigne Klugheit klug, Und er verstand sie
nicht Und lernte eine
fremde Sprache, Die er einfach
sprach, Und man erkannte, Dass er von
Verfremdung sprach, Die war ein hoher
Teil der Kunst, Und alles machte er
bewusst. Was ihre Kunst
betraf, das traf ihn selbst Am meisten, Und er schwor sich Ab sofort um jeden
Preis zu schweigen, Und man schwieg mit
ihm Und dachte mit ihm
nach, Und einer fasste
den Gedanken, Dass die Kunst an
ihm Nicht das Produkt des
Künstlers sei, Nein, dass sie
selbst leibhaftig existiere, Und sie lenke jede
Kunst auf sich, Und sie verzichte
ganz auf sich Und mache ihn zum
Kunstprodukt An sich. |
Jeden Tag, Das hatte er sich
einmal vorgenommen, Wollte er bewusst
erleben, Und er hatte sich
geschworen, Einmal wenigstens
am Tage so zu tun, Als gäbe es in ihm, Um ihn herum nicht
eine Sorge, Keinerlei Bedenken, Nichts, das ihn
bedrücken könnte, Und er wollte auch
auf keinen Fall In diesem
Augenblick An Fröhlichkeiten
denken. Täglich einmal
wollte er Mit seinen Augen in
die Stille blicken, In ein Nichts, Sich völlig in ein
Wasser fallen lassen Und sich ohne jede
Schwimmbewegung sinken lassen, Um dann plötzlich
aufzustehen Und sich zu
besinnen. Und die Zeit dafür
war gut zu wählen, Und er legte sie in
allerfrühste Morgenfrühe, Wenn er seine Beine
in der Enge seines Zimmers, Zwischen Wand und
Bett, Auf seinen Teppich
stellte Und sich selbst
nicht stellte, Sondern sitzen
blieb. |
Und seine Augen
fielen Auf die Muster der
Tapete, Und er tauchte tief Und atmete das
Schweigen ein, Und nichts erlaubte
er in sich, sich zu bewegen, Und er wachte über
sich. Das dauerte
Sekunden, Dann besann er sich Und zog sich an ein
Ufer, an den neuen Tag, Den konnte er und
niemand kennen, Und er machte eine
zweite Wäsche, Zog sich an Und plante einen
Plan für sich zu machen, Den schrieb er in
sich Auf eine
unsichtbare Tafel, Den verlöschten
neue Pläne Mit ganz anderen
Terminen, Und er überschrieb,
was er beschrieb, Und übersah und
übersah, Und er besann sich
auf den frühen Morgen, Das gab wieder
Ruhe. |
Seine Tage waren
ohne Gleichmaß immer gleich, Und streng genommen
unterschieden sie sich Kaum noch
voneinander, Und selbst mit sehr
großer Mühe War das Gleichmaß
nicht aus seinem Gleichgewicht zu
bringen, Und die Tage,
Wochen, Jahre, Nächte, Freizeit,
Urlaub Kamen gingen, Hingen an dem
langen Pendel, Das schlug
unerbittlich hin und her Und hätte ihn, das
wusste er, Schon längst
erschlagen, Wenn er nicht zu seiner
Rettung Morgens die Minute
seiner Rettung Über all die Zeit
gerettet hätte. |
Man setzte ihn Vor eine große
Glaswand, Die war völlig
transparent, Und auf der andren
Seite und auf dieser Standen Kameras,
die ihn Und das was ihn
bewegte Und was er auf
diese Fläche malten sollte, Ganz genau
verfolgten wollten, Und sie hatten auch
den Ton mit eingeschaltet, Der schrieb mit Und führte
Protokoll, Und er war sehr
bekannt Und malte Bilder, Wie man sie noch
nicht verstand, Und darum sollte er
vor aller Augen malen Und für das
Verständnis reden. Und er würde wohl
in Farben malen, sagte er, Und nahm die Farben
weiß und schwarz, Das wären keine
Farben, Und sie könnten
doch nicht ohne Farben sein. So war es vor dem
ersten Strich, Dass man ihn nicht
verstand. |
Er machte eine
Skizze, die war zu erkennen, Die belegte er
sofort mit den Kontrasten Und mit Grau, Das mischte er auf
dieser Tafel an, Und überließ es ihr Und wollte es nicht
mehr entfernen, Und es wurde zum
Bestand. Man wusste nicht,
wie man das Mischen mit der Arbeit In Verbindung
bringen sollte, Und er lachte über
soviel Fragerei, Und er beschrieb
mit Worten, Dass die
Mischbarkeit und das Vermischte Fast das Wesen
seines Bildes wären, Und das Wesen, das
er malte, Würde jetzt
lebendig. Und er wurde an dem
Bild zum Arzt, Der operierte und
belebte Und der tötete, Und unter seinen
Händen wichen und entstanden Die Lebendigkeiten Die sich auf dem
Bild bewegten und verharrten. |
Und die Leute, Die ihm über seine Schulter
sahen, Waren im Geschehen
und geschahen mit Und waren voller
Anteilnahme, Und die Rückwand
vor der zweiten Kamera, Bewies ein
Hinterglasgemälde, Das war etwas
anderes Und war das Glas im
Leben, Das war ahnungslos, Und ahnte nichts Von einer Vorderseite, Und er hielt nun
inne Und berichtigte
noch Kleinigkeiten, Und das Bild stand
auf den beiden Seiten still Und war am Leben, Und man hatte alles
miterlebt, Und es war
rundherum erlebbar Und begehbar, Und man hatte nun
verstanden, Warum seine Bilder
noch nicht Zu verstehen waren, Und es ging um die
Lebendigkeit In seinen Werken. |
Als sie hörte, dass
die Schwägerin Ein Kind bekommen
sollte, War sie voller
Freude, Und sie sprach mit
ihr Und wollte gratulieren, Und die Schwägerin
sprach nicht mit ihr Darüber, Und sie würde Tante
werden Und das Kind
besuchen, Und sie wäre eine
junge Tante, Und sie hatte
selbst schon einen Mann Und brauchte sich
nicht zu beeilen, Und sie waren noch
mit allem Erst am Anfang. Ihre Schwägerin
ließ sie nicht aus den Augen, Und sie sprach sie
oft auf ihren Zustand an Und auf den Umstand Und erwähnte nicht
vor ihrem Mann, Dass seine
Schwester Keine Freude daran
hätte Und verglich sich
mit nicht einem Wort Mit ihr Und dachte sehr an
sich dabei. Sie würde, wenn sie
soweit wäre, Sich vor Freude
selbst umarmen, Und sie sah, dass
ihre Freude Schon in ungeheurer
Nähe saß Und greifbar wurde, Und ihr Hoffen
wuchs, Und oft genug hat
man gehört, Dass, wird die eine
schwanger, Es nicht lange bis
zur Schwangerschaft Der andren dauert, Das liegt an der
Frau, so sagt man, Weil sie den
Gedanken nähren Und ihn in sich
Früchte Tragen lassen kann. |
Ihr Ohr lag innen Und sie war voll
Hoffnung Und voll Freude, Und die Schwägerin verlor
kein Wort Der Freude Und dass sie in
guter Hoffnung war Und kleidete sich
nicht nach ihrem Umstand, Und nur einmal
stöhnte sie, Dass sie im Umstand
sei, Der sei
beschwerlich, Und sie hätte
diesen Umstand nicht geahnt. Es ging ihr auch
nicht gut, Sie hätte sich sehr
gern' davon befreit Und ihre Sache
einer andren angetragen, Und sie sagte auch, Dass sie sich jetzt
ein Kind Noch gar nicht
hätten leisten können, Und es wäre ein
Versehen, Und sie dachte an
die Zukunft, An die eigne
Zukunft, Und nicht, wie es
weitergehen könnte. Ihre Schwägerin war
nicht im Dank, Das sah sie, Und sie schrieb es
ihrem Zustand zu, Der war nun gut zu
sehen, Und sie dachte, wie
ein Mädchen denkt, Und nahm mit ihrer
Hand Das Maß des Fußes
dieses ungebornen Kindes, Das nahm sie vom
Bauch der Schwägerin, Und strickte kleine
weiche Schuhe. |
Mit der Farbe war
sie ganz neutral Und einmal öfter,
dass es ihr schon auffiel, Strich sie über
ihren eignen glatten Leib, Und ihre Haut war
ohne Falten, Die, so dachte sie, Wär'n mir ein
liebes Zeugnis, Und die Schwägerin
rief aus der Klinik an, Es wärt noch einmal
alles gutgegangen Und es ging ihr
gut, Das Kind sei eine
Totgeburt, Sie läge noch zehn
Tage in dem Einzelzimmer, Und sie wär' nicht
krank Und jeder könnte
sie besuchen, Und die junge
Schwägerin saß fassungslos Und ungefasst Und weinte sich die
Tränen Über ihre Hände. |
Ein Land der Sonne Als sie selber schwanger wurde, War sie ohne das Gefühl Für diese Schwangerschaft. Die hatte sie herbeigesehnt, Und das Gefühl war ihr vorangegangen. Nun war es zersprungen, Und es schien, Als machte es für andere Gefühle Platz, Die waren erst im Wachsen, Und sie hatte keine Angst Und wusste nicht, sich zu verhalten, Und sie hätte ihrem Mann Davon erzählen sollen, Dass er sie in Ruhe hätte Mutter Werden lassen können, Und sie wollte ihren Zustand nicht berufen Und verschwieg es ihm Und wollte wenigstens zwölf Wochen warten Und so gut es ging sich schonen, Und sie hatte all die Zeit ganz allgemein Sehr viel davon erzählt Und viel von Schwangerschaften Andrer Frauen, und sie wollte Seine Meinung hören. |
Und er sagte wenig, das war viel Und machte sie ganz sicher, Und er sagte schließlich viel Als sie ihm wenig sagte, Und er freute sich Und riet ihr noch zu schweigen, Und sie sagte "Ja", Und beide kannten sich nicht aus, Und ihre Mutter hatte sie schon lange
eingeweiht, Und die schwieg auch Und sagte es nur ihrem Mann Und den vertrauten Frauen, Und die schwiegen auch, Und alle wussten längst davon, Das wussten beide nicht Und dachten nicht daran Und gaben es den Freunden dann bekannt. |
In ihrer Schwangerschaft War sie nicht frei von ihm, Und er war manchmal unbeherrscht, Und sie sprach mit dem Arzt, Und der beruhigte sie etwas, Und sie sollte ihm entgegenkommen, Und es wurde sowieso zu unbequem Und hörte schließlich auf, Und er spann eine große Sorge um die Frau, Die trug die Last mit Freude Und mit Sorge und mit Vorbereitung, Dass sich eine Sorge um die andre zog, Sie tastete mit ihren Ohren Und den Händen ihren Leib, Das neue Leben ab, Und gab ihm Sinn in ihrem Sinn Und liebte den gespannten Leib, Und liebte seine Eifersucht, Die war umsonst Und eine Kinderei, Daran und an die neue die nun käme Wollte sie sich schnell gewöhnen. |
Die Niederwerfung eines Volkes Sie wurde schwanger In Gewalt von ihrem
Schwager, Und sie hatte
selbst mit Schuld daran, Und wusste nicht, Wie sie es ihrem
Mann erklären sollte, Und sie hatte schon
zwei Kinder, Und ein drittes war
nicht mehr geplant, Und sie begann in
Windeseile Ihrem Mann die
Liebe vor zu heucheln, Und er lachte über
sie Und nahm sie an Und sprach zu
seinem Schwager über seine Frau Und spottete, Dass Frauen, wenn
sie nicht mehr Frauen wären, Läufig würden, Und sie tranken
Bier dabei Und lachten wieder
unter ihrer Derbheit, Und sie griffen
nach den Schwestern Und vergriffen
sich, Und in der Angst
bereute sie Und schwor sich zu
entziehen. Sie erinnerte sich
auch Und hatte damals
auch gedacht, Dass sie die
Vergewaltigung Mit ihrer Kraft verhindern
könnte, Und es hatte nicht
nur nicht die Kraft gereicht, Sie hatte auch zu
wenig Willen Gegen sie gesetzt Und hatte sich ihr
ausgesetzt Und hatte
nachgegeben. |
Später sagte sie
von sich zu sich, Sie hätte
aufgegeben, Und das stimmte
nicht, Und wenn die Männer
tranken, Prahlten sie, Und ihre Schwester
durfte nichts erfahren, Und ihr Mann war
unberechenbar. Und sie erzählte
ihm, Dass sie das Klima
nicht vertragen könnte, Und es ginge ihr
hier schlecht, Und diese Gegend
wäre ungesund, Und er kam nicht
auf sie Und nicht auf die
Gedanken, die sie hatte, Und sie sorgte sich
auch, Dass der Schwager
sie nicht lassen würde, Und beschwor den
Mann Und machte ihm
Versprechen, Bis er schließlich
von alleine Auf den Umzug kam, Und sie beeilte
sich Und schrieb die
Briefe, Dass er sich bewarb
um eine neue Stelle, Und das ging sehr
schnell, Und ihrer Schwester
und dem Schwager Wurde die
Versetzung vorenthalten. |
Und er fuhr voraus Und war die
nächsten Wochen hinter ihr Und sehnte sich
zurück Und war dann auch
nicht zimperlich Und ließ es sich
bei einer anderen gefallen, Die sah auf sein
Geld Und gab ihm, was er
wollte. Und im vierten
Monat Zogen sie in aller
Stille um. Er kam nicht erst
zurück zu ihr Und half ihr nicht Und half ihr so am
meisten Und beendete vor
ihr die andre Frau. Dann fand er sie In ihrem Zustand,
der sich wiederholte, ganz normal, Sie machte einen
Strich und baute sich von unten wieder neu Ein winzig kleines
Glück von vorne auf Und sah der
Niederkunft entgegen, Und sie schwor sich
einen zweiten Schwur, Und Kindersegen
hätte sie danach genug Und dachte auch, Wer weiß, wozu das
alles gut ist. |
Auf dem rechten Weg in die Irre
Sie hat nur noch
ganz selten die Gelegenheit Ihr Haus zu zeigen, Das ist klein geworden, Und es dehnte sich
mit jedem, Der das Haus
verließ, Um eine weitere
Unendlichkeit. Man hatte ihr
einmal ein Bild Aus einem
Sternenbuch gezeigt, Darin sah sie die
Sternenexplosion, Die raste allseits
in den Raum Und stand doch
sichtlich still, Und in der Mitte, Dort, wo sich der
Kern befunden hatte, Drohte trotz der
absoluten Leere Der Zusammenbruch, Der Einsturz der
Materie auf ein Nichts, Das würde sich zum
Nichts zusammendrücken, Wenn es auf sich
fiele. |
In dem Treppenhaus Hat sie die Bilder
hängen. Alle hat sie früher
selbst gemalt, Und eines hängt
verkehrt herum, Das hängt so wegen
seiner Proportionen, Und es war bei
allen Immer wieder im
Gespräch, gewesen. Ihr war's völlig
gleich, Sie sah die
Qualität mit andren Augen, Und sie schloss sich
keiner Meinung an Und hielt auch
nichts dagegen, Und im All, so
hatte damals noch ihr Mann gesagt, Bedeuten Unten,
Oben gar nichts, Alle müssten davon
lernen, Und sein eigner
Kopf, Das wusste sie dann
besser als er selber, Ging auch ohne ihn
spazieren. |
In den
Kinderzimmern standen alle Spiele still, Und diesen Frieden Hatte sie als
Kriegsspiel gegen sich, Sie war hier die
Verliererin Und wurde an die
Wand gestellt, Im selben
Augenblick verurteilt, und Es legten die
Gewehre immer wieder auf sie an, Wenn sie in ihre
Kinderzimmer kam. Der Arbeitsplatz
von ihrem Mann War unverändert, Und sie hatte nie
den Schreibtisch untersucht Und nie versucht in
ihm zu finden, Was sie suchte,
wenn sie ihn besuchte. Manchmal wischte
sie den Staub Von seiner Oberfläche. Sauber eingestäubt
lag auch sein Bett, Das ließ sie wie es
war, Und nahm sich
wieder an die Hand Und führte sich
zurück Und konnte sich
nicht mehr viel mehr Von früher zeigen. |
Es war die Strafe
dafür, Dass sie sich verboten
mit ihm treffen wollte, Und er war nicht an
dem Platz im Park, Den hätte er doch
finden müssen, Und sie sah sich um Und wollte nicht
vor sich nervös erscheinen, Sonst war niemand
da. Sie ging die
Schritte Bis zu einem großen
Baum Und kam zurück Und drehte sich auf
einer Sohle Auf der Stelle hin
und her Und trat auf einen
kleinen Stein, Den bohrte sie tief
in den Sand. Sie sah zurück Und durch die
Büsche, Und alleine wollte
sie in diesem Waldstück Auch nicht bleiben. |
Dunkelheit Begann hier schneller Als an andren
Stellen Und es klopfte ihr
das Herz Aus Angst vor ihm
und sich, Aus Angst vor
diesem Treffen, Und aus Angst, das
es misslingen würde, Und aus Angst vor
diesem Platz. Sie hatte alles
eingefädelt, Und, es war gemein,
mit ihr so umzuspringen. Dann ging sie den
Weg ein Stück zurück Und hoffte nun, Dass niemand kommen
würde, außer ihm. Die Tränen konnte
sie jetzt gar nicht brauchen, Und die standen In der ersten
Reihe. Endlich tat sich in
der angestarrten Tiefe Etwas, Eine Dunkelheit
schnitt sich heraus, Die wurde heller. Unter ihr, der
Stuhl aus Angst und Wut Verflog in eine
Schaukelei der Freude |
Blitzschnell zog
sie ihre hohen Schuhe aus Und lief zu ihm Und ihre
ausgestreckten Arme Jubelten im Sieg Und stiegen an ihm
auf. Sie schluchzte in
sein Ohr, Fast schimpfte sie
ein wenig, Sagte ihm ein
Kosewort Und ließ sich von
ihm halten. Er nahm sie
verlegen an, Beruhigte sie
sanft, Und sagte: "Hier im Park
braucht niemand Angst zu haben, Wenn sie wollen Bringe ich Sie an
den Ausgang." Fast unhörbar
schrie sie ganz kurz auf. Dann sank sie
fassungslos in sich zusammen Und verlief als
Wasser auf dem Weg, Der sog sie auf. |
Er war auf einer
Wanderung In einem Land, das hatte
er gesucht, Und hatte Hunger. Es war warm. Das Land lud ihn zu
allem ein Und gab nichts her. Um ihn herum die
Knoten kleiner Höfe. Vor der Dunkelheit Schlug er sein Zelt
in einer Gegend auf Und ging zu einem
Haus, Das war viel
weniger als ein Gehöft, Dort wollte er um
Arbeit fragen, Ja, vielleicht
würd' man ihn Essen lassen, Und er hatte sehr
viel Zeit, Die wurde immer
mehr, Je mehr sie von ihm
wich. Er hatte lange Wege
hinter sich gebracht. Es würfelte sich
ihm Ein kleiner Hund
entgegen, Der war zutraulich, Der lief vorweg,
zurück und hinters Haus. Dort stand vor
einer Bank, Als suchte sie
schon, Eine Frau. |
Die sagte gleich zu
ihm: "Da bist du
ja," und meinte ihn, "Verstau dein
kleines Zelt Und komm' hierher
und bleib' die Nacht. Von mir aus bleib'
so lang' du willst." Er sagte:
"Guten Tag" in seiner Sprache, Die sie sprach, Und ging zurück. Ihr Alter, dachte
er... Sie konnte seine
Mutter sein, Und nahm sich
seiner an. Er war sehr müde
und verbraucht, Und sie war auch
arm dran Und sah nicht
ärmlich aus. Der Hund ging mit
ihm mit Und blieb bei ihm
und auch bei ihr. Es war ein Tier, Das sich zu teilen
wusste. Sie war ohne Arg
und ohne List Und aß mit ihm Und zog sich später
vor ihm aus Und ging mit ihm,
so wie er war, Ins Zimmer, wo sie
schliefen. Alles ist, so
dachte er, Mit irgendetwas zu
bezahlen, Und er wusste nicht
womit. |
Von nun an überließ
sie ihm das Ganze. Sie tat, wie es ihm
gefiel, was ihr gefiel, Und langsam war sie
es, Die ihm gefiel, Und beide taten
schließlich vieles nur, Sich und dem andren
zu gefallen. So band sie ihn
nicht, Und er war
ungebunden, Und er fragte
einmal mehr, Womit er das
verdiene. Doch sie überlachte
ihn: Es sei ihr immer
noch der Erste Tag. Die Ankunft jährte
sich, Und morgen würde er
mit ihr den Tag Als den Geburtstag
feiern Und er schlief aus
Spaß in dieser Nacht In seinem Zelt. Am Morgen nahm er
aus der Gegend Ein paar Blumen, Die verschrieb er
ihr. Das würde er im
nächsten Jahr So wiederholen, Und im Jahr danach Und danach und danach... |
Dieses ist ein
ungeschriebner Brief Insofern, als ihn
der, den er betraf, diktierte, Und es war mehr ein
Gespräch, Mehr eine Beichte,
ein Geständnis, Das gestand
vielleicht Viel von der andren
Seite, Die war noch am
Leben. Er, so sagte er, Kennt kein Gefühl
für Mutterliebe, Kein Gefühl für das
Gefühl, daheim zu sein, Und nie in seinem
Leben habe er gespürt, Dass diese Frau ihn
sich in ganz besondrer Weise Spüren lassen wollte, Nicht als Kind und
später nicht. Sie war für alle da Und für die
Schwester und die Brüder, Und es gab nicht
einen Tag, An dem sie nicht
den eignen Tag Zum Tag der andren
machte, Und sie war nie
krank Und sah bis in das
hohe Alter aus, Wie man sie kannte, Und man kannte sie
ja täglich Bis ins hohe Alter, Und ihr Alter kam
in unmerklichen Tagesschritten. |
Er, so sagte er, Erinnert sich nicht
mehr an sie, Und so sind sie
einander nah Und herzlich
zugetan Und sind einander
fremd, Und keiner greift
dem andren in das Denken, In das Wünschen, In das Handeln, Jeder hütet seine
Sehnsucht Nach dem anderen
als ungewünscht Und tut sie ab Und hütet sie in
einer ganz besondren Lade, Die ist beiderseits
als Schranktür Im Tapetenmuster, Und man sieht sie
nicht. In ihrer ersten
Krankheit, Die kam spät, Empfand er kein
Bedauern, Und sie nahm sie
auch nicht ernst, Und dass er sie
besuchte, freute sie, Dass, meinte er,
sei übertrieben, Und ein andres Mal, Als er erfolgreich
war, Fand er sie außer
sich vor Glück Und
Überschwänglichkeit Und lauter Ruferei
nach anderen, Die hören sollten, Und er fühlte sich
dadurch auf seinem Weg, Den jeder wissen
konnte, ausgerufen Und verraten, Und es ging ihm gut
dabei, Und es bewirkte
wohl auch das Gespräch, Von dem ich anfangs
sprach Und das ich
schreibe. |
Etwas, sagte er,
sei aus der Frau gefahren Und beträfe ihn, Und es sei eine
Wandlung In ihr vorgegangen, Und sie habe ihn
geweckt, Er wüsste nicht
wohin mit seinem Denken, Und sie habe ihm Die Hand berührt, Es schien wie aus
Versehen, Und sie hätten sich
sonst nie berührt, Im Kommen nicht Und nicht im Gehen, Und sie habe dieses
Handberühren Mit den Augen eines
scheuen Tieres Durchgeführt Und es in seinen
Augen abgelesen, Und es hätten ihre
Augen hinterher geglänzt. Und er, so sagte
er, Sei immer noch
verlegen, Und er hätte ihren
Handgruß Nicht erwidert, Und, so sagte er, Er habe nie auf
ihrem Schoß gesessen, Und nun wäre er zu
groß dafür. |
"Vielleicht bin
ich ein junger Mann, Vielleicht auch
noch ein Jugendlicher," Sagt er selbst von
sich, "Und ich seh
aus wie meine Mutter, Die sieht aus wie
ich. Wir lachen viel Und denken schnell, Und die Gedanken
überschlagen sich Auf unsren
Zungen." Und er liebte seine
Mutter, Das bemerkte man
sofort, Und er sprach über
ihren Mund Und über ihre Augen Und von ihrer
Größe, Und vom Vater
wusste er fast nichts zu sagen, Und er käme gut mit
seinem Vater aus, Und was er an ihr
liebte, Liebte er an sich Und sie an sich Und sich an ihr Und war in allem
frei Und wortgewandt Und kam zurück auf
sie Und sprach in der
Begeisterung von ihr, Und meinte sich als
Teil von ihr Und käme ohne seine
Mutter gar nicht aus, Das dachte er nicht
aus Und nicht zu Ende. |
Und er machte
gerne, was sie machte, Und sie ritt und
hatte Angst davor, Und er ritt auch
und redete sich ein, Dass er die Pferde
liebte, Und er hatte
hinterher erst das Befreiende Gefühl, Das kannte sie, das
teilte sie mit ihm, Und beide ließen
sie nicht ab Von diesen Tieren. Und er kochte gerne Und verglich sich
oft mit ihr Und sah in ihrer
Hausarbeit die Arbeit, Die er gerne machen
wollte, Und er machte sie
vor ihr, Und sie empfand die
Wohltat, Und sie tat für ihn
sehr viel voraus, Das holte ihn dann
ein Und überraschte
ihn. |
Und seine Welt war
fest gefügt, Und er war kein
Athlet Und war nicht
stark, Und seine Stimme
blieb zu lange In der Höhe liegen, Und man fragte
nach, Wenn er sich
telefonisch meldete, Ob wohl der Sohn zu
sprechen sei, Das fanden beide
lustig, Und sie trieben
damit eine Spielerei, Die schloss die
andren völlig aus. Und nichts war
ihnen vorzuwerfen, Und wenn er auf
Reisen ging, Schrieb er ihr
täglich einen Gruß Und rief am zweiten
Tag schon bei ihr an, Und fuhr die Mutter
fort, War es ihr Amt, Und zwischen ihnen
gab es keine Eifersucht, Und sie verziehen
sich im voraus Jedes mögliche
Versäumen Und bedankten sich, Und liebten sich so
jeder sich an sich Und an dem anderen. |
Sie ging zurück ins
Nachbarland, Man gab ihr die
Erlaubnis, Und sie wollte nur
als die Besucherin Die Heimat sehn,
die war seit vierzig Jahren Keine Heimat mehr Und zog sie heim, Und jemand, der vor
ihr hier war, Erzählte, dass sich
kaum etwas geändert hatte. Und sie dachte an
die Einzelheiten, An die Wanduhr, die
Tapeten, Ganz bestimmte
Räume, Büsche, Wege,
Flüsse, Teiche, Hecken, Augenblicke, die
sie nacherleben wollte, Und sie ging zurück Und kam gut an, Und kam zu Anfang
gar nicht an, Und niemand lebte
hier von denen, Die sie kannte, Und erst langsam
sah sie in den Alten, Die von damals
wieder, Und es war ein
Stich, Der riss ein Tuch
von ihrem Kopf. Im Elternhaus wurd'
sie zum Kind Und ließ sich von
der neuen Mitbewohnerin, Die war sehr alt, Die Zimmer zeigen, Und die kannte sie
auch nicht, Bis sie sich dann
erkannten. |
Und sie sah in
jeder Stube Das Gesicht der
Mutter, Hörte über kleine
Flure Ihre Mutter rufen, Sah sie in den
Fenstern und Gardinen, Sah sie winken, sah
sie laufen. Irgendwo hier
draußen War sie ohne sie
begraben worden, Jetzt war es zu
spät, Und die Erlaubnis
in dies Land zu reisen, Konnte gar nichts
mehr erlauben. Vieles war
vergessen Und erhob sich erst
bei ihrem Eintritt, Und sie fragte nach
der Pflege dieses Grabes, Und es machten Jugendliche Und die Leute aus
der Nachbarschaft des Grabes, Und es stand kein
Kreuz, Es stand kein
Stein, Es war nichts zu
beschaffen. |
Sie war
hergekommen, Um zurück zu gehen, Und sie ging als
Schülerin den Schulweg, Dass sie fast
dieselben Gräser An den
Straßenrändern sah, Und immer wieder
war die Stimme ihrer Mutter Tief in ihrem Kopf, Die rief ihr nach
und rief ihr hinterher Und etwas zu, und
sie bedachte alles, Das war ihr schon
längst entfallen, Und das Grab war
karg und menschenleer Und kümmerlich gefasst, Man konnte nichts
mit sich nach Hause nehmen, Und sie machte auch
kein Bild Und nahm das Bild,
wie sie es sah, mit heim Und war allein hier
draußen, Und sie suchte nach
dem Zwiegespräch Mit ihrer Mutter,
das blieb aus Und stellte sich erst
spät am Abend, Fast im Schlafen
bei ihr ein, Und hier am Grabe
war es schwer, Das war schon halb
im Traum, Und sie stand über
ihr und unter ihr, Weil sie ja oben
war. Der Himmel hing
nicht tief genug. So nah bei ihr zu
stehen, War für sie, das
Kind zu schwer, |