Home Archiv Ausstellungen Autor Besucher Copyright Impressum Künstlerportrait Literaturgutachten Lyrik und Prosa…Presse/Literatur Presse/Ingenieurarbeiten Vita |
||
Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987 …da liegt mein Herz, Geschichten aus Niemandsland 2022 -2024 (im
Entstehen) z.B.: 100 Jahre „Kafka“, eine herrenlose Fundsache (neu) |
||
zu Olympia – olympische Spiele! |
||
online und im Buchhandel |
Lyrik, Prosa und Ingenieurarbeiten |
Der vorliegende Gedichtband spannt in 53 zeitgenössischen
Gedichten einen schillernden Facettenbogen von jeweils 3 Gedichten zu
insgesamt 19 berührenden, menschlichen Anliegen und zwischenmenschlichem
Verständnis. |
DIE FRAU DES
TERRORISTEN
Lyrik,
53
zeitgenössische Gedichte. Dieses ist der
zweite Band einer Trilogie von Facettengedichten. 1. Band der Trilogie: Im Reißverschluss der Illusion, 57 zeitgenössische Gedichte. 3. Band der Trilogie: Die Insassinnen, Epos. Jetzt „DIE FRAU DES
TERR0RISTEN“ direkt online bestellen sowie im Buchhandel,
96 Seiten, Format A5.
€ 7,90 inkl.
MwSt. Zum Buchshop ISBN 9783748130055 „DIE FRAU DES
TERR0RISTEN“ ist auch in den USA,
Großbritannien und Kanada unter
obiger ISBN und bei abweichenden Preisen bestell- und lieferbar. Auch als E-Book, € 4,99 Zum Buchshop ISBN 9783748153412 |
Inhaltsverzeichnis nach Themen,
Inhaltsverzeichnis, alphabetisch.
Copyright 2018 beim Autor, Harald Birgfeld,
alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne
schriftliche Erlaubnis des Herausgebers, Harald Birgfeld, reproduziert werden.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verfilmung und
Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Herausgeber, Autor, Redakteur:
Harald Birgfeld, e-mail:. Harald.Birgfeld@t-online.de
INHALTSVERZEICHNIS nach Themen
In
einem französischen Atelier Die
Rufe eines jungen Kirschbaumes Ein Augenblick der fürchterlichen Stille |
Vom
Aufbau einer Glaslandschaft |
|
|
Inhaltsverzeichnis, alphabetisch
|
Die
Rufe eines jungen Kirschbaumes |
Ein Augenblick der fürchterlichen Stille In einem französischen Atelier |
Vom Aufbau einer Glaslandschaft |
Er
hatte es an ihr getan Und
hatte ihr nichts angetan In
einer stillen Gartenecke, Dahin
kam sonst niemand. Beide
waren sehr, sehr jung. Damals
hatte er gesagt, er sei Soldat Und
sei verpflichtet, seine Frau, Und
sei sie auch noch nicht die Frau von ihm., Zu seiner
Frau zu machen. Dann erst würde man ihn ziehen, Dann
erst würde man ihn, den Soldaten., Zum
Soldaten machen. Das,
so hatte er gesagt, Sei
ein Gesetz bei den Soldaten, Und
sie hatte über ihn gelacht, Und
ihm ins Haar gebissen, Und
sie gab sich hin Aus
Spaß, aus Liebe, aus Gott weiß wer was., Und
irgend etwas war an ihm, Das
sie erleben wollte. Und
sie dachte wie im Blitz, Es
hätt' sie auch ein andrer nehmen können. |
Dann
war es vorbei. Sie
wollte das Erlebnis Unter
allem, was es gab, Zu
Ende leben. Sie
war auch gewiss, Dass
ihr nichts bliebe, Wenn
ihr gar nichts blieb. Er
durfte schließlich gehen. Jahre
später, Keine
Nachricht kam, Kein
Zeichen, dass sie sich erinnern konnte, Zwang
man sie zum Ort des Schreckens. Einen
abgerissnen Vogelflügel, Der
am Straßenpflaster klebte, Hatte
sie sich stehlen können. Sicher
war der Vater ihres Kindes... Blut
an Glas in Leichenteilen in
der Abflughalle, Leichenteile
unter Planen. |
Nichts mehr wird sie von ihm wissen dürfen. Und sie selbst ist nichts Und darf nichts sein, Und er, weiß sie, Ist tot, auf irgendein Kommando, Und es dämmert tief in ihr Ein irres Licht. Es mochte sein, Dass sie den eignen ausgerissnen Flügel Aufgefunden hatte. Viel zu lose hatte er gesessen all die
Zeit. Und sie ist immer noch sehr jung Und hofft voll Übermut Auf eine Flugprothese. |
Alles
hatte sie sich vorgestellt, So
wie es ist, Und
sie ist ansehnlich Und
einflussreich Und
kommt vom Gegenlager, Das
hat sie geliebt Und
dies nun auch Und lebt
mit ihrem Lebenslänglich In
der Freiheit, So
wie er mit seinem Tod, Den
sprach man vielfach über ihn Und
hat ihn auch an ihn heran getragen. Sie,
das musste sie sich sagen lassen, Ist
die Frau danach. Die
Frau davor kam um, Die
Frau dazwischen fand den Tod. |
Sie
ist sehr blond und groß und aufgeschlossen, Hat
studiert Und
will das Studium nicht unterbrechen Und
vertraut auf ihr Geschick Und
baut auf seine Stärke, Und
sie sieht sich letzten Endes Auch
als Bindeglied, Das
soll sich noch bewähren. Sie bleibt
unfruchtbar. Ihr
Schoß gähnt sich In
Leere aus. Die
Medizin versuchte sich Für
eine Zeit an ihr. Das
war umsonst. An
ihm, das weiß sie, liegt es nicht. |
Und überhaupt, denkt sie, Ist zwischen allem eine dünne Aber zähe Haut, Die müsste man durchstoßen lernen, Und sie selbst sieht sich Als Loch im Fell der Nacht, Als Tagesstern, Dem hängen alle mit dem Fernrohr nach, Der ist so leuchtend hell, Trotz seiner roten Spur, Die scheint, Als hätte man sie angehängt an ihn, Als ließe sie sich Kinderleicht entfernen. |
Ihre
Stärke Sollte
seine Stärke sein, wünscht sie, Und
sie verfluchte, nicht als Mann zu leben. Keine
Frau hätt ihr mehr Etwas
über Männer sagen dürfen, Und
sie bräuchte sich nicht länger zu bewegen, Über
Schliche nachzudenken, Ihn
zu etwas zu bewegen, Was
sie selber nicht bewegen konnte. Ja,
ja, schreiben könnte sie und planen, Und
es würde keiner lesen, Oder
reisen. Er
dort aber sitzt Und
sagt kein Wort, Und
alle hören zu Und
wissen, was, wovon Und
auch weshalb er schweigt und spricht, Und
immer wieder unterlässt er es Zu
handeln. Tausendmal
hat sie ihn dafür umgebracht., Auf
seinem Platz erschossen Und
erschoss sich selbst dabei. |
Die
Rücksicht, die sie auf ihn nahm, Nahm
sie auf sich, Das war
ihr großer Fehler. Fehlerfrei
zu sein, denkt sie, In
einer fehlerhaften Zeit, Das
schafft wohl keiner. Wenn
dann seine Hände nach ihr griffen, Und
sie seine Hände nach sich greifen ließ, Verließ
sie sich auf sich. Sie
glühte für ganz andre Dinge, Als
für das Zusammensein. Dann
sicherte sie sich schnell ab, Dann
fand sie die Gelegenheit, Und
schlug blitzschnell In
seinem Ohr die Zelte auf Und
war nun tausendfach in ihm Und
war die Frau, die ihn bewohnte, Und
er sagte "Ja" Und
wieder "Ja" Und
"Du hast recht", Und
er bestätigte ihr Wort, Und
er bedrängte sie |
Und dachte auch: "Sie ist die Feder meines Motors, Schlecht wär es um mich bestellt, Hätt' ich sie nicht, Und ohne ihre Spannung, Ohne ihre Ruhe und Besonnenheit, Wär alles längst umsonst", Und sie erschoss ihn wieder nicht, Und er verstand sie wieder nicht, Und sie verstand ihn nicht, Und er war wirklich nicht für sie, Und sie war wirklich nicht für ihn, Und andre hatten schließlich auch Ein Stimmrecht, Und wer wusste schon, Wem sie sich noch Zu ganz geheimer Wahl als Urne bot, Und er bedachte auch die Zeit, Die stand zu still für ihn. |
Sie
setzte sich an ihren Tisch Und
suchte ihre Speise, Und
der Tisch war voller Speisen, Und sie
suchte nach dem Trinken, Und
der Tisch ertrank darin, Und
an dem andren Ende saß ein Mann, Der
war ihr Mann und sprach: "Nun
iss und trink, es gibt ja alles reichlich", Und
es gab den Reichtum wirklich reichlich, Nicht
nur auf dem Tisch, Und
zwischen ihm und ihr Befanden
sich auf jeder Seite Drei
Soldaten, die bezahlte er, Die
waren schwer bewaffnet, Und
sie standen ordentlich Und
kümmerten sich nicht Um
die Gespräche, Und
sie achteten nur auf Befehle, Die
sie kannten, Und
sie richteten die Waffen Niemals
gegen ihren Herrn Und
niemals gegen ihre Herrin Und
nicht gegen sich |
Und
hatten ihre Augen überall, Und
sie stand auf und sagte noch einmal: "Ich
finde meine Speise Und
mein Trinken nicht auf diesem Tisch,“ Und
er verlachte sie, Und
sie ging auf die Straße, Und
er ließ sie gehn Und
teilte die Soldaten ein, Und
drei von ihnen folgten ihr, Die
anderen beließ er, wo sie waren. Sie
betrat nun ein Geschäft, Dort
kannte man sie gut. Sie
selbst war hier das erste Mal Und
kannte sich nicht aus Sie
ließ die Wache draußen, Die
vertraute ihr Dort
drinnen gab sie ihren Schmuck Und
alle Kleider, die sie trug, als Pfand, Und
kaufte sich sofort ein Billigkleid, Das
sollte sie nicht mehr bezahlen, Weil
es übrig war, es wurde ihr geschenkt, Das
zog sie einfach an. Sie
löste ihre Haare auf |
Und ließ sie pfleglos hängen Und ging aus der Tür, Die Wache wachte nicht, Die lehnte mit den Augen nur an der Frisur, So konnte sie sie nicht erkennen, Und sie ging an einen Stand In einer andren Straße, Kaufte sich ein Brot, das nahm sie mit, Und ein Getränk, das war noch warm, Und setzte sich, Nun von sich selber ausgesetzt, Auf eine Parkbank, um zu essen. So begann ihr Leben, Und es fing mit einer Stärkung an. |
Er hatte
einen Traum, Der
wiederholte sich Und
setzte ihn, wenn er ihn träumte, So in
Angst, Dass
seine Frau ihn wecken musste, Weil
er rief Und
sich vor sich im Bett versteckte, Und
er tat ihr leid, Sie
gab ihr Schlafen auf, Und
lange Zeit begriff er diesen Traum, Den
er zu träumen hatte, Den
er morgens erst erzählte, nicht. Es
war ein Traum, der blieb kein Traum Und
wiederholte sich Und
war ein kurzer Traum. Und
anfangs hatte er ihr nichts Von
seinem Traum erzählt, Auch
weil er glaubte, |
Dass
ihm daraus Bilder fehlten, Aber
später achtete er ganz genau Auf
jede Einzelheit und jedes Wort, Und
alles stand so unzusammenhängend wie es war In
dem Zusammenhang. Sein
Traum begann mit einer Ruhepause, Die
verbrachte er allein In
einem gelben Sandbett, Darin
stand er angelehnt An
einen gelben Felsen, Und,
kaum dass er diesen Stein berührte, Hörte
er auch schon die Stimme, Die
ihn rief und aufrief, Sich
ihn melden ließ, Wie
um sich zu vergewissern, schien es ihm, Und
sagte: "Du
hast einen Mord begangen, |
Aber eines ist gewiss, Du bist der einzige, der davon weiß", Und er versuchte gar nicht erst Die Stimme zu entdecken, Und er fühlte sich sofort entdeckt, Das Wissen um die Schuld Brach über ihn Und warf ihn in den Sand, Und Überdeckte seine Ungewissheit Ob es eine Wahrheit für ihn gäbe. In der Wachheit fragte er die Frau Ob ihm aus seinem Mund Die Maus gelaufen sei, Und sie empfand die Frage noch Als einen Teil des Traumes, Und für ihn entstand Tatsächlich das Gefühl für die Gefahr, Entdeckt zu werden. |
Nachts,
das weiß ich, Steht
das Tulpenrot Nicht
mehr in Flammen. Ja,
ich weiß so vieles Und
so vieles weiß ich besser, Und
ich gehe nachts trotzdem ins Zimmer, Will,
dass mich die Blumen überzeugen, Und
sie stehen in der Vase, Und
ein wenig Licht fällt durch die Fenster, Und
die Blumen in der Vase sind tiefschwarz, Und
mich täuscht nichts, Sie
bleiben schwarz Mit
einem Lichtpunkt in dem Kelch. Ein
eigenartiges und sonderbares Werben Meinerseits
setzt ein. Ich
denke an den Tag, der war, Und
ich stand an dem Rednerpult. |
Vor
mir hielt man mir Eine
große Rede, Und
man öffnete mir dabei Eine
Tür sehr weit Und
hatte mich alleine eingeladen Einzutreten, Und
es war an mir, den neuen Raum, In
den sie alle schauten, auszufüllen, Und
ich wollte über mich nicht reden, Und
ich dachte an die Stunde vor der Rede, Als
der Saal noch leer war, Und
ich sprach darüber Und
beschrieb den Saal nach meiner Rede, Wenn
er wieder leer wär', Und
ich fragte, was denn diesen Raum In
seiner Zwischenzeit erfüllte. Es
war nur das Wissen um uns selbst Und
um die anderen, |
Und dieses Wissen
würde Trotz des
Besserwissens in uns bleiben, Und wir alle würden
eben nicht Den Leerraum mit
nach Hause nehmen. Jeder einzelne
füllt Seinen körperlichen
Raum ganz aus Und kann ihn nicht
um andrer, Nicht um
seinetwillen leeren. Damit endete die
Rede Und ich leerte
meinen Raum, Und meine
Räumlichkeit Blieb ganz zurück
bei denen, Die die Rede hörten Und mich mit sich
nahmen. |
So,
wie es sich zeigt, Ist
alles aus, und alles ist verloren. Auf
dem Sterbelager liegt die alte Frau. Man
spricht es noch nicht aus, Und
mich hat man gebeten Weil
ich sie doch so gut kannte, Und
sie hatte mich sehr gut gekannt, Als Letzter
den Besuch zu machen. Es
fällt mir nicht schwer, Ich
habe die Erinnerung an sie, Und
die ist gut, Und
irgendwann, so denke ich, Lieg
ich vielleicht an ihrer Stelle. Alt
ist dieser Mensch, Und
liegt im Krankenhaus, Und
ich geh' hin. |
Man
zeigt nur auf das Zimmer, Lässt
mich schon im Flur allein, Und
ich betrete ihre Kammer. Von
den Fenstern fällt die Dunkelheit Herein. Den
Menschen kann ich kaum erkennen, Und
sie selbst erkenne ich nicht wieder. Steil
nach oben läuft ein Schlauch, Es
steht und fließt Urin darin, Der
Mensch, den ich nicht kenne, Ist
ganz ausgezogen, Nur
ein wenig zugedeckt, Er
war mir sehr vertraut. Ich
ordne etwas diese Ordnung, Dann
seh' ich es ein, Die
Frau ist weit, weit weg Und
in sich ab- und, aufgezehrt Und kann
schon nichts mehr sagen. |
Einmal, zweimal schlägt Ein dumpfer Laut Die Lippen auf, Nur einmal zuckt der Arm, Den lege ich ihr wieder hin. Ich sprech sie an, die alte Frau, Und habe keine Traurigkeit in mir Und sehe das Geschehen, das geschieht, Und spreche aus der Ruhe auf sie ein Und tröste und vertröste sie auf morgen Und bin schon im Gehen, Und in dem Gesicht steht als ein
Hilfeschrei Der Schrecken, Der bleibt stehn. Ich wende mich im Flur An eine Kraft, Die weist auf eine andre Tür, Dahinter ist es leer, Und ich beschließe hier zu warten. |
Es
ist die Nacht, In
der sich eine Nacht verdreifacht Und
nicht niederfällt Und
sich nicht senkt Und
sich als überschwere Wolke In
der Höhe hält. Sie lässt
sich nicht herunter starren, Sie
ist lang, Und
man beginnt sie einzuteilen, Viel
zu heiß ist es im Bett. Den
Menschen, dort im Nachbarbett, Will
man nicht stören, Und
er ist es eigentlich, der stört Im
Gleichmaß seiner Atemzüge, Das beruhigt
auch und widerspricht. |
Die
Nacht Gönnt
keine Ruhe. Man
hat alles, hatte alles, Und
die Finger gleiten, tasten in Gewohnheit Über
diesen Eigenkörper. Sie
ertasten plötzlich Eine
ungewohnte Stelle, Die
ist schmerzlos, angeschwollen, dick Und
sitzt ein wenig in der Tiefe, Dass
man sie vielleicht schon länger hat? Die
Wachheit wird ganz wach Und
Schweiß bricht aus. Noch
einmal wird betastet Und
noch einmal. Auf
der andren Seite könnte Ähnliches... Man
weiß nicht so genau Bescheid. Es
könnte sein, dass die Verdopplung Alles
klären würde. Nein,
es ist nichts auf der andren Seite, |
Nein, es ist dort nichts zu spüren. Dann der Blitzgedanke: "Wach schon auf, wach auf, du Schläfst." Kontrolle, Blick auf eine
Uhr. Der Biss in einen Finger... Und der andre ist gestört, man will nicht Stören, Und im Licht am Morgen Findet man ja kaum die Stelle wieder. Und man spricht noch nicht davon. Das Telefon... Für diesen Nachmittag... Den Arzttermin... "Und denken Sie an den besondren
Schein Dafür..." |
Es
war ein Film, Der
war ein Dokument, Und
viele sahen ihn Und
sahen gar nicht hin, Und
andre kommentierten ihn Und
hätten ihn viel lieber nicht gesehen, Und
sie wandten ihren Blick nicht ab, Das
ließ nicht nach, Und ich
gehörte auch dazu Und
sah auch zu Und
habe zugeseh'n. Die
Hauptdarstellerin war eine junge Frau, Und
als sie kam, Mit
einem Hund im Arm, Verriet
mir die Bewegung, die sie machte, Eine
Handbewegung, Die
dem Tier in ihren Händen galt, Und
die beruhigend und liebevoll Den
Kopf umgriff und es im Nacken kraulte. Als
sie kam, verriet mir diese Handbewegung Eine
Sympathie, Und
ich war sicher, dass ich diese Frau Schon
lange kannte, ohne sie zu kennen. |
Sie
ging mit dem Tier, Es
war ein junges Tier, an eine Schachtel, Die
war offen, Und
das Tier im Arm versuchte zu entkommen, Sie
sprach lieb zu ihm Und
liebte es ganz kurz Und
machte es nicht frei. Sie
setzte es mit einer Armbewegung in den Kasten, Und
das Tier stand still. Sie
strich ihm übers Fell, Und mit
der andren Hand biss sie ganz flink Die
Klammer einer Elektrode in sein Ohr, Dann
sprach sie noch ein Wort. Der
Hund stand wieder still und jetzt, In
einer Stille, die nur ihn umfing, Sie
legte einen Deckel über alles, Hakte
einen Haken ein, Es
war ein Haken, der verhakte nichts Und
war unlösbar, Und
man sah nicht mehr ins Innere. |
"Da drinnen ist es völlig
dunkel," Sagte sie zu uns aus ihrem Film heraus. Sie ging sehr schnell an einen Schrank Und schaltete den Schalter. Eine kleine Uhr lief über Wenige Sekunden ab, Das waren Stunden, Und sprang dann zurück. Sie hakte ihren Haken wieder auf Und löste von dem toten Hund die Elektrode, Packte ihn am Fell Und legte den Kadaver auf ein Fließband, Das sprang extra dafür an. Sie gab auch Zahlen an Für uns aus ihrem Film heraus, Und zeigte auf den Nebenraum: "Dort tötet man die Katzen, Und im Grunde tut man diesen Tieren Großes Unrecht an". |
Vor
kurzem war sie noch Als
Lehrerin an einer Schule. Nun
hilft sie in einer Bibliothek, Darf
unentgeltlich Bücher ordnen. "Wir
sortieren nach dem Alphabet, Das
werden sie wohl können", Rufen
ihr die jungen Mädchen zu, Die
grade angefangen haben Und
ihr sagen dürfen, Was
sie hier zu machen Und
zu lassen hat. Die
kleine Niedertracht Will
sie ertragen. Damals,
als sie noch im Lager waren, Stahl
sie die Kartoffelschalen Aus
der Küche, Und
die klebte sie sich unter ihren Anstaltskittel Auf
die nackte Brust Und
trug sie heimlich an den Zaun. |
Vom
Männertrakt kam dann ihr Mann, Wenn
er es schaffte, Dem
gab sie die Fracht. Der
saß hier ein wie sie. Dem
hielt sie manchmal auch sekundenlang Das
Kleid mit Absicht etwas offen. Das
ging lange gut, Und
immer wieder, dachte sie, Fügt
sich doch alles irgendwie. Er ist
inzwischen tot, Sie
hat nur noch die Kinder. Als
sie in dem Lager waren, War
sie, Gott sei Dank, Zu
alt, um jung genug zu sein, Und
heute fühlt sie sich Zu
jung für dieses Alter. |
Zweimal schon saß sie allein In ihrem Klassenzimmer Auf dem groben Holzstuhl, tief versteckt, Mit hoch gezognen Beinen Zwischen Wand und Schrank. Das erste Mal als Schulanfängerin, Das zweite Mal mit diesem Abschiedsbrief Vom Amt In ihren Händen. In der Bücherei, das fällt ihr ein, Muss sie, wenn sie um etwas fragt, Die Wörtchen "bitte",
"danke" sagen, Nein, Ein drittes Mal Dürft niemand sie mehr Auf den Holzstuhl jagen. |
Nun
hat sie noch das Kind, Und
er hat eine andre Frau, Die
ist, weiß sie, genau wie sie, Wie
sie zu Anfang war. Vor
ihrem Fenster ist die Einkaufsstraße, Und
es könnte sein, Dass
er mit ihr an ihr vorüber zieht Und
sieht nicht einmal hoch. Sie
liebt ihr Kind Und
ist so maßlos ungerecht zu ihm, Und
rächt sich so an ihm, Sie
weiß, er liebt es auch, das Kind, Und will
die Kleine nicht mehr sehn, Und
so vor ihrer Mutter schützen. Auf
den Pflastersteinen Wird
das Knirschen seltener. Nun
geht sie vor die Tür Und
eilt mit festem Schritt Und
doch so schnell es geht Ins
andre Viertel, dort erkennt sie keiner, Und
kauft ein. |
Danach
geht es ihr besser. Dann
kommt wieder eine Nacht. Sie
achtet jetzt auf jeden Mond. Wenn
er die volle Pracht entfaltet, Trinkt
sie Alkohol Und
redet sich, sie kann dann sowieso Nicht
schlafen, Schlimme
Dinge ein. Sie
klettert auf das Bett Und
hat sich nicht entkleidet Und
er kommt herein, Wie
er es immer tut, wenn sie das denkt, Und
reißt ihr alles ab vom Leib. Sie
zerrt an sich Und
wirft sich hin Und
liegt nun auf dem Boden, Spürt
ihn über sich Und
will ihn wieder nicht Und weiß,
dass er sie auch nicht will, Und
klammert sich erst recht an ihn Und
schimpft auf ihn |
Und flucht auf seine Mutter Und auf seinen Bruder Und sie weint um sich, Am Morgen ruft sie ihn In seiner Firma an, Nachdem sie ihn zu Hause nicht erreichte, Und sie hätte nun Beweise, Und er hätte sie mit jedem Male Mit Gewalt gezwungen. Und er legt den Hörer auf Und denkt ans Kind Und hätte es beinahe selber gern', Dass dies der Grund gewesen sei, Dann gäb' es bald ein Ende. |
Von ihm
weiß ich nicht viel. Er
geht mich auch nichts an, Und
manchmal steht er Wie
gepflanzt am Nachbarzaun, Und
redet auf mich ein, Das
tat er früher nie. Ein
Gruß von ihm, von mir, Ein
schnelles Wort, bis jetzt, War
alles. Sonst
war nichts, Und
nun begießt er mich mit seinen Worten. Und
vor zehn, zwölf Jahren Tranken
wir am selben Zaun, Fast
an derselben Stelle, Nur
aus Übermut Ein
Glas. Er
lebte damals noch Mit
seiner zweiten Frau, Die
hat ihn dann verlassen. Seine
Kinder gingen ohne große Worte Aus
dem Haus, |
Zwei
schöne Mädchen, Denen
sah ich lange nach, Und,
das hat er mir auch erzählt, Davor
war eine andre Frau gewesen, Die
war lange tot. Er
hatte einen Sohn von ihr gehabt, Der
starb mit achtzehn Jahren. Schwer,
erinnere ich mich, trug dieser Mann daran. Man
hatte gar nicht helfen können. Damals
kam ein andrer Nachbar Auch
noch an den Zaun. Der
wusste von den Einzelheiten, Die
schwieg er bedächtig an. Das
alles liegt so weit zurück für mich Und
ging mich auch nichts an, Und
ich bekümmer mich Nur
wenig um die Leute. |
Manchmal frage ich mich nur, Warum sie dann und wann, Wenn ich daneben steh, Von meiner Tür das Namensschild Herunterreißen. Meine Tage sind nicht lang, nicht kurz, Sie fallen mir nur irgendwann, Ganz plötzlich ein, Und schlimm ist auch, Dass ich die Namen, viele, viele Namen, Längst vergessen habe. Manchmal denke ich, Dass alles völlig unwahr ist Und dass ich es nicht bin, Von dem ich rede Und mit dem ich lebe. |
Einen
Tag lang gab er sich kein Essen, Einem
freien Tag, Den
nahm er, um ihn sich zum freien Tag zu machen, Und
den nächsten auch. Am
Abend gab es etwas Tee zum Trinken, Und
es stand der zweite Tag bevor, Den
wollte er wie diesen ersten fasten. Zwischen
beiden lag die Nacht. Er
wollte seinem Gott ganz nahe kommen. Was
es war, dass konnte er nicht wissen. Ob er
einen Glauben damit meinte, Oder
sich zum Zeugen machen wollte Für
ein übermenschliches Geschehen, Für
die Überlieferung, Für
eine Religion, Dass
sie sich nun in ihm vollziehe Wiederhole,
widerspiegele, Er
wusste nichts davon. Und
schon am ersten Abend Zitterten
ihm seine Hände. |
Ungewohnt
und schwach Stand
er dem eignen Willen gegenüber. Der
stand schnell in Frage. Er
gab niemals nach. Die
Nacht war voller körperlicher Quälerein Und
Andacht kam nicht auf, Und
die Gedanken kreisten Nicht
um ein Gebet Und
nicht um eine Gottesnähe, Und
sie kreisten nicht um die Vergangenheit, Dass
man Besinnung hätte, Nicht
um irgendeine Zukunft, die wurd fade, Sondern
nur um seine wahre Gegenwart, Um
seinen Leib, Das
wurde schrecklich deutlich. |
Gegen Morgens trank er noch einmal Und füllte etwas Zucker in den Tee Und sprach zum ersten mal in sich Das Wort: "Verzeih", Er sah sich als Betrüger. Der Betrug wog schwer. Sein Zittern hatte sich gelegt, Und er stand auf. Erst abends aß er seine erste feste Speise, Vorsichtig und voller Andacht Und mit würdevoller Freude Aß er trocknes Brot Und trank noch einmal von dem Tee, Und sprach zu niemandem davon, Denn alle hatten viel und reichlich, Hätten ihm auch gerne viel und reichlich
abgegeben, Selbst sein eignes Haus War übervoll davon. |
Die Versuchung
Sie dachte an das
Buch der Bücher Und an andre
Bücher, Die sich auch die Bücher
aller Bücher nannten, Und zum Schluss, so
sagte sie, Ist alles ein
Verzagen und Versagen Und sich
Gehenlassen, Und man hält sich
selber nicht zurück, Und andre schieben
einen hin zu anderen, Die machen grade
ihren Schritt In eine andre
Richtung, Und der Mann, den
ich in meiner Nähe wünschte, Bleibt nur eine
Illusion, Er lässt sich von
mir küssen Und wischt sich
trotzdem mit seiner Hand Die feuchte Stelle
ab. Und der, der meine
Nähe ist, |
Küsst mich sogar wo
mir die schwarzen Blätter wachsen, Und ich halte mich
an meinem Laken fest Und stehe nachher
lange unter einer Dusche, Kann und kann es
nicht verwinden. Alles ist verkehrt, Und alles kehrt
sich in sich vor mir um: Ich in der Liebe
dieser beiden Männer. Der mich lieben
darf, Liebt meinen Körper,
Und dem, der mich
liebt, Trag' ich ihn nach.
Er aber streift ihn
von sich ab. Er hat mir seine
Liebe eingestanden Und gestand mir
noch, |
Dass er in Treue
lebe, treu im Glauben, Und die Treue, die
er Einer anderen
geschworen hätte, Würde er nicht
brechen. Gut denn, gut, Nun will ich sein
wie er Und will ihm
schwören. Er ist Inhalt
meiner Beterei. Doch der, der ihn
im Glauben lässt, Ist mir zu
kläglich. Ihm soll mein Gebet
als Klagerei Zum Himmel steigen.
|
Sie hört ihm gerne
zu Und glaubt ihm
jedes Wort, Und einmal sprachen
sie von einem Stern, Der sollte im Labor
gezündet worden sein, Das, hatte er
erklärt, Wär' eine Folge
ganz bestimmter Reaktionen, Und es ginge dabei
um die Strahlen, Die entstünden, Nicht um irgendeine
Helligkeit. Er hatte ihr ein
Buch gezeigt, Daraus las er ihr
vor, Und sie verstand ja
nichts von dem. Als Lesezeichen Hielt er einen
Zettel in der Hand, Der fiel ihr auf,
den las sie an, Es war wohl ein
Gebet. |
Sie fragte ihn
direkt, Und er bestätigte
es so und sagte: "Alles, alles
hat im Leben einen Anfang, Ich bin ja ein
Mensch, Der weiß nicht
viel, Dies ist nur ein
Versuch, der stammt von mir. Was du in Händen
hältst Ist wirklich ein
Gebet. Und handelt dummer
Weise Nur von mir. Ich hebe es mir auf Als Kieselstein auf
einem Weg, Den jeder geht, Und ich wohl auch. Ich drück es nur
ein wenig anders aus. Es stimmte die
Versuchsanordnung Noch nicht ganz, |
Und unversucht
wollt' ich es auch nicht lassen, Und ich denke immer
wieder nach. Ich bin stets in
Versuchung." Über soviel Worte
lachte sie, Weil nichts
dahinter stand. Sie konnte
trotzdem, wenn er redete, Das, was er sagte,
nachvollziehn. Sie hatte früher
Ähnliches gedacht Und aufgebetet,
weil man betete. Nun sah sie ganz
verschämt auf ihren Frauenfuß, Der war sehr
schlank und elegant Und voller
Weiblichkeit Und steckte doch in
einem kleinen Kinderschuh. |
Gerne hätte sie die
Rolle, Die sie spielte,
auch gespielt. Vor zwanzig Jahren
stand sie Vor der Frage nach
den nächsten Zwanzig Jahren. Schauspiel war ihr
viel gewesen, Mehr als allen
andren, die sie kannte. Ganz gewiss, das
hatte sie gespürt und auch gewusst, Doch, was ihr
fehlte, war Besessenheit, Es fehlten ihr die
ruhelosen Nächte, Die sie morgens
übernächtigt Als den Bleifluss In den Tag gegossen
hätten. Sie verstand, es
musste sich der Traum von einer Bühne Ohne sie zu Ende
träumen. Sie begnügte sich
allmählich mit den Posen, Die sie aus der ersten
Schauspielschule kannte, Die sie aber immer
wieder einstudierte, Die sie nicht
vergessen wollte; Hatte ihren
Brautstrauß Sozusagen
präpariert Und holte ihn genau
genommen Viel zu oft hervor. |
Sie stand dann so
vor sich Und in der
Fensterscheibe. Draußen hatte Regen
aufgehört, Und sie entdeckte
sich sofort In ihrer Nähe. Sie erstarrte mit
dem letzten Tropfen auf dem Glas, Verharrte mit weit
aufgesperrten Mund, Dem einstudierten
Schrecken im Gesicht. Die flinken Augen
kontrollierten ihre Züge, Huschten über die
gespannte Haut. Sie sah, dass so,
im Fensterspiegel Und bei dieser
Pose, Ihre kleinen Falten
völlig schwiegen. Sie erschrak noch
einmal, Schreckensfreude
breitete sich in ihr aus, Ganz ohne Grund
natürlich. Eine Tür in ihrem
Rücken War ins Schloss
gedrückt. Sonst hielt sie
diese Tür Als Fenster offen, Damit alle Welt sie
sah. Ja, mitten in
Gesprächen verharrte sie, Versteinerte zum
Bild, Das räumlich wurde, |
Und genoss die
Stille, die um sie entstand, Dann hörte sie sich
weiterreden, Tat als wäre nichts
geschehen, Hatte sich verzückt
In den Gesichtern
anderer gesehen. Lange würde diese
Wirkung dauern, Dauernd war sie im
Gespräch. Bei Festlichkeiten
passte sie die Kleidung Ihren Posen an, Das Publikum
erwartete von ihr, Das spürte sie, Die Perfektion, Die war schwer zu
erreichen. Immer wieder
stellte sie sich So die Frage nach
den letzten Zwanzig Jahren. |
In seinem Zimmer Saß er an dem Tisch Und ließ die
Schwärme Schöner Reden
steigen, Die umkreisten ihn Und fielen wieder
ein, Und Worte, die er
eigentlich nicht kannte, Landeten auf seiner
Zunge, Dabei sprach er
nicht. Er redete mit
stummen Sätzen Eine Rede nach der
anderen, Er hätte sie so
schnell nicht schreiben können. Alles hatte er
versucht. Nur Brocken kamen
aufs Papier. Er stolperte beim
Wiederholen Und verzweifelte. Es fiel ihm eine
neue Rede ein. Die hatte nichts zu
tun mit der vorher. Sie tat ihm
trotzdem gut. |
Sie hob ihn auf von
seinem Stuhl, Dass er die Stimme
hob. Sie war nur
innerlich. Die konnte er nicht
mit den Ohren hören. Darum sprach er
einmal laut. Das war ein
Krächzen, Das war
unerträglich laut, Er schwieg sofort
zurück, Dass er für sich
erträglich wurde. Nein, es machte
nichts mehr aus, Die Rede war nicht fest
zu halten. Und der Sinn? Am liebsten hätt'
er alles mitgeschrieben, Doch das ließ er
sein, Es ging zu viel
dabei verloren, Und es war ja
ohnehin die ganz und gar Verlorne
Rederei. Vom Klopfen an der
Tür war nichts zu hören Trotz der
Totenstille. Erst beim zweiten
Mal |
Schob er mit seiner
Hand Die Reden, die nun
durcheinander gingen, Schnell beiseite. Niemand da, er
hatte sich geirrt. Er konnte weiter
machen. Redete von nun an
mit dem nicht vorhandnen Gast, Den er nicht
kannte, Und er stellte sich
ihm vor. Der wollte ihn nun
reden hören, War sehr
aufmerksam, Verstand ihn auch
und richtig. Er bedauerte an
einer Stelle, Ganz zu Recht und
völlig überzeugt, Dass es zu wenig
Leute gäbe, Die sich für die
Reden andrer Leute Intressierten. |
Sie war sehr alt Und lebte in dem
Altenzimmer. Niemand hier war
abgeschnitten Von der Welt. Sie hatte
von den Gegenständen, Die ihr lieb und
wertvoll waren, Sie an Wichtiges,
Besonderes erinnerten, Das Damals
aufbewahrten, Vieles aufbewahren
können. Auf dem Tischchen
stand ein Telefon, Das durfte sie
benutzen, Musste nur bei
Ferngesprächen fragen. Täglich führte sie
ein Stadtgespräch. Das richtete sie
ein. Sie führte es fast
immer zu derselben Zeit, Das wussten auch
die anderen, Die störten sie
dann nicht. |
Heut' hatte sie den
Automaten Für die Zeitansage
angerufen. Die war lang und
langweilig, Und nächstes Mal
würd' sie sich wieder Kochrezepte sagen
lassen. Immer rief sie
Automaten an. Sie redete dabei
von Anfang an, Und sie beschwerte
sich. Sie machte dabei
Pausen, Sich zu
vergewissern, Dass die Leitung
noch bestand. Sie fühlte sich
nicht alt, Sie hatte Einsicht. Einmal hieß es,
dass Die Stimmen dieser
Automaten Selbst aus
Automaten kämen. |
Und in absehbarer
Zeit Bekämen sie die
Möglichkeit, Auf Fragen, wenn
sie einfach wären, Eine Antwort
abzugeben, Aber das, so
glaubte sie, Würd' sie nicht
mehr erleben. Sicher müsste man
dafür Auch einen
Extrapreis bezahlen. Eine ihrer
Nachbarinnen Fragte sie stets
nach dem Telefongespräch, Ob sie denn
Neuigkeiten hätte, Und sie musste,
etwas aufgeregt, Von dem Gespräch
berichten. |
Die Rufe eines jungen Kirschbaumes
Ich weiß es, Weil ich selbst der
Baum war, Der im weißen,
roten, schwarzen Hemd Ins
Kinderzimmerfenster sehen konnte. Weiß es, Weil ich durch den
Hauch der jungen Rinde Jeden Kinderarm
vernahm, Der mich umschlang, Und jeden
Kinderrücken, Der sich an mich
lehnte, Jede Kinderhand, Die sich, an mich
gestützt, Die Kinderaugen
zuhielt. |
Weiß es, Weil ich, der ich
nie Von dieser Stelle
kam, Sogar die
Kinderreime lernte, Die man über meinen
jungen Wurzeln sang. Nur, weil ich wie
die anderen Bäume um mich her, Zu schnell
verwilderte, Schlug mich ein
Axthieb um. Als grüne Feder fiel
ich in das Gras. |
Mir bleibt nur
wenig Zeit. Ich weiß, Mich würde man, So anders als bei
einem Kinde, Erst beweinen
wollen, Wenn ich hoch im
Alter stünd' Und stürb. |
November 1985, Kolumbien, Arinero. Nach dem Ausbruch des Vulkans, Nevado del
Ruiz, stirbt die 12-jährige Omayra Sanchez in der überfluteten Ruine ihres
Elternhauses, eingeklemmt in Beton und von ihrer toten Tante Adela unter
Wasser festgehalten, bis zum Mund im Wasser stehend, nach 59 Stunden
Überlebenskampf. |
||
Unsre Zeit bedachte
nicht Die Ketten, Die die Freiheit
mit sich brachte. Über Satelliten
waren wir vor Ort, Den konnten wir
sonst nicht erreichen Und betrachten, Und die Augen von
millionen Kettengliedern Sahen auf das Mädchen
nieder, Dem stand brakig
Wasser an den Mund, Und kläglich rief
die Stimme, Die von unten eine
tote Anverwandte Nicht mehr aus den
Händen ließ: "Wenn ihr das
Leiden sehen könnt Und helft, Sterb ich doch
nicht umsonst." |
Dem Mann der
Feuerwehr, Der mit den eignen
Armen Dieser Armen auch
nicht helfen konnte, Dessen Hirn schon
stumpf vom Wissen Um die
fünfundzwanzigtausend Toten einer Nacht Nichts mehr
vollbrachte, Machte sich und
diesem Mädchen Mut Und zündete sich
einen Zigarettenrest Von Neuem an. |
Es kam kein
Material, Die Ketten rissen
nicht, Und tödlich wurd'
die Dunkelheit, Die stand dem Kind
nun an. |
Ein Augenblick der fürchterlichen Stille
Ein Augenblick der
Unaufmerksamkeit Ein Augenblick, den
wünschte man Im selben Augenblick
zurück, Ein Aufschlag, Kurz ein Knirschen, Bremsen bremsen
viel zu spät, Vorbei der
Augenblick, Den man von nun an
sieht, Ein Augenblick Der fürchterlichen
Stille, Des
Nichtgglaubenwollens, Eines Stillstands
jedes Schreies vor dem Mund, |
Der atmet nicht,
ist schreckensweit, Und traut sich
nicht zu sehen, was er sieht, Auf grauem Teer Ein wenig
Flüssigkeit Und etwas Blut Und abgewinkelt
diese kleinen Arme, Diese kleinen
Beine, Abgewinkelt auch
der Kopf In einer
Ahnungslosigkeit, Die lässt für
nichts mehr Raum, Und wird zur
Hässlichkeit an sich. |
Und jede Rettung, Jedes
liebe Wort Und
jeder Kuss Sind
schon zu spät Gesprochen
und versucht Und ganz
vergebens. |
Der
Wunsch
der Wünsche
Du bist ein Kind,
denk' ich. Und du hast einen
Herzenswunsch. Es ist dein Wunsch
der Wünsche, Den soll man, Den will ich dir
erfüllen. Und ich nehme deine
kleine Hand Und führe dich mit
kleinen Schritten, Fast im Stillstand,
fast im Stehenbleiben, In das Glücksland, Dort soll man dir
helfen. Und die Kinderaugen Irren von dem einen
Wunsch zum andren, Zwischen
Puppenköniginnen, Zotteltieren, Automatischen
Familien, Über Bilderbücher,
die sich selbst erzählen Und bebildert mit
dir reden, hin zu Häusern aus der
Phantasie, Die sind für Kinder
zum Bewohnen, Und nur Kinder
kennen sich in ihnen aus, Und über Kissen, |
Die genau im
rechten Augenblick Das Gutenachtlied
an der einen Stelle, Die so lieblich
klingt, Unmerklich
wiederholen, Über Tastsensoren,
die dem Streicheln Der von dir
geliebten Hände Zum Verwechseln
ähnlich sind. Die Kinderaugen
irren, irren, irren, Und sie füllen sich
mit Tränen, Und die kleinen
Hände suchen nach Ich weiß nicht was, Und ziehen aus der
Tasche meines Mantels, Ach, ich steckte
ihn Nur aus Gewohnheit
ein, Den komischen und
unansehnlichen "Melasche". |
"Der", so
sagt das Kind, "Ist auch aus
einer andren Welt, Den liebe ich am
meisten." Und das Kind
erzählt mir draußen Wieder neu von
seinen Wünschen: "Die sind
riesengroß, die kann man nicht So leicht erfüllen,
wie die sich das denken." |
Du liegst jetzt
unter mir, denk' ich, Und bist nicht mehr
so schön wie eben. Ja, ich brach das
Wort zu meiner Frau, Du weißt es,
deinetwegen, ganz allein um deinetwillen. Dafür wirst du mich
noch töten wollen, Und ich tat an dir,
was Männer gerne tun, Wenn sie es wollen, Und ich wollte es,
und tat nur dies, Mehr tut kein Mann, Und tat mir selbst
am meisten an, Und vorher schon
bestrafte ich mich dadurch, Dass ich mich von dir
bereden ließ. Und nun hältst du
die Augen auf, Bist heller wach
als ich Und quirlst im
Fieber über, Schneller kann man
Leben nicht erwecken, |
Bist jetzt über mir Und beißt mit
zarten Bissen, Willst mir das
Gewissen, das du siehst, Vom Leibe zieh'n, Und bist ein junges
Tier, Das wirft sich auf
den Rücken, Scheuerst dich an
mir Und schlägst noch
einmal Funken, Willst als Drache
steigen, Und mich stellst du
an die Schnur. Ich weiß schon
jetzt, Du wirst, dass es
dir alles glückt, Wie du es denkst, Und ich versteh'
mit Absicht Nicht ein Wort von
den Gedanken, Die du heimlich in
dir trägst und die du mir, Damit ich sie dann
doch begreif', Mit Fingernägeln
auf die Arme schreibst, |
"Dass du es
weißt, ich will ein Kind von dir", Du wirst nicht
lange fragen. Gebe doch ein Gott,
dass einmal nur ein Wunsch, Den man erfüllt, Auch die Erfüllung
ist. Denn wenn es
glückt, was du dir denkst, Auch wenn du es
noch leugnest, Wird mich nun ein
Leben lang Papier von dir
begleiten. |
Wenn der Augenblick Des Wunsches aller
Wünsche naht Und man ihn
sprechen muss und weiß, Es ist das letzte
Mal, Dass jemand oder
man sich selber fragt, Und vorher sprach
uns niemand darauf an Und auch nicht so
direkt Und nicht so
rücksichtslos Und schlimmer noch, Wohl die Erfüllung
dieses Wunsches meint In einer Zeit
danach, Von der man gar
nichts wissen kann... |
Wie bin ich arm, Zu diesem letzten
Wunsch Fällt mir nichts
ein. Ich könnt' mir
etwas Für die andren
wünschen. Dafür wär' zuvor
Gelegenheit Genug gewesen, Nein, es sollte für
mich ganz alleine sein; Und für mich selber Wünschte ich mir
schon die ganze Zeit, Dass
Unerfüllbarkeit erfüllbar wäre, Das ist wenig wert,
ich weiß. |
Und soll ich mir
für die nach mir Im Vorweg etwas
wünschen, Das mag recht, das
mag auch unrecht sein. Ich schrecke in dem
Zimmer auf. Von meinem Dach,
das ist sehr schräge, Rutscht der Schnee Von einem
Augenblick zum andren Mit Getöse ab. Von draußen ist es
nicht zu hören, Und was auf die
Wege fiel, Werd ich mit einer
Schaufel An die Seite
kehren, Bis es von alleine
schmilzt. Im Sommer wird mich
nichts An dies Geräusch
erinnern. |
Die Frau, die sich verließ
Sie war sehr alt Und war nicht alt
genug Und ging auf Reisen Und besuchte junge,
fremde Leute weit entfernt, Die wohnten in der
Nähe Einer alten Dame,
die sie kannte, Und sie wusste
nicht viel mehr Und wurde magisch
angezogen, Und es zog an ihr
die Kraft, Die sie erkannte, Und die konnte sie
sich nicht erklären. Auf der Reise las
sie einen Brief Von ihrem Mann, Der war seit einer
Ewigkeit Nicht mehr am
Leben, Und in ihrem Alter Zählte eine
Ewigkeit nicht viel. Sie hatte einen
schweren Atem, Wenn sie an die
Söhne dachte. Alle waren tot, Gestorben und
erschossen und gefallen. |
Damals, als sie
selbst Familie waren, Fiel ihr ein, war
eine alte Dame zu Besuch bei ihr. Die war ganz fremd,
die kam Gott weiß woher, Die kannte ihre
Mutter. Und es schien ihr
fast, Dass alte Damen
reisten, Um sich einzuholen. Heute kämpften sie
mit der Gebrechlichkeit Und morgen mit den
letzten Zwanzig, dreißig
Jahren. Dann war sie am
Ziel, Und wurde
vorgestellt, Und alles war wie
damals, Als sie selbst die
alte Dame bei sich hatten, Und sie war erneut
die junge Frau, Die war ein wenig
überfordert, Und ihr Mann war
nicht so überzeugend, Ja, drei Söhne
hatten sie, Und spät am Abend
trank man Wein. |
So einfach, dachte
sie, Lässt sich das
Leben wieder wiederholen. Endlich fuhr sie
heim Und schrieb noch
einen Brief Und einen Dank an
diese jungen Leute Und sie schrieb,
sie hätte auf der Rückfahrt Oft geweint und
auch warum. Und in demselben
Umschlag Steckte auch die
Karte über ihren Tod. Die hatte jemand
gleich dazu gesteckt Und einmal Porto
hatte man dabei gespart. |
Sie hatte einen
Doktorgrad erworben, Und obwohl sie
durch die Studien Lange Jahre ihrer
Jugend Außerhalb der
Jugend stand, War ihr ein
jugendliches Aussehn Und die
Unverbrauchtheit ihres Leibes Eine Leiblichkeit
geworden, Die sie über alles
liebte, Und sie hielt sich
oft in ihrer Nähe Vor dem Spiegel
auf. Dann kam ein
Dauerlauf dazwischen, Weil sie sich auf
einen Mann besann, Es ging Hals über
Kopf, Und Kinder kamen, Ohne dass sie sich
besinnen konnte, Und sie wusste
schon nicht mehr Warum sie diesem Mann, Den man im Grunde
gar nicht lieben konnte, Aufgesessen war. |
Nach außen trug sie
steinern Die Fassade einer
handgeschliffnen Frau, Die rührte man
nicht an, Die rührte selber
auch an nichts, Und in der Ehe
brach ein Grad In der Verwüstung
aus, Der war die
absolute Fremde, Und sie wuchs mit
ihm, Und Schläge, die
sie trafen, Trafen nicht nur
sie. Sie wehrte sich
nach Kräften, Die verließen sie
sehr schnell Und alles wurde in
ihr aufgezehrt. Er war ein Schläger
und ein Trinker Und ein grober
Mensch Und warf sie auf
den Teppich ihres Zimmers Und er hielt sein
Glied auf sie Und urinierte über
sie. |
Sie schrie im
Fieber, das brach aus, Und sie mit ihrem
Fieber. In dem überfüllten
Frauenhaus Nahm man sie auf., Und dort sah sie
das erste Mal Seit Wochen ihre
Kinder wieder, Und sie fragte, wie
die Kinder denn Hier her gekommen
seien, Wo sie abgeblieben
wären, all die Zeit. Und, die sie nun
betreuten, kannten das Und hatten sich mit
anderen besprochen, Und sie fassten
immer wieder neuen Mut In ihrem bodenlosen
Fass. |
Eines Tages dachte
sie darüber nach, Und andre hatten
auch schon nachgedacht, Und einige, das
wusste sie, Die dachten viel zu
lange nach Und überschritten
einen Punkt; Und dächte man zu
wenig nach, Und eigentlich an
sich, Dann kam man nicht
zu sich Und blieb im Sande
stecken. Sie kam aus dem
Sand, Den klopfte sie nun
aus den Kleidern, Die gehörten gar
nicht ihr. Von ihm kam alles
Geld Und alles, was man
so als Tagesdecke hatte, Und er konnte es
von einem Augenblick Zum anderen Von ihrem Leibe
ziehn, Das war die
Wirklichkeit. Sie
fasste allen Mut Und
sprach zu ihm von ihr, Die
kannte sie nicht lange, Das
fiel ihr sehr schwer, |
Und
er war fassungslos Und
hätte einen fremden Mann bekämpft, Wenn sie
ihn hätte, Ganz
bestimmt wär' ihm Noch
irgendetwas eingefallen, Aber
so, zu einer andren ziehn, Und
ihn verlassen wollen, Wegen
einer andren Frau, Das
war nicht zu verstehen. Und
er dachte einen Augenblick An
tiefe Frauenfreundschaft, Meine
Güte, Aber
dies war, wie sie sagte, etwas anderes, Und
in der Wut Zog
er sie in den Schmutz, Und
sie beschmutzte ihn in keiner Weise, Er
war hilflos, Und
sie sah ihn fallen Und
beherrschte ihn in seinem Fall, Das
wollte sie nun wirklich nicht Und
tat es doch ausdrücklich, |
Und
sie zeigte ihm Wie
schwach die Wut auf seiner Seite war, Und
bot sich ihm ganz einfach an, Zum
Abschied sozusagen, Und
sie hatte recht Und
spielte hoch, Und
erst im letzten Augenblick Besann
er sich Und
warf sie ohne Rücksicht, Ohne
irgendetwas aus der Tür. Sie ging sofort. Und draußen, sah
er, Nahm sie jemand in
Empfang. Und zueinander
liebevoll geneigt Und eng an eng Entfernten sich
zwei Frauenköpfe. |
Der verkaufte Verkäufer
Sein Lebtag wollte
er Verkäufer sein, Und das, so dachte
er, sei gut. Es gibt im Leben
nichts, Das nicht auf
irgendeine Weise Angeboten,
angefragt, benötigt Und verzweifelt
abgestoßen wird, Und immer muss ein
zweiter sein, Der will genau das
Gegenteil. Der edlere
Verkäufer Ist nun nicht so
plump Und bietet an und
handelt ein, Der wartet auf
Gelegenheit, Die fädelt er in
unsichtbare Ösen Und verwandelt sie
zu einem Band Mit dem er seine
Sache näht. |
Er kann dann den
Verdienst allein bestimmen, Und es hält
zusammen, Und es mehrt noch
seinen Ruf, Und es beflügelt
ihn zu größerem Gelingen. Eines aber, hat er
schnell erkannt, Ist nicht zu
übertreffen. Wenn man es
versteht, die Käufer In der
Angelegenheit allein zu lassen, Wenn sie sich mit
ihrem Herzen, Ihrer Seele etwas
wünschen Und ihm den
Verdienst, Weil sie ans Gute
in ihm glauben, In die Wohnung
tragen, Und ihm dankbar
sind, |
Und er noch oben
drauf, Auf das, was er
verdiente, Ganz verschämt die
Dankbarkeit Verzinsen lassen
kann, Sie sich als Rente ständig
ohne neue Arbeit bringen lässt, Dann, denkt er, hat
man wohl Sein Ziel erreicht, Und fühlt sich als
ein edler Mensch. |
So wurde er
Verkäufer, Und er sah hindurch Und konnte das, was
er verkaufen sollte, Gar nicht lieben, Ja, er hasste die
Gespräche, Die er führte, Und er musste davon
leben. Seine Koffer packte
er mit Sorgfalt Jeden Tag, Dass alles
griffbereit Und immer
übersichtlich war. |
Er selbst war
nichts, ein Niemand, Und er könnte, wenn
er wollte, Jemand sein, Das aber eben
mochte er von sich Nicht wollen, Und man kaufte
nichts bei ihm, Und was er anbot, Machte niemanden
zufrieden. Die er doch
zufrieden stellte, Kauften nur um
seinetwillen, Und sie gaben es
gleich wieder mit, Und davon lebte
er. |
Zum Schluss, so sah
er sich, War er ein ganz
besonderer Verkäufer, Der verkaufte sich Und konnte
eigentlich verkaufen, Was er wollte. |
Er hatte die Idee, Und die Idee an
sich ist immer gut. Er sagte so zu
sich: "Die Tür, die
einerseits, Wenn ich das Haus
verlasse, In die Freiheit
führt, Führt andrerseits, Kehr' ich am Abend
heim, Ein zweites Mal in
meine Freiheit." Er begriff nun den
Zusammenhang Und auch was er
bedeutete, Und er erzählte es
herum, Und alle stimmten
zu, Und keiner hörte
hin, Und er begann, wie
es geschrieben steht, Das Wort zur Tat zu
machen. |
Lange dachte er
darüber nach Und wollte auch, Dass jeder ohne
eine Tat Das Wort sofort
verstand. Nur wie, Das wusste er noch
nicht, Bis er durch Zufall
eines Abends Seine Haustür offen
fand. Es traf ihn die
Erkenntnis Als ein Blitz, Und ohne sich noch
zu besinnen, Schlug er Tür und
Rahmen aus dem Haus Und ging sofort
danach die Runde, Seinen Einfall zu
verkünden, Und er würde nun in
seinem Leben Niemals wieder
seine Tür verschließen Müssen. |
Diese Freiheit,
meinte er, Begriffe jedermann Sie führte ja in
beide Richtungen. Dann ging er in
sein Zimmer. Jeder wusste, dass
er dort alleine lebte, Und man brauchte
sich Nicht sehr um ihn
zu kümmern. Erst sechs Tage
drauf Fand man ihn tot in
seinem Blut, Erschlagen mit dem
Türknauf, Der war von ihm
selber abgeschraubt, Beim Ausbau. |
Zu Anfang sprach
ich gern' mit dir, Und seinerzeit, als
ich das Sprechen lernte, Sprach ich oft mit
dir, Und meine Sprache
war ganz neu, Du fandst sie
ungeheuerlich. Ich sprach vom Wort
im Wort des Wortes Und vom Ball im
Ball des Balles, Nirgends hatte man
dir Ähnliches gesagt, Und schwer würd ich
es haben, Ob ich mich denn
selbst verstehen könnte, Ob ich wüsste, was
ich sage, Und, obwohl doch
ich es war, Der diese Sprache
lernte, Warst du es, die
immer wieder Fragen stellte Und die immer
weniger verstand |
Und deren Neugier
wuchs Und der Verdacht, Und andere
befragtest du nach ihrer Meinung über mich Und stelltest sie
vor mich Und überließt mich
ihnen, Und sie gaben sich
verständnisvoll Und waren mir und
dir in allem überlegen, Und ich merkte es
zum Schluss Und gab es auf Und wurde leiser, Sprach auch weniger Und endlich schwieg
ich ganz Und sprach nun
wieder so Wie ihr es kanntet |
Deine Freunde
ließen mich, Es gab im Grunde
auch nichts mehr Und dein Verdacht
bestätigte sich nicht, Und ich zog mich
von dir zurück. Mit beiden Füßen
hing ich über einer Kante. Oben auf dem Weg Verlöschte auch das
letzte Licht, Es liefen noch die
kleinen Steine nach Und rollten über
meine Hände, Sonst bewegte sich
auf diesem Hang Nichts mehr. Und hielte ich nun
wirklich still, Dann wäre das wohl
die Gelegenheit Zu überleben. |
Du hattest dich an
eine Haut gelehnt Und rutschtest von
ihr ab. In deinem Horoskop
stand etwas Von der großen
Liebe, Die käm auf dich
zu, Die würde dir zu
dem Problem, Das müsstest du nun
selber lösen, Und es stand nicht
wie. Der Lichtpunkt auf
der Scheibe Zeichnete mit
seinem Auge Unsichtbare
Schleifen und Figuren, Später sahst du, Wie genau du dich
im Blickfeld hattest, Und du fragtest
dich um Rat. Du wolltest
schreiben, |
Und du wusstest,
dass du immer An die Wahrheit
denken Und nur schreiben
würdest, Was dir selbst
begegnet war. Du brauchtest
Abgeschiedenheit Und brauchtest das
Erlebnis, Das entstand in
deinem Kopf, Und du empfandst es
nicht Als eine Art
Betrügerei, Und halfst dir
nicht dabei, Und du erlebtest
doch Die größte
Unwahrheit, Die richtete sich
gegen dich allein. |
Die Haut, an der du
lehntest, Wurde zum Geröll, Ein weites Feld, Das dehnte sich
unendlich aus Und ließ dich
keinen Schritt Mehr machen, Und in deinem Kopf
entstanden All die Bilder, Die schriebst du
nun nicht mehr auf Und hattest es auch
satt, Mit deiner Lügerei,
die keine war, Obwohl du damit
andere betrogst Um eigene Gedanken. |
Auf dem Marktplatz Stand die junge
Frau. Sie war in ihrer
Heimatstadt. Die Augen stiegen
mit dem Schwarm Der Tauben in das
Himmelsgrau. Dahinter, wusste
sie, Verbarg sich eine
Sonne. Ekelhaft kam es sie
an, Als in der Nähe
jemand leise flötete. Die Leichtigkeit
der Töne Und dass der, der
flötete, Sie gar nicht
meinte, War die Tür in
ihrem Rücken, Die flog unerwartet
heftig zu. Die Brücke war nun
nicht mehr weit, Und unten fuhren
Züge. |
Das Geländer hatte
sie erkundet Und sie war auch
schon einmal So weit gewesen, Dass sie mit dem
einen Fast dem ganzen
Bein.... Sie schauerte. Man wusste ja auch
nicht, Wie lange alles
dauern würde. Sie war feige, Das war ihr
Problem, War feige zu den
anderen, War feige zu sich
selbst, Es fehlte ihr an
Mut, Sonst hätte sie
nicht immer wieder Die Gedanken an die
Brücke, Oder würd' es
endlich tun. |
Sie schlenderte
entlang am Gitter Und der Zeigefinger
ratschte über alle Sprossen, Dass daraus ein
Schwington kam, Der sang ganz
harmlos neben ihr, Das kam gut an, Und außerdem, wem
könnte ihre Tat Gefallen, Wer würd' außer ihr Die Bitterkeit
bemerken, Die auf ihrer Zunge
lag, Und wenn, so dachte
sie, Tu ich es nur an
einem Sonnentag. |
Er hat in seinem
Haus ganz kleine Anker, Winzig kleine
Retter aus der Not, Die hat er heimlich
aufgestellt Und wacht auch über
sie, Dass sie ihm nicht
verloren gehen. In der Küche, dort
wo ständig Nachrichten und
schreckliche Berichte Auf die
Frühstücksbrote rieseln, Wo das Radio sich
völlig frei bewegt Und alles sagen,
alles bringen darf Und sich als Zirkus
mit Manege, Mit Direktor, Ja, mit Clown und
Publikum serviert, Wo selbst die
Kinder Schnell noch in der
Zeitung lesen Und beginnen vor
dem Schulweg Eine Politik, Die sie zu
diskutieren Niemals die
Gelegenheit bekämen, Auszudiskutieren, Hier in dieser
Küche Steht ein
Porzellandelfin, Nicht größer, als
ein Kindermund, Mit blauen Flossen |
Und mit übergroßen
Augen, Die von einer
Unschuld sagen, Die er nicht
versteht. Vom Meer, das weiß
er, weiß der nichts. Er hat den Platz
auf einem Küchenbord Und neben ihm hat
er zur Tarnung Noch ein Püppchen
stehn, Das ist genauso
klein Und lenkt ein wenig
ab Und ist sehr schön Und stimmt mit
seinen Proportionen Und mit seinen
Farben überein, Und hat für ihn
doch kaum Bedeutung. Oben gibt es noch
das Zimmer, Das wird kaum
benutzt, Hier schlafen er
und seine Frau, Und abends lässt er
sich für eine Stunde Oder zwei an seinem
Schreibtisch nieder Und verfällt auf
allerlei, Das schreibt er auf Und lässt es auch
veröffentlichen, Und er schreibt auf
diese Weise viel, |
Und er bedenkt
dabei unendlich viele Kleinigkeiten, Die bedenkt sonst
keiner, Und auf seiner
Fensterbank Steht übers ganze
Jahr, Im Schatten der
Gardinen, Dieser
Friedensengel, auch aus Porzellan. Den kennen alle,
der wird respektiert, Und jeder setzt
ihn, Wenn er ihn versehentlich
verschiebt, Zurück an seinen
Platz, Und die erhobnen
Hände, wissen sie, Und das verlangt
er, Müssen zu dem Platz
am Schreibtisch weisen. |
Vom Aufbau einer Glaslandschaft
Schon in der Jugend
hatte er begonnen Seine Unterschrift
zu üben, Und sie sollte
flüssig sein Und etwas zeigen Und ihm, wie man
sagt, "aus seiner Feder fließen", Und sie floss so
eifrig Und entfernte sich
sehr schnell Von ihrer
Wirklichkeit Und wurde bald
unleserlich. Das hatte er
gewollt und beibehalten, Und in all den
Jahren hörte seine Überei Nicht auf. Am Ende schrieb er
anfangs schließlich Nur noch einen
Haken, Daran hing ein
langes Band, Das war sein Name. Wer ihn kannte,
kannte seine Unterschrift Und konnte sie doch
nicht erkennen, Und das wollte er, |
Und andere, das
wollte er wohl auch, Die sollten fragen,
wer das sei Und wer er sei Und was er sei,
wenn er das sei, Und ihn beglückte
das, Auch wenn ihn
niemand fragte. Als die
Unterschrift nun ausgeprägt Und fertig war und
ausgereift Und ihm gelungen
schien, Ließ er im Hause
alle Gläser, Die er hatte, mit
dem Namenszug gravieren, Ließ ihn in die
Kleidung sticken, In Bestecke
schneiden Und in seinen
Siegelring. Die Muster für
Gardinen, Teppiche Und die Tapeten Ließ er sich damit
entwerfen, Und der Türgriff
seiner Haustür War der Name
selbst, Er ließ sein
Porzellan bemalen |
Und verfasste eine
Niederschrift, Die Auskunft gab,
wie seine Unterschrift Entstanden war, Und dass sie über
viele Jahre Hatte reifen
müssen, Und er ließ das
Buch verlegen, Und es wurde rasch bekannt. Und seine
Unterschrift, Die fing ein
Eigenleben an Und löste sich sehr
schnell von ihm, Und irgendjemand
machte Ein Geschenk daraus
für jedermann, Und jeder kannte
schließlich jedes über sie Und hatte sie bei
sich zu Haus, Und ihm ins Haus trug
man Prospekte, Dass er nicht der
allerletzte sei, Der von der
Unterschrift erfahre. |
In seiner Hand
befand sich eine kleine Vase. Auf dem Schild, das
außen an der Seite Dieses Glas
beschilderte, Stand, dass man Kunst
in seinen Händen halte, Und im Inneren des
Fußes stecke Eine kleine Blase, Diese sei dafür ein
Zeichen, Und das Ganze sei
auch mundgeblasen, Und er sah von
außen auf die Perle, Die im Innern saß
und keine war, Und sah auch die
Entfernung bis dorthin, Die war unendlich
groß, Weil man mit nichts
dorthin gelangte. Diese Vase ließ er
nicht aus seiner Hand Und stellte sie auf
einen Tisch Und setzte sich
davor Und sah auf ihren
Mittelpunkt, Der war nicht in
der Mitte, Und er konnte sich
den Hohlraum Nicht erklären, |
Und der war doch
auch mit Luft gefüllt, Und böte einen
Lebensraum, Wenn man gar keinen
Raum mehr hätte, Und der wäre nicht
genug, Weil alles fehlte, Und er würde
schnell zum Un-Gemach, Das hatte auch nur
eine knappe Höhe, Dass man sich nicht
stellen konnte, War so eng, dass
man nicht liegen Und nicht sitzen
konnte, Und es wäre
Quälerei an sich. Er sah die Kunst
vor seinen Augen nicht Und konnte in der
Blase nichts entdecken, Die war rein und
säuberlich Und statt der Luft,
so dachte er, War sie vielleicht
mit einem Gas gefüllt, Das wäre aus Metall
entstanden, Das wär in der Glut
der Schmelze Um sich her
verdampft Und hätte so den
Ball gebildet, Und er dachte an
den Zwischenraum, |
Der stand nun
zwischen ihm und ihm Und hinderte ihn
daran Die Gewissheit zu
erfahren, Und der
Zwischenraum war auch aus Glas, Und nach zwei
Stunden Hielt er alles
nicht mehr aus Und wickelte die
Vase in ein Tuch Und schlug mit
einem Hammer Auf die Stelle Und zerschlug die
Kunst Und auch das Glas Und wickelte begierig
alles wieder aus, Das waren tausend
Scherben, Die verrieten, Zwischenraum
und Blase hatten Niemals existiert. |
Zarter Kuss in grellen Farben
Man wusste von dem
grünen Land, Und alles, Was man dort im
Grünland kannte, War auch grün. Es gab in dieser
Farbe keinen Unterschied, Und eine
Wissenschaft Befasste sich mit
jedem Grad der Grünheit, Nur um
festzustellen, Ob es einen
Regulator Für die absolute
Grünheit gäbe, Oder eine
Messbarkeit für etwas, Was sich sowieso nicht
änderte. Das einzige, Was man an Farberei
erkennen konnte, Waren
Lichtabweichungen, Die durch den
Sonnenstand Und durch den
Abend, Durch die Nacht Und durch den
Morgen unabweichlich waren. Das war ja
naturbedingt. |
Der Himmel und die
Wolken Waren einheitlich
und grün. Man sah sie nur, Wenn man sich einen
Filter Vor die Augen
setzte, So entstanden
ungewöhnlich schöne Farben, Jede neue Farbe
weitete das Wissen Und die Farberei. Sonst war das Leben
so wie hier Und anderswo. Hier also, Das vergaß ich wohl
zu sagen, Leben wir im Gelb, Das ist total Und hat ganz andre
Möglichkeiten, Ist viel wärmer und
viel freundlicher Und
sonnenähnlicher, Und Gelb war immer
schon Die schönste Farbe
aller Farben. |
Unser Wissen um die
Möglichkeiten Und die Existenz
der andren Farben Ist viel
ausgedehnter, Und wir haben unser
Gelb in unsre Kunst, In die Musik, in
unser Wissen aufgenommen, Ja. wir existieren
mit uns selbst Und lehnen uns
nicht ab. Wir haben auch ein
Ideal, Das ist das Wappen
unsres Landes, Und es neigt sich
über eine junge gelbe Frau Ein junger Mann mit
unbekannter Farbe, Und den Kuss, der
zwischen beiden steht, Trennt nur noch
eine schmale Kante. Dieses Bild erregt
uns alle Wegen einer
Möglichkeit, Die liegt in der
Verschmelzung Greller Farben. |
Er war Monteur und
kam oft raus Und lebte in der
großen Stadt Und kannte sich
dort, Wo er nicht Zuhause
war, Oft besser aus, Und in dem einen
Land Befanden sich die
Frauen, Die aus dunklem
Porzellan gegossen schienen, Sehr im Aufbruch, Und sie boten sich
den Fremden an Und waren tagelang Zufriedene und
demutvolle, Dabei lebensfrohe
Menschen, Die bis in die
Morgenstunden Zur Verfügung
standen, Und er hatte eine,
die, so dachte er, Wär gut für immer, Und sie hing ihm sehr,
sehr an, Und er beschloss Und sie beschlossen
sich Und kümmerten sich
um Formalitäten, Hier bei ihr Und hier bei ihm, |
Und mit der Sprache Kämen sie schon
irgendwie zurecht. Er reiste noch
einmal zurück Und wieder hin zu
ihr Und nahm sie
schließlich mit Und musste sie
schon wieder lassen, Und er überließ sie
ihrem Glück In ihrem neuen
Glück Und war gelassen
und zufrieden, Und man musterte
den Mann, Der soviel Mut
besessen, so gehandelt hatte, Und es gab auch
andere, Die hätten fast wie
er gehandelt, Und er überließ ihr
seine Wohnung, Und er musste ihr
sie überlassen, Die war völlig neu, Das konnte er sich
leisten. Dann kam er das
erste Mal zurück Und sie empfing ihn Mit dem sanften
Wesen, Das er an ihr
liebte, |
Und sie hatte alle
Gegenstände eingerichtet, So, wie sie es
kannte, Und im großen
Zimmer standen Seine Sessel
umgekehrt Um seinen neuen
Tisch, Darüber hingen
Tücher, Decken, Laken, Und sie kroch mit
ihm hinein Und hatte dort die
ganze Zeit gelebt. Er sah schon nicht
mehr hin. Mit Kerzen Rund vor einem
Schrein Mit Ahnentafeln Inszenierte sie für
ihn In ihrem Reich Die Feier seiner
Wiederkehr Und die Begrüßung Und das
Wiedersehen. |
Ein gespaltener Kuss
Sie hatte einen
kleinen Zoo Und liebte Tiere Und erzog sie
richtig, Und sie hatte einen
kleinen Affen, Der war anfangs
immer menschenscheu, Dann ließ er nicht
mehr nach, Sich überall zu
produzieren, Und sie hatte einen
Otter, Der war flink und
otterschnell Und warf sich auf
den Rücken, Und die Hände Hatten immer etwas in
den Händen, Und sie hatte neben
zwei, drei Papageien Zwei sehr schwere,
schöne Schlangen, Jede fast drei
Meter lang Und schwer zu
tragen, Und man sah nun, Dass sie sich auch
selber |
Schlangengleich
bewegte Und sich diese
Tiere Um die Schultern
legte Und sie sich
bewegen ließ, Weil sie sich
selbst bewegte. Alle Tiere hatten
Namen, Und sie lebte vom
Besuch mit ihnen In den Schulen. Sie trat unter
einem Künstlernamen auf, Natürlich als
Solistin, Und war
"Schlangenküsserin" Und küsste ganz zum
Schluss Die Schlangen
wirklich auf den Mund, Und aus den Spalten
sah man auch Die Schlangen ihre
Spaltenzungen halten, Dann verdrehte sie
den Kopf der Tiere so, |
Dass beiderseits, Aus ihrem eignen
Mund, Die spitzen Zungen Nun zu schnellen
schienen, Und es war ein grauenvolles
Bild, Das zeigte eine
raffinierte Tiefe Und auch eine große
Liebe. Sonst., Erzählten sich die
Lehrerinnen Und die Lehrer, Lebt sie mit den
Tieren Tag und Nacht auf
ihrem Zimmer, Und Familie oder
andre Hilfe Hat sie nicht. |
Sie fasste einmal
Mut Und ging zu ihm Und wollte mit ihm
reden, Und sie liebte ihn
, Nicht wie die
andren Menschen einen Menschen lieben, Und sie wusste auch
nicht wie Und kannte ihn nur
wenig, Und er war bekannt, Und seit zwei Jahren
hatte sie ihm wöchentlich Zwei Briefe
zugesandt, Darin war alles
aufgeschrieben, Was sie sagen
wollte, Was sie für den
Menschen, den sie wenig kannte, Den sie
kennenlernen wollte, Den sie viel zu
selten sah, Empfand. Zu sehen war er nur
bei einem Öffentlichen
Auftritt, Und es schirmte ihn
dabei Dieselbe
Öffentlichkeit ab, Man kam zwar nah an
ihn Und doch nicht nah
heran. Vielleicht bekam er
viele Briefe, Sehr viel Post. Sie schrieb ihm,
das war sicher lächerlich, Auf seidenem
Papier, |
Das steckte sie in
rosa Briefumschläge, Aber, hoffte sie,
die Briefe fallen auf. Sie war auf ihrem
Weg, Das war der Weg zu
ihm, Und mehrmals hatte
sie ein Bild von sich In ihre Post
gesteckt, Und sie war schön
und etwas still, Das war nur gut, Und an der Haustür
stand ein kleines Namensschild, Nicht mehr. Es fragte jemand
nach dem Läuten aus der Tür Und vor der Antwort
ging die Automatisch auf, Und oben auf der
vierten Treppe Stand sie ihm schon
gegenüber. Und er hatte recht Und sprach sie so
auch an, Sie wäre sicher
wieder jemand, Der ihn aus der
Nähe sehen wollte, Und im Augenblick
möcht' er auch keine Presse, Und sie wusste
nicht mehr ein noch aus Und sagte dann ganz
schlicht: "Ich komme
Ihretwegen Und um
meinetwillen, Und es ist nicht
mehr." |
Sie dachte sich
sofort, Dass er wohl ihre
Briefe Nicht mehr las, Und drinnen, sah
sie, war ja keine Ordnung, Und das gab ihr
Sicherheit, Und dieses Reich,
das schwor sie sich, Würd' sie auch
niemals ändern wollen. Und er gab ihr zu, Dass er mit ihr vielleicht
für ein Gespräch In ein Cafe... Und zögerte und sie
verstand Und lud ihn ein Und er nahm an und
schloss die Tür In seinem Rücken
ab. Als er noch einmal
öffnete Und seinen Mantel
holte, Schob er mit dem
Fuß die Post beiseite, Sie sah unter ihr auch
einen rosa Brief, Der klebte fest,
den ließ er liegen, Wo er war. |
Die Ergänzung, die
sie füreinander waren, War die Fügung
ihrer selbst, Und jeder von den
beiden kam bis hier, Herausgelöst aus
dem Gefüge, Jeder schob danach sich
wieder ein, Und sie ergänzten
sich Und waren sich, wie
man es sagt, In Liebe zugetan Und taten sich viel
Liebes und in Kosenamen an Und taten es sich
selbst und ihrer Liebe an. Man kannte sich zu
kurz, Man durfte in der
Eile Nichts mit der
Vergangenheit vergleichen. Hier mit ihm betrog
sie ihren Mann, Und konnte heftig,
leidenschaftlich lieben, Das hielt an, Solange sie mit ihm
zusammen war, Und er gab ihr
nicht das Gefühl, Dass sie der Anlass
eines Treuebruches sei, Sie meinte eher,
dass sie ihn Aus einer
Dauerquälerei befreite, Und sie fragte auch
nicht viel. Sie hatten sich bei
einem Fluchtversuch
getroffen, Der war schon von
vornherein gescheitert, Und sie standen
dabei eng im Zufall Und eng aneinander In dem
Treppenaufgang des Museums, Wo man die
Besonderheit erklärte, Und die Rücken
ihrer Hände stießen aneinander, Und sie sahen nicht
dahin Und wollten ihre
Augen nicht In eine falsche
Richtung wenden, Und vertrauten auf
den Augenblick. |
Sie schlug die
Augen nieder, Und er sah ihr ins
Gesicht Und rollte dabei
seine Hand Auf ihrer ab, sie
blieb dabei, Dann schoben sich
die Hände ineinander, Und er zog in
seinem Glück, Die Hand in seiner
Hand Ein wenig ab Von ihrer Wand und
hielt sie fest Und gab sie dabei
etwas frei, Und sie erwiderte
den Gruß, Und an dem
Treppenende Sahen sie sich
immer noch nicht an Und sprachen bis
zum Ende nicht Und ließen sich
nicht los. Die Stadt war klein Und groß genug, Und er war
unbeholfen, Und er kannte diese
Gegend nicht, Und sie sprang ein, Und beiden war ja alles
unbekannt. Sie mietete ein
Zimmer, Und das zahlte er
und sagte gleich, Sie kämen jetzt
wohl öfter wieder, Und er zahlte gut, Sie lächelte zu dem
Empfang Und ihn in wahrer
Freude an, Und draußen hielt
die Sonne für sie an. Das Zimmer lag in
Ruhe, Und sie öffnete den
Schrank Und sah nur so
hinein Und schloss ihn
wieder, Und er hielt sie
schon im Arm. |
Sie sprachen nicht Und als sie
sprachen, sagte sie sofort: "Sprich nicht
von dir, Ich möchte dich
nach allem, Was ich von dir
wissen will, Befragen." Und er musste
sagen, Was er von ihr
dachte, Und er dachte viel
und an sein Glück Und nicht an das,
was sie wohl dachte, Und es war ein
erster Tag für sie, Der überstrahlte
alles Was es jemals gab
an Sonnenstrahlen, Und sie machten
nachher Gar nichts Miteinander aus, Und gingen ohne
ihre Namen aufzusagen, Und sie hatten ja
die Kosenamen von vorhin., Die klangen noch im
Ohr, Und die bedeuteten
nun alles. Vor der
Eingangstür, Noch in der
Dunkelheit des Flures, Legten sie sich
ihre Köpfe Gegenseitig auf die
Schultern, Und sie roch an
seiner Haut Und er in ihrem
Haar, Und eine Nachricht,
wenn es eine geben sollte, Könnten sie bei dem
Empfang erhalten Oder hinterlassen, Und es stand die
Tür, weil sie als erste ging, In seiner Hand ein
wenig offen, Und er sah ihr
nach. |
Wenn sie nicht so
wäre, wie sie war, Hätt' er sie nicht
bis jetzt ertragen können, Und sie liebte
einmal nur sich selbst Fast bis zur
Selbstaufgabe, Bis zur
Selbstverleugnung, Und sie lebte in
der Eifersucht, Bis an den Rand der
Raserei. Und er saß auf dem
Spinnennetz der Weiblichkeit, Das diese Frau
verbreitete, gefangen, Und er spann sein
eignes Netz, Das war viel
klebriger als ihres Und war doch direkt
als Übergang zu ihr gebaut Und ließ ihn schneller
als in größter Eile, Zu ihr hin, Und sie war stets
bereit Und fand im Ende
erst den Anfang, Und sie warf ihm
schon in kleiner Liebelei mit ihr Die Blicke die er
sonst noch hatte, vor, Und alles sähe sie, Und nichts ging'
ihr verloren, Und sie sähe gar
nichts ein, Und grob sei er und
rücksichtslos, Wenn er bei ihr und
in Gedanken Ganz woanders
weile, Ihre schönsten
Jahre wären noch nicht um, Und sie sei völlig
ungebunden, |
Und sie konnte
tätlich werden, Wenn er nicht mehr
tätig war, Und trieb ihn an, Und ihm wurd ihre
Welt zu seiner Welt Und tat, was sie
noch wollte, Und sie hatte
Fähigkeiten, Die sprach er nicht
aus, Und sie beschrieb
in diesen Augenblicken Alles, wie es ihr
die Worte gaben, Und die waren ihm
so fremd. Dann endlich gab
sie Ruhe, Ging nach nebenan Und holte sich vom
Alkohol, Und müsste sich,
rief sie zurück, Von ihm erholen, Und er sei brutal
und ohne ein Empfinden, Und der Körper
einer Frau Sei Eisen unter
seinen Händen, Und sie kam zurück,
ihm ihren nackten Körper vorzuführen, Und sie zeigte auf
die Stellen, Die nun wirklich
rötlich waren Und die würden
blau, Die könnte sie ja
ihrer Freundin zeigen, Doch sie würde gar
nichts sagen, Wie ein Mäuschen
schweigen, Wenn er jetzt noch
einmal, Noch ein letztes
Mal.... |
Er rollte sich zur Seite Aus dem Bett, und
sie war stark Und hockte sich auf
ihn Und wollte auf ihm
reiten, Und sie schrie ihn
an, Und schwach sei er
und käme nicht voran, Da schlug er zu Und traf sie ins
Gesicht, Dass er sich vor
sich selbst erschrak, Das hatte er niemals
gewollt, Und sie bedachte
ihren Schmerz, Der tat ihr gut, Das würde er sofort
bereuen, Und sie legte sich
an seine Seite, Zog mit ihren Armen Seine Schultern
tief zu sich herab, Und dachte an das
Glas im Nebenzimmer, Das sah sie durch
ihn und durch die Tür hindurch Mit Freude an. |
Sonntags ging er
aus, Mit einem kleinen
Kind an seiner Hand. Der
Altersunterschied War sehr, sehr
groß, Obwohl das Kind
sich, siebenjährig, Nicht mehr für ein Kind
hielt: "Ich bin
jugendlich", so sagte es. Es mochte sein. Er hatte kürzlich
erst beschlossen, Häufiger mit diesem
Kind Das zu entdecken, Was es für ihn
lange nicht mehr Zu entdecken gab. Er kannte sich noch
leidlich aus. Das Kind an seiner
Hand Verstand es, viel
zu fragen, Und es konnte lange
Strecken schweigen, |
Dann sprach er Und er bedachte,
nicht so viel zu sprechen, Und bedachte seine
Worte, Dass sie einfach
blieben, Einprägsam und
bildlich Und verständlich,
also Worte, Die das Kind verstehen
konnte, Ohne alles zu
verstehen. Eine Frage konnte
ruhig offen bleiben. Und das Kind
befragte ihn nach Dingen, Die es kannte, und
er kannte davon wenig, Und er wollte
diesem Kind von dem, Was er sehr gut
verstand, Was ihn, ein Leben
lang Umgeben und
begleitet hatte, Einiges erzählen. |
Dazu sagte dieses
Kind ein wenig zu erwachsen: "Das weißt du
von ganz, ganz früher, Und das hat mir
unsre Nachbarin Genau wie du
erzählt." Er dachte nach Und dachte, das sei
seine Schuld Und auch: so ist es
eben. Neben mir geht eine
Zeit, Die hat mich an der
Hand, Und sie ist meine
Zeit, Ich leb' in ihr Und kann darin Nur kleine
Kinderschritte machen. |
Sie hatte den
Geburtstag, Und sie wollte
feiern, Und sie hatte
eingeladen, Und es kamen Freunde, Und es kamen
Freunde, Die ihr keine
Freunde waren, Und sie nahm es hin
und ihn, Der sie ihr
brachte, Und sie lebte ab
und zu mit ihm Bei ihm und auch
bei ihr, Und übertrieben
liebte keiner Von den beiden, Und sie hatten sich
auch dauernd in Verdacht. Er hatte etwas
Geld, Und sie war einfach
schön, Das fiel ihm an ihr
auf, Das schrieb er ihr
in schönen Worten, Und sie staunte
über ihn Und sagte sich: |
"Sonst ist er
doch recht schmerzlich primitiv" Und sagte es zu ihm Und konnte dabei
lachen, Und das faszinierte
ihn, Weil sie dabei die
ganze Schönheit Zum Entfalten
brachte. Abends gab es noch
Musik Und gutes Essen, Und er blieb bei
ihr, Weil er vergessen
hatte nichts zu trinken, Wegen dieser
Fahrerei. Er war doch schon
sehr laut. Die Gäste waren
langsam wieder fort, Und er alleine fand
kein Ende, Und sie wollte
schlafen gehen, Und sie hätte ihn
ertragen, Und er trug sich
nicht zu ihr, Und störte in dem
ganzen Haus Mit Radiomusik die
Ruhe, |
Und sie ging
entschlossen, Wie es Frauen sind,
die sich entschließen, Mit der blanken
Schere An das
Anschlusskabel, Und sie schnitt es
durch. Es blitzte kurz, Und die totale Ruhe
kehrte ein, Sie legte ihre
Schere auf die Seite, Ging ins Bett, Er kam in
Dunkelheit zu ihr und ließ sie sein Und sagte nur: "Du hast ein
unverschämtes Glück gehabt. Die Schere war doch
Ganzmetall“. Dann schliefen
beide ein. |
Würde man ihm einen
Traum erfüllen, Hätte er nur einen
freien Wunsch, Den würde er sich
wünschen. Immer hatte er die
Antwort auf der Zunge, Und er gäbe viel,
viel her Und hatte nichts zu
geben. Und er stellte es
sich einfach vor: Es würde jemand
kommen Und ihn fragen, Ob er in die
Zukunft reisen wollte, Weil man sowieso
die Reise machte, Und es sei ein
Platz noch frei, Den könnte er nun
haben, Und er wollte gar
nicht wissen, Wie es in der
Zukunft war Und ob ihn Reichtum
oder Glück erwartete. Er wollte dieses
Abenteuer, Schneller als die
Zeit zu sein, Um seinetwillen, |
Und er dachte sich: Die Zeit verginge
hier viel schneller Als dort draußen, Das war immer so
gewesen, Und er lebte in der
Gegenwart, Und seine Zeit
stand still. Das erste Jahr nach
seinem Unfall Hatte er auf der
Station gelegen, Alles war an ihm
gelähmt Und ohne Schmerzen,
dann, Nach mühevollem
Mühen anderer, Versetzte man ihn
in den Rollstuhl, Den fuhr auch ein
anderer. Man baute aber ein
Gestell An eine Seite,
daran klemmte Eine Zigarette, die
war nah genug, Die konnte er
allein erreichen. |
Seine Welt war
klein und eng geworden. Wäre er im
"Boot", So nannte er die
Fähre in die Zeit, Dann müsste man
doch gradezu Nach Leuten
Ausschau halten, Die sich nicht mehr
selbst bewegten, Und er wäre
es zufrieden, Würden ihn
Maschinen Bis zur Wiederkehr
darin bedienen, Und die Fähre mochte
ihn und seine Zeit Gern überdauern Und für ihn nie
wiederkehren. |
Der Maler und sein Modell
In einem französischen Atelier
So sicher, wie sie
seiner heute ist, War sie noch nie. Ein junges Ding,
das gut gekleidet, Etwas frech In seinem Atelier
zum Fenster schaut Und sich die
Schatten kleiner Blätter In die Augen fallen
lässt Und das zugleich In einem
Sonnenausschnitt glüht Und Wärme strahlt. Er malt nur, was er
sieht: Die Mädchenfrau, |
Die auf dem
Schaukelstuhl, den es nicht gibt, Sich selbst genug, Die Finger über
ihre Kleider schiebt, Und mit den Blicken
nach Denselben
Schattenblättern jagt, Die sie besetzen, Die im Auf und Ab
der Schaukelei Zu eignen kleinen
Schaukeln werden. Von den Bildern,
die in ihm entstehen, Ahnt sie nichts, Und ihre Augen
schauen munter wieder Auf den Maler an
der Staffelei. |
Sie streckt sich
unter ihren Gliedern, Ja, das Atelier
macht frei. Sie würde gerne
später, Ließe ihr die Zeit
noch Zeit, Ihm etwas länger, Etwas näher sitzen, Und sie denkt gelassen
ans Nachher, Das will sie sich
schon jetzt Bewahren. |
In seinem Atelier Vermeidet er
direktes Licht. Er mag es
stimmungsvoll Und sie, die junge
Frau, Sie kennen sich
seit Jahren Und nur sich, Weiß um die Dinge. Er will Größe,
Tiefe malen, Ihre Sonnen in den
schwarzen Augen treffen, Die Verstecke ihrer
Haut, Den langen
Schatten, den ihr Körper auf den Boden wirft, Das heimliche
Verschwinden dieses Wesens Hinter einem
fremden Kaltstern, |
Der schon fast im
Explodieren steht, Will alles auf die
Leinwand bringen. Sie dringt tief in
ihn Mit ihrem Schweigen Und mit ihrer
Duldsamkeit Und einer reinen
Landschaft, Die lenkt jeden
Blick auf sich. Sie weiß von seiner
Zeit, Die rast im Flug
vorbei Und dauert dennoch
eine Ewigkeit, sie weiß
auch, Dass er heimlich
ihre Blumengärten
erntet, Die bepflanzt sie
nur für ihn |
Und lässt sich
alles, was sie denkt, von ihm Aus ihrem Munde
rauben, Nur um
seinetwillen. Dieses Jetzt ist
das Nachher für sie Von dem sie immer
träumt, Das will sie sich
bewahren. |
Im ganzen Haus ist
alles still. Der Künstler sitzt
in seinem Atelier Und blickt auf das
Modell In einer Ruhe, die
nicht ruhig werden will, Und seine Augen
geistern über es hinweg Und nehmen hier den
Arm, Ein Stück vom Leib
beiseite, Legen ihre Beine
fort Und schieben sie
ihr auf den Rücken. Gut, dass sie
nichts sieht von dem, Was er sich denkt,
denkt sie, Sie fände sich
nicht wieder. |
Ihre Haare fallen
weich und lang, Das ist ein Anfang,
wie er ihn sich wünscht, Und diesmal will er
alles mit dem dritten Auge sehn, Das, hat er ihr
erklärt, Sitzt hinter seiner
Stirn Und reagiert auf
Wärme. Rot wird er sie
malen, Rot in allen Tönen, Rot in allen
Farben, Und die Leinwand
steht Als Halteschild
dazwischen. |
Nun, so will er es, Soll sie sich auf
den Körper malen lassen, Und sie lässt es zu Und lebt ja auch
mit ihm, Und aus dem Fenster
ruft er In die
menschenleere Straße seine neue Welt, Und alle lädt er
ein zu sich, Danach verlangt er Wein, Sie lebt schon
lange so mit ihm zusammen Und reicht ihm ein
Glas Und denkt an das
Vorher, Das wird nachher
zum Jetzt, Das muss sie sich
bewahren. 2010 erschienen in der Lyrikreihe,
Poesiealbum neu, der Gesellschaft
für zeitgenössische Lyrik. |
Damals, als er ihr
das erste Mal begegnete, War er noch nicht
so weit in seiner Malerei Und hatte sein
Archiv Im Krieg verloren, Selbst an seine
Frau gewöhnte er Sich kaum zurück. Sie ließ ihn sehr
schnell frei Und trug ein Kind noch
aus, Das war von ihm, Und sonst betrat er
schon nicht mehr Ihr Haus. Er lebte nun mit
einer Tänzerin, Die brachte ihn
voran Und stellte bald
das Tanzen ein Und sich ihm völlig
hinten an. Er malte damals: " Die
entfernten Welten" Und das Bild: "Zweimal die
Unendlichkeit", Das war sein
Widerspruch an sich, Die Werke ließen
sich auch nicht verkaufen. Seine neue Liebe
blieb ihm fest, Er wollte auch im
neuen Leben nie mehr Unzufrieden sein, |
Das war für sie zum
Guten, Denn sie war im Haushalt
nicht viel wert,Er liebte sie darum Und auch der andren
Reize willen, Die sah niemand
außer ihm, Und sie war immer
still in seinem Schatten. Leider stellte sich
bei ihm sehr schnell Ein Leiden ein, das
war nicht mehr zu heilen, Sie war stets um ihn Und sie umsorgte
ihn, Seit damals geht er
an zwei Stöcken. Beide wurden
langsam alt, Er schneller mehr
als sie, Und malte die
entfernten Welten Hundertmal und
neuer, Und sie kamen ihm
nicht nah, Und besser, dachte
sie, Wär er bei den
Portraits geblieben, Die verkauften sich
viel besser. |
Seine ewig junge
Hoffnung Stiehlt ihm
manchmal seinen Atem, Und er denkt dann
über Preisausschreiben nach Und nimmt an ihnen
teil Und reicht ein
Lichtbild neben seinen Bildern ein, Und sonst verachtet
er die Fragebögen, Weil er meint, dass
die nicht in die Kunst gehören, Und man gibt ihm
auch Bescheid, Dass leider wegen
der Formalität... Er will sich
einfach immer wieder zeigen Und gesehen werden, Und von meinem Sohn
schuf er ein Kleinportrait, das
schenkte er ihm nebenbei. Das ist, meint er,
nun "Zweimal die
Unendlichkeit", Das könnte jeder
sehen, Und es sei ein
Meisterwerk. |
Gelesen habe ich
von ihm, Dass er ein rauer
Vater Und sehr mürrisch
jederzeit gewesen sei, Und in dem nahen
Wald Soll er beim
Komponieren Nur mit Bleistift
seine Noten Aufs Papier
gekritzelt haben, Ohne ein Klavier. Kaum hatte er im
Ernst Die Hoffnung und
den Glauben, Die Musik, die er
doch selber schriebe, Würden seine eignen
Ohren Einmal zu Gehör
bekommen, Und er konnte sich
von Hause aus, Die Liebe zu den
Noten leisten, Und, als man ihn
endlich brachte, Mehr aus Trotz und
reinem Zufall, War er gleich
verschrien. |
Man sprach von
einem musikalischen Gemetzel, Und das konnte man
so nicht zu Ende bringen, Musik, meinte man,
sei etwas anderes. Für ihn war die
Musik, Was die Musik nun
einmal war, Und in die Ohren
andrer Leute Wollte er sich
nicht versetzen, Und er war bereit
nun selbst zu dirigieren, Und er stand in
diesem Augenblick Schon etwas über
sich Und wuchs dabei, Sich wieder zu
erreichen. |
Seine Ohren, seine
Hände Schickte er in die
Orchester, Seine Augen
herrschten fürchterlich Und kannten keine
Gnade, Und die Garde hoch
bezahlter Kritiker Und wortgewandter
Wissenschaftler Schlachtete er
wegen unbedachter Worte Mit dem
Dirigentenstab Auf seinem
Dirigententisch. Er hatte etwas zu
beweisen. Ihn daran zu
hindern, Durfte niemandem
gelingen. |
Er ging stets
allein Und ihm im Rücken
seine Frau, Die ließ ihn wie er
wollte sein Und richtete sich
ein mit ihm Nachdem sie seine
Launenhaftigkeit Verstanden hatte, Und sich nichts
mehr dabei dachte. Früher hielt sie
seine Schreiberei Für eine seiner
Launen, Später, als sie ihn
auch einmal lesen sollte, Wollte sie den
Augen nicht mehr trauen. Die Gedanken, die
sie aufgeschrieben fand, Entsprangen einer
völlig fremden Welt, Die könnte sich im
Leben nicht behaupten. Seine Arbeit hatte
sie Auf ihren Tisch
gestellt Und weit verdrängt. |
Sein Schreiben riss
nicht ab Und die
Besessenheit nahm zu, Und eine Ruhe ganz
besondrer Art Ging von ihm aus, Die ließ den Alltag
gänzlich Ihr zu Füßen
fallen, Und er stand nicht
von alleine auf. Sie packte alles an Und brachte alles
ganz alleine hoch, Das fand er gut Und gab auch seine
Wandlung zu, Und seine Ruhe
brachte ihm zugleich Entsetzen, Denn in einer
unbekannten, harten Weise Schreckte er von
jedem äußeren Geräusch zusammen, Und vor jedem Bild,
das sich bewegte. |
Seine Not, in der
er sich befand war groß, Und sie bedrängte
ihn sehr schlimm, Dass er, ihr zu
entgehen, Nur noch als ein
Fremder Unter lauter
Fremden In der Stadtbahn
fuhr und schrieb. Dort nahm man nicht
Notiz von ihm, Und er war
unbekannt Und wurde sich hier
selber anonym, Und nichts
erreichte ihn. |
In deinen Augen Finde ich das
Diadem, Das könnte eine
Königin Als Stirnband
tragen, Und die Stirn, die
sich als Segel wölbt, Fängt etwas höher
an. In ihr steht ein
Gedankenwind, Der steigt als
Funkenflug, Als Streugut in die
Augen anderer Und heftet sich an
jeden, Der dich kreuzt. Gebräunt ist deine
Haut Und jugendlich, Und ohne Sorgen
kannst du dich In eine kleinste
Kleinigkeit verlieben Und darin die Welt
umarmen. Deine schmalen
Schultern Sind nur dafür da, Die Kleider schulterfrei
zu tragen, Und es wächst dir
eine zarte Brust, Die, spürt man, ist
ein Teil von dir |
Und ist dir keine
Last Und ist ein Pol, Um den sich alles
an dir dreht, Den hast du
aufgeteilt, Weil es sich so
ergab, Und sicher stehst
du ab und zu Vor dir in Willkür
und in deiner Nähe Vor dem Spiegel Und bespiegelst
dich in Eigenwonne, Die kann dir kein
andrer geben, Die ist etwas
anderes, Als alles was es
gibt und völlig nutzlos, Und dein Leib
darunter wächst, Als schlängle er
sich Durch den Daumen
und den Zeigefinger Einer übergroßen
Hand, Die schließen einen
Ring Um deine Taille, Und die Haut fließt
weiter Als ein Wasserfall, Der unterspült ein
Moos, Das wächst gerade, |
Und das ganze steht Auf Schlanken, jungen
Birkenbeinen, Die sind weiß und
weißer; Als den Anflug
heller Wurzeln Nimmt man deine
Füße, Die sind so
verschont, So unberührt
geblieben, Dass die Sohlen
weicher sind Als deine
Innenhände, Und sie sind
geschmeidig, Strecken sich als
Tänzerinnen ausgestreckt Weit über ihren
Bogen Und genießen bis in
jede Zehenspitze Ihre Freiheit, Und man möchte sie
in eine Höhe heben Und als schwebende
Erscheinung tragen Und bewundern
lassen. |
Es war ein junger
Mann, Der kam zurück in
sein Hotel. Man hatte ihn
gesandt Geschäfte zu
betreiben, Und der Tag war
lang gewesen, Und von diesem Tag
war nichts geblieben. Müde war der Abend, Der lag auf dem
Bett Und hatte sich von
ihm in Müdigkeit Getrennt, Und er vermisste
alles, Was ihn hätte
heimisch werden lassen, Und es ging ja auch
um den Erfolg, Der schmeckte
bitter, Wenn man auf ihn
warten musste, Und es schwebte
eine Großmaschine ein, Die flog sehr
niedrig, Und die Fenster
seines Zimmers Standen offen. Gegenüber sah er
bei dem Lärm In ein privates
Zimmer, Das hielt seine
Augen an, Und mit dem Pfeifen
der Turbinen, Das verebbte, klang
von dort Ein Saitenzupfen,
das wurd deutlicher Und war Musik, die
ihn umarmte, Und er selbst war
Saitenspieler, Das, so wusste er, Vermisste er an
diesen Abenden, |
Und die Musik war
sanft und weich Und schnell und
schwer Und sehr modern Und trotzdem
jugendlich Und voller Träume
und voll Übermut, Und viele Griffe
konnte er Mit seinem Ohr
verfolgen, Und er betete, Dass nicht noch
einmal ein Geräusch Dazwischen käme, Und er wollte die
Musik genießen, Und er dachte sich Als Spieler dieses
Instrumentes eine Frau, Die musste hinter
den Gardinen sitzen, Und sie spielte
sicher nicht vom Blatt Und spielte alle
Freiheit mit, Die jemand haben
konnte, Und es war ein
Glück, Dass sie nicht an
das Fenster dachte, Das stand herrlich
offen. Ihre Melodie
beflügelte sich selbst Und wuchs in hohes
Klirren Junger Birkenzweige
aus, Es war ein
liebliches, ein leibliches Gespiel, Das spielte ohne
Unterlass, Und es erinnerte an
einer Stelle An ein Seufzen, an
das Schluchzen Einer Nachtigall
und an das Singen Dieses Vogels. |
In dem offnen
Fenster machte er sich’s Ohne einen Laut
bequem, Der Abend stand von
seinem Lager auf, Der Tag war jetzt
ein Tag, der war. Er fing nun
an und nur für ihn, Und seine Neugier
war geweckt Und eine wahre
Scheu vor dieser Künstlerin, Weil er die
Schwierigkeiten kannte, Und die Melodie
verklang nun ganz natürlich In der Stille,
schlug noch einmal an, Noch einmal nach, Dann legte eine
Hand das Instrument beiseite, Und ein alter Mann
zog in Bedacht Den Vorhang vor das
Fenster Und verschloss es
ganz Und sah nicht
weiter auf die Häuserreihe Auf der andren
Straßenseite. |
Sie ging schnell
aus dem Haus Und hatte vieles
vor, Und vieles war vor
ihr, Und ihre Augen
sprangen als die Gummibälle Von der einen Hand
zur anderen, Dass sie an alles
dachte, Alles mit sich
hatte, Und sie hatte auch
Termine, Und die saßen fest
auf ihr, Und über ihr, das
sah sie im Beiseitesehen, Stand der Flieder
voll im Flieder, Und es war der Duft,
der sie erröten ließ, Sie wusste nicht
warum, Und war vor sich
ganz machtlos, Und sie hätte sich
beeilen müssen Und blieb stehn Und legte alles aus
der Hand Und sah sich um Und niemand sah ihr
nach Und sog den Duft
des Flieders, Der im Flieder
stand, mit Mund und Nase ein Und zog den Zweig
mit einer blauen Doppeldolde Tief zu sich herab |
Und wurde zu dem
Katzentier, Das schlich um eine
Öffnung, Und es wich nicht
einen Schritt davon. Der Duft des
Flieders, der im Flieder stand, War immer schon
Verwirrung Und die
Zügellosigkeit für sie gewesen, Und sie kannte sich Und sah sich
langsam wieder um, Dass niemand auf
sie achtete Und schloss die
Augen und schob ihre Nase In die
Blütenstände, In das blaue Beet
und kam zurück Und zupfte mit dem Finger
eine Blüte aus, Die schob sie mit
der Spitze in den Mund, Und sog durch
diese dünne Röhre Süßen Blütenstaub. Als Kinder hatten
sie vom Honigsog gesprochen, Der lag auf der
Zunge. |
Und sie sprang beherzt und in dem Rausch der Sinne, fast besinnungslos, ins Blaubeet, Biss, so schnell es ging, So kräftig sie nur konnte zu, Und bitterer Geschmack entzündete den Mund zur Höhle, Und sie stieß sich einen spitzen Zweig, Den hatte sie nicht sehen können, In die Unterlippe, Und der Schmerz war
stark und gut, Und Blut quoll
gleich heraus Und überlief ihr
Kinn Und tropfte auf ihr
Kleid, Und ihre Hand
verwischte es, Und sie empfand
darüber eine Freude, Und sie stand noch
in der Tür, Und alles, was
geschehen war, Blieb hier und ein
Geheimnis zwischen ihr und ihr. Im nächsten Jahr, So dachte sie, Würd sie sich dafür Unter neuen Wonnen Rächen. |
Einmal war sie
eingeladen, Und sie hatte ihren
großen Tag. Es war der Tag, An dem man diese
Galerie Mit ihr und einem anderen
Eröffnete. Sie war bestimmt
sehr tolerant, Doch was ihr
Kunstnachbar erbrachte, Runden Käse an die
Wand genagelt Und mit blöden
Zetteln ausgeschriftet, Dazu der Gestank, Der sich durch alle
Räume zog, Empfand sie doch
als unerträglich, Und sie sah in ihm
nicht den Kollegen. Aufgeblasen, dumm
und ohne Können Übersah er sie. Ihr ging es nur um
ihre Kunst, Und wenigstens die
Lüftung funktionierte. |
Abends gab man ihr
den Auftritt Vor den Kameras. Sie hatte alles
ausprobiert Und würde nicht
viel Zeit gebrauchen, Das war viel zu
viel, Und man versprach
an diesem Abend Zwei Minuten nur
für sie zu reservieren. Schrecklich ist die
Enge, Die man hat, Wenn man in Weite
lebt. Sie war ja eine
Körperkünstlerin, Ihr Körper war ein
Teil der Kunst. Sie riss in einem
kurzen Tanz Papierne,
angerissne Blätter von der Wand Und fiel mit ihnen, Mehr war wirklich
nicht zu sehen, Auf den Boden, wo
sie sich entwickelte, Und das Papier
blieb unter ihr Als ein Parkett. |
Sie konnte es noch
einmal machen Dann war sie
erschöpft. Die Galerie war
diesmal Zwanzig Wochen auf, Und umgerechnet auf
den Tag, Die Rechnung
stellte sie tatsächlich an, Besuchten sie Zwei Komma so und
so viel Leute, Damit lag sie gut. Sie hätte nur, ganz
streng genommen, Diese Zahl noch einmal
teilen sollen, Wegen des Kollegen. |
Er achtet auf den
Halt der Bahn, In der er sitzt. Als nächstes kommt
der Hauptbahnhof, Das ist dann die
Station, Auf der er diesen
Vorortzug Auf jeden Fall
verlassen muss. Dahinter liegt
gleich die Museumsinsel. Das ist nur
"geweihtes" Land, So könnt' man
sagen, Mitten in dem Land, Das keine Weihen
liebt, Und das die Kunst
an sich nicht leugnet, Aber so an sich in
Frage zieht, Sie muss nicht
sein, Man sieht was sie
verschlingt, Und niemand denkt
dabei an einen Künstler, Der vielleicht
daran zu Grunde ging. Er kennt den Weg Und lief ihn oft
genug, Weil manchmal nur
Minuten fehlten Bis zum Schließen. |
An der schweren
Drehtür holt er Luft, Zahlt schnell die
Eintrittskarte, Dann die Treppe rauf, Links in den
Eingang, Noch ein Stückchen
durch die Galerie, Dann wieder Stufen, Die ihn abwärts
führen, Und nun sieht er
ihre Füße schon, Die stecken in den
Schuhen, Dann entsteht sie
ganz vor ihm, Ein Frauenbild, das
ihn unendlich reizt Und auch beruhigt. Kleine Blumen
zieren ihre Strümpfe, Und sie steht
kokett. Sie trägt ein
Mieder, das ist aus der Mode, Und sie sieht auf
den Betrachter, Und der Mann an
ihrer Seite, mit Zylinderhut, Ist durch den
Rahmen abgeschnitten, Das war damals neu, Und es betonte ein
Technik, Die die Malerei
bedrohte. |
Dieses Bild ist nur
für ihn. Es war zwar einmal
ausgeliehn, Das musste er
verstehn, Und sonst versteht
ihn niemand hier. Nur selten, im
Vorübergehn, Bemerkt ihn jemand. Dieses Frauenbild,
nein diese Frau, Ist Öl für ihn Und seine
"Augerei", So nennt er es, Und sie erwartet
ihn, Sie sprechen
miteinander, Sagen etwas
zueinander, Schnell geht alles,
schnell, Dann dreht er sich
schon um, Verlässt sie und
sieht nicht zurück. Er schwört, er
möchte niemals wiederkommen Und kommt ganz
bestimmt zurück Und wartet auf den
Augenblick, Wo einer von den
beiden Sich vom andren
trennen wird. |
Er stand nun so vor
seinen Werken, Und er fand sie
gut. Sie hingen an der
Wand, Und einige gerieten
auf die Erde, Die war angefahren
worden, Um das Irdische in
seiner Kunst zu zeigen. Heute war der
dritte Tag, Die Galerie war
wieder leer. Man hatte es ihm
gleich gesagt, Wenn er am ersten
und am letzten Tag Erscheinen würde,
reichte es. Das Haus, das ihn
verkaufen wollte Hatte viel
Erfahrung. Diese, das empfand
er schnell, War eine von den
bitteren. Er hatte sich noch
gegen die Eroberer Und Besserwisser
wehren können, Und er staunte,
dass man trotzdem Über ihn noch etwas
schrieb. |
Das schnitt er aus Und klebte es in
eine Sammelmappe. Kaffee gab es hier
genug Und eine
Halbtagskraft, Die hatte keine
große Kraft, Und wusste nichts
zu reden, Und sie ließ nur
immer wieder Ihre schweren
Augenlider Langsam als die
dunklen Falterflügel fallen. Das, so dachte er,
wär' ein Modell, Man müsste es als
Mobile verarbeiten Und seinen
Mechanismus kennenlernen. Und er kam am
vierten Tag Mit langen steifen
Drähten, Die verband er so
im Gleichgewicht, Dass sie zu
schweben schienen, Und sie hingen hoch
im Raum, Und zwei von ihnen
mussten sich, Wenn andre in die
Höhe stiegen, Langsam auf den
Boden senken, Daran klebten
kleine Segel. |
Unerwartet schied
die Halbtagskraft An diesem Tage aus Und kam nicht
wieder, Und es war ihr
vierter Tag gewesen, Und er rief sie
abends an Und fragte sie am
Telefon Nach ihrem
Mechanismus, Den sie ihm
erklären sollte, Und er käme sonst
nicht mehr voran. Sie sagte auch, Sie könne ihn sehr
gut verstehen, Und sie hatte einen
Freund, Und der verstünde
nichts davon. Da ließ er seine
Fragerei an ihr Und sah in ihrem
Kopf in seinem Kopf Sich die Gewichte
schwerer Augenlider senken Und genauso langsam
heben. |
ISBN 9783748130055