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Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987

 

da liegt mein Herz, Geschichten aus Niemandsland 2022 -2024 (im Entstehen)

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Mann aus Blech und Plastikfrau

Ein dramatisches Bühnenstück in drei Akten

Glaube - Liebe – Hoffnung

         

Harald Birgfeld

 

Vorhang mit Text

 

 

 

Ein dramatisches Bühnenstück in drei Akten

Glaube - Liebe – Hoffnung

             

Harald Birgfeld

 

 

Copyright 2019 beim Autor, Harald Birgfeld, alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne schriftliche Erlaubnis des Herausgebers, Harald Birgfeld, reproduziert werden. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verfilmung und Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Herausgeber, Autor, Redakteur: Harald Birgfeld, e-mail:.    Harald.Birgfeld@t-online.de

 

© 2019

 

 

In dem Stück kommen vor:

 

Ein Ehepaar

 

 

Ein anderes Ehepaar

 

 

Eine Freundin

 

Jugendliche

 

 

 

Eine dressierte Ratte

 

Ein schwuler Postbote

 

Rezeption, Bedienung

 

Er1

Sie1

 

Sie2

Er2

 

Fr.

 

JU.

 

 

 

„Susi“

 

Post.

 

Rez.

 

Ein Mann aus Blech

Seine Frau

 

Eine Plastikfrau

Ihr Mann

 

 

 

Sehr aggressiv

erst menschlich, dann unmenschlich

 

 

 

 

 

Liedvertonungen (I und II) von Wolfgang Paust

 

 

Die Bilder in der Reihenfolge:

 

1. Akt

 

1. Bild

2. Bild

3. Bild

4. Bild

5. Bild

6. Bild

 

 

 

Kein Triumph

Begegnung und Verwirrung

Herausforderung

Bedrängnis und Befreiung

Verlockung. Ein Lied.      

Einsicht, Angst, im Park

 

2. Akt

 

1. Bild

2. Bild

3. Bild

4. Bild

5. Bild

6. Bild

 

 

 

Liebesgeständnis

Kampf um Wahrheiten

Versteinerung

Kampf der Beutetiere

Ein Kartenhaus

Erfolgloser Bote

 

3. Akt

 

1. Bild

2. Bild

 

 

 

 

 

 

3. Bild

 

 

 

4. Bild

5. Bild

6. Bild

 

 

 

Auf der Suche. Ein Lied.

Ein Kind?

Trennung?

Freundschaft?

Männerliebe?

Männerhass? Oder

Suche nach der Freiheit?

Befreiung durch Zerstörung?

Drei Träume,

1. Traum

2. Traum

3. Traum

Es soll nicht sein

Mord auf Raten

Mord oder Hilfe zum Selbstmord

 

 

 

1. Akt, 1. Bild, Kein Triumph

Monolog

Auf der Bühne die Nachbildung eines weiblichen gekreuzigten Jesu.

Er 1 , ein Mann aus Blech, tritt auf.

 

 

Er 1: Meinetwegen könnte, könnte Jesus

Weiblich sein.

Ich hätte nichts dagegen.

Was wär' einzuwenden?

Seine Leiden, seine Wunden

Würde ich nicht sehen wollen,

Sondern den Verlauf des Frauenhaars,

Das wäre lang und blond.

 

Hätt' man den Kopf der Frau, als Jesus, kahlgeschoren,

Würden meine Augen über ihren ganzen Körper fahren.

Meine Augen brennten sich in ihre Züge ein.

Sie wäre nach wie vor ans Kreuz geschlagen

Und wär voller Leiden,

Und für mich voll Leben.

 

Diese Frau als Jesus wär' für mich alleine da.

Sie wäre eine ganz besondere Besonderheit.

Es wär' nicht sie die litte, sondern ich.

Ich litte unter ihr.

In ihrem Leib könnt' ich mich wahrhaft

Wiederfinden.

 

 

Sonst wär' sie vor meinen Augen

Eine zarte Frau.

Im Wesen zart , das würde Ausdruck haben.

Ähnlich der Pieta Michelangelos,

Der Mona Lisa Leonardos.

Ja, ich weiß, es hört sich kitschig an.

Trotzdem soll man nicht denken,

Dass ich mir den Jesus weiblich wünsche,

Das wär' falsch.

Ich hätte nur dagegen gar nichts einzuwenden.

 

Manchmal denke ich zum Beispiel,

Jener Arzt, der mich behandelt,

Wäre besser eine Frau.

In der Beziehung hab' ich wenigstens an einer Stelle

Glück gehabt,

Denn jetzt bin ich bei einer Zahnärztin.

Ich glaube, sie ist Polin.

Sie behandelt mich,

Ich meine nicht nur medizinisch,

Sondern eigentlich die ganze Art

Wie sie sich um mich kümmert,

Wie sie mit mir umgeht,

 

 

Also, sie behandelt mich,

So, wie ich mich behandelt wünsche:

Sie erweckt in mir ein prickelndes Gefühl.

Es ist schwer zu beschreiben.

So ein königliches Selbstgefühl ist es.

Ich könnte mich ihr völlig überlassen.

Ein Gefühl der Selbstauslieferung ist es.

Sie weiß natürlich nichts davon.

 

Ich will es so erklären:

Sie, als meine Mörderin,

Als meine Mörderin an mir,

Hätt' leichtes Spiel.

Ich ließe mich von ihr, fast wie gelähmt,

Zu Tode quälen.

 

Der Gedanke kitzelt mich

Und schüttet eine Wohligkeit auf mich,

Die kann ich nur in Gegenwart von einer Frau

Empfinden.

Dabei ist viel Träumerei, ich weiß,

Und trotzdem reicht der Schrecken des Erwachens,

Der dahinter steht, nicht aus,

Mich in die Wirklichkeit

Zurückzuholen.

 

 

 

Eine Gruppe von Frauen tritt auf.

Alle legen sich auf den Rücken und spreizen die Beine.

Sonnenlicht fällt in ihre nackten Schenkel.

 

              Er 1    Frauen haben eine Welt in ihren Händen,

Die ich nie begreifen werde.

Diese Welt ist maßlos fern von meiner.

Und je näher sie mir steht,

Steht sie mir um so weiter weg.

 

Ich kann zum Beispiel diese Frauen nicht verstehen,

Die behaupten, dass das Leben aus dem

Weltall kommt.

Sie warten so auf Weltraumsperma.

Das soll sie befruchten.

Diese Frauen. gibt es wirklich.

Wenn ich richtig unterrichtet bin,

So wollen sie erst Frauen werden,

Aber immerhin.

Das Weltraumsperma soll in ihre Scheiden dringen.

Ist das Dummheit oder was?

 

Die Frauen treten wieder ab.

 

              Er 1    Die Dummheit, wenn es Dummheit wäre,

Stört mich nicht,

Weil ich sie nicht verstehe.

Nein, mich stört auch nicht der Glauben ins Geschehen

Oder das Vertrauen auf Unmöglichkeit.

Mich stört, so glaube ich, an diesen Frauen,

Dass sie sich so ohne weitres

Von den Männern wenden,

So, als gäbe es sie nicht.

 

Eine Nachbildung der "Dinner Party" (verkleinert) wird hereingefahren.

(Künstlerin: Judy Chicago) DINNER-PARTY, die riesige Festtafel aus

Keramik, Porzellan und Textilarbeit, an der für 39 Frauen gedeckt und an

weitere 999 mit Stickereien gedacht ist.

 

 

Dinner party

 

 

 

© Judy Chicago, The Dinner Party,  Wikimedia Commons

 

 

Er 1: Ein andres Beispiel für mein Unverständnis

Zielt auf eine Gruppe Künstlerinnen.

Deren Werk mag ich nicht sehen

Und nichts von ihm hören,

Aber es hat überrascht.

 

Um sich in dieser Männerwelt,

Wie sie bestimmt zu Recht behaupten,

Durchzusetzen,

Schufen diese Frauen, einsam und gemeinsam,

Ein aus Ton gebranntes Kunstwerk:

"Dinner Party",

Das als "Fest der tausend Frauen"

Namen aller Frauen trägt,

Von denen man inzwischen weiß,

Wie stark sie waren

Und in fremder und in eigner Sache

Kämpften und verloren,

Siegten und gewannen.

 

Dieses Kunstwerk hab'n die Frauen

Rundherum mit Kacheln schönster Formen

Ausgeschmückt

Und damit einen Tisch gedeckt.

 

Was mich nur daran stört,

Was sie entblößt und das Intimste zeigt,

Das eine Frau doch niemals ohne ihrer selbst,

Wenn überhaupt,

Der Öffentlichkeit überlassen würde, ist,

Dass diese Kacheln

Als ein metergroßes Mosaik

Entfremdeter Vaginen anzuschauen sind.

Man "isst" aus ihnen.

Das versteh' ich schon.

 

Doch bleibt mir dieses Kunstwerk unzugänglich,

Fremd, unnahbar,

Und der Zugang sollte doch natürlich sein.

Mich stört das ganz gewaltig.

Andrerseits, denk' ich,

Ist dieses Stören Absicht? Könnte sein!

 

 

 

Die Nachbildung wird hinausgefahren.

 

              Er 1    Wenn ich schon beim Gestehen bin,

Geb' ich auch zu, dass ich ein Bild,

An das ich nicht zu denken wage,

Immer wieder vor mir sehe,

Immer wieder vor mir habe.

Es steht fest in mir.

Es ist ein Schreckensbild:

Ich sehe eine ausgestreckte Hand,

Die einen abgeschlagnen Frauenkopf

Hoch in die Lüfte hebt.

 

Er packt einen Gegenstand in seiner Nähe, den er demonstrativ

hoch wie an einem Schopf in die Luft hebt.

 

 

Er 1: Es ist ein glatter Schnitt.

Doch meine Phantasie verbindet unablässig

Diesen Frauenkopf mit irgendeinem Rumpf

Und trennt ihn wieder ab,

Verbindet ihn und trennt ihn ab,

Bis ich in einem Augenblick erkenne,

Dass es sich um keinen mir bekannten Frauenkörper handelt.

Jedes Mal ist es ein anderer.

Die Phantasie ist nicht zu zügeln,

Und ich will das alles nicht.

 

Ein schlanker Körper, schmale Schultern,

Frauen, die sich bücken,

Schöne Frauennacken ganz besonders,

Mit ein wenig Flaum,

Verführen mich zu diesem Bild.

Es sind die schlimmsten Augenblicke.

Alles sehe ich genau,

Und sonderbarerweise fließt kein Tropfen Blut.

Ich seh' den Schnitt genau,

Kein Blut!

 

Das Bild, erinner' ich,

Stammt von der letzten Köpfung

Einer Bremer Mörderin.

Der wurde, sagt man,

Nicht der Kopf geschoren.

 

Ach, in meiner Phantasie empfind' ich

Keinerlei Triumph

Und keinerlei Befriedigung

Und kein Bedauern, nichts.

In mir ist alles abgestumpft,

Ein Tasten in der kalten Asche

Nach der Glut.

Vergeblich!

Monoton die Wiederholung,

Monoton der Ablauf.

Wolken sind es,

Die sich hoch am Himmel ineinanderschieben

Und sich trennen

Und erneut zusammen fügen.

Und ich selbst lang' dort hinauf

Und schieb die weißen Felder.

 

 

Pause.

 

Er 1        Ich vergaß noch ein's:

Ich bin ein Mann aus Blech, ein Mensch.

Ich wurd' als Mensch geboren,

Und ich seh' nicht anders aus als ihr,

Nur weil ihr's denkt, wenn ihr mich seht.

Ich hab' ein Herz

Und ebenso, wie jeder andere das Recht,

Doch davon später....

 

Er 1  tritt ab.

 

1. Akt, 2. Bild, Begegnung und Verwirrung

Im Büro

Er 1 / Sie 2 , eine Plastikfrau, Freundin (Fr).

Er 1  kommt auf die Frauen zu.

 

Er 1        Die Treppensteigerei ist nichts für mich.

Fr.           Zu eitel für den Fahrstuhl, oder?

Er 1        Nein, ich bin doch Fahrstuhlführer,

               Für den Notfall.

               Steht doch drinnen an der Wand.

Fr.           Ach ja, dann kann ja nichts passieren.

Er 1        Deshalb darf ich alle Treppen laufen.

               Guten Morgen erst 'mal.

Zu Sie 2 gewandt:

Sie sind also neu? Willkommen. : Eine Plastikfrau ist- selten.

Fr.           Soll ich Kaffee kochen?

 

Fr. geht.

 

Er 1        Danke, das ist gut.

 

Kleine Pause, dann zu Sie 2 :

 

 

Er 1    Sie haben eine Gänsehaut bekommen?

Oder darf ich sagen,

Ihnen sträubt sich gleich das Silberfell der Arme?

Ich bin nebenbei „Poet",

Ich schreib ein bisschen.

Sie 2 Das sieht man bei Plastikfrauen gut, nicht wahr?

Ja, guten Morgen.

Er 1    Noch ein Kompliment erlaubt, gefällig?

Sie 2 Bitte, wenn es sein muss.

 

Er 1    Muss nicht sein.

Es sind nur Ihre Augen, Ihre Haare und Ihr Nacken...

Wunderbar.

Man müsste malen können.

....schräg nach vorn' geneigter Nacken.

Klassisch!

Sie 2 Sag'n Sie nicht antik!

Ich bin noch nicht 'mal dreißig.

Sind Sie immer so charmant?

Es kommt mir vor,

Als plünderten Sie mich gehörig aus.

Sie räubern wohl an mir herum?

 

Er l     Ich stehle mit den Augen,

Das ist doch erlaubt?

Sie 2 Erlaubt ist, was gefällt.

 

 

Pause.

 

               Ich hab' Sie auch bestohlen.

Davon haben Sie noch nichts bemerkt.

Er l          Bestohlen? Wie, womit?

Sie 2       Wie Sie! Mit meinen Augen

 

Geht auf ihn zu.

 

 

Sie 2  Ihre Augenfarbe, Ihre Stimme, Sie,

         Wenn ich das sagen darf.

Ja, Sie hab' ich gestohlen.

Sie gefallen mir.

Er l    War das die erste Schlacht?

Geschlagen und entschieden?

Sie 2 Gibt es Sieger und Besiegte?

Er l    Wir bekommen gleich Kaffee.

         Ich lass' mich, wenn es sein muss,

         Gerne zum Besiegten machen.

Noch dazu von einer schönen Frau.

Ich wäre gerne Ihr Gefangener!

Sie 2 Alarm, Alarm, Gefahr! Für Sie!

Sie passen nicht mehr auf.

Er 1   Für diese Spiele gibt es keine Regeln.

Sie 2 Sagen Sie das nicht.

         Die gibt es ganz bestimmt.

Vielleicht kenn' ich nur andere als Sie.

Er 1   Ein Gegenangriff!

         Es geht schnell bei Ihnen!

Spielen Sie? Ich meine Karten, Schach?

Sie 2 Ich spiel' Gitarre, weiter nichts,

Und manchmal fahr' ich Rad.

 

Er 1   Gitarre spiel' ich auch. Zum Zeitvertreib,

         Nein, um zu träumen.

Sie 2 Wie bei mir.

Er 1   Falls wir uns weiter so sympathisch finden

         Und uns weiter Komplimente machen,

         Werden wir schnell ins Gerede kommen.

Sie 2 Das ist sicher schlecht für mich, nicht wahr...

           Und auch für Sie natürlich.

Er 1  Richtig.

         Außerdem kann man die Plänkelei

         Auf kleiner Flamme halten,

         Das wär' kein Problem.

Sie 2 Wenn's geht, wenn sich das machen lässt?

Er 1   Es muss sich machen lassen.

Wir sind doch erwachsen.

Sie 2 Eben.

Er 1   So ein Tempo bin ich nicht gewöhnt.

 

Sie 2 Das glaub' ich gerne.

         Sicher führ'n Sie eine gute Ehe,

         Haben hohe Ziele, noch viel vor.

         Karriere? Nein.

         Karriere wollen Sie nicht machen.

         Aber Ehrgeiz ist vorhanden.

Er 1   Stimmt. Ich schreibe..

Sie 2 Sagten Sie bereits.

Er 1   Ich bin davon besessen.

         Ja, ich schreib' an einer großen Sache.

         Die braucht meine ganze Zeit.

Sie 2 Und Ihren ganzen Ehrgeiz.

Er 1   Wissen Sie, ich glaube alles untersteht

         In irgendeinem größeren Zusammenhang...

         Na ja, ich meine einer höh'ren Ordnung.

Sie 2 Bilden Sie sich ein.

Er 1   Das glaube ich.

Sie 2 Und wenn sich etwas ändern soll,

         Dann nur durch eine "Fügung"

         Oder etwas ähnliches, nicht wahr?

 

 

Sie zeigt mit dem Finger nach oben.

 

Er 1        Bin ich ein Bilderbuch für Sie?

Fr.          Es gibt jetzt Kaffee. Kommt.

 

Sie stellt den Kaffe hin und geht noch einmal hinaus.

 

Er 1        Ich tret' den Rückzug an.

Sie 2       Das ist nicht fein.

Er 1        Sie sind doch schon auf Festland.

Sie 2       Sie doch auch.

Er 1        Sie werden plötzlich rot.

               Bis an den Haaransatz, warum?

               Jetzt seh' ich erst, wenn Sie erlauben,

               Dass ich's sage,

               Dass Sie Ihr Gesicht nicht schminken.

               Aus Prinzip?

               Sie haben's aber auch nicht nötig.

Ihre Haare sind ein Bilderrahmen. Schön!

Sie stehen fest auf Ihren Schultern.

 

Sie 2 holt einen Spiegel aus der Tasche und betrachtet sich darin.

 

Er 1        Sie sind doch eitel.

 

Sie 2 beugt sich etwas vor, dass er ihr in den Ausschnitt sehen kann.

 

Sie 2       Diese Schlacht ist keine Schlacht für Sie.

Er 1        Es fällt mir immer schwerer, Ihnen ins Gesicht zu blicken,

               Oder soll ich raten,

          Wo die Wurzeln Ihrer Röte enden.

 

Sie 2 guckt selbst in den Ausschnitt, ohne ihn verschließen zu wollen.

 

Sie 2       Schminke nehm' ich nie.

Fr.           Was ist denn los!

               Wollt ihr bedient sein?

               Guckt euch bitte nicht bereits am ersten Tag

               So tief in's Äugelein.

               Das gibt sich wieder.

               Das kommt täglich tausendmal

               In tausend Zimmern vor.

          Und nach 'ner Woche kräht kein Hahn danach.

          Erfahrung, Leute. Nur Erfahrung.

          Asche bleibt.

          Nichts weiter als ein wenig Asche,

          Die ist kalt.

Nun trinkt, sonst wird der Kaffee kalt.

 

Ein Telefon klingelt.

Fr. geht an den Apparat. Es geht um geschäftliche Dinge.

 

 

Er 1   Ich müsste mich vielleicht entschuldigen?

Sie 2  Bei mir? Wofür, warum?

Er 1   Ich hab' Sie eben wirklich viel zu lange angesehen.

Sie 2 Finden Sie?

Sie haben sich vielleicht 'was ausgemalt?

Er 1   Im Grunde bin ich hier

         Um Sie ein wenig einzuweisen.

         Ja, ich wollte Ihnen Ihre neue Arbeit zeigen

         Und erklären.

  Das ist mein Job.

         Wenn Sie 'was wissen wollen,

         Können Sie mich immer fragen.

Unterschriften kriegen Sie von mir.

Dann kommen Sie nach unten.

Übrigens, wir sollten wirklich

Nicht so locker miteinander reden.

 

Sie 2  Wieder Angst?

Er 1   Hier haben Wände Ohren.

Jeder möchte über jeden etwas sagen können,

Und das muss nicht sein.

Sie 2 Ist das Erfahrung

         Oder nur Befürchtung.

Er 1  Beides.

Sie 2 Ihre Augen, Ihre Stimme...

Daran werde ich mich erst gewöhnen müssen.

Er 1   Sie verwirren mich.

Sie machen mich zum Trottel vor mir selbst.

Ich muss mich schämen.

Nun, ich werde mich zusammenreißen,

Und in einer Woche werden wir uns nicht mehr

In die Augen blicken wollen.

 

Sie 2 Sind Sie sicher?

Er 1   Man kann Abstand halten.

         Darf ich etwas sagen?

Sie 2 Bitte.

Er 1   Sie und ich, das weiß ich und das

wissen Sie..

Verstehen Sie...

Sie haben Ihren Mann

Und ich hab' meine Frau... da kann...

Sie 2 Was kann...

Er 1   Man darf doch nicht...

Sie 2 Man darf?

Er 1   Sie legen einen Keim in meinen Kopf,

         Dass mir ganz schwindlig wird.

Der zündet als die Explosion nach innen.

Sie 2      Sie vergessen mich dabei.

 

 

Er 1  steht auf und geht.

 

Fr            Was ist nun mit dem Kaffee?

               Bleibt der wieder steh'n?

 

1. Akt, 3. Bild, Herausforderung

Im Büro, Er 1 / Sie 2

Sie 2 am Schreibtisch, mit einem kleinen Radio auf dem Tisch,

ein Buch und eine angefangene Schreibarbeit.

Er 1  vor ihr auf dem Besucherstuhl.

 

 

Sie 2      Ist das hier immer so?

Er 1       Wir sind im Sommerloch.

Das kann noch Wochen dauern.

Dann ist hier nichts los.

Sie 2      Und drehen "Däumchen"?

Er 1       Oder unterhalten uns.

Sie 2      Und dafür werden wir bezahlt?

  Na, mir soll's recht sein.

Er 1       Ich erleb' es nun das siebte Jahr.

Im Herbst und Winter ist das anders.

Dann verlangt man wieder viel von uns.

Das hängt von Dingen ab,

Die wir nicht kennen.

Haben Sie studiert?

Sie 2      Warum? Ist auch egal. Hab'

abgebrochen.

Ja, ich hab' studiert.

Er 1       Und Kinder?

Sie 2      Keine! Ihre will ich nicht erst wissen.

Nach dem Vorexamen.

Er 1        Ich bin immer auf der Lauer nach

dem Denkbaren,

Vielleicht ergibt sich daraus Undenkbares.

 

Sie 2      Ach.

Ein Beispiel für das Undenkbare gibt es nicht?

Natürlich nicht. Sonst wär's ja denkbar.

Er 1       Sonderpunkt für Sie.

Sie 2      Das "Kleine Einmaleins"!

  Ich sag' es Ihnen:

Alles, was wir reden, reden wir an uns vorbei.

Sie meinen nicht, das Undenkbare denken,

Sondern, denken, bis es nicht mehr weitergeht.

Sie denken dann an uns, an mich und sich.

Sie denken über Möglichkeiten

Für uns beide nach.

Sie kommen aber nur an einen Punkt.

Dort steht ein großes Halteschild bei Ihnen,

Und Sie wissen nicht,

Wie's weitergehen könnte.

Dabei geht es immer weiter, immer wieder weiter!

Meine Antwort:

Undenkbares gibt es nicht.

 

Er 1       Ich bin gefangen!

  Gut, ich gebe mich gefangen!

Sie 2      Nein, Sie sitzen in der eignen Falle.

Er 1       Mag schon sein.

Sie 2      Sie springen immer wieder in

denselben

Kasten mit vier Wänden, einem Boden.

Und wenn Sie hineingesprungen sind,

Fällt noch der Deckel zu

Und plumps sind Sie im Dunkeln.

Kommen Sie mal her zu mir, hier her,

Und stell'n Sie sich auf dieses Feld.

 

 

Von oben kommt ein Kasten mit vier Wänden herunter, der ihn ganz umschließt.

Sie nimmt schnell einen Deckel und legt ihn oben drauf.

 

Sie 2       Kapiert!?

Jetzt könn'n Sie klopfen.

 

Er1  klopft von innen gegen den Kasten.

 

Sie 2       Statt ihn zu zertrümmern!

               Statt ihn zu zerschlagen!

Er 1        Der ist viel zu eng'. Das ist ja gar nicht möglich!

               Geben Sie mir Werkzeug,

               Oder lassen Sie mich wieder 'raus'.

               Es ist so eng hier drinnen!

Sie 2       Typisches Produkt totaler Hörigkeit.

  Sie sollten endlich einmal irgendetwas

Nur für sich entscheiden! Nur für sich.

Nicht immer so, wie Sie wohl meinen, dass es andre gerne hätten. 

Er 1         Denken Sie nicht an sich selber?

An sich selbst zuerst?

Ich hab' noch so viel vor.

Ich müsste….

Sie 2       Ja, Sie müssen, müssen, müssen

Immer müssen Sie und Ihresgleichen

Schnell noch irgendetwas machen.

Alles müssen Sie!

Sie müssen Ihren "Lieben Gott", ich weiß nicht was..

Sie müssen die Familie, Ihre Frau,

Sie müssen Ihre Schreiberei ...

Sie müssen immer schnell noch etwas machen.

Alles ist nur vorgeschoben!

Gar nichts müssen Sie!

Das muss doch 'mal in Ihren Kopf!

               Sie machen sich zum Daueropfer Ihrer selbst!

 

Sehr traurig.

 

Sie 2       Ich sehe das mit Schmerzen.

Ja, mit Schmerzen,

Und ich finde das sehr schlimm.

Ich finde es auch schlimm,

Dass Sie mir immer Recht zu geben suchen.

Meine Argumente machen Sie ja fast zu Ihren eignen!

Wo sind Sie, wo ist Ihr Standpunkt!

Er 1        Aua, jetzt hab' ich mir einen Splitter In die Hand gejagt.

Sie 2       Ein körperlicher Schmerz tut immer gut.

Ich glaub' es aber nicht.

Ist alles einstudierte monotone Litanei.

Er 1 Das geht zu weit. Ich will hier 'raus! 

Sie sind genauso angepasst wie ich!

Wir sind doch alle handgestrickt:

"Ein Schlicht ein Kraus", mehr nicht.

Kein Muster, keine Farbe.

Gar nichts ist erlaubt.

 

Er1  klopft wieder.

 

 

Er 1       Ich will nun 'raus!

Sie 2      Dann schlagen Sie den Kasten doch kaputt!

Er 1       Ich hab' es doch gesagt, es geht nicht!

Sie 2      Doch, es gäbe eine Möglichkeit.

              Die könnte Ihnen eine ungeheure,

              Völlig neue Freiheit bringen.

Er 1       Welche?

Sie 2      Freiheit oder Möglichkeit?

Er 1        Ist das ein Unterschied?

Sie 2       Auf beides müssen Sie von selber kommen.

              Sagen Sie, wie frei Sie sind.

Er 1        Das seh'n Sie doch.

Sie 2       Im Kasten sind Sie ganz genauso frei

              Wie ohne ihn.

Er 1        Ich komm' nicht 'drauf!

              Seit ich Sie kenne,

              Denk’ ich dauernd über eine neue Freiheit nach.

              Was kommt heraus?

              Nur dies, nur eins:

Von Ihnen bin ich nicht mehr frei!

 

Sie 2       Dann geht es Ihnen so wie mir.

So geht’s mir nämlich seit dem ersten Augenblick.

Er 1        Ich kämpf’ mit einer Unfreiheit,

              Die macht mir schwer zu schaffen.

Sie 2       Wissen Sie denn,

Ob Sie vorher wirklich freier waren?

Wissen Sie, wie frei Sie vorher waren?

Er 1        Ich geb alles zu.

Sie bringen mich an einen Punkt,

An dem ich mich ergeben möchte.

Sie 2       Sagen Sie doch gleich,

Dass Sie erst wissen wollen,

Ob es sich auch lohnt!

Wer soll die Antwort wissen.

Klopfen Sie auf Holz, das reicht.

Es ist genügend Holz in Ihrer Nähe.

 

 

 

Sie öffnet den Kasten und lässt ihn heraus.

 

Er 1        Das war höchste Zeit.

Sie 2       Sie woll'n „auf Nummer Sicher" geh'n?

Und trotzdem reißen Sie nicht eine Ihrer Brücken ab.

Er 1        Zerstör'n geht schnell.

Sie 2       Ein großer Irrtum.

               Es geht sehr, sehr langsam,

Und ganz plötzlich

Ist die Zeit dafür vorbei.

Gelegenheit verpasst!

Er 1        Sie wissen doch, wie schnell die Sympathie

               An ihre Grenze stößt,

Und wo es nicht mehr weiter geht.

Sie 2       Warum nicht weiter geht?

Er 1        Wenn es an mir liegt,

   Bitte ich Sie um Entschuldigung.

 

Er1  lacht plötzlich auf.

 

Er 1        Ich hab' in meinem Horoskop gelesen:

"Hände weg vom Löwen,

Der ist Gift für einen Skorpion".

Sie 2       Sie sprechen sicher von uns beiden, ja?

Natürlich! Und Sie haben recht!

 

Ganz keck!

 

Sie 2       Ich bin ein Sommerkind,

Sie sind im Herbst geboren.

Dieses Mal werd' ich nicht rot.

Das weiß ich, weil ich mich nicht schäme,

Weil ich etwas sagen will,

Was Sie ja doch nicht sagen.

Hören Sie, ich liebe Sie, ich liebe Sie.

Ich weiß, das ist verrückt.

Ich kann und will mich nicht dagegen wehren.

Nein, von meiner Liebe lass' ich nicht.

 

Ganz schnell.

 

Sie 2       Ich habe auch ein Horoskop.

 

Sie kramt in ihrer Handtasche

 

Sie 2       Hier ist der Ausschnitt.

Lesen Sie. Sie sollen selber lesen,

Was man für die Löwin schreibt:

 

Er 1  liest.

 

Er 1        "Der Skorpion ist Ihnen wie ein Dolch

In Ihrer Wunde,

Der sticht fort und fort."

Die Warnung find' ich gut.

Ich denke dabei auch an Ihren Mann.

Sie 2       Den könn'n Sie ganz und gar vergessen!

               Sonst gibt's nichts zu sagen?

Er 1 Meine Frau!

Betrug kommt nicht in Frage.

Sie 2       Ist doch schon geschehen.

               In Gedanken, oder nicht?

Er 1        Mag sein. Trotzdem ist das ein Unterschied.

              Ich denk' an meine Dichtung.

Die darf ich um keinen Preis der Welt

               Von irgendetwas stören oder unterbrechen lassen.

Sie 2       Ihren Gott nicht zu vergessen!

               Denken Sie an Ihren Gott,

               An dieses Schwert da oben.

Fürchten Sie nicht, dass es niederfällt, Sie trifft?

In Wahrheit glauben Sie doch nichts von all dem.

            Einfach Angst! Sie haben Angst, Sie könnten eine Kleinigkeit

            Von dem verlieren, was Sie jetzt besitzen.

Er 1        Sind denn alle nicht in Seiner Hand? Wir alle?

 

Sie 2 lacht auf.

 

Sie 2       Einen Dreck sind wir, bist du!

               Du hörst, jetzt duz’ ich dich.

               Begreifst du denn noch immer nicht?

               Sieh dich doch um.

Muss man dich erst in einen Eisenkasten setzen?

Du versuchst, es selbst den Unsichtbaren

Recht zu machen..

Das gelingt dir nicht. Niemals.

Denk' einmal nur an dich, an uns, an mich.

Ich liebe dich.

Sag' mir, dass du mich liebst.

Sag' es zu mir, sag's mir,

Sag' es doch bitte.

 

Er 1         Meine Kehle ist wie zugeschnürt.

          Mein Herz schlägt... fass' nur an...

 

Sie 2 legt die Hand auf seine Brust.

 

Er 1        Es warnt mich unermüdlich,

            Und ich achte nur auf deinen Mund.

 

Er 1  küsst sie.

 

Er 1        Jetzt steigt die Röte wieder auf.

          Ja, du bist schön, du...

Sie 2       Rede nicht, es ist genug.

Er 1        Du bist so groß wie ich.

Vielleicht noch eins, zwei Zentimeter größer.

Sie 2       Stört es dich?

Er 1        Dein Haar riecht gut.

               Nein, stört mich nicht.

Sie 2       Sei nicht so grob.

Er 1        Ich lass dich ja schon sein.

Sie 2       So war es nicht gemeint.

               Nun sei nicht so verlegen.

               Bist du so verwirrt?

Er 1        In meinem Kopf ist keine Ordnung mehr.

               In meinem Kopf ist keine Ordnung mehr!

               Du solltest lieber geh’n.

               Das wäre besser.

 

Sie 2 geht hinaus. Beide sind nun an getrennten Plätzen,

und ein Vorhang wird zwischen ihnen niedergelassen,

so dass sie wie in getrennten Zimmern sind.

Sie 2 ruft ihn sofort an.

 

Sie 2       Hallo?

Er 1        Kannst du fliegen?

Du bist außer Atem. Sage nichts. Sag' nichts,

Dein Atem ist genug.

 

Er 1 legt auf.

Sie 2 wird ausgeblendet.

Nur das Geräusch des Atems.

 

Er 1        Ja, ich bin verliebt! Verliebt in sie! Verliebt, verliebt

Wie alt ich bin. Bin ich zu alt?

Wir richten uns zugrunde?

Trotzdem wär ich ein Idiot,

Wenn ich die Liebe nicht empfinden würde.

Darf ich mich denn nicht auf mich besinnen?

Habe ich kein Recht auf Glück,

Ein bisschen neues Glück?

Nur weil ich mich an tausend Enden

Eingebunden habe?

Habe ich kein Recht auf dieses Hochgefühl,

Weil ich nicht darauf vorbereitet bin?

Darf ich nicht lieben?

Es ist mir egal, was daraus wird.

Ich kann dies Glück noch gar nicht fassen.

Ja, ich liebe sie,

Und sie liebt mich.

Wer kennt den Maßstab für das Glück?

 

Er1 drückt das ganze Telefon an seine Brust.

Das klingelt und klingelt.

 

1. Akt, 4. Bild "Bedrängnis und Befreiung"

Im Büro

Er 1 sitzt im Büro in einer Glasvitrine, die ist wohnlich eingerichtet.

An der Vitrine fehlt aber jede Tür. Kein Zugang zu dem Ding.

Er 1 schreibt.

Sie 2 kommt herein.

 

Sie 2       Das ist ein Fortschritt.

               Gratuliere, welch ein Fortschritt,

               Weil Sie jetzt nach draußen sehen können.

Er 1        Fortschritt? Ja, in meinem Sinn ist es ein :Fortschritt.

               Seh'n Sie richtig hin!

Sie 2       Ich seh' Sie gut.

Er 1        Ich freu' mich, dass Sie mich gut seh'n.

Sie 2       Sie schreiben? Was?

Er 1        Ich mache Schularbeiten.

Sie 2    Schularbeiten?

Er 1        Ich mach' eine Strafarbeit.

               Ich schreibe tausendmal:

               "Ich will jetzt immer artig sein".

Sie 2       Wie süß, wie brav.

               Ich möchte helfen.

               Wie kommt man hinein?

Er 1        Das ist mein Fortschritt.

               Türen gibt es nicht.

               Die Wände sind aus festem Glas.

               Das schlagen Sie nicht ein.

               Das kann man nicht zerstören.

Sie 2       Und wie bist du selbst hineingekommen?

 

Er1 schreckt hoch.

 

Er 1        Das weiß ich doch nicht.

               Ich habe mich hier drinnen vorgefunden.

Sie 2       Oh!

 

Sie 2 entdeckt eine kleine Klappe.

 

Sie 2       Bist du durch dieses kleine Loch...?

               Das kann nicht sein.

               Das ist grad' groß genug für meine Hand.

 

Sie 2 steckt die Hand hinein.

 

Er 1        Das sollst du nicht.

 

Er 1 ergreift ihre Hand, die sie ihm überlässt und küsst ihre Innenfläche.

 

Er 1        Ein Trinkgefäß voll Milch und Honig.

Sie 2       Nichts ist drin, das weißt du ganz genau.

Er 1        Ich weiß es besser und du auch.

Sie 2       Man findet immer, was man sucht.

               Komm' 'raus, du Lieber, komm.

Er 1        Ich kann nicht kommen.

               Nein, ich kann es nicht.

 

Er 1  legt seinen Mund an eine Vitrinenwand, und

Sie 2 legt von außen ihren Mund dagegen.

 

Er 1        Mund aus Fleisch am Rand aus Glas.

               Treppauf, treppab,

               Treppauf, treppab.

               Lehn' deine Stirn an' s Glas.

               Ich möcht' sie küssen.

 

Sie 2 macht es.

 

Sie 2       Wir, die Balken,

               Die ein Strudel mit sich reißt...

Er 1        Er zieht uns nicht hinab.

Sie 2       Wir dreh'n uns auf der Stelle,

               Auf der Oberfläche.

Er 1        Jeder muss sich von dem anderen befrein.

Sie 2       Das will ich nicht.

Er 1        Dann komm' herein.

               Du weißt ja, wie!

Sie 2       Woher soll ich das wissen?

Er 1        Hast es mir doch selbst gesagt!

          Zerschlag das Holz, hast du gesagt.

          Ich sage jetzt, zerschlag' das Glas.

          Du darfst dir sogar Werkzeug, Hilfe holen.

          Hol' dir, was du willst.

          Das Glas ist Panzerglas,

          Das hält noch lange stand.

          Es wird nicht einfach sein.

 

Er1 lässt sie los.

 

Sie 2       Lass mich nicht los.

               Wir haben nur die kleine Tür für uns.

Er 1        Die reicht nicht für ein ganzes Leben.

Sie 2       Du bist ungerecht.

               Du bist unmenschlich.

 

Sie 2 zieht ihren Arm heraus.

 

Sie 2       Warum quälst du mich.

Er 1        Wie soll ich hier heraus!

          Warum bin ich so schwach.

          Ich wehr' mich gegen deine Liebe.

          Ich versteh' mich nicht.

          Ich bin ein Idiot, ein Idiot.

          Sieh her!

 

Er 1 wirft Zettel in die Luft.

 

 

Sie 2 Was sind denn das für Zettel?

Er 1   Alles Beileidstelegramme.

         Rate 'mal von wem.

         Du weißt es nicht.

          Die schickt mir die Familie, wenn ich schreibe!

         Er liest daraus vor.

         Hier: Vergiss die Schreiberei.

         Sie bringt nichts ein.

         Sie sind dein Egotrip.

Den können sich die anderen nicht leisten!

         Oder hier:

         Gib deine Faulheit auf.

         Komm' 'raus. Es gibt genug zu tun.

         Und hier:

         Vielleicht in hundert Jahren

         Hast du 'was davon.

         Wir leben aber jetzt.

Und ich? Wann lebe ich?

Leb' ich in Faulheit, Hohn und Drückebergerei?

Die wissen überhaupt nicht, was ich mache.

Sie 2 Und, was machst du?

         Kannst du's nicht erklären?

 

Er 1   Weißt du das denn nicht?

         Ich schaff' Gedanken.

         Ja, ich schaff' Gedanken, und die schreib' ich auf.

Sie 2 Warum, lass doch das Schreiben sein.

         Gib's auf.

         Denk' lieber über deine Freiheit nach.

Er 1   Du meinst, ob ich Zuhause auch zuhause bin?

         Du meinst, ich dächte nur an meinen Gott?

         Ich hätte Angst, dass der sein Schwert auf mich

         Gerichtet hält?

         Nein. Solche Schwerter richtet man nur selbst auf sich.

         Ich bin ein eitler Dichter, eitel, ja.

         Ich schmiede mir mein Schwert allein.

         Das häng' ich über meinem Schreibtisch auf.

         Das richte ich direkt auf mich:

         Es sind die eignen Worte,

         Die Gedanken, die ich schaffe.

         Die bedrohen mich.

 

Sie 2 Du drohst dir mit dir selbst.

         Das ist ja diabolisch.

Er 1   Ich bedrohe mich mit mir.

         So macht es jeder Dichter.

         Seine Waffe ist auf seinen Kopf gerichtet,

         Und er rechnet täglich, stündlich

         Mit der Tötung.

Sie 2 Durch sich selbst. Wie praktisch.

Er 1   So treibt er sich an, zu schreiben,

         Und verletzt sich dabei dauernd schwer.

Sie 2 Und lässt sich nicht gesunden?

 

 

Sie 2 wird langsam wütend.

 

Sie 2       Mach' nur weiter so.

Er 1        Seine Worte sind nicht Schwerter.

Sie 2       Das wär viel zu harmlos.

Er 1        Nein, sie sind ein Fallbeil,

          Das im Gegensatz zu einem echten,

          Dauernd niederfällt.

          Es steht im Blutbad einer Dauerköpferei

          An einer einzigen Person.

          Es steht und steht nicht still.

Sie 2       Ja, ich verstehe:

          Dieser Käfig, dieser Kasten, diese Glasvitrine

          Soll dich vor Befreiung schützen.

          Ist es so?

Er 1        Es ist so eng hier drinnen.

               Trotzdem ist dies meine Welt.

 

Er hängt ein Schild an die Glaswand:

 

 

Er 1 Sieh her. Dies Schild verbietet jedem

       Einzutreten.

       Es wird gar nichts nützen.

       Ich kann sagen, was ich will:

       "Kein Eintritt", "Stört mich nicht",

       "Ich will allein sein".

       Kein Mensch kümmert sich darum.

       Und andrerseits, verfluchter Widersinn:

       Wenn man mich endlich mal in Ruhe ließe,

       Wär's mir auch nicht recht.

       Ich läg' mit meinen Ohren an der Wand

       Und würd' nach draußen lauschen,

       In die andre Welt.

       Ich hätte sofort Angst,

       Man würde mich vergessen.

       Vor'm Vergessenwerden hab' ich Angst.

Sie 2 Wie kommt man denn zu dir?

       Du lässt ja keinen rein.

       Du lässt ja keinen an dich 'ran.

       Ich würd' dich auch in Ruhe lassen können.

       Manchmal reicht es aus, an dich zu denken.

Er 1 Jeder Dichter ist ein Tänzer auf dem Seil,

       Den darf man nie im Schaffen stören.

       Nicht 'mal in Gedanken,

       Weil das als ein Zerren an dem Faden aufgenommen wird.

 

Das kann ihn stürzen lassen.

Schwankend ist sein Leben ohnehin,

Und pausenlos wird er zu Fall gebracht.

Er schlägt sich unsichtbare Wunden,

Die erkennt er selber kaum,

Die kennt kein Mensch.

Sie 2 Du zeigst sie mir ja nicht.

       Ich glaube auch, du willst nicht,

       Dass sie heilen.

       Andre Menschen leiden auch.

       Zum Beispiel unter dir,

       Du lässt sie leiden.

       Wünsch dir doch ein Schloss

       Mit Personal und Dienerschaft

       Und Reichtum.

       Wär' das nichts für dich?

       Wär' das nicht besser, als die Glasvitrine?

Er 1 Nein, es gibt nichts als Ersatz,

       Weil es ein Zustand ist.

       Das ist ja grad' der Widerspruch.

       Denn, was mich auf der einen Seite stört,

       Brauch' ich im Rücken,

       Dass ich weiß, ich lebe.

 

Sie 2 Eines Tages hat es dir die Kehle zugeschnürt.

       Aus allem redest du dich gut heraus.

       Du findest immer eine andere Entschuldigung,

       Und alles spricht für dich.

       Er zieht sich nackend aus.

       Seine Haut ist ganz aus Metall.

Sie 2 Was wird denn das?

Er 1 Ich denke manchmal, dass ich fliehen sollte.

Sie 2 Zieh' dich wieder an.

       Du hast ja nichts am Leib.

Er 1 Das wäre alles, was ich mit mir nehmen könnte.

       Das wollt' ich dir zeigen.

       Wovon soll ich überleben?

 

 

Er 1 zieht sich wieder an. Dann sarkastisch, ironisch.

 

 

Er 1 Nein, da geh ich lieber gleich den Weg

       Des ganz Gerechten.

Sie 2 Eine andre Art der Flucht vor dir?

Er 1 Die ganz Gerechten dürfen

       Ungerecht und eigennützig sein.

       Sie dürfen egoistisch sein.

       Der ganz Gerechte darf in allem nur

       Und an sich selber denken.

Sie 2 Du bist zu extrem.

Er 1 Du meinst, ich lebe in den eignen Exkrementen.

       Das willst du doch sagen.

       Danke, akzeptiert.

       Ich hör' die Wahrheit gerne.

Sie 2 Nimmst sie nur nicht an.

Er 1 Du hörst nicht zu.

       Ich sagte doch bereits,

       Ich brauch' das nicht, weil ich nicht fliehen werde.

       Siehst du, das ist Leben in Gerechtigkeit.

Sie 2 ...und Frieden. Hört, der Meister aller Worte

       Hat gesprochen. Amen.

 

Er 1 Überlass das Spotten mir.

       In dieser Sache bin ich viel bewanderter als du.

Sie 2 Zum Beispiel?

Er 1 Würde jemand jetzt, in diesem Augenblick,

       Mich fragen:

       "Glauben Sie an Gott?"

       Dann würd' ich nicht bekennen,

       Sondern mich verschlagen und verlegen

       In Verschämtheit sonnen.

       Siehst du, so ist die Gerechtigkeit.

       Perfekt, ein Netz.

       Es kann dir nichts passieren.

Sie 2 Gratuliere! Hast gut aufgepasst.

       Du bist schon weit gekommen.

Er 1 Ich nicht, sondern du.

       Du bist am Werk, an mir.

       Ich kann nicht unterscheiden,

       Ob du einreißt oder aufbaust.

 

 

 

Pause.

 

 

Er 1   Manchmal glaube ich sogar,

     Dass du aus einem Daueropfer einen Dauerselbstmord

     Machen willst.

     Verzeih'. Ich weiß, dass du's nicht willst.

     Es ist mir so herausgerutscht.

Sie 2 Du siehst nur dich.

     Für dich bist du der Mittelpunkt.

     Ich will es wirklich nicht. Natürlich nicht.

Er 1   Ich weiß es. Was geschieht, geschieht durch mich.

Sie 2 Allein durch dich.

Er 1   Vielleicht bist du für mich...

Sie 2 ...die einzige Gelegenheit?

     Das wolltest du doch sagen, nicht?

     Den Zwang zu schreiben,

     Solltest du gleich mit begraben.

 

Er 1   Das kannst du nicht besser wissen.

         Davon weißt du nichts.

         Ich habe zwei Jahrzehnte

         Nur auf diesen Augenblick gewartet,

         Dass sich endlich die Gedanken, die ich habe,

         Auch von mir in Worte fassen lassen,

         Dass ich sie auf einem Stück Papier

         Betrachten kann.

         Das ist, als, als wäre etwas auf die Welt gekommen.

          Das werd ich mir nicht zerstören lassen.

         Dazu hat kein Mensch das Recht.

         Das ist ein völlig eignes Leben,

         Das erst wächst.

         Ich habe es herbeigesehnt, davon geträumt,

         Im Schlaf danach geschrien.

         Schrei' immer noch deswegen.

 

Sie 2 Ich will's dir nicht nehmen.

        Mach doch einen Neuanfang mit mir.

     Wir lieben uns.

Wir wissen wenig voneinander,

Das ist gut.

Ich biet' dir viel

Und will und möchte doch nur wenig.

 

 

Sie 2 hat eine Leiter geholt, die sie an den

Rand der Vitrine stellt, um hinaufzuklettern.

 

Sie 2       Eines möcht' ich wissen,

     Ob du wirklich eingeschlossen bist.

     Ich kann's nicht glauben.

 

Sie 2 klettert hinauf und schlägt mit der flachen

Hand auf den Deckel. Der ist auch aus Glas.

 

 

Sie 2 Total verschlossen!

Richtig eingeweckt.

Wie hast du das gemacht?

Er 1   Es lohnt sich nicht,

Denn Neuanfang und Neubeginn

Verlangten viel zu viel von uns.

Sie 2 Du sollst dich nicht sofort von deiner Frau,

         Familie und Zuhause trennen.

Denkst du, dass ich das verlange?

Das möchte ich auch gar nicht.

Nein, das will ich nicht.

Dazu gibt's auch keinen Grund.

Warum auch?

 

Er 1   Wie du dir das vorstellst.

Ich komm' nicht aus dieser Glasvitrine 'raus,

Und du sprichst immerzu von Trennung,

Von ich weiß nicht, was.

Er 1   Soll ich nun hier drinnen bleiben,

           Oder nicht.

Sie 2 Kannst du sie denn verlassen?

         Könntest du?

           Wie würdest du das machen?

Er 1   Ich weiß nichts von dir, das stimmt.

           Ich weiß ja nicht 'mal, wie du lebst,

           Woran du glaubst,

           Was in dir lebt.

Sie 2 Du denkst, in der Vitrine

         Hättest du die größte Freiheit.

         Deshalb denkst du eigentlich....

         Jetzt komm' ich langsam drauf...

 

 

 

Sie 2 klettert wieder herunter.

 

Sie 2       Das ist kein Widerspruch zu dir.

Du denkst, wenn du da drinnen bleibst,

Wär' das der beste Weg

Ja, du fühlst dich in deinem Glassarg wohl!

Das ist Betrug!

Du bist dabei mich zu betrügen!

Du verrätst mich! Du verkaufst mich!

Du benutzt mich für Gedankenspiele,

Und du denkst gar nicht daran herauszukommen!

Denkst auch noch ,

So überheblich, wie du bist,

Dass ich es nicht bemerke,

Möchtest, dass ich so wie du,

Zum Schlachtvieh meiner Umwelt werde!

Ja, ich soll mich selber dazu machen!

Aber das gelingt dir nicht!

Ich hasse dich! Ich hasse dich!

 

Sie 2 läuft auf die Wandung zu. Ihre Fäuste sind erhoben.

Aber sie läuft ohne jeden Widerstand direkt hinein, als ob es Wände nie gegeben hätte,

Er 1 fängt sie liebevoll auf.

 

Er 1        Wie hast du das gemacht?

               Wie machst du das.

 

Er1  küsst sie, geht mit ihr ungehindert  aus der Vitrine und küsst sie wieder.

 

 

Er 1    Es ist ein Rätsel.

Wer kennt schon das Siegel eines Königs?

Wer kann eine Fälschung

Von dem wahren Siegel unterscheiden?

Ich hab' ein's gefunden,

Und was mach' ich nun damit?

Sie 2 Wer kennt es überhaupt?

Kein Mensch kennt mehr das Siegel eines Königs.

Keiner glaubt daran.

Warum auch.

Du bist draußen, das ist wichtig.

Er 1    Sagt das viel? Das sagt doch gar nichts.

Du bist jetzt mit mir da drinnen

Und ich bin mit dir hier draußen.

Das ist alles.

Träumen wir?

Vielleicht ist alles Traum?

Vielleicht träum' ich?

Sie 2 Du kannst ganz sicher sein.

Dass keiner von uns beiden träumt.

 

Er 1    Ich bin im All, weit draußen.

          Ja, ich bin ein Instrument, ein Roboter.

          Und jemand schickt Befehle hinterher,

          Die soll'n mich lenken,

Dabei steh ich still, steh völlig still.

Ich bin trotzdem auf Reisen.

Sie 2 Kannst du nicht heut' Abend etwas länger bleiben?

Er 1    Keine Korrektur der Bahn.

Sie 2 Du könntest, wenn du wolltest.

     Sag schon ja.

     Am Ausgang? Bitte.

     Eine Stunde nur.

Wir gehen in den Park, zum Wasser,

Oder wo du willst, es ist mir alles recht.

Er 1    Heut' Abend?

Sie 2 Ja, dass wir uns unterhalten können.

 

 

 

Ganz nah an ihn geschmiegt.

 

Sie 2       Dass wir ganz ungehört und ungestört

Versprechen geben können.

Er 1        Was denn für Versprechen.

               Wovon redest du.

Sie 2       Sag ja. Du kommst?

Er 1        Ist gut. Wir treffen uns heut' Abend.

Sie 2       Heut' ist Mittwoch. hörst du?

Er 1        Ja, warum?

 

Sie 2 ganz fröhlich.

 

Sie 2       Mein Mann hat Kursus.

               Jeden Mittwoch, jeden Mittwoch hat er Kursus.

Er 1        Du sagst das mit einer Fröhlichkeit,

               Als sollte unser Treffen kein Geheimnis bleiben.

Sie 2       Möchte ich auch nicht.

               Am liebsten möcht ich es aus dem Fenster schrein.

Er 1        Sei still, mein Gott, sei still.

               Du kriegst es fertig.

               Hoffentlich erfährt es keiner.

 

 

1. Akt, 5. Bild "Verlockung Ein Lied"

Im Park

Im Park am Wasser.

Sie 2 ist schon dort. Sommerabend, kühl.

Er 1  kommt auf sie zu.

Sie 2 denkt, dass er sie in den Arm nehmen wird, aber er weicht ihr aus.

 

Er 1        Wie die Diebe haben wir uns

               Aus dem Haus geschlichen.

Sie 2       Du vielleicht, ich nicht.

               Ich habe kein Gewissen, jedenfalls kein schlechtes.

Er 1        Es ist schön hier, eine schöne Stelle.

               Hier ist Ruhe.

               Selbst die Schiffe scheinen stillzustehen.

Sie 2       Ich bin hier, falls du mich suchst.

Er 1        Ja, du hast recht.

Ich hab' mir' s aber vorgenommen',

Dich nicht anzufassen.

Nein, ich will dich nicht berühren.

Keinen Kuss mehr, nichts.

 

Sie2 singt vor sich hin.

 

Sie 2       Er sah mir in die Augen

Und verirrte sich darin,

Drum lieb ich ihn, drum lieb ich ihn.

Es schwieg sein Mund

Nicht laut genug

Drum hört' ich ihn, drum hört' ich ihn.

Nun soll er mir noch sagen,

Nun will ich ihn fragen,

Liebst du mich, liebst du mich auch?

 

Sie2 wartet etwas auf eine Antwort.

 

Sie 2       Liebst du mich auch?

 

Sie 2       singt vor sich hin.

 

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Er 1        Mein Innenmund!

               Es ist mein Innenmund, der nach dir ruft.

Sie 2       Es wird schon dunkler. Das ist angenehm.

               Komm her zu mir.

               Lass deinen Vorsatz sein.

 

Er 1 nimmt sie in den Arm und küsst sie heftig.

 

Sie 2       Soll ich ertrinken?

Lass mich atmen, lass mich leben!

 

Sie 2 will nun auch leidenschaftlich werden, aber er bremst sie.

 

Er 1        Das war, dass du siehst,

               was ich empfinde.

Sie 2       Unter deiner Haut ist Glut,

               Das spür' ich jetzt erst richtig.

 

Neben ihnen steht eine Bank.

Sie 2 setzt sich. Er1  kniet vor ihr und legt seinen Kopf in ihren Schoß.

Sie krault ihn im Haar und beugt sich über ihn.

 

 

Sie 2       Lieber, magst du das?

Er 1         Ich hoffe, dass uns keiner sieht.

Sie 2       Hier nicht. Hier kennt uns keiner.

Er 1         Du bist liebevoll zu mir.

Das kenn' ich nicht.

Wenn du dich auf mich beugst,

Möcht ich in dir verschwinden.

Du hast Glück.

Du hast es immer gut.

Sie 2       Warum?

Er 1         Weil du dich immer bei dir hast.

Sie 2       Erzähl nicht solche Sachen.

               Du doch auch.

Er 1         Es gibt Sekunden der Erinnerung

Die wir nicht steuern können.

Jetzt zum Beispiel muss ich mir

Die eigene Erinnerung gefallen lassen.

Sie 2       Sag' mir, was es ist und wenn du willst.

 

Er 1         Erinnerung ist Überraschung, ungewollt.

Ich hab' von meiner Mutter einen Satz im Kopf

Den wollte ich nicht glauben,

Damals, als sie ihn erzählte.

Schwer zu glauben. War zu schwer zu glauben.

als sagte sie:

„Ich hab’ meine Kinder nie im Arm gehabt“,

Dabei hat sie gelacht,

"Und nie auf meinen Schoß gesetzt.

Wir hatten immer eine Kinderfrau“.

Sie 2       Wie furchtbar. Das ist schlimm.

               Sie ist dir also fremd geblieben?

Er 1         Eine flüchtige Bekannte,

               Könnt ich sagen.

Nein, nicht ganz so.

Andrerseits, wenn ich jetzt deine Hand

In meinem Nacken spüre...

Könnte sein, dass mir doch was verloren ging,

Und ganz genau genommen...

...das wär' ein Geständnis..

 

Sie 2       Wär ein Eingeständnis oder ein Geständnis?

Er 1         Nimm es, wie du willst.

Sie 2       Was willst du sagen?

Er 1         ....meine Frau, verstehst du,

               Hat in ihrem ganzen Leben nie den Arm

               Um mich gelegt.

               Die fasst mich auch nicht an.

Sie 2       Wie bitte?!

Er 1         Weißt du, was sie sagt?

Sie 2       Na?

Endet immer gleich, sagt sie.

Es endet immer gleich.

Sie meint, Berührung kann ich nicht ertragen,

Ohne dass bei mir "das Eine" daraus wird.

Natürlich hat sie letzten Endes recht.

Das sag ich auch.

Es endet schließlich immer so.

Sie 2       Und endet es mit uns auch so?

 

 

Er 1 sieht zu ihr auf. Sie 2 schaut gelangweilt den Weg hinunter.

Er1  kommt hoch und setzt sich neben sie auf die Bank.

 

Er 1        Ich suche deine Augen.

               Gibt's 'was auf dem Weg?

Langweil ich dich? Was ist mit dir.

Hast du mich nur wie deinen Hund

Im Schoß gekrault?

Sie 2       Gib deine Hand,

Nein, komm mit deinem Kopf!

Hör' auf mein Herz.

Was glaubst du, was das ist? Ganz fest, ja so.

Er 1        Es ist dein Herz.

Es schlägt, als schlüge es auf etwas drauf.

Dein Kleid ist dünn, darunter ist es weich.

Ein königliches Kissen!

Nein, das hab' ich nicht vermutet.

Das ist dir nicht anzusehen.

Hörst du's selber?

Sie 2       Es schlägt mir im Kopf.

Wenn du mich nur ein wenig liebst,

Dann sag' es mir, ich möcht' es hören.

Er 1        Deine Stimme streicht in mir

Die Kissen glatt.

Ich liebe deine Augen, deine Haut,

Den Duft der Haare.

Deine Haut ist blass.

 

Er 1 knöpft ihr das Kleid etwas auf und küsst sie dort hinein.

 

Sie 2       Noch etwas tiefer.

Er 1        Nein, es ist genug. ich knöpf es wieder zu.

               Wir sollten so zufrieden sein.

               Es ist nicht mehr erlaubt.

Sie 2       Bestimmst du das?

               Nun fangen meine Schmerzen wieder an.

 

Sie fasst sich ans Herz

 

Er 1         Was denn für Schmerzen.

Sie 2        Ja, es schmerzt.

               Das hört nur auf, wenn du mich nicht mehr quälst.

Er 1         Was kann das sein?

Sie 2        Ich sag' es doch,

               Es kommt durch dich.

 

Er 1 streichelt ihr das Haar.

 

 

Er 1       Mein Gott.

Sie 2      Es kommt, wenn ich nur an dich denk'.

Er 1       Und geht es bald vorbei?

Sie 2      Jetzt ist es besser,

              Es lässt nach.

Er 1       Wir müssen uns vergessen. Wollen!

              Wenn es so schlimm ist,

              Dann um so schneller.

Ist für beide besser.

Nein, ich wusste nicht, dass du durch mich

Noch körperliche Schmerzen kriegst.

Sie 2      Das macht nichts mehr.

Er 1       Wir dürfen uns nicht wieder treffen.

Sie 2      Soll das heißen, dass du gehen willst?

              Ich bitte dich, doch jetzt noch nicht.

 

Er 1       Es hat doch keinen Sinn.

Du weißt, dass ich nicht weitergehen kann

Und darf und will.

Ich denk' auch immerzu an deinen Mann.

Er kann ja nichts dafür.

Und trotzdem macht mich der Gedanke krank.

Wie sollte ich dich jemals lieben

Wenn ich an ihn denken muss, dass er...

...nach mir, vor mir..

Nein das ertrag ich nicht.

Das würde ich nicht einen Tag ertragen,

Keine Stunde.

Sie 2      Ist doch lächerlich.

Meinst du ich könnte deinetwegen

Wieder Jungfrau werden?

Siehst du, so ist das.

 

Er 1       Ich würde dich mit keinem teilen wollen, können.

              Nein, ich würd' dich ganz für mich verlangen.

              Es gibt tausend Gründe.

Reg' dich bitte nicht gleich auf!

Sie 2      Ich bin ganz ruhig.

Nimm dir doch ein Zimmer.

Zieh doch einfach von Zuhause aus.

Ich zieh zu dir.

Ich such' mir eine neue Arbeit.

Irgendwo, woanders. Das ist einfach.

Ich mein' s ernst. Das ist kein Spaß.

Nein, wirklich nicht.

Er 1       Ich glaub' dir ja,

              Und trotzdem geht es nicht. Nein, nie.

Sie 2      Es muss ja nicht sofort sein.

              Denk' erst drüber nach.

 

 

Sie 2 schmeichelt sich an ihn heran.

 

Sie 2       Du könntest mit mir kommen, jetzt mit mir.

Zu mir.

Er 1        Zu dir?

Sie 2       Mein Mann hat heut' doch Kursus.

               Der kommt spät.

Dann bist du einmal ganz bei mir.

Wie findst du das?

Er 1        Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Es ist das schönste, was du sagen konntest,

Eine zuckersüße Schmeichelei.

Ich darf nicht erst zu Ende denken.

Nein, ich weiß nicht, was ich sagen soll.

 

Sie 2 hakt sich bei ihm ein und schiebt ihn in ihre Richtung.

 

Er 1        Sei mir nicht böse,

Aber nimm die Unentschlossenheit bei mir

Noch nicht als Zeichen.

Nein, nein.

Du weißt nicht, was du da verlangst.

 

Er gibt ihr einen Kuss auf die Stirn.

 

Er 1        Du bist ein Engel,

 

Kleine Pause

 

Er 1        Der mit schwarzen Flügeln fliegt.

Ich soll in euren Betten mit dir toben,

Und nachher erfährt dein Mann davon?

Durch irgendeinen dummen Zufall?

Nein, das mach ich nicht.

Der schlägt mich tot, wenn er dahinter kommt.

Ich weiß nicht, was noch alles.

 

Sie 2 bleibt ganz ruhig.

 

Sie 2       Würd' er nicht, verlass dich drauf.

               Sei unbesorgt.

               Du kannst ganz ruhig bleiben.

Er 1        Was weißt du von deinem Mann.

               Woher willst du das wissen.

               Ich wär' fürchterlich in meiner Raserei.

Sie 2       Das ist es, was mir so an dir gefällt.

               Nun komm schon mit.

Er 1        Es blitzt aus deinen Augen.

          Ach, du denkst wohl, weil ich wütend bin,

          Hast du mich besser in der Hand.

Er 1        Ich möchte wissen, woher du den Mut

               Und deine Sicherheit bekommst.

 

Er 1 beruhigt sich wieder.

 

Er 1        Ich darf nicht an Zuhause denken.

          In der Firma dürfen wir uns

               Auch nicht wieder duzen. Das fällt auf.

Sie 2       Mir ist es gleich, was andre denken.

          Und die im Büro erfahren's sowieso.

          Ich glaub', die wissen längst Bescheid.

Er 1        Bescheid? Du hast doch nichts gesagt?

               Wie kommst du denn darauf.

Sie 2       Ich denke, dass man uns das ansieht.

               Nein, ich habe nichts erzählt. Zu wem auch.

Er 1        Das ist gut. Sei mir nicht bös'.

Ich werde gehn. Allein.

Ich kann nicht mit dir gehn. Das geht nicht.

Nein, ich bring's nicht fertig.

Weißt du, was du jetzt schon alles in mir

Angerichtet hast?

Sie 2       An mich denkst du natürlich nicht.

 

Er1  nimmt sie liebevoll in den Arm.

Eine Kirchturmuhr schlägt langsam sechs Uhr.

Sie wiegen sich im Takt hin und her.

 

Sie 2       Was denkst du, wie es in mir aussieht.

Schlägst du etwas andres, Bessres vor?

Mein Mann merkt wirklich nichts.

Und wenn er etwas merkt, ist es nicht schlimm.

 

Er 1 stößt sie von sich.

 

Er 1        Du bist total verrückt.

Warum ist es nicht schlimm,

Das kannst du doch nicht wissen.

Ich bin völlig durcheinander.

Was du sagst, sind alles Rätsel.

Die kann ich nicht lösen,

Und ich will sie auch nicht lösen.

Nein, ich will nicht mehr,

Dass wir uns wiedertreffen.

Überhaupt nicht mehr.

Ich werd' mich zwingen, nicht an dich zu denken.

Unsretwegen lass ich schon so vieles liegen,

Was ich gerne tat,

Was mir am Herzen lag.

Das ist nicht gut.

Ich muss auch immerzu dran denken,

Dass ich meiner Frau nicht untreu werden will.

Ich denke pausenlos an meine Schreiberei...

Sie 2       ...an meinen Mann..

               ...an deinen Gott..

               ... an bla, bla, bla...

               Gib's zu, du willst nicht, das ist alles.

Er 1        Was ist nachher, wenn jetzt etwas mit uns wäre?

               Nein, das geht nicht gut.

Am meisten stört mich doch dein Mann.

Ich muss jetzt geh'n.

Sie 2       Du findest also, dass du gehen musst.

 

Sie 2 verändert ihre Stimme, schlägt

sich an die Schläfen und schreit ihn an.

 

Sie 2       Du Schwein! Du liebst mich nicht:

Du liebst nur diese Quälerei an mir,

Sonst gar nichts.

Wo ist ein Beweis?!

 

Sie stampft mit den Füßen auf den Weg.

 

Er 1        Ich will das nicht.

               Nicht meinetwegen.

               Sei doch lieb. Versteh mich doch.

               Ich will dich ja. Es geht nur nicht.

               Du musst doch sehen, alles spricht dagegen.

Sie 2       Nur in deiner Phantasie vielleicht.

Er 1        Nein, wenn es wirklich einmal etwas mit uns werden soll,

               Dann arrangiert es sich von ganz alleine,

Nicht durch dich

Und nicht durch mich.

 

Sie 2 schreit nun wie eine Wahnsinnige auf.

Er reißt sie an sich.

 

Sie 2       Auch das noch, nein!

Er 1        Sei bitte still, ich bitte dich, sei still!

               Verzeih. mir.

Quäl' dich doch nicht so.

Du musst jetzt leise sein.

Ich will es wirklich nicht!

 

Sie2  beruhigt sich.

 

Er 1        Entschuldige, ich denke nur an mich.

          Vielleicht liebst du mich wirklich.

          Das könnt' ich am wenigsten verstehn.

 

Sie 2 ist jetzt ganz ruhig.

 

Sie 2       Ich atme einmal durch, das hilft.

Jetzt bin ich wieder so, wie du mich gerne hast:

Ganz sanft und ruhig. Gut so?

Er 1        Danke.

Sie 2       Gehn wir noch ein Stück zusammen?

Er 1        Wenn du willst.

Sie 2       Und merk' dir gut, dass du es weißt

               Und nie vergisst:

Ich lass von meiner Liebe nicht.

Ich werde nicht von meiner Liebe lassen.

Ja, vergiss es nicht und nie.

Und ob du sie mir glaubst, ist mir egal.

Und noch ein's:

Du brauchst nicht, nicht einen Augenblick

An meinen Mann zu denken.

Tu, als gäbe es ihn nicht für dich. Tu so.

Du weißt, dass ich ihn liebe...

 

Sie legt ihm schnell die Hand auf den Mund.

 

Sie 2       Weißt, dass ich ihn anders lieb' als dich.

Mit ihm ist es ' was anderes.

Er 1        Dass er dich liebt, ist auch 'was anderes!

               Natürlich!

Sie 2       Ja, er liebt mich eben auch.

          Es ist mit uns nicht so,

          Wie zwischen dir und mir.

Es wäre schön, wenn ihr euch gut verstehen könntet,

Und ihr hättet mich.

Ach, übrigens mag dich mein Mann gut leiden.

Er 1        Jeder deiner Sätze tötet mich!

 

Er bleibt stehen und packt sie am Arm.

 

Sie 2       Du tust mir weh! Lass los, lass los!

Er 1        Dann sprecht ihr über mich?

Sie 2       Natürlich! Lass doch los!

 

Er gibt sie frei.

 

Sie 2       Warum denn nicht.

Schon seit ich in der Firma bin,

Bist du das Thema Nummer eins bei uns.

Das Hauptgespräch...

Früh morgens, abends..

Er 1        Nein!

Sie 2       Wir haben auch dein Buch gekauft

Und lesen die Gedichte, die du schreibst.

Wir lesen jede Zeile.

Die sind schlimmer, als du denkst.

Für uns!

Wir beide mögen dich,

Und nicht so, wie du denkst.

Er 1        Wie! Wie! Wie!

Ich denk' nicht irgendwie!

Und deinen Mann willst du betrügen?!

Eben sagtest du doch noch, dass du ihn liebst

Und schmilzt dahin,

Und zwei Minuten vorher wolltest du ihn glatt

Mit mir betrügen.

Ich versteh' das nicht.

0h, Gott, wie bin ich blöde.

Sie 2       Ich betrüg' ihn nicht.

               Auf keinen Fall mit dir.

Er 1        Wo ist nur mein Verstand.

 

Plötzlich.

 

Er 1        Wieso bist du so freundlich und versöhnlich.

               Ach, ihr seid euch also einig über mich?

          Nein, ich versteh nichts mehr.

Das ist zu viel.

Wenn ich mir vorstell',

Dass der Kerl mich mögen könnte...

Ekelhaft, nein widerlich ..

Es widert mich in allem an.

Du bist für mich ein Engel, der in Flammen steht.

Bleib' hier, komm nicht mehr mit,

Ich geh' alleine weiter. Bleib'.

Dass ich dir wehtat, tut mir leid,

Ich wollt' es nicht und will es nicht.

 

Sie 2 hat wieder ihren gelangweilten Blick.

Sie guckt von ihm fort.

 

Er 1        So hast du auch vorhin geschaut.

Du siehst nach innen?

Schlägt dein Herz schon wieder bis zum Hals?

Ich kann nicht mehr.

Ich lass dich jetzt allein.

 

 

1. Akt, 6. Bild, "Einsicht, Angst"

Zuhause, im Park

Abends. Er 1 kommt nach Hause, sieht in

alle Zimmer. Steht dann vor dem

Spiegel im Flur.

 

Er 1        Schon so spät. Zum Glück ist keiner hier.

               Ein Zettel?

 

Er liest.

 

Er 1        "Kommen nicht vor sieben Uhr zurück."

Da brauch' ich nicht mit Lügen aufzuwarten.

Gott sei Dank.

 

Zu sich im Spiegel.

 

 

Er 1      Jetzt schwör' ich's dir:

Von nun an will ich mich beherrschen.

Wie ein Mann, von mir aus.

Nein, das ist ganz schlecht.

Das geht ja grade nicht.

Als Mann müsst ich ganz anders handeln.

Siehst du nicht? Das ist doch das Problem.

Ich muss den Willen haben.

Willen ganz alleine reicht schon aus.

Man muss den festen Willen haben. Müsste, müsste...

Damit könntest du sehr viel erreichen.

Merk' dir das.

 

Natürlich hat sie recht.

Es ist doch gut und richtig,

Wenn sie sich dem eignen Mann, dem sie vertraut,

Auch anvertraut.

Ich brächte das nicht fertig. Stimmt.

Ich könnte meiner Frau nicht alles sagen.

Könnt' ich nicht und wollt' ich nicht.

Aha!

Und tu es nicht, damit du's weißt.

Und seine Sympathie für mich

Kann tausend Gründe haben.

Dann noch meine Vorurteile.

Ich bin eingenommen gegen ihn.

Natürlich bin ich das.

Und sie? Ich lass' mich von ihr selbstzufrieden machen.

Ist mir alles klar.

Es ist doch schön zu wissen,

Dass sie liebt, mich liebt, sehr liebt.

 

Von mir will ich nicht reden.

Maßlos könnte alles sein,

Ja, ohne Maßen.

Dass sie mir das sagt, mir sagen kann,

In einer Ehrlichkeit,

Die brächte ich nicht auf.

Sieh dich doch an.

Ein Zimmer nehmen...

Wie sie sich das denkt...

Verführerisch ist der Gedanke...

Ein Gedanke, der verführt?

Und dann? Danach?

Auf vieles müsstest du verzichten.

Sei 'mal ehrlich. Ja, sei ehrlich.

Ob dir das bekommt?

Das würdest du doch gar nicht wollen, oder?

Möchtest alles haben und behalten.

Ja, du bist so einer.

Hättest doch am liebsten beide,

Deine Frau und diese Frau

Und die Bequemlichkeiten, wie gewohnt, natürlich.

Nur auf nichts verzichten.

Nein? nicht ganz?

Die Angst vor einem Neubeginn?

Vielleicht die Angst, dass sie dich gar nicht liebt?

Vielleicht sollst du ihr neues Spielzeug sein.

Das hat sie nicht sofort bekommen,

Und nun setzt sie ihren ganzen Ehrgeiz. ein.

Sie hat vielleicht Probleme, selbst Probleme,

Die du gar nicht kennst, nicht kennen kannst,

Und niemals lösen könntest.

 

Kann doch sein, dass sie auf Hilfe hofft, von dir,

Und du weißt nichts davon,

Nicht wie und wo du helfen solltest.

Nein, das hört sich nicht mehr so gut an, nicht wahr?

Gib's zu, gib's endlich zu:

Du liebst sie. Das ist alles.

Bist verrückt vor Liebe nach der Frau.

Das weiß sie, ja, natürlich weiß sie es.

Ich geb' dir einen Rat. Ein guter Rat von mir:

Lass deine Finger von der Frau.

Das ist ein schlechter Rat?

Kein guter Rat? Ist gar kein Rat?

Ja, ja, ja, ja ich weiß, ich weiß!!

Die Wahrheit! Ja, die Wahrheit!

Sie liebt beide: Ihren Mann und mich.

Das kann ich nicht ertragen.

Ich versteh' es nicht.

Sie liebt uns beide, ihn und mich!

Ich kann nicht teilen.

Nein, ich kann nicht teilen.

Keine Frau aus zweiter Hand!

Das wär' mein Tod!

Du siehst es: Das kommt dabei 'raus.

Vielleicht begreifst du jetzt:

Du wirst sie nie, nie, nie für dich alleine

Haben können.

Bist doch sonst so schlau. Denk' nach!

Da fällt dir nichts mehr ein?

 

 

Das Telefon klingelt. Er 1 nimmt den Hörer ab.

Sie 2 wird eingeblendet. Sie sitzt am Telefon.

 

Er 1        Ja, bitte?

Sie 2       Du, ich bin allein.

Ich weiß nicht, was ich machen soll.

Kannst du mich hören?

Er 1        Ja, natürlich. Bist du schon Zuhause?

Sie 2       Du, ich möcht' dich noch einmal sehen.

          Komm' noch 'mal. Du bist so einfach fort!

          Ich muss dir 'was erklären. Bitte, komm'.

Er 1        Was denn.

 

Er 1 hört eine Tür schlagen.

 

Er 1        Du ich kann nicht mehr.

Wir müssen aufhör'n. Meine Frau kommt heim.

Sie 2       Ich muss dich seh'n. Ich will dich sehen.

               Heute noch!

Wir treffen uns im Park, im Zentrum,

Gleich am Eingang.

Sagen wir in einer Stunde.

Er 1        Nein, das schaff' ich nicht.

               Ich hab' doch keinen Wagen. Den hat meine Frau.

Sie 2       Versuch es bitte, unbedingt.

Du, ich verlass mich drauf.

Er 1        Ich will's versuchen. Also gut, ich komme.

 

Sie 2 legt den Hörer auf und wird ausgeblendet.

Sie 1 kommt auf den Flur.

Sie 1 ist in Eile.

 

Er 1        Tag, kann ich den Wagen haben?

Sie 1       Hilf mir bitte, auszuladen.

Ich muss gleich noch einmal fort.

Kannst du nicht warten?

Wohin willst du denn?

Er 1        Ich hab' es eilig. Brauch' ihn gleich, sofort.

               Ich will zu einer Vernissage.

Sie 1       Da hast du doch noch Zeit.

Er 1        Wenn ich schon 'mal den Wagen haben will...

               Ich bin in Eile,

Will mich noch mit jemandem dort treffen..

Gut, lass sein... Ich nehm' die Bahn..

Sie 1       Wann bist du denn zurück?

Mit wem willst du dich treffen?

Er 1        Kennst du nicht.

               Du brauchst auch nicht auf mich zu warten.

 

Die Bühne dreht sich. Das Zuhause wird ausgeblendet.

Sie 2 ist im Park auf einer Bank.

Ein Fahrrad steht daneben. Sie fröstelt.

Er 1 kommt auf sie zu.

Sie bleibt lässig sitzen, mit den Armen auf der Lehne.

 

Sie 2       Dass du doch noch kommst! Hat lang' gedauert.

               Bist du mit der Bahn gekommen?

Er 1        Ja, den Wagen konnte ich nicht nehmen.

Sie 2       Hast ihn nicht bekommen!

               Deine Frau hat Krach gemacht, nicht wahr?

Bin ich dir nicht einmal das Geld

Für eine Taxe wert?

Er 1        An eine Taxe hab ich nicht gedacht.

Sie 2       Du hättest sie auch nicht genommen..

Er 1        Nein, wohl nicht.

Sie 2       Bestimmt nicht. Mir ist kalt.

Ich bin sehr bös' zu dir?

Entschuldige.

Komm, Lieber, dicht zu mir..

 

Er 1 setzt sich zu ihr und nimmt sie in die Arme.

Sie 2 rollt sich aus seinen Armen, kniet vor ihm

und legt ihren Kopf in seinen Schoß.

 

Er 1        Was machst du denn?

 

Er 1 streichelt ihr die Haare.

 

Sie 2       Ich mag es, so vor dir zu hocken,

               Wenn du mich so hältst.

Er 1        Wir bringen unsre Hände durcheinander.

Sie 2       Ich weiß über meine gut Bescheid.

Er 1        Und dabei habe ich mir ganz fest vorgenommen..

Sie 2       Ja, ich weiß.

Am liebsten würdest du mich nicht mehr sehen wollen.

Aber den Gefallen tust du dir natürlich nicht.

Und ich denk auch nicht dran.

Er 1        Dein Kopf in meinem Schoß.

               Noch nie hat eine Frau vor mir gekniet.

Sie 2       Ich baue mir ein Nest mit meinen Haaren.

Er 1        Ich denk' an ein Bild dabei:

Man sieht, wie eine Frau die langen Haare

In das Wasser eines Baches taucht.

Dann hebt sie sie mit beiden Händen an

Und geht mit ihrer Fracht, den Haaren und dem Wasser,

Auf den Rasen, dort zu einem Mann.

Dem kühlt sie mit dem Haar die Stirn.

Sie 2       Ein bisschen zu romantisch, findst du nicht?

Er 1        Das ist ein Bild, das Demut zeigen soll,

Und Liebe kann doch schnell zu Demut werden,

Oder einer Art von Demut.

Das kommt, weil du vor mir kniest.

 

Sie 2 breitet etwas spöttisch ihre Arme nach hinten aus.

 

Sie 2       Ach, Lieber, nimm mich bitte an..

               Ich geh' mit dir wohin du willst. Ich gebe mich dir hin.

               Sieh her:

               So her geb' ich mich dir.

Er 1        Ich glaub' es dir sogar.

Sie 2       Das sollst du auch.

Er 1        Du…

 

Er 1 küsst sie, und sieht dann an ihr vorbei, den Weg hinunter.

Dann amüsiert:

 

Er 1        Steh' auf, sei brav. Es kommt ein Mensch.

En Mann.

Vielleicht ist es sogar dein Mann..

Zum Glück kenn' ich ihn nicht.

 

Er 1 lacht etwas. Sie2  ist gelangweilt.

 

Sie 2       Das kann schon sein.

               Der Kursus ist um diese Zeit zu Ende.

Und er geht dann immer durch den Park.

Wir wohnen ja gleich in der Nähe.

Er 1        Das sagst du aus Spaß.

Sie 2       Das könnt' er wirklich sein. Wart' ab. Er ist gleich hier.

 

Er 1 springt hoch.

 

Sie 2       Nun wart' doch ab.

Er 1        Soll ich mich hier von ihm

Mit seiner eignen Frau erwischen lassen?

Ich versteh' dich nicht.

Ich müsste mich zu Tode schämen.

Habt ihr wirklich kein Geheimnis voreinander?

 

Er 1 geht schnell weg.

 

Sie 2       Lässt du mich nun einfach sitzen?

Bleib' doch, lauf nicht weg!

 

Er 1 kommt kurz zurück.

 

Er 1        Ich bin voll Wut auf dich, verdammt noch 'mal.

               Ich Idiot.

Ich sollte auf mich selber wütend sein.

Ich könnte heulen, dass ich auf dich reingefallen bin.

Ich könnte heulen, wenn es nicht die Wahrheit wäre.

Du und ich.., was machst du nur mit mir.

 

Er 1  läuft nun fort.

Sie 2 wird ausgeblendet.

Er 1  irrt im Park herum.

 

Er 1        Ist alles Selbstmitleid. Hast selber schuld.

 

Er schaut nach hinten.

 

Er 1        Sie kommt nicht nach.

Ich will auch gar nicht wissen,

Ob er es nun war.

Der Weg ist sicher falsch.

Ich kenn' mich überhaupt nicht aus.

Das kann noch lange dauern,

Bis ich an die Straße komm'.

Wenn ich am Ausgang bin,

Wird keine Bahn mehr fahren.

Höchstens noch ein Bus. Vielleicht.

 

Er zeigt nach oben.

 

Er 1        Du könntest dafür sorgen, dass sie alle schlafen,

Wenn ich Heim komm',

Dass sie morgen nicht mehr fragen,

Und mir die Geschichte mit der Vernissage abnehmen.

Ach mein Kopf, mein Kopf.

Wie werd ich wieder schlafen.

Mach doch bitte, dass ein anderer heut Nacht

Der Träumer meiner Träume wird,

Und mach', dass ich nicht wieder lügen muss.

Ich hab' das Lügen satt!

Ich hab' es satt!

Ich lüge, lüge ohne meine Schuld.

 

 

2. Akt, 1. Bild "Liebesgeständnis"

Kantine  

Sie 2 und Er 1  in der Kantine. Einige Gäste.

 

Er 1        Du rufst mich nicht mehr an,

               Du sprichst nicht mehr mit mir.

Sie 2       Aha, und du?

Er 1        Du bist so blass.

Sie 2       Und wenn ich mit dir reden will,

               Lässt du mich einfach stehn.

Er 1        Das war nicht nett von mir. Entschuldige.

               Ich hab' mich dann ja auch besonnen.

Sie 2       Nur, weil meine Freundin Krach geschlagen hat.

Er 1        Sonst wärst du jetzt mit ihr

               An diesem Tisch.

Sie 2       's ist mir lieber so.

Er 1        Mir auch.

               Geht's dir nicht gut? Was hast du.

               Soll ich uns 'was holen?

Sie 2       Nein, ich ess' nichts mehr, seit gestern schon.

Er 1        Warum?

Sie 2       Weil du nicht angerufen hast,

               Nicht mit mir sprichst.

               Weil du nichts von mir wissen willst.

               Ich hab' dir nichts getan.

Ich lieb' dich nur, und du...

Er 1        Du musst doch etwas essen!

            Meinetwegen isst du nichts:

            Was mach' ich wieder falsch?

            Ich will doch nur, dass wir Distanz gewinnen,

Und statt dessen zwing ich dich, mich zu erpressen.

Jede andre Frau, hätt' zehnmal nachgefragt,

Was los ist, warum spricht er nicht mit mir.

Du ziehst statt dessen gleich die Konsequenz daraus

Und isst nichts mehr.

Wenn ich dich bitte?

Sie 2       Nein, ich möchte nichts.

 

Sie legt ihren Kopf ganz flach auf den

Tisch und schaut ihn von unten an.

 

Sie 2       Ich esse wieder, esse dann erst wieder,

Wenn ich etwas ganz Bestimmtes von dir höre.

Wenn du sagst, dass du mich liebst.

Sag' es mir bitte, bitte endlich.

Sag' es mir.

Ich möchte es ganz langsam von dir hören,

Weil ich schon nicht mehr dran glaub'.

Ich kann es nicht mehr glauben.

Ich denk' immerzu, ich rede mir das alles ein.

Ich will es endlich von dir hören.

Ja, ich will es wissen.

Er 1        Lieber Gott.

 

Er nimmt ihre Hand und küsst die von außen und von innen.

 

Er 1        So küss' ich dich von außen und von innen.

Hör' mir zu.

Ich stell jetzt meinen Willen in die Ecke,

Und ich sag' dir,

Was ich dir nicht sagen sollte.

Ich will unser Leben, deines und das meine,

Nicht erschweren.

Und du weißt, das hab' ich tausendmal gesagt,

Ich will, ich kann, ich darf dich niemals lieben,

Niemals richtig. Doch, das weißt du!

Wenn es jemals anders kommen soll,

Dann sicher nicht durch unser Zutun.

Hör' mir bitte weiter zu.

Mit deiner Frage zwingst du mich.

Anscheinend willst meine Antwort,

Die ich dir mit jeder Geste gebe, auch noch hören:

Ja, ich liebe dich.

Ich sag' es dir, weil es so ist.

Ich schwöre dir, in meinem Leben hab' ich keine Frau

So sehr verlangt, wie dich.

Das ist die reine Wahrheit.

 

Er küsst ihr die Stirn.

 

Er 1        Meine Liebe frisst mich auf,

Weil ich mir vorgenommen habe,

Sie in mir zu lassen.

Nie im Leben werde ich so wieder lieben können.

Aber, ich sag' dir alles nur dies eine Mal.

Danach nie wieder.

Und vor allen die es hören wollen,

Werd' ich leugnen.

Vor mir selber werd' ich es bestreiten

Und es nicht noch einmal eingestehen.

 

Er küsst ihr noch einmal die Hand.

 

Er 1        Also, es ist wahr,

Dass ich dich liebe, liebe, liebe,

Mehr als alles in der Welt.

Er legt seiner Finger auf ihren Mund.

Ich möchte bei dir sein.

Ganz nah,

Wie du es willst.

Ich möchte alles von dir haben, glaubst du mir?

Es fällt mir schwer, unsagbar schwer,

Von dir zu lassen.

Unsre Liebe lässt sich aber nicht erfüllen.

Ja, ich geb' es zu,

Ich bin dabei, sie zu begraben.

Das betrifft nur mich. So bin ich eben.

Darum, hörst du, darum bitt' ich dich,

Erschwer' uns nicht die Tage.

Lass uns wenigstens so nahe beieinander sein

Wie möglich,

Dass wir uns so oft wie möglich sehen können.

Ich bin zu sehr eingebunden,

Und ich kann nicht über meinen Schatten springen.

Denk doch nur an meine Frau, Familie und die Schreiberei.

Ich kann mir nicht die kleinste Unterbrechung leisten.

Nein, Erfüllung gibt es nicht.

Nicht für uns beide und schon gar nicht jetzt.

 

Sie 2 zögert mit der Antwort.

 

Sie 2       Ich glaub' dir. Ja, ich glaube dir.

               Du zwingst mich auch.

Er 1        Zu was?

Sie 2       Du zwingst mich, dass ich mich entscheide.

Er 1        Bitte, und wofür, wogegen?

Sie 2       Wenn du glaubst, was du gesagt hast nehme ich so hin,

               Dann hast du dich geirrt.

Ich lass doch nicht mit mir durch dich geschehn,

Was andere sich wünschen!

Er 1        Andere?

Sie 2       Natürlich andere!

Die irren sich gewaltig.

Du, das weiß ich langsam, hilfst dir nicht,

Und mir, das sagst du selber,

Willst du auch nicht helfen.

Also nehm' ich selbst die ganze Sache in die Hand.

 

Er 1  ist erleichtert.

 

Er 1        Das find' ich gut.!

Ich weiß zwar nicht, was du nun machen willst,

wünsch dir aber für uns beide Glück,

Denn ich hab' wirklich keine Ahnung.

Du machst das, was du für richtig hältst.

 

Nach einer kleinen Pause.

 

Er 1        Sei lieb und iss nun wieder, bitte.

Eine Kleinigkeit, dann kommt der Appetit.

Es liegt mir viel daran.

 

Sie sieht ihn lange an.

 

Er 1        Was gibt's. Du glaubst mir doch?

Sie 2       Wenn du nur wüsstest, was ich alles machen würde,

            Um dich zu bekommen.

Alles, alles gäb' ich her.