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Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987 …da liegt mein Herz, Geschichten aus Niemandsland 2022 -2024 (im
Entstehen) z.B.: 100 Jahre „Kafka“, eine herrenlose
Fundsache (neu)
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zu Olympia – olympische Spiele! |
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online und im Buchhandel |
Lyrik, Prosa und Ingenieurarbeiten |
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Im vorliegenden
Gedichtband, „Großes Liebestestament“, sucht der Autor mit seiner zeitgenössischen Lyrik Wurzeln der Liebe. Beispielhaft
seien dafür aus den 68 Gedichten genannt: „Wahre Liebe“ und „Odysseus war doch auch viel jünger als Penelope“
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Großes
Liebestestament Lyrik, 2017 Harald Birgfeld Jetzt „Großes
Liebestestament“ direkt online bestellen sowie im Buchhandel, 144 Seiten, Format A5. € 6,99 inkl. MwSt. Zum Buchshop ISBN 9783743175938 „Großes Liebestestament“ ist auch in den USA,
Großbritannien und Kanada unter obiger
ISBN und bei abweichenden Preisen bestell- und lieferbar. Auch als E-Book, € 4,49 Zum Buchshop ISBN 9783744803632 |
Copyright, Urheberrecht 2017
beim Autor, Herausgeber, Redakteur: Harald Birgfeld,
e-mail: Harald.Birgfeld@t-online.de
"Es
lohnt sich, einmal einen heutigen Dichter kennen zu lernen, der mit der
deutschen Sprache einen faszinierend fremden Weg betritt und trotzdem dem Leser
Freiraum lässt für eigene Gedankengänge, ohne dass die Probleme in erhobener
Zeigefingermanier zu zeitkritischen Trampelpfaden werden." (1986: Gutachten)
Der Jasmin, den ich mir gestern in die Vase stellte, lässt schon heute seine Blüten hängen. Seine letzte Kraft verschenkte er mit Duft, der mir Erinnerung Bescherte. Süß war meine Zeit mit dir und Kurz. |
Ich schenkte dir ein Kettchen, darin Gold und Mondscheinsteinchen, die an Schaukeln hingen, Dass dir meine Sehnsucht in die Augen schwingen, springen Musste. Die trugst du bei einem Abendmahl und hingst ein Kreuz daran. |
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Mein selbstzufriednes Blutiglieben Musste enden, und ich stürzte mich in meinen Spiegel, der war aus Metall und nicht aus Glas Und raubte mir die Illusion von einer andren Seite oder spitzen Scherben. |
Später fand ich mich davor Und auch darin Ganz unversehrt und ohne Blut. |
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Du kamst zurück von einer kleinen Reise, die versprach ich dir. Du wolltest außer dem Besuch auch Fraulichkeiten für dich kaufen. Auf dem Bahnhof deiner Rückkehr Küssten wir uns leidenschaftlich, Und ich legte meinen Arm um deine Hüften. Das war viel, weil andere, die jünger waren, Sich ganz anders fassten und uns mit Erstaunten Blicken auf die Ränge Ganz nach hinten schoben, Wegen unsres Alters. Du sahst nichts davon, doch ich bemerkte es Und ließ nicht nach an dir. |
Zuhause hattest du viel zu berichten Und erzähltest mit den Händen, die auf meinen Finger landeten, wie um sich Auszuruhen. |
In Gedanken zeichnete ich einen Akt von dir, das war sehr leicht für mich, Doch meine Liebe Brach sich ihren Weg und ließ, sobald du sie Bemerktest, dich als körperloses Wesen, Die zerbrechlichste Figur in einer Glasmenagerie, die in dir wuchs, in eine Durchsichtige, abgeschlossene Vitrine Für Museumsstücke Flüchten. |
Am Menschenbahnhof ihrer Rückkunft, Wo ich sie erwartete, Sie in den Arm genommen werden wollte, Fand sie mich in Einzelteilen unter Vielen vor, Und sah mich in den anderen von hinten und Erkannte mich an den Bewegungen, Die mir zu eigen waren, Dann, den Irrtum fast beweinend, Hörte und erkannte sie mich endlich an der Stimme, die ihr Mut und Sicherheit verlieh. So konnte nur ein Teil von mir sie in die Arme nehmen Alles andere lag irgendwo verstreut und Schien verloren. |
Sie verstand und akzeptierte den Verlust. Ich aber hielt ihr plötzlich mit den Händen Und von hinten beide Augen zu. Sie wand und sie entriss sich mir In schneller Drehung ihres Kopfes Und beschwor mich laut: „Ich kann nicht deine Einzelteile lieben Und dich dir als Ganzes überlassen“, Und sie sammelte wie jedes Mal zuvor Trotz Angst und Schrecken, Das was sie ergreifen konnte ein, Schuf sich ihr Bild Und nahm mit einem Liebesbiss in meine Hand Besitz von mir. |
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Unsre Liebe war im Anfang klein. Sie überraschte uns. Es war, dass wir nun endlich Aufeinander träfen, sahen ihre Leuchtkraft blitzen aus der Zarten Zufallsperle einer Muschel. Sie war uns Geheimnis, Das wir hüten wollten, Und versenkten sie, im Fleisch verwachsen, Tief in uns. Dafür bedurfte es nicht Meer und Boot. |
Wir gingen abends an die Küste unsrer Heimlichkeiten, Glaubten an Erfüllung, Dass wir Liebe leben könnten, Sie uns unbeschadet bliebe, Sahen nicht mehr links und rechts. Wir saßen auf den Muschelpfählen nah am Strand. Wir hatten ständig Angst um unsre Liebe, Angst sie aus Versehehen zu zerstören, Auch, dass sie uns aus den Augen kommen könnte, Dass sie nicht mehr selbstverständlich sei Und gingen nun von Stund an Hand in Hand, Als müssten wir einander führen. |
Unsre Liebe, wussten wir, war ungefähr, Wuchs in Bescheidenheit Und dauerte. Andre sahen uns jedoch als Wassertropfen Die nicht ineinanderlaufen Und zerrinnen wollten. Es blieb ihnen unverständlich, Dass wir uns so lange und so heftig und so Unbekümmert lieben konnten Ohne irgendwelche Angst zu haben. |
Auf der Flucht vor dem Regime, Vor Terror, Angst, Zerstörung, Mord und Vergewaltigung, Trat unser Hunderttausendfüßler, Menschenwurm, Den Weg durch fremde, weit entfernte Nie gesehne Länder an. Wir waren nur die Vorhut. Viele ließen wir zurück, Die aber hatten uns gedrängt zu gehen. Zukunft und Vergangenheit begleiteten als Denken enger Wünsche unsren Marsch durch Regen und durch Kälte. „Weiter, weiter“ hieß es und wir trieben uns, Mal bäuchlings kriechend Unter frisch verlegte von uns hochgezerrte Drahtverhaue, Gitterwände, über Stacheldraht, Dann stießen, schleppten wir uns über Knöcheltief mit Schlamm bedeckte Trampelpfade, mit den Wenigkeiten unsrer Habe, Andere mit Leben im Gepäck. Wir aßen und wir tranken, was uns Fremde gaben, Was wir früher selber Armen spendeten. |
Wir schliefen unter freiem Himmel, Und in unsren Ohren war viel Kinderweinen. Wir verrichteten die Notdurft auch im Freien. Alles das ist nun Erinnerung und Ankerstein In meinem Kopf. So sagte mir die Frau, die, Angekommen, einen Schatz in Händen hielt, Den wollte sie verkaufen. Mir war er nichts wert, doch sie war außer sich, Weil die Bewahrung bis hierher, ihr Rettung, Sicherheit versprochen hatte. Das gestand sie mir. Dann aber ging sie langsam fort. Ich sah ihr nach. Die Augen blieben viel zu lange an ihr hängen. Nein, ich hätte sie auch niemals um ihr
Heiligstes Gebracht. Da drehte sie sich um und kam zurück: „Ich schenk dir meinen Traum vom neuen Heil. Wenn es mir schon kein Glück bereitet, Soll es dich, nur wenn du willst, begleiten“. Dabei legte sie das Päckchen vorsichtig in meine Hände. |
Unsre Sprachen waren dabei stumm, Wir redeten in Gesten, Die sich gleich verstanden, Und es war ihr Blick, die Lider, die sich
senkten, Der mich ohne jede Abwehr sie in meine Arme nehmen ließ. Sie litt, und beide waren wir nicht frei, Doch wurde uns in diesem Augenblick Gemeinsamkeit zur neuen Wirklichkeit, Ihr Gastland wurde mir zum Ankunftsland. Es war nicht richtig, was wir taten, Ich, als die Willkommenshand, hielt sie, Vielleicht für immer, fest in meinen Armen, Sie, als Flüchtling, war nicht registriert. Doch wer, der auf der Flucht ist, Kommt schon pünktlich an. |
Ich las erst einen Kurzbericht in einer
Tageszeitung, Dann gab man mir Einblick ins
Vernehmungsprotokoll Und ins Geständnis. Das geb ich so wieder: Neben mir gedieh mein Sohn, den ich Allein erzog. Mein Partner hatte mich am Anfang Meiner Schwangerschaft verlassen. Das war mir ganz recht, er hatte sich zu Einem Rohling, der mir gegenüber Grob Gewalt anwendete, entwickelt. Meine Liebe galt dem Kind, dem blonden Jungen, der mit himmelblauen Augen Seine Welt und meine sich Zu eigen machte. Kaum im Alter eines frühen Jugendlichen Irritierten mich
und andere sein großer Wuchs Und seine
Männlichkeit. Das wusste er
und gab sich so. Er war sehr
stark und übersah sein Leben Wie es schien, schon
als Erwachsener. Er hing trotzdem
an mir, Das war mir
lieb. Als Mutter gibt
man alles her, Nur nicht sein
Kind. |
Ich war sehr
stolz, Doch eines Tages
stand er hinter mir Und griff mir an
die Brust. Ich dachte, dass
es ein Versehen sei Und wies ihn
gleich zurecht. Da zog er mir
das Hemd und alle Kleidungsstücke
mit nur einem Handgriff von
den Schultern, Dass sie mir als
Ring um meine Füße fielen Und blieb dabei
sanft und freundlich: „Ich will deine
Brust“, Und schmiegte
sich mit seinem Mund an sie. Es war für mich
zu eigenartig, was geschah, Ich konnte mich
dem nicht entziehen. Plötzlich ließ
er nach und schob mich nur Beiseite. Nein, wir
sprachen nicht darüber. Zwei, drei Tage
später kam er doch zu mir Und sagte: „Es ist immer, dass
der Sohn die Mutter liebt, Ich will dich
ganz“! Und zerrte mir,
als Unhold nun, erneut die Kleidung und die
Jeans vom Leib. Ich stand
entblößt vor ihm. Dann schubste er
mich auf das große Bett. Er war sehr
schnell. Ich war gelähmt
und konnte mich nicht Wiedersetzen. Nein, ich dachte
nicht ans Schreien. Auch nicht, als
sich alles beinah täglich Wiederholte. Er war danach
immer gut gelaunt und kindlich froh. |
Von außen gab es
keine Hilfe, weil ich Schwieg und
schwieg und schwieg. Nach einem Jahr
bemerkte ich die Schwangerschaft
an mir Und wusste
keinen Rat. Als wir dann
eines Tages auf dem Bahnsteig
standen Und die Bahn
sich näherte, Er stand vor
mir, ganz dicht, an erster Stelle, Stieß ich ihn
mit wenig Kraft und festem Willen Vor den Zug. Er taumelte
bevor er auf die Gleise fiel. Mehr sah ich
nicht, und wollte ich nicht sehen, Drehte mich
danach dem Bahnhof zu. Als Mutter liebt
man doch sein Kind, Will immer nur
sein Bestes. |
Odysseus war doch auch viel jünger als Penelope. Sie war sehr arm
und auf der Flucht, Nicht einer
Flucht die Menschenleben retten sollte Und zugleich das
Leben, wie es war, verloren ging, Nicht einer
Flucht vor Krieg und Tyrannei Und Dingen und
Geschehnissen die nur Erzählen kann,
wer sie durchlebte und sie überlebt. Als sie zu Atem
kam, wir uns begegneten, War sie schon
zwanzig Jahre alt, Ich hörte
später, dass sie weitaus jünger war, Sie gab es nur
nicht zu. Ich schien
dagegen blutig jung und fühlte mich Als
Jugendlicher, der das erste Mal Begegnung hatte.
Eine wahre Sonne
färbte Alles, was sich
in mir regen konnte. |
Ich verbot mir
immer jede Spielerei mit einer Frau, und diese
war so über mir, so Überlegen und
zog mich zugleich so an, Dass ich dies
eine Mal nur meine Hand auf ihre nackte
Schulter legte, Sie dann, weil
kein Widerstand erfolgte, Tiefer gleiten
ließ und ihre Brust berührte. Nein, wir waren
nicht allein. Der Raum war
klein und Die Familie saß
daneben und man hielt den Atem an. Man war dagegen,
dass ich so Erfahrung sammeln
sollte, Das stand in den
Augen, Man verließ uns
stumm und ging Mit dem Gesicht
nach unten. Es war nicht nur
ihre Schönheit Sondern ihre
Wirklichkeit und Weiblichkeit,
die in mich glitt. Sie schenkte mir
den Glauben an mich selbst Und hatte sich
in diesem Augenblick mit mir Verbündet, gegen
alle anderen. |
Sie hatte sich
auf ihrer Flucht in mich verkrochen, Ließ den Mantel
ihrer Angst sofort dort fallen und Verwandelte sich
in ein warmes Wesen. Mein Verlangen
war ihr recht. Die Armut, die sie
bei sich trug, verlieh ihr Anmut,
Ausgeglichenheit und Mut. Auf unsrer Jagd
nach Treibgut waren wir uns Einig, sie mit
festem Blick und ich Mit
Schnelligkeit. Die war nicht
gut, Denn ich stieß
auf ein Fundament in mir: Ich war für mich
noch viel zu jung. Sie aber, tief
in mir, verspürte schmerzlich, Dass der Mantel
Angst sich nun um meine Schultern legte
und umschloss. Sie kannte dies
Gefängnis zu genau Und sprengte es
in einer Eingebung. Sie zeigte
selbstzufrieden mit den Händen erst auf mich Und dann auf
sich und flüsterte: Odysseus war
doch auch viel jünger als Penelope. |
Sie kam aus
Dschungelland zu uns. Sie kannte unsre
Kleidung nicht und Wusste nicht,
was Schuhe sind, Hielt unsre
Körperpflege und die Mittel Für verbürgte Tradition,
für eine Art von Körpermalerei,
vielleicht als Schutz vor
Krankheit oder bösem Zauber, Darin kannte sie
sich aus. Sie kannte aber
weder Geld noch diese kleinen Goldnen Karten
für ein wunderbares Nehmen alles
dessen was man brauchte, Die den Himmel
auf die Erde brachten. Handel, sah sie,
kannte keiner hier, und keiner ging Auf Jagd, und
Frauen wurden nicht gefangen Wie in ihrer
Heimat, denn Dort herrschte
Frauenmangel. Sie war aus
Versehen bei uns eingetroffen, Unbeschadet und
ganz ungewollt, Und suchte einen
Wald, wie sie ihn kannte, Zum Versteck. Sie fand jedoch
nur einen Park, der wachte über jeden Busch und Baum
und Tiere gab es kaum. |
Die Leute, denen
sie auf ihrer Flucht begegnete, Und die sie
wegen Kälte kleideten und ihren Durst und Hunger
freundlich stillten, konnten Nicht erkennen,
was sie suchte und vor was Sie floh. Man fragte so
die Klugen und die Einfallsreichen, Die mit Spenden
einen echten Wald für sie Eroberten, Der aber lag
sehr weit entfernt in einem andren Land, Das war auch
denen fremd, so dass sie Forschen
mussten. Jene Frau aus
Dschungelland erklärte sich, Sie sei auf
Suche nach dem einen Mann Der ihr
versprochen war und der schon alle Prüfungen zur
Manneswerdung Überstanden
hatte. Danach war und
blieb er unauffindbar. |
Als man sie
genauer fragen konnte, Weil sie mehr
und mehr verstand, Begriffen alle,
dass sie vor dem eignen Vater, in die
Welt geflohen war. Sie hatte keine
Mutter mehr, Und er verlangte
nun von seiner eignen Tochter Ihn zu
ehelichen. Alle Helfer
waren tief besorgt um sie und Brachten diese
junge Frau, Die ihnen mit
der dunklen Haut der Königsblume, Der
Natürlichkeit des Augenaufschlags Und dem Sanftmut
ihrer Stimme Augenblicke lang
Als feenhaftes
Wesen aus der andren Zeit erschien, In einem ganz
geheimen Schutzprogramm, auf ihren Weg in neues
Dschungelland. Dorthin gelangte
vor nicht allzu langer Zeit, Berichteten sie
ihr, Auf gleichem Weg
ein andrer Angespülter, Dessen Namen
aber niemand kannte, Und man würde
immer weiter, immer wieder Helfen, wenn man
konnte. |
Mein Liebesspiel mit einer Parallelfigur Ich saß am
Tisch, Vor mir stand
Bier, vielleicht war es auch Wein, Und hatte meine
Tagesarbeit Gut gemacht. Zufriedenheit,
die kleine, rosa Wolke Eigenglück, hing
über mir. Es war schon
später Abend. In der
Dunkelheit des Zimmers Sandte eine
Porzellanfigur, nicht höher Als die Länge
meines Unterarmes, Ihre strahlend,
weiße Silhouette in die Dämmerung Und zeigte eine
Frau mit einem Teller, den sie
über ihren Kopf erhob, Auf welchem
Trauben lagen. Ungeschützt von
irgendwelcher Kleidung, Schuhen,
Zweigen, Ornamenten oder Goldnen Kanten, Setzte sie sich
in verspielten, Weichen
Windungen, Der Phantasie,
den Blicken, Des Betrachters
aus, Verharrte so im
Tanz auf Zehenspitzen, Hielt das
Spielbein leicht nach hinten Ausgestreckt. |
In meinem Rücken
spürte ich den Körper einer
Frau, die war vielleicht nicht Wirklich hier, Sie ließ mich
aber wissen, Dass sie wusste,
wann ich mich in andere Figuren
schwärmte Und beschreiben würde. Einerseits war
sie von Eifersucht besessen, Andrerseits von
Lust getrieben, Daran teil zu
haben. Sie blieb hinter
mir, Zog dann mein
dünnes Hemd nach oben, Um mir in die
Haut zu beißen. Das verstand ich
gut, Der Schmerz war Wirklichkeit und
tat mir wohl Und brachte
Lust, mit der ich sie Bedrängen
wollte, ihr den Liebesbiss zu
geben. |
Das ließ sie
nicht zu. Sie wollte nur Mein Liebesspiel
mit einer Parallelfigur
zerstören, es Für sich
gewinnen. Das verstand ich
auch Und wandte mich der
Unsichtbaren Langsam zu. Ich folgte ihr. Noch spät danach
schlich ich jedoch Zurück zur
Porzellanfigur und Rührte mit den
Fingern und dem Mund An ihre bloßen
Stellen zwischen Traubenteller
und dem Spitzentanz. Mit meinen
Zähnen hinterlass ich niemals eine Spur auf kaltem
Porzellan. |
Wir liebten uns,
Nicht, wie man
sagt, dass „man sich liebt“, Wir liebten uns
direkt und Tag für Tag In jener Stadt
der Liebe, Wo die Liebe
anders als Woanders ist. Hier waren oder
wurden Frauen Neu geschaffen
und zu Wesen, die für
ihre Liebe mit der Gestik ihrer
Hände und der Füße Unaufhörlich neu
Erklärung brauchten, Danach suchten
und damit beschäftigt waren. Männer nickten,
stimmten zu, Und was sie
einzuwenden hatten, Musste Schleusen
ihrer Worte Vorsichtig
passieren. Dann galt es zu
warten Ob die Frauen
ihre Nähe suchen Würden. |
Sie und ich, wir
machten Urlaub mit den anderen, Die wir nicht
kannten, Und die waren so
wie wir. Sie machte sich
mit angeborenem Talent zur
Einheimischen, Nahm sofort die
Sprache an Und legte abends
im Spaziergang ihren Kopf An meine
Schulter. Süße Worte
sprudelten nun heiter Als ein
kleinster Bach, in den sie ihre Hände tauchte,
um darin zu spielen, An mein Ohr. Ganz plötzlich
wurd sie selbst zu Einem Sturzbach,
stolperte und fiel Geräuschlos auf
das Straßenpflaster, Mir zu Füßen,
ohne sich noch zu Bewegen. Halb riss sie
mich mit zu Boden, Dann erst hörte
ich den Schuss, Danach wurd eine
Salve abgefeuert, Und ich warf
mich neben sie. |
Sie war im Kopf
getroffen, der war Hinten offen,
und ich musste sie so Sehen. Um mich her sah
ich nun all die andren Auf dem Boden
liegen, Das Gesicht nach
unten. Männer, die in
ihren Händen Automatische
Gewehre und Pistolen Hielten,
sprangen über uns hinweg Und schossen
weiter auf die Ahnungslosen,
die noch aufrecht liefen. Mit dem Finger
tastete ich vorsichtig in ihre Wunde, weil ich
es nicht glauben Wollte. Sie war viel zu
still, Lag leblos,
ohne, dass ich Blut erkennen konnte, Ausgestreckt auf
unsrer Liebesstraße in
Paris. |
Es ist immer noch wie Sommer hier bei uns Mancher Flüchtling, der vorüber kam, Sah sicher unter Tränen auf das Reihenhaus In dem wir beide wohnten. Ja, es mochte sogar sein, dass der vorüber ging, Von dem wir wussten, dass er erst vor kurzem Seine Frau im Heimatland durch einen Terrorakt verloren hatte. Später fand man nur die rechte Hand von ihr, Und die erkannte er sofort am Fingerring. Ihr Wohnblock war zerbombt. Das Stahlgeflecht stach nackt und Krumm aus dem Beton, Die Trümmerwände waren wenig später Mit Graffitis, die den Krieg verherrlichten, Und Kugelsalven, die darauf zerschossen wurden, Übersät. |
Es war
Novembernacht bei uns und endlich Schnee zum
Wochenende angesagt. Jetzt aber war
die Hauswand immer noch von Rosen
überwachsen, die in Blüte standen. Viele, viele
Tage hatte unsre Sonne Wärmend über
allem und auf uns geschienen. Nachts kam
häufig wasserwarmer Regen Der, mit milder
Luft vermischt, zum Draußen sitzen
lud und drängte. Dabei ließ ein
leichter Wind die Rosenzweige sich
in Selbstzufriedenheit Und mit dem
Knarren der Genüsslichkeit An hitzewarmer
Hauswand scheuern. Das Geräusch
erinnerte an den Geschmack von
Abgekehrtheit und An
Nichtgestörtsein wollen. Diesen Abend
überfiel mich plötzlich, leicht und schnell, Der Wunsch nach
dir und meine Lust. Ein eigenartiges
Empfinden, ausgelöst, Vielleicht
entstanden, durch den lauen Regen und die Aussicht auf den
Schnee, das Eis, Durch eine unbekannte
Absicht auf Zerstörung Und Recht zu
behalten, Stieg als
fremder Duft und überraschte mich. |
Ich wollte alles
und zugleich, den Regen, dass er
mich umspült, Die schwüle
Luft, den Schnee, das Eis und dich Als meine
Königin, War fest
entschlossen, meiner Sinnlichkeit und
meinem Willen Nachzugehen, Aber du warst
lange schon im Schlaf. Ich ging
trotzdem nach oben, trat in deine Kammer. Dort fand ich
dich nur ein wenig zugedeckt, Halb auf der
Seite liegend. Schwaches Licht
und das Geräusch des Regens vom
Titandach, das uns schützte, Ließ mich
innehalten. Eine Liebe so zu
stören und An mich zu
reißen, War nicht, was
ich wirklich wollen konnte. Das Geräusch des
Scheuerns All der
Kletterzweige unsrer Rosen Reichte bis
hierher. Die Wärme im November
ließ mich Seltsam träumen
und den Augenblick
verträumen. Ich stand
unbeweglich still, als du Erwachtest und
ganz ruhig Sagtest: „Es ist immer
noch wie Sommer hier bei uns“. |
Eine Jugendliebe
ist ganz anders als Die „wahre“ Liebe. Damals, als wir
uns nach Schulschluss trafen, Weckte meine
Scheu, sie anzufassen, Ihre Angst,
berührt zu werden, Dabei sehnten
wir nichts mehr als das Herbei. Das Frühjahr war
vorüber und die ersten Sommersonnentage
machten Schmetterlinge
aus uns beiden, Die im Schwindel
ihres schnellen Schaukelflugs,
nicht voneinander Lassen konnten. So wie die,
verfehlten wir uns stets, Und waren doch
in größter Nähe Zueinander. Andere, die ihre
Blicke nach uns warfen, Sagten später,
dass wir nichts von dem, Was um uns her
geschah, noch Wahrgenommen
hätten. Aus der Ferne
konnte ich sie schon mit meinem Ganzen Körper
riechen, Spürte ihre Nähe
mit dem Rücken meiner
Hände, wenn sie endlich Nah genug an
meiner Seite ging. Entferntes
Läuten irgendwelcher Kirchenglocken
klang uns als Bestätigung. |
An einem dieser
Tage Legten wir uns
in ein Roggenfeld, Das schlug die
Hände über uns Zusammen. Ihre Haare
wurden unter meinen Streichelhänden
wieder glatt, Und ich
bewunderte den Mut, der mich so
plötzlich alle Vorsicht
übersehen ließ. Es fuhr mein
Finger die Konturen ihrer Lippen nach, Sie schloss die
Augen. Einmal sagte sie
ganz leise: „Nein“ und
wieder „Nein“. Mit einem langen
Halm strich sie mir In den
Hemdausschnitt und fragte: „Kitzelt das“? Mein Herz schlug,
dass ich es in meinen Schläfen hörte. |
Danach legte sie
die Hand um meinen Nacken Und zog meinen
Kopf auf ihre Brust, Schob ihn dann
weiter tief in ihren Schoß. Sie roch jetzt
völlig anders, nicht wie sonst. Es war der Duft
nach Weiblichkeit, den ich nun Kennenlernte,
der mich mit Zufriedenheit Erfüllte und
zugleich erröten ließ. Sie spürte, dass
ich mich veränderte. Wir standen
beide auf. Sie lehnte sich
an meine Schulter Und war eins mit
sich und mir Und fragte
trotzdem: „Glaubst du, dass
wir uns einander Eines Tages
heiraten“? Das alles ist so
lange her. Ich denke oft,
sehr oft zurück an sie Und an die Wahre Liebe. |
Es kennen mich
nur wenige. Für sie bin ich
der Tannenhäuser, Nicht nur, weil
ich in den Wäldern nahe an
den schroffen Bergen lebe, Sondern, denke
ich, auch Wegen meiner
Armenkleidung, Meines Aussehens
und wegen meiner Einfalt. Die, so sagt
man, ist mir angeboren, Aber das ist
falsch. Ich weiß doch
nur nicht meine Liebe So zu zeigen, dass
es Liebe Bleibt. Es war schon
seltsam und auch selten, Dass wir uns
begegneten. Wenn sie dann
ihren Mund zum Reden, Küssen,
Lachen oder Rufen öffnete, Sah ich die
Dolche ihrer Säbelzähne, Mir zur Furcht. Wenn sie ihn
aber schloss, erblühte eine Symphonie aus
Pfirsichhaut und Engelshaar,
gepaart mit zögerlichem, süßem Lächeln unter
dem verschämten Dach der
Augenlider, die sich senkten Und von Unschuld
sprachen. Dann zog ich sie
nah an mich heran, Und sie wich mir
nur wenig aus. |
In meiner Liebe,
die ich nicht an mir Verstand, biss
ich sie fest in Arm und
Schulter. Sie schrie hell
erschrocken auf, Dass ich die
Waffen ihrer Zähne sehen musste: „Was machst du
an mir! Wir kennen uns
doch kaum“, Und gleich
darauf fiel das Orchester ihrer Leiblichkeit mit
schmeichelhaften Flötentönen
wieder ein. Mein Mund
entgegnete zu meinem Staunen: „Ich hab dich
zum Fressen gern, Das weißt du
doch, Und du bist
meine erste Frau“. Sie war
blitzschnell im Wandel, Dem versuchte
ich mit einer Rückwärtsdrehung
zu entgehen und warf mich Ins Gras. Der Himmel über
mir war frei und Lud mich ein, Sie aber
spreizte ihre Beine und saß Schneller fest
auf mir als ich mich Bäuchlings legen
konnte. Es gefiel mir,
was sie mit mir machte, Doch ich wusste mich
nun nicht mehr zu enthalten, Und was von mir
kam, ließ ich zu Boden fallen. |
Noch bevor ich
mich erheben konnte, Schrie sie und
wies hinter sich: „Dort liegt das
Kind von dir, Und es ist
schön. Und wenn du es
nicht glaubst, hol ich den Vater und die
Freunde und die andren Frauen, die
beweisen deine Untat. Ich war
jungfräulich und rein. Das bin ich
jetzt nicht mehr. Das ist dein
Kind, Und du gehörst
nun uns“. Ich sagte laut
und musste Auf die Dolche
ihrer Zähne schauen: „Niemals ist ein
solches Kind von mir, Ich lass es
immer auf die Erde fallen, Das weißt du
genau, Es kann nicht
sein“, Und warf mich
auf den Bauch, Dass sie mit
ihrem hochgezognen Rock zur Seite schlug. Ich biss ins
grüne Moos, Das schmeckte
schrecklich bitter, Und erinnerte mich
nicht mehr an die Frau, nur an das
Blau des Himmels Und das Weiß der
Wolken, die mich Überschatteten. Es ist für mich
ganz eigenartig, Menschen
zwischen Wald und Bergen
zu begegnen. |
Man sagt so
einfach: „Schön ist schön“, Doch schön ist
nicht gleich schön. Ein Diamant, ein
Baum, ein Text und ein Gedanke, ja ein
Leben können „Schön“ für alle
Zeiten sein. Die Schönheit
einer Frau, das Ganzheitliche, Ihr Gesicht, der
Körper, ihre Haltung, Jede der
Bewegungen, ist etwas Völlig anderes,
und meine Schönheit übertrifft die Jeder anderen
bei weitem. Wahre Schönheit
bleibt für alle Zeit, In alle
Ewigkeit, denn Schönheit wiederholt sich Immer, immer
wieder, Wird und wurde
tausend Mal Besungen und
gemalt, In Stein
gehauen, aus Metall gegossen, Abgebildet, und
man sandte sie als Botschaft in Entfernte
Welten. Schönheit redet
nicht, sie teilt sich Ohne Worte mit,
sie überdauert die Jahrhunderte, ja
die Jahrtausende. Sie bleibt nicht
lange unentdeckt, selbst Wenn sie sich
versteckt entfaltet. Meine Schönheit
aber, die, die mir Zuteil geworden
ist, kann nie von jemandem Zu irgendeiner
Zeit erreicht und Übertroffen
werden. Wenn ich mich
zum Beispiel von dem Stuhl, auf dem Ich eben saß,
erhebe, trägt er Wärme, die gehört
nicht mir, Und sie ist
unpersönlich. |
Meine Schönheit
aber, ist allein mein Eigentum, ist
mein Besitz. Sie ist
zerbrechlich und gefährdet. Das macht sie
mir wertvoll. Meine Schönheit
muss ich hüten, schützen, Und ich leide um
sie Schmerzen, mache alles, Um sie zu
erhalten, wehre jeden Schaden von ihr
ab, Sie ist mein
Schatz. Ich liebe sie,
mehr als mein Leben, Das kann schnell
vergehen. Man vergleicht
an mir das Ebenmaß der leichten Schatten meiner
Wangen mit den flachen Tälern einer
Mondlandschaft, Das Senken
meiner Augenlider und der Wimpern Mit den
zögerlichen Flügelschlägen eines Schmetterlings,
der Sonnenwärme suchend, Auf dem
Blütenrand verharrt, Man schwärmt von
meinen leuchtend hellen, dunkelbraunen Augen, die Achaten
gleichen, doch auf Sonderbare
Weise, ohne Worte, Zu den Menschen
sprechen können. Meine Lippen
zeichnen zarte Rispenblätter
junger, südländischer Früchte nach, Die schlafend
aufeinander liegen, Und mein Mund,
der seine Farben, Die nicht jeder
unterscheiden kann, Im Wandel
zwischen rosa, rötlich, dunkelrot und purpur Zeigt, führt ein
besondres Eigenleben. |
Meine Schultern
deutet man als erstes Neigen junger
Stängel weißer Frühlingsblumen, Meine Haut ist
ohne jeden Makel, Ich empfinde sie
als Kleid aus Samt, das sich
in alle Richtungen bestreicheln lässt, Auf meinen Armen
lässt der kleinste Atem, nur der
Hauch von einem Lüftchen,
Engelshaare, sonst nicht Sichtbar, sich
bewegen. Mein Hüften,
meine Beine, und mein ganzer Körper Sind im goldnen
Schönheitsmaß gewachsen. Wenn ich einen
Stoff, der kaum entrollt Noch fest am
Ballen hängt, Aus Spaß an mir drapiere, Habe ich bei
andren, die ein Zufall um mich
ranken lässt, Den Auftritt
eines modischen Ereignisses. Es halten dabei
meine nackten Füße, Wegen ihrer
Schlankheit und Beweglichkeit, Gleichzeitig
rechts auf Zehen stehend, links in Spielerischer
Schaukel schwenkend, Diese Schauenden
in Atem. Mancher Künstler
hätt mich gern zu seiner Muse auserkoren. Doch das kann
ich nicht erlauben. Meine Schönheit
gilt nur mir. Darin ist weder
Platz für ihn noch irgendeinen Anderen. |
Mama war jetzt Nacht für Nacht woanders Ich bin ein Mädchen und schon neun. Mein Bruder ist erst fünf, der ist noch klein. Mein Papa hat im Hausflur eine fremde Frau geküsst, die hatte kurzes, schwarzes Haar und nicht wie Mama, langes blondes. Sie war auch ein wenig kleiner. Ihre Kleidung war so anders, Die würd Mama niemals tragen. Ich hab Mama das erzählt. Da hat sie mich beruhigt: „Das ist eine Nachbarin, die wohnt hier nebenan. Sie hat den Papa gern“. Ich habe Mama nicht geglaubt, denn sie hat viel Geweint, und Papa schlief erst eine Zeitlang auf dem Sofa, Danach gar nicht mehr bei uns. Ich finde, meine Mama ist sehr schön. Sie schminkt sich vorsichtig. Die andere ist auch sehr schön, doch färbt sie sich die Lippen dunkelrot, das mag ich nicht. Als Mama wieder weinte, hab ich sie gefragt, warum. Sie sagte: „Das ist wegen Geld, denn Papa kann uns nichts mehr Geben, darum muss ich noch mehr arbeiten als sonst“. Die Mama war jetzt Nacht für Nacht woanders und ging Putzen, sagte sie. |
Ich hatte zu viel Spielzeug, das lag nur herum, Und ich beschloss es heimlich zu verkaufen. Das erzählte ich nur meinem kleinen Bruder, Weil er mich vermissen würde. Doch der wollte mit, Das konnte ich ihm nicht erlauben, falls sich Mama Melden würde, sollte sie sich keine Sorgen machen müssen. So blieb er Zuhause. Gleich zu Anfang kaufte mir ein Mann, Der freundlich mit mir sprach, für jemand den Er kannte, meine Lieblingspuppe ab. Er fragte mich nach meinen Eltern, ob die das Erlaubten. Ich gestand, dass sie davon nichts wüssten, und dass Mama, weil mein Papa nicht mehr für uns sorgen könnte, Jede Nacht auf drei verschiednen Arbeitsstellen Geld verdienen müsste, und dass ich ihr dabei Helfen wollte. Das verstand er gut, so sagte er, Und gab mir Geld für meine Puppe. Danach wollte er mich noch nach Hause bringen. Weil ich aber ängstlich war, beruhigte er mich Und schrieb mir seinen Namen auf, Und wie er zu erreichen wäre. |
Gleich am andren Tag gab ich der Mama meinen Geldschatz und die Nachricht von dem Mann, Und als sie fragte, sagte ich, dass ich ihr helfen wollte. Da sah uns mein kleiner Bruder miteinander reden Und verstand das alles falsch. Er fragte: „Will der Papa wieder bei uns schlafen“? Mama aber sagte: „Nein. Er wird uns aber oft besuchen“. Das fand ich nicht gut und sagte: „Wegen dieser Nachbarin? Die hat er doch geküsst“. Mein Bruder war schon wieder fort und Wollte nichts mehr von dem Papa wissen. Meine Mutter aber rief den Mann, der meine Puppe hatte, an, und sprach mit ihm. Er wollte uns besuchen und die Puppe Wiederbringen, weil und weil und weil… In Mamas Augen sah ich Tränen, Und die Wangen zuckten so wie immer, wenn sie Lächeln musste. Ihre Augenränder waren nicht mehr so gerötet. In der Mädchengruppe meiner Klasse Hatte ich ein neues Lied gelernt, Das summte ich nun leise vor mich hin und Dachte daran, Dass ich bald Geburtstag haben würde. |
Sie war im Übergang zur jungen Frau Und lebte tief im Süden, wo die Wärme immer wohnte, gleich am Rand der Großstadt. Mädchen oder junge Frauen, konnten, durften, So wie sie, mit leichten, kurzen Kleidern, Dekolletierten Blusen, dünnen Trägerhemdchen Draußen und im Freien sein. Die älteren dagegen kleideten sich Züchtiger und strenger. Ihre Nachbarin, die Frau des Universitätsprofessors, Stand dazwischen und verstand in ihrer Kleidung auch Verführung. Die war nötig, denn ihr Mann schien manchmal Schülerinnen seiner Universität den Langen Blick zu schenken. Er war braungebrannt, trug kurzes, krauses Fell als Haar, nicht nur auf seinem Kopf. Das sah man gut, weil er die Hemden, wie es heute Üblich ist, nicht bis nach oben knöpfte. Gerne hätte manche Mädchenhand das wilde Tier an ihm gekrault. Zudem vergaß er oft sich zu rasieren, Und er sprach mit Worten, die sich intensiven Bildern gleich, in junge Frauenherzen tropfen Und dort pflanzengleich ein Eigenleben führen konnten. Jene junge Frau erfuhr von ihm, Weil seine Frau, die sie nur selten sah, Sie plötzlich für den kleinen Sohn in ihrer Freizeit engagieren wollte, Denn die Ehefrau war auch im Dienst. In deren Haus war aber nichts zu tun. Das Mädchen brauchte sich um nichts zu kümmern, Weil das Kind woanders aufgezogen wurde. Nur der Mann traf pünktlich nach der Lesung ein und hatte angenehmen Zeitvertreib mit ihr. Er legte ihr, nach viel zu langer Zeit, so dachte sie, Fast wie versehentlich, Die Hand auf ihre Schulter und, Sofort danach die ganze Hand erst unter ihre Schulterlangen, schwedenblonden Locken, dann um ihren Nacken. |
Sie trug einen knöcheltiefen Faltenrock, darüber eine Bluse, Unterhalb der Brust geschnürt. Der Rock, die Bluse waren spielerisch verziert mit Borten. Dies und alles was sie auf dem Körper trug War immer in Chamois und einem Hauch von Elfenbein. Sie konnte andre Farben nicht ertragen. Nun hielt sie die Lippen fest geschlossen, Lauschte auf ihr Eigenes im Innersten, das schrie: „Er liebt mich! Endlich, endlich liebt er mich“. Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Langsam drehte er sich zu ihr hin Und ihr Gesicht zu sich und fragte: „Wenn du dir jetzt etwas wünschen dürftest, Hier in diesem Augenblick, was wäre das“? Sie sagte leise: „Ich hab nur den einen Wunsch, Ich möchte schöner sein, viel schöner als ich bin“. Da zog er sie ganz nah zu sich und Küsste sie so leidenschaftlich, dass Das Frauenherz in ihr erwachte, Und sie alle Schwärmerei für ihn vergaß. Wenn er nicht kam und sie wie sonst alleine In der Wohnung war, Durchstöberte sie Schränke, Fächer, Wäschekörbe und stahl ihm ein blaues Tageshemd, das trug noch seinen Duft. Sie hatte ihm damit, versteckt in ihrem eignen Zimmer, einen kleinen Hausaltar errichtet, Den beleuchteten die winzigsten Dioden. Bei der Sucherei jedoch entdeckte sie in einer Gut versteckten rosa Schachtel unter Damenwäsche, viele Fotos. Eines davon zeigte ihn mit ihr im Arm. Das musste jemand heimlich aufgenommen haben. Auf dem nächsten sah sie wie sich ihre Mutter, fest von ihm umschlungen, küssen ließ. Danach entdeckte sie ein Bild auf dem Ihr Vater unbekleidet auf dem nackten Körper Keiner andren Frau als der des Universitätsprofessors in den ehelichen Betten lag. |
Gleich hinter dieser Schachtel fand sie eine handliche Pistole, wie für Frauenhände angefertigt, Die nahm sie sich mit. Nur wenig später sollte, wenn es etwas kühler wäre, Zwischen allen eine kleine Gartenfestlichkeit Den Tag beenden, dazu war sie erstmals eingeladen. Das war Wunsch des Vaters und der Mutter Und des Universitätsprofessors und auch seiner Frau. Sie ging dort hin und schwieg und hatte nur noch Augen für den Liebsten. Alle waren sich im Schweigen einig. Langsam zog sie dabei, das war nicht zu übersehen, die Pistole aus dem Ärmel ihrer Bluse, zielte mit zwei Händen, schoss, mehr aus Versehen, dem Professor in die rechte Schulter. Der brach gleich zusammen. Alle andren liefen auf die Schützin zu Als wollten sie ihr gratulieren. Das und ihre Tat entsetzten sie.
Sie schleuderte Die Waffe weit von sich, Lief dann zu dem Getroffenen Und half als einzige nach besten Kräften Ihn zu retten. |
„Warte nicht auf mich, Ich bin nur kurz mal außer Haus“, ruf ich dir zu. Du bist so lieb zu mir und Immer freundlich, und ich sag dir oft, Dass ich dich liebe. Das geschieht jetzt nicht. Ich höre dich, noch stehe ich im Flur, Wie du mich mahnst: „Es ist schon spät, sei bitte gleich Zurück“. Ich weiß nicht, was mich reitet, was mich treibt, Mir klingt ein Satz im Ohr, Der birgt Geheimnis und Verführung. Dieser Satz stand in der Tageszeitung mit der Überschrift: „Vermisst“ vielleicht „Verschollen“, als man Schrieb: „Er wollte nur zum Kiosk auf der andren Straßenseite Und ist nie zurückgekehrt“. Mich treibt es fort von dir und allem. Ja, es ging mir gut, Das hatte ich mit dir genossen, und Es gab nicht einen Grund zu gehen. Liebe, die ich seitenlang von dir erfuhr, Beschränkte mich auf dich. Nun aber zieht es mich mit Hunger vor die Tür, und auf der Straße mache ich den ersten Atemzug mit großem Appetit Auf neue Freiheit, meine Freiheit. |
Alle Rettungsanker meines Lebens, Dich, du Insel meiner Wünsche, Du Erfüllerin all dessen, was ich selbst nicht kannte, Gebe ich nun auf. Ich lasse sämtlichen Besitz zurück, Die Ausweiskarten, bis auf einen Impfausweis für unbedingten Nachweis, Dass es mich auf Erden gibt, Und lege, was ich je besessen habe Auf den Tisch des „Nichts mehr davon wissen wollen“. Alles, was ich jemals kannte, hab ich Aufgegeben, ist nun ohne mich. An mir bin ich zum Tier geworden, das sich eine Ader nach der anderen mit festem Biss Zerreißt, Und schaue nicht zurück und drehe mich nicht um. Vor mir liegt eine Illusion, Die mir zur Wahrheit werden soll. Dafür such ich den Pilgerpfad, Vergessen, Und den Bußweg, Abschied. |
Ich hoff auf Verzicht und Qualen, Einfachheit und Unbekanntes, welches meinen Blick auf alles, was ich aufgegeben habe, Schmerzlich richten soll. Für alle Zeiten will lernen, diesen Schritt tief zu bereuen, Und verstehen, Was ich Schlimmes tat, als ich von deiner Liebe ließ, die mir mein Leben lang, Mein Leben war. Ich will durchtrennen und durchschneiden, Was mich band und engte Und Zufriedenheit verhieß. Auf meiner Suche will ich Freude An dem frischen Wasser eines kleinen Baches finden, meiner Selbstzufriedenheit den Rücken kehren. Hoffen, dass mir eines Tages eine fremde Frau, Ganz ohne Eigennutz, Mit einer Geste, einem Blick, nur einer Handbewegung, nur dem Winken einer Locke ihres Haares, Das ein Zufallswind bewegt, erlauben wird Aus ihrer Liebestränke einen Schluck Zu nehmen. Voller Liebessehnsucht will ich sein. |
Erstmals fand ich Mut genug Den lange stillgelegten Flugplatz Und die Landebahn Seit jenem Unfall zu beschreiten. Trauer trieb mich her. Nach diesem Unglück, das vom Himmel auf die Erde fiel, war er geschlossen Worden. Meine Liebste, alles was ich jemals hatte, Blieb in Asche, Staub und weit verteilten Trümmerteilen unauffindbar und verschollen. Irgendjemand hatte an der Seite meines Trauerweges ein paar Steine angehäuft, Darein ein namenloses Kreuz aus Holz gesteckt. Mehr konnte ich nicht finden. So ging ich die Landebahn entlang, vorbei an Meterbreiten und ganz kleinen Pfützen, darauf Schimmerten die Farben dünner Plättchen, Hingehaucht aus Öl und Kerosin. Sie gaukelten mir Regenbögen vor, Die überspannten Blumenstege. Stählern kalt entstand das Blau des Korns vom Wegesrand, Begrenzt durch grauen Feldrand einer Asphaltküste. Neben mir erwachte Mädchenauge in zitronengelb. Mit dunkler Iris, weiter vorne, hüteten die Blütenblätter einer Sonnenblume ihren braunen Teller voller Kerne. |
Leichter Wind ließ sie in einer Brise, Die der Segler auf der Wasseroberfläche einer Überfahrt erkennt, vibrieren und den Augenaufschlag lang verschwinden. Dann erwuchsen sie erneut, verwandelten sich schnell in Gelbe, rote, violette Rosen, Deren grüne Blätter, Lotus gleich, Mit jedem dieser kleinsten Seen Verwachsen schienen und erzitterten. Ich weinte lange schon nicht mehr. Das Schluchzen hatte tiefen Seufzern Platz gemacht. Mein Blick war weit zum Ende jener Landebahn gewandert und kam nun zurück In große Nähe. Plötzlich sah ich seitlich auf dem Boden, eine Daumennagelgroße Speicherkarte liegen. Die erkannte ich sofort und nahm sie mit nach Haus. Dort angekommen öffnete ich sie Und sah auf eine Vielzahl schneller Bilder, die In einem Flugzeug aufgenommen worden waren. |
Unbekannte hielten angefüllte, durchsichtige Becher hoch und jubelten damit nach hinten. Dann erkannte ich, erst als Verdacht Und dann mit Sicherheit, dass alle Meiner Liebsten und dem fremden Mann, Der sie in seinen Armen hielt, Den Zuspruch spendeten. Die küssten und die herzten sich. Sie trug ein weißes Kränzchen mit dem Ansatz eines Schleiers auf dem Kopf. Mein Herz versank in einer endlos tiefen Grube, Und ich war der Ohnmacht nahe. Was war nur geschehen. Diesen Urlaub wollte sie, erinnerte ich mich, Ganz zögerlich und nur vielleicht, allein verbringen, Und ich hatte sie ermutigt, Bis sie sich dazu entschloss. Den Urlaub hatte sie, Das wurde schmerzlich wahr, Von Anfang an als Abschiednehmen eingeplant. Ich wünschte mir trotzdem nun wirklich, Dass sie einer wahren, süßen Liebe voller Zuversicht begegnet war, Und wünschte ihr, Dass ich ein Großes Liebestestament Bewahren konnte. |
Begegnung auf den ersten Blick Ich fuhr auf einer völlig leeren Autobahn Und war sehr schnell. Es ging bergauf, und früher hätte ich Darüber nachgedacht, doch jetzt erfüllte Jede Automatik meine Zuversicht, Als sich ganz plötzlich ein Gesicht vor meine Augen schob. Es war das Bildnis einer jungen Frau. Die war als Model einer Frühjahrskollektion Auf dem Prospekt des Modehauses Abgebildet, und ich hatte sie mir Nachgezeichnet. Noch in der Sekunde, als ich ihr Gesicht das erste Mal in Hochglanz wahrnahm, Wurd sie meine Muse. Ihre schrägen Augen, leicht gewölbten Lippen, Und der freche, rechte Ohrrand, der die Lockenwand der vollen, langen, schwarzen Haare als ein kleiner Wink durchbrach, Der heimlich lauschte, Und der den Verlauf der Haare, die weit über ihre Schultern auf die Haut und in den Blusenausschnitt fielen, Zu verfolgen schien, Verführten und elektrisierten mich. Ich musste sie sofort in Kohle, nicht in Farbe, Zeichnen. |
Wochenlang blieb sie mein Werk, Bis ich sie hängen konnte. Jedes Mal, wenn ich an ihr vorüber Ging, rief sie mir etwas nach. Sie schien mir lebenslang bekannt, Und war Begegnung auf den ersten Blick. Sie wollte, so empfand ich es, Dass ihre Lippen noch mit etwas Rötel überzogen werden sollten, Doch das ließ ich lieber sein. Als ihr Gesicht nun auf der Autofensterscheibe, mir vor Augen, Sich bewegte, sie die Haare in den Nacken strich Und mit mir sprach, Vermochte ich nicht zwischen Irrealität und meiner Wirklichkeit zu unterscheiden, Denn sie rief, ich hörte ihre Stimme gut: „Fahr links von dieser Fahrbahn ab, Mach schnell was ich dir sage“. Das war völlig ungewöhnlich, denn die Abfahrt war sonst immer rechts. Mir fiel in diesem Augenblick auch auf, Dass alles auf der falschen Seite stand. Die Richtungsschilder sah ich nur von Hinten auf der Fahrerseite, Und der breite Streifen für den Nothalt Lag am linken Straßenrand statt rechts. Ich nahm, wie sie es wollte, gleich die Erste Abfahrt links. |
Schon nach nur kurzem Weg Erkannte ich den schlimmen Fehler, Wechselte von meiner Gegenfahrbahn Auf die rechte Seite dieser Ausfahrt. Meine Muse saß jetzt auf dem Rücksitz, Ich erkannte sie im Spiegel, Dann saß sie wie selbstverständlich Neben mir und legte ganz behutsam ihre Hand aufs Lenkrad. Das bewegte sie, so dass ich halten musste. Sie stieg wortlos, lautlos durch das Fahrzeug aus Und wurde wesenlos. Ich fuhr auf andrem Weg zurück Und ging gleich in mein Zimmer, Mich zu vergewissern. Sie hing so wie immer an der Wand Mit eindringlichem Blick auf mich. Sie rief jedoch nie mehr Nach mir. |
Es war sehr spät in dieser Nacht. Ich saß im großen Raum des Hauses. Niemand wachte außer mir. Von einer Treppe, die nach oben führte, Sanken Schleier schwacher Düfte Bis zu mir herab, Und sie bestanden wechselweise aus Jasmin, Lavendel, Moschus, Hyazinthe, Rosen, Sandelholz und einem, Der vereinte sie zu etwas ganz Besonderem. Sie setzten sich in köstlicher Erinnerung auf meine Zunge, dass ich schmeckte, wie es damals war, Als ich nach Mädchenhaftem Ausschau hielt Und dabei Frauenduft entdeckte. Der ließ mich nicht los, Ließ mich nach innen horchen, Wo etwas geweckt und aufgerufen wurde. Flügel wuchsen mir. |
Ich schwärmte aus und hörte Nachts am Bach auf den Gesang der Nachtigall. Ihr Schluchzen wurde ferner Glockenklang in meinem Ohr. Mein Herz versuchte Ruhe in der Dunkelheit zu finden. Jetzt lebst du in meiner Nähe, Liegst dort oben und deckst dich vielleicht gerade zu, Schickst dein Parfum zuvor auf Reisen, Sendest einen späten Abendgruß Zu mir. Du weißt, dass ich die halbe Nacht noch Warten werde, bis ich neben dir zur Ruhe komm. Wir staunen beide über Unsre ungestüme Liebe, Die treibt dauernd neue Blüten. Meine wird nie satt an dir, sagst du, Und deine, sage ich, Ist völlig anders, die dreht dich Mit allem was du liebst, um mich. |
Ich habe heut gezählt. Du hast mich mehr als Sechsmal vorsichtig und doch mit Fester Absicht in den Rücken, Hals, die Hand und meinen Arm gebissen Und mich deine Zähne leicht wie Kirschen naschen spüren lassen. Jeder Biss war etwas schwächer als ein Zarter Liebesbiss. Es ging mir gut dabei, Ich schüttelte danach mein Innenfell, Das reizte dich erneut. Ich aber stahl mir dreimal das, was du Zugleich am liebsten und am zögerlichsten Mir zu schenken willens bist. Du schworst dabei, dass du mich auf der Stelle töten wirst, Wenn ich in meinem Leben jemals einer Menschenseele nur ein Sterbenswort Davon erzähle. |
Er verließ sein Auto, weil er ein Bedürfnis spürte und ging in den Öffentlichen Raum dafür. Der war in einem großen Kaufhaus, Erst versperrt durch Drehkreuzgitter, welche Geld verschluckten, Dann dahinter hell mit weißem Marmor ausgekleidet. Leise hörte man Musik, und eine Mitarbeiterin war aufmerksam um Unauffälligkeit bemüht. Er sah ihr ins Gesicht, als sie ganz plötzlich Vor ihm stand. Sie war ihm schon von weitem aufgefallen, Hatte flinke Augen, und er zögerte, als sie die Auf ihn richtete. An diesem Ort, erinnerte er sich, macht man Bestimmt nicht die Bekanntschaft einer Frau. Sie aber lehrte ihn mit ihrem Blick das Gegenteil. Er sah nun die Gelegenheit und fasste Mut und Schämte sich zugleich für seine Dreistigkeit, Sie anzusprechen, Sie jedoch war schneller, hauchte, Noch bevor er etwas sagen konnte, mit der größten Selbstverständlichkeit: „Ich komm gleich raus. Ich dusch mich noch, dann bin ich draußen, Warte bitte dort auf mich“. Er musste oft an seinen Namensgeber denken: David, Held im Buch der Bücher, als der noch kein König war und nicht mehr an die Königswürde glauben konnte. Er war nicht wie der ein Krieger, und er hatte keine Nebenfrau und ging nie fremd und blieb In allem Allem treu, Empfand sich aber so wie jener Immer wieder hingehalten. Nur das Hoffen auf Erfüllung hatte ihn niemals Verlassen. Was sich ihm erfüllen sollte, schien sich nun zu zeigen, Wahr zu werden. Sie erschien ihm hell im Licht, das seinetwegen Angezündet worden war, Sie wurde Gegenwart, ein warmes, weiches Glücksgefühl, Das er bei ihrem ersten Anblick schon empfunden hatte. |
Sie war bescheiden, angenehm gekleidet, Ging in Jeans und hatte Schulterlange blonde Haare, die in Locken fielen, Roch nach Flieder, schien es ihm, War nicht geschminkt, vielleicht ein wenig. Und sie stimmte zu. Er kannte sich nicht aus, Die Gegend war ihm fremd, Doch jede erste, beste Möglichkeit wär recht. So gingen sie in ein Hotel mit Restaurantbetrieb. Dort war es ruhig, und man hätte sie Dezent und a la carte bedient. Da meinte sie: „Mir wäre eine schlichte Gastlichkeit viel lieber, Hier fühl ich mich nicht so wohl“. Das war ihm recht, und er bedankte sich bei ihr, Dass sie es besser haben könnten, Und sie gingen wieder. Bei dem kleinen Essen, das sie dann In einem Gasthof unter vielen Menschen zu sich nahmen, sagte er: „Ich lebe nicht allein“. Sie ging darauf nicht ein und schwor: „Ich bin heut glücklich und es könnte Gar nicht schöner sein, als hier mit dir zu sitzen. Du musst nur verstehen, dass ich mich nicht Ausgehalten wissen möchte“. Das verstand er gut, so sagte er, Und bat trotzdem um diesen Freiraum. Spät am Abend, auf dem Weg zurück, liebkoste er sie vielfach, Küsste ihren Mund, den Hals und wanderte hinab Bis auf die Schulter, dann in Leidenschaft zurück. Sie hingen aneinander als sie voneinander Abschied nahmen. Jeder hatte viel gewonnen, Das versicherten sie sich, und er rief ihr noch nach: „Ich liebe dich. Ich werd dich immer finden. Morgen treffen wir uns wieder“. Sie kam schnell zurück und lachte: „Das ist leicht, ich freue mich“. Das war den beiden Pflaster und Versprechen. Dann entfernten sie sich voneinander. |
Heimgekommen hätte er gern seiner Frau erzählt Von seiner neuen Liebe, wie er sich so Leicht getragen fühlte und in seinem Leben Endlich angekommen sei. Doch das versagte er sich alles. Seltsam fremd wurd nun das Haus für ihn. Er staunte aber, wie sich alles fügte. Gleich am nächsten Tag erschien er wieder In dem Kaufhaus vor den Drehkreuzgittern. Doch die und der Raum dahinter waren Zugehangen. Nur ein übergroßes Schild gab Auskunft: „Bis auf weiteres für unbestimmte Zeit geschlossen“. Er war sicher sie mit einem Zettel zu erreichen. Darauf stand, und er vermied es seinen oder Ihren Namen zu erwähnen: „Bitte melde dich im Gasthaus, Wo wir gestern Abend saßen! Ich vermisse dich, ich liebe dich“! Den klebte er an eine Werbung, Die hing an der Seite. In dem Gasthaus hinterließ er eine Nachricht, Doch sie meldete sich nicht, und alles war verloren. Da verstand er schweren Herzens, Dass er wiederum nur hingehalten worden war. Und langsam, fast schon gegen seinen Willen, Wuchs in ihm erneut das Hoffen auf Erfüllung, Irgendwann einmal, vielleicht. |
Liebe auf den ersten Blick, Das sagten andre über ihn, Doch mehr verriet sein Schweigen, Sie trug Kopftuch. |
Allzu gerne hätte er ihr Alles anvertraut, Ihr seine Liebe eingestanden. |
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Ich hatte mich von mir getrennt Gestern Abend kam ich heim. Ich hatte mich von mir getrennt, Ich wusste nicht warum und wie und wann. |
Mein Freund und meine Freundin sagten: „Wir sind ‚bi‘, das ist nun einmal so. Gewöhn dich endlich dran“. |
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Gestern Abend kam ich heim. Ich hatte mich im Arm. Ich war so glücklich, dass ich mich entdeckt, Mir einfach, ohne Vorankündigung Begegnet war. |
Mein Freund und meine Freundin sagten: „So wirst du in deinem Spiegelbild ertrinken. Das ist aller Welt bekannt“. |
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Gestern Abend kam ich heim. Ich hatte nichts und Niemanden im Arm. |
Mein Freund und meine Freundin sagten: „Wir sind einzigartig“. |
Dann erwählte mich mein Freund. Die Freundin gab sich fest in meinen Arm, Im Rücken aber suchte ihre Hand nach seiner Zärtlichkeit. |
Eingebettet in das lichte Grün der Langen Blätter stehen deine Tulpen, Schleierrosa und in tischtuchweiß, Seit Tagen auf dem Tisch. Sie bilden oberhalb der Glaskaraffe einen vollen Kreis aus Tänzerinnen, die sich im Verbeugen, in der Körperdehnung ihrer Stiele, mit den schweren Blüten, zu dem Tisch darunter neigen und in Zärtlichkeit, Im Stillstand, an ihn stoßen. Im Zusammenspiel beschützen sie die beiden Unbenutzten Kerzen, deren Wachs du scheinbar aus dem Meer gezogen hast, fast farbengleich und Eng geschmiegt an sie, als Wachsoldaten. Lange habe ich in dieser Nacht in deinem Zimmer zugebracht. Zwei warme Deckenleuchten weckten es aus seiner Dunkelheit. |
Erinnerung, von der du gar nichts wissen Kannst, und die dich nicht verletzen soll, Steigt auf. Ein Mädchen, damals war ich zwölf, vielleicht ein Wenig älter, kleidete sich, um zu Tanzen, vor mir aus. Es war, schien mir, mit seinen vierzehn Jahren, Eine Frau. Mit jedem Schwung der Kleider, die von ihrem Körper glitten, spülte sich der Duft, der Frauen eigen ist, die ihre Mädchenhaftigkeit verlassen haben, In den Wellen einer sanften Dünung an den Strand. Sie hielt die Augen plötzlich dicht vor meine, Wandte sich schnell wieder ab und Schaute lange durch die Finger ihrer Hand, als Fächer; Drehte sich danach in Sprüngen, Zu Musik vielleicht, die ich nicht hören konnte. Niemals hätte ich dabei gestört, So heilig sah ich sie. Sie tanzte barfuß, auf den nackten Sohlen, Und für einen Atemzug stand sie auf Zehenspitzen. |
Seitlich lag, von spitzen Fingern Hingetragen, ihr geliebtes weißes Oberkleid aus luftig, leichtem Stoff, Daneben das, was sie darunter als die Kleinen, rosafarbenen Flamingoinseln, Abgestreift und diesen Vögeln gleich, In Vorsicht hatte landen lassen. Sie erschien jetzt sich und mir in der ihr Eigenen und unbedeckten Schönheit, War mit mir und sich allein und sang entzückt und Selbstverliebt: „Ich fühle mich viel wohler so“. Sie hatte mich zu ihrem Publikum erkoren, Zeigte mir ihr Können einfach so. Als ich nun spät den Raum verlasse Stoße ich versehentlich mit meiner Hand an ein paar Tulpenblütenblätter, Die sich lösen, niederfallen und als unbewegte Schaukeln liegen bleiben. Danach gehen beide Leuchten langsam automatisch aus Und Weiß und Rosa weichen. Etwas abseits sehe ich in einem Mondlichtweißen, bauchigen Behältnis einen Strauß Narzissen, Der im Wachsen dieser Nacht In Spiegelbildern strahlend gelbe Blüten, die aus grünen Knospen züngeln, Treiben wird. |
Sie waren beide völlig unerfahren Über Jahre hatte sie nun schon studiert. Ihr Traum war Medizin gewesen, doch die Mutter drängte sie ins Lehramt, Die war selber Lehrerin, Und schließlich blieb der Traum ein Traum. Die Eltern sparten wo sie konnten, Und sie selbst half nach, als sie in einem Kaufhaus in den Ferien alles Mögliche sortierte. Wenn sie fertig wäre, könnte sie sich etwa Mit dem Juniorchef des großen Grabmalinstitutes treffen. Der warf ihr die langen Blicke hinterher Und hatte auch konkrete Pläne. Irgendwie fand sie das viel zu kurios und sah sich, Unter Lachen, einen Kinderwagen zwischen Marmornen Figuren schieben, Unter Trauernden, im Staub des Steinmetz, Windeln wechseln. Er blieb trotzdem freundlich, fast ein wenig Brüderlich und väterlich. Es fehlte ihm Begehren und an Lust auf sie, Dass sie sich trösten musste: „Ich bin schließlich auch nicht Schönheitskönigin“. Das Studium war lang, und diese Aussicht auf die Zukunft ging dabei verloren. |
Kurz vor ihrer Prüfung, die sie äußerst jung, fast Mädchenhaft und mit der Sympathie der Lehrer und Dozenten leicht bestehen würde, Lief sie einem Lehrling, der auf einer Schiffswerft tätig war, bei ihrer besten Freundin in die Arme. Die beruhigte sie gleich: „Der ist aus erstem Haus, hat aber für die Pläne seiner Eltern kein Gehör. An ihm ist alles auf Rebell, Und einzig auf der Werft fühlt er sich wohl. Studieren kommt ihm auch nicht in den Sinn Und nicht in Frage“. Sie empfand, als sie das hörte, Nie gekannte Leidenschaft, geradezu Verlangen, fühlte sich, Als wär es immer so gewesen, Zu ihm hingezogen, gegen Jede Klugheit und Vernunft. |
Mit einem ersten Blick, Der sie nach einer Rückwand tasten ließ, Gab er ihr seine Hand, kam nah an ihr Gesicht Und wollte sie am nächsten Tag Gleich heiraten. Das war viel mehr als wacher Traum. Sie spürte, wie ein kalter Blitz die Lippen überzog Und gleich danach ihr Blut in alle Körperwinkel schoss. Sie schloss die Augen, sah und hörte Tief im Innersten das Herz in ungeahnter Hoffnung pochen, Plötzlich und wahrhaftig Frau zu werden. Eltern, Freunde rieten ab und brachten Gründe an, Die sie nur noch darin bestärkten. Kurz vor ihrer Prüfung, die sie später gut Bestand, lag sie an seiner Seite. Doch sie hatten das Problem der ersten Nacht, das konnten sie nicht ahnen. Später sagte ihr und ihm der Frauenarzt: „Das habe ich in meiner langen Praxis nicht Erlebt. Der Eingriff ist nicht schlimm, und keinen Trifft hier Schuld. Die Manneskraft hat ihre Grenzen und der Frauenkörper schützt sich manchmal Ziemlich stark“. Sie waren beide völlig unerfahren. |
Damals, noch in jugendlichen Jahren, Sah er sich als Forscher und Entdecker, Nicht von Ländern, Meeren oder Andersartigem Getier, nein als Erforscher wirklich Großer, einmaliger Liebe. Paare, die im öffentlichen Raum posierten, wurden ihm Zu ungreifbaren Wesen, weil nur Freunde und Bekannte aus der nächsten Nähe, Deren wahre Wahrheit wissen, sie betrachten Und beschreiben konnten. Niemals gab es mehr für ihn als eine Kleinnotiz, vielleicht, ganz selten, einen überregionalen Aufschrei oder Liebesseufzer aus der Presse. Das verdross ihn sehr und brachte ihm kein Forscherglück. Er war enttäuscht und ging, sich Abzulenken, manchmal in die Oper oder ins Ballett, Hielt den Instinkt dabei hellwach, Lag stets auf Lauer, sah in sich den Jäger, der versteckt und unauffällig Beute machen wollte, Hielt den Atem an, um Finderglück zu haben auf der Suche nach zwei Menschen, die in ehrlicher und Denkbar engster Liebesbindung zueinander standen. |
So besuchte er auch einen Opernball Mit großer Tanzeinlage einer Tänzerin und eines Tänzers eines Staatsballetts Und traf, als sie den Höhepunkt ertanzten, Endlich auf die freigelegte, goldene Verzierung seiner Vorstellung von Glück und Liebe. Tänzerin und Tänzer waren eine Einheit und bewiesen Eintracht in Beweglichkeit und Harmonie, In liebvoller Sanftheit und in Rücksichtnahme, im Verständnis für den anderen. Er ließ sie federleicht und sanft nach Hebungen zu Boden gleiten, und sie überließ ihm Mit Geschmeidigkeit die Führung, die den Ausdruck unterstrich und ihn Zum Kunstwerk steigerte. Das konnte nur durch Körperliche Einigkeit und Selbstverständnis einer Partnerschaft Geschehen, wurde hier in aller Öffentlichkeit Ausgetanzt. |
Er sah sich nah am Ziel, Und letzte Zweifel schwanden, als die beiden, Gegen Ende ihres Auftritts mit dem kurzen Und doch viel zu engen Liebeskuss Das Publikum verzaubert hielten. Das, verstand er, konnte nur ein Traumpaar zeigen. Danach nahm er sich trotzdem Noch Zeit und die Gelegenheit Herauszufinden wie sie wohl Zusammen lebten, wenn die Bühne nicht Zuhause war, Und lauschte, was man redete, Und suchte Presse danach ab. In einer las er schließlich, dass sie sich Privat nicht kannten, jeder Einen eignen Rückweg Zu Familie und nach Hause ging. Dies konnte auch ihr Manager in einer Konferenz bestätigen und gab noch preis, Dass es sich um ein Paar mit außerordentlichen Darstellungstalenten handle. |
Du wünschtest dir von mir Zu dieser Zeit des Vorfrühlings Die Zeilen, Die dich gut beschreiben, Deine Sehnsucht nach, ich weiß nicht was, Doch so genau, dass du dich darin sofort Wiederfindest. Gut. Ich weiß, ich bin zu alt für Puppen, Deshalb dreh ich ihnen meinen Rücken zu. Sie wohnen in der Puppenstube, hinter mir, In einem großen Fach im Bücherschrank, Das hab ich ihnen frei geräumt. Sie schauen über meine Schultern, Wollen wissen, was ich mache und womit Ich mich befasse. |
Wenn ich Blumen male, sind sie nah bei mir Mit ihren Wünschen und Ideen, Wie ich es besser, anders machen kann, Aus Japan, Russland, Schweden, aus dem Zirkus Einem Märchenwald und einer Hexenwelt. Die höre ich mir an. |
Doch jetzt, zum Ende dieses Winters, Schauen sie mit Neugier aus dem Fenster, ob es etwas gibt, das sie von ihm Den Abschied gerne nehmen lässt, Und das sie außerdem erfreut. Sie warten deshalb auch voll Spannung Ob ich ihre Wohnung, wie in jedem Jahr, mit einer kleinen, weißen, angefüllten Vase schmücke, ihre Lust auf Märzenbecher Wieder stille. |
Ich floh aus einem Land, in welchem blutig Krieg vom Herrscher und den Helfershelfern angezettelt worden war. Die hohen Häuser, selbst die kleinsten Hütten, Männer, Frauen, Kinder standen hell in Flammen, Die entstanden aus dem Feuer eines Bruder-, Schwester-, Kinderkrieges, und, Wer seine Habe oder nur den Rest davon, Wenn überhaupt, verkauft bekam, Um Schleuser, Meeresüberfahrt Und rote Rettungswesten zu bezahlen, Floh, so lang er noch am Leben war. Den meisten aber bot man ihr Entkommen Nur mit Drangsalierung und Erpressung an. Zu viele waren viel zu krank, zu alt, zu schwach Und ließen andre für sich gehen, Halfen ihnen wo sie konnten, machten Mut und riefen: „Meldet euch und kommt gelegentlich zurück, Dass wir von jenem Land, das euch die Hand entgegenstreckt, Aus erster Hand erfahren. Wir hier harren aus und warten auf ein Ende, Das ist sicher und gewiss“. Sehr viele starben vor der Überfahrt, Und viele andere ertranken im ersehnten Meer. Das hatten einige noch nie gesehen. Erst danach begannen wahre Flucht Und Leid. |
Das Land, aus dem ich floh, Zerrissen glühende und explodierende Granaten, Bomben, die ein schwarzer Himmel Aus der Hand des Herrschers, ehemals Verbündeten und wieder neuen Helfern, auf die Städte fallen ließ. In Hinterhalten saßen Schützen, die, gespickt mit Automatischen Gewehren, zielten und auf alles Und auf jeden schossen, was und wer sich Rührte und bewegte, Oder, wenn sich weiter nichts ergab, Versuchten, Ornamente in Beton zu schießen, Kugelsalven auf Verlassenes zu feuern, Weiße Vasen, die in Fensterhöhlen standen, Und Geräte, die Verhassten einst gehörten, Kühlschranktüren, Lampen und Regale in den Aufgeplatzten Wohnungen, zu treffen. Morgen könnte alles anders und zurück erobert sein. Darauf vertrauen konnte aber keiner. Meine Füße und die vielen andrer Mussten durch den heißen Sand, um zu entkommen, Schlossen sich darin zu einem Wurm. Der wuchs und wuchs und wuchs Und schob sich über Dünen und Verschwand dahinter, Doch wir hörten unsre Fährtenleser sagen: „Nur noch dieses kleine Stück, Das Meer liegt gleich dahinter“. |
Durst und Hunger machten nur des Nachts ein wenig Rast, Der Frost im Wüstensand ließ sie nicht zu, Auf uns saß Angst, nur Angst. Erst morgens wachte auch die Hoffnung wieder auf und Schürte neuen Mut. Wir kamen an die Küste Und erkannten sie nicht gleich. Ich aber sah noch weit davor im Wüstensand den Quader stehen, ganz aus Eis Und gläsern durchsichtig, Ein wenig größer als ein Mensch. Darin stand eingefroren, eingeschlossen eine Frau, die lehnte sich an seine Vorderwand, als wollte sie sich vom Geschehen nichts entgehen lassen. Ich ging aus dem Treck, so dicht es möglich war An sie heran, erkannte voller Zweifel, Wollte es nicht glauben, meine eigne Frau. Sie schien mir zuzuschauen und zu sagen: „Sei ganz ohne Angst, Der Eisblock wird nicht schmelzen Bis du wiederkommst“. Ihr Lächeln, voller Zuversicht, Umflutete die Lippen. |
Viel der Sehnsucht, wenig Liebe Das Familienglück zu dritt, mit Vater, Mutter, Kind, war ihm vor Langem Leben höchster Wunsch Und wahres Ziel gewesen und erreicht. Doch dieses Dreigestirn verblasste Schnell und dauerhaft. An seinem Himmel waren neue Sonnen aufgegangen: Firma, Außendienste und als hellste, Die Geliebte. Wenn es unbedingt geschehen musste, Und selbst die Geliebte es nicht zu verhindern wusste, Fiel trotzdem so mancher Tag zurück in alte Rollen. Er war dann der Mann im Haus Und kannte sich dort kaum noch aus. Die Tochter war im Studium Und konnte sich für nichts entscheiden, Aber sich inzwischen einiges erklären, Das sie sehr empörte. Seine Frau verstand ihn aber irgendwie. Sie sah, wie schwer er sich bemühte, leider um die Falschen Dinge und ergriff, mit ihrer Tochter eng im Bund, die Zügel, um das Steuerrad herum zu reißen. Sie erfand mit seinem besten Freund, dem Hausarzt Einen kleinen aber ungesunden Freundschaftsdienst. |
Damit ihr Mann zurück in seine Heimat fände, Sollte der ihm Karzinom der Lunge Diagnostizieren, weil er sowieso an Hustenreizen litt, Und dass er nicht mehr lang zu leben hätte. Das bescheinigte er ihm tatsächlich, Zeigte Bilder, gleich mit intensiven Mahnungen verknüpft. Der Schock saß tief und ließ ihn plötzlich Häuslich werden und sein Leben, wie er es denn Führte, überdenken. Die Familie wahrte ihr Geheimnis, bis der Arzt, in Angst um seine Freundschaft, Lug und Trug gestand. Er konnte das nicht fassen und Bestand auf einen zweiten, anderen Bescheid und glaubte, dass man ihn Nur schonen wollte. So erhielt er aus dem Krankenhaus die neue Diagnose, die war, wie von ihm befürchtet Und so schrecklich wahr. Davon erzählte er Zuhause nichts Und nahm sich jetzt ein Zimmer Ohne der Familie die Adresse mitzuteilen. |
Die Geliebte war auf seiner Seite und Schwieg ebenfalls, zerrissen zwischen Wut und Panik. Frau und Tochter blieben ihm zwar nah, Doch wollte er von ihnen und dem Arzt nichts wissen. Er entschied sich, letzte Tage seines Daseins, als die eines Unsinns, Dem nicht zu entgehen war, in Losgelöstheit zu verbringen, Sämtliche Verpflichtungen, die Körperlichen Hürden und die Medizin zu ignorieren und stattdessen Auf gut Glück zu leben. Nur den wenigen Studenten, die bei seinem Umzug mitgeholfen hatten, schenkte er Vertrauen Und gab gutes Geld, Besorgte ihnen alle Unterlagen und die Vollmacht seine Asche anonym in einem Friedwald beizusetzen. Der erlaubte einen kleinen Hinweis, Ohne Namen, ohne Jahreszahlen, sonst Wie er es wollte. Darauf sollte der Besucher einzig lesen können: „Viel der Sehnsucht, wenig Liebe“. |
Ich bin Eismeerhai und lebe in Sehr großer Tiefe, dort wo Finsternis, so hörte ich, Selbst Licht verschlucken soll. Doch davon weiß ich nichts, Ich bin fast blind, und wo ich lebe Würde Sehen nichts bedeuten, Auch die Wesen, die im Eigenlicht erscheinen, Täuschen dies nur vor. In Wahrheit sind es schwache Wellen, die sie senden, und die mir den Weg zu ihnen weisen, dass ich sie zur leichten Nahrung wähle, denn ich Jage nie wie andere. Sie ändern ihre Lage kaum, Bewegen sich in einem Stillstand, Den ich nur durch noch mehr Langsamkeit und Ruhe, hohen Spürsinn, Überlisten kann. Ich sammle und fang auf was niederfällt. Gerüche, die sich um mich legen, Schützen mich vor kleinsten Tieren, Saugnapfrunden Egeln, Die in ihrer Vielzahl töten könnten, Würde ich mich aus der Wolke schälen. |
Sonst leb ich allein und spüre nichts von Einem Eisgebirge über mir, Das manchmal bis in bodenlosen Abgrund taucht. Ich komme kaum voran und Werde über lange Zeit bewegungslos zu einem Teil des Grundes, Warte dort auf eine Neuerung, Die ich nicht kenne und mir sonst auch nicht Beschreiben könnte, wenn es nicht die Hoffnung auf Begegnung und Gelegenheit, Auf eine Gleichgesinnte in der Dunkelheit zu stoßen, Gäbe. So hält mich zu andrer Zeit Ein fremder und doch wohlbekannter Eigenartgeschmack in Schwebe und Erzwingt den Antrieb, der mich eine ganz bestimmte Richtung treiben lässt. |
An meiner Haut befinden sich sensible Felder, Die beschützen mich vor Unachtsamkeit und bereichern mich zugleich. Durch sie erahne ich die Suche nach dem Wohlbekannten, Wohlvertrauten, das ich scheue und mir doch Ersehne. Neugier treibt mich immer tiefer, Dorthin wo die Flüssigkeit zu Gegenständlichem Und kaum noch zu Durchdringendem Zu werden scheint, Und damit langsamste Eroberung begünstigt, Einzige Voraussetzung in einem Liebesspiel, das beiden das Entkommenmüssen zum verspielten Bleibenwollen wandelt. Dieses oberste Erreichen meines Lebenszieles lockt mich sehr. Auch eine feine Ungewissheit Treibt in wunderbarem Wohlgeruch zu mir, ob ich sie finden, Auf sie treffen werde, ob wir in Gemeinsamkeit, In Stillstand und in Langsamkeit, Das uns Bekannte und Vertraute, Gegen Neues, Unbekanntes Tauschen werden? |
Er machte sich an diesem Abend spät auf seinen Weg nach Hause. Viel in seinem Leben war nicht Wunschgemäß. Er wäre gerne Arzt geworden oder Lehrer und Begnügte sich stattdessen damit, nun in seiner Firma Handbuch Nummer drei neu zu verlegen. Das erleichterte den Arbeitern im Ausland Komplizierte und einmalige Zusammenhänge. Er vermisste manchmal so ein Handbuch für sein Eignes Leben. Immer schlummerte in ihm ein Mangel, den er selber Nicht benennen und beheben konnte. Heute fuhr er nicht mit seinem Wagen, brauchte Zeit für sich. Vielleicht würd er an einem Imbiss etwas zu sich nehmen, Dachte kurz an sein Zuhause, seine Frau und An die Kinder, das erschien ihm fast als Werbespot, der grad gesehen, schon vorüber war. Und war doch nicht vorbei, Kam jeden Tag erneut, war ohne Unterschied zu Gestern Abend oder dem vor fünf, sechs Tagen, Wochen oder Monaten. |
Er suchte, um sich zu erleichtern, in dem Kaufhaus die Toiletten auf, die waren sauber, Und um diese Zeit wär er alleine dort. Das war ihm wichtig. Andre Männer an der langen Reihe Weißer Stände hinderten ihn sein Bedürfnis zu entrichten Ohne ihm den Zwang zu nehmen. Es stand niemand vor den Becken. Doch schon bei dem Eintritt fiel sein Blick auf eine Frau, die hier mit Abgesenktem Blick für Sauberkeit und Ordnung sorgte, dann jedoch mit einem Augenaufschlag nach ihm sah. Ihr Blick verwirrte ihn, und er vergaß sofort Die Absicht seines Eintritts. Es kam neue Kundschaft und Sie waren so nicht mehr allein, doch Keiner nahm Notiz von ihnen. Er entschloss sich und ging langsam auf sie zu. Dann sagte er, fast scheu und wie entschuldigend: „Darf ich Sie etwas fragen?“ Dabei dachte er, vielleicht versteht sie meine Sprache nicht und bangte für den Bruchteil eines Augenblicks. Doch ihre Stimme öffnete ihm neue Himmel als sie sagte: „Bitte“. Er, und immer noch verlegen, sagte: „Falls Sie es erlauben, würde ich Sie Gerne und auch nur auf eine Tasse Kaffee oder Tee, aus dieser Räumlichkeit Entführen wollen, Es ist mir ein großer Wunsch“. |
Sie sagte leise und mit einer Stimme, die die Glöckchen seines Himmels läuten ließen: „Dafür brauch ich etwas Zeit. Ich komme gerne, und wir treffen uns gleich Vor dem Eingang, ich will nur schnell Duschen“. Ihm entschlüpfte: „Ich werd draußen auf Sie warten, Danke“. In dem Restaurant mit Speisekarte und Sehr freundlicher Bedienung wurden sie sich Aber einig, lieber einen Kiosk um die Ecke, wo sich Leute drängten, Aufzusuchen. Auf dem Weg dorthin verschmiegte sie sich fest in Seinen Arm als wäre sie bei ihm Zuhause, Und ihm schlug das Herz im Hals Wie damals vor so langer Zeit, Bei seiner ersten, unerfüllten Jugendliebe. All die Jahre hatte er daran gedacht und Hätte nie geglaubt, das gleiche noch einmal Zu finden, Die Erinnerung und deren Gegenwärtigkeit dagegen schien ihn nun direkt Und ohne Umkehr in die Arme Dieser Frau geführt zu haben. Solches Glück war unermesslich Und ein Gegenglück zu dem, was ihm bisher Beschieden war. Das wuchs in ihm, Das wollte er für alle Zeit zum Blühen bringen. |
Er las Voltaire und den Verhängnisvollen Satz: „Die Welt in der wir leben, Ist die beste, die es gibt“. Das zu verstehen fiel ihm anfangs leicht, Denn seine Frau war ganz im Gegenteil zu ihm Sehr reich. Er hatte sich in sie verliebt, geheiratet, Und ihren jugendlichen Sohn, so gut es ging, Als Treibgut, dem er gerne sein Vertrauen schenkte, In die Ehe einbezogen. Seine Frau jedoch bewies ihm schon im zweiten Jahr, Wie sie, von Herrschsucht gradezu besessen, Ihn zuerst in aufgestautem Zorn und später schon Bei Kleinigkeiten schlug. Er aber lebte in dem Satz des Philosophen, Dachte über einen Ausweg niemals richtig Nach. Als dann ihr Sohn an ihm die blauen Flecken sah und sich Zusammenhänge zu erklären suchte, Schwor er seinem Gott, dem Philosophen, Endlich ab. |
Er glaubte nun an eine bessre Welt Und dass die Frau sich ändern könnte, Wenn er sie in ihrem Firmenstress Zuhause mit ein wenig mehr Verständnis und Geduld und Umsicht in der Haushaltführung unterstützen würde. Er verteidigte sich vor sich selbst, Und ihrem Sohn schwor er, dass es ein Unfall an der Haustür, auf der Treppe war, Dass er gestolpert sei und gegen eine Tür gelaufen wäre. Das ging lange gut, weil er auch keinen Ausweg fand und neuerdings, Nur und zusammen mit dem Sohn, Der einen neuen Vater in ihm wollte, Beider Leben überleben sehen wollte; Und zugleich erkannte er, dass dieses Liebenswerte Treibgut sich in seinen Rettungsring verwandelte, Und noch etwas geschah, Denn er verstand, dass immer nur die Welt, in der man lebt, die beste war Und nicht die beste die, in der man Grade lebte. |
Er war fest entschlossen, auszubrechen und ging Mit dem Jungen in den Bäckerladen, wo sie reichlich Frühstück zu sich nahmen, und er dann gestärkt Von einem Arzt die Folgen häuslicher Gewalt sich Attestieren ließ. Zuhause schwor die Frau nun endlich Besserung und so etwas würd sich nie Wiederholen. Doch sie herrschte ihren Sohn in alter Weise an: „Du bleibst bei mir, du bist mein Kind Und ich bestimme über dich“. Der aber blieb in seinem Willen fest Und wollte seinem Vater Hilfe geben, die ihm Selbst in all den Jahren nicht zuteil geworden war. Er dachte oft noch über Philosophen nach Und deren Doppelzüngigkeit. Und seiner Frau, die er zusammen mit dem Sohn Verlassen hatte, Wünschte er Erwachen wie es ihm Geschehen war. |
Er las die Mahnung eines Marcel Proust. In dessen Werk vertiefte er sich während tagelanger Überfahrten seines Schiffes von den Küsten Deutschlands zu den Inseln Schottlands und zurück. Die Touren waren immer gleich. Er las ihn nun zum zweiten Mal. Der Autor schrieb in langen Schachtelsätzen, Ausführungen und Verästelungen, die sich selbst anschickten, Eigenständige Erzählungen zu werden. Der Band sechs war überschrieben, Sodom und Gomorra. Dabei fiel ihm ein brillanter Satz ins Auge, Der in seiner Kürze und der Klarheit, Unvermutet als ein Blitz vom Stein der Krone eines Königs, Eines Würdevollen unter den Missratenen, Nur ihn betraf, ihn ganz persönlich: „Achte darauf, dass dein Herz nicht kalt wird“. Heimlich lebte er in Bigamie und war Geschickt darin. In beiden Heimathäfen traf er seine Frau. Er liebte sie aufrichtig, Sprachprobleme gab es für ihn nicht. Das Geld war reichlich für die zwei Familien, denn er war auch Vater Dies- und jenseits der oft stürmischen Gewässer. |
Was hier teuer war, kam auf der andren Seite sündhaft billig, und, was er verdiente, Hüllte er in Schweigen. Das ging viele Jahre gut. Das Schiff schien sein Zuhause, Nur das eine und das andre Mal wär er am liebsten Und für alle Zeit in einem Land bei seiner Frau geblieben und empfand sein neues Fortgehn Dann als eine Art Bestrafung. Seine erste Frau warb anfangs mit Verstehen und riet Unumgängliches doch anzunehmen. Unerwartet überraschte ihn ein Angebot der Reederei, als drittes Land zusätzlich England anzulaufen. Das gäb größeren Verdienst. Es sollte jedoch niemand sich zu schnell Entscheiden oder gar gezwungen fühlen. Diese Möglichkeit eröffnete ihm neue Dimensionen, und er hätte ganz auf sein Geschick vertraut, wenn nicht seit dieser Mahnung Angst dazugekommen wäre, Angst ums eigne Glück. So wollte er nicht selbst entscheiden Sondern seinen beiden Frauen jeweils die Entscheidung überlassen. Damals wurde mit dem Ratschlag seiner ersten Frau bei ihm auch die Idee zur Bigamie Geboren. |
Die Gefahr, dass eine ihm dazu, Die andere dagegen raten würde, War sehr groß. Und was wär dann? Und alles zu belassen wie es war? Natürlich waren beide Frauen, unabhängig Voneinander, gegen jede Änderung, Egal auf welche Weise. Das betonten sie und sagten jede fast im Scherz: „Das kannst du schriftlich von mir haben, Wenn es sein muss“. Das gefiel ihm sehr und unter einem Vorwand, dass die Reederei auch etwas in den Händen halten müsse, Gab ihm jede schriftlich, dass sie An dem Lebensumstand ihres Mannes Nichts verändert sehen möchte, Dass sie darum bittet, Alles sollte bleiben wie es ist und war. Die Briefe nahm er mit an Bord Und hing sie, unter Glas gerahmt, Im Raum etwas versteckt An die Kabinenwand. Dort wollte er in Abgeschiedenheit und Freude über so viel Liebesglück, Doch auch in Selbstzufriedenheit Sie immer wieder lesen. Trotzdem öffnete sich ihm nicht mehr die Tür in diesem Wartesaal, die in ein warmes Zimmer führte. |
Sie sah im Innenhof dem Gärtner bei der Arbeit zu. Es schien, dass sein Gesicht sich hinter einem Atemschutz verbarg, Der stellte sich sehr schnell als Bart heraus, der Mund und Wangen Überwucherte. Von einer Leiter aus schnitt er die langen Äste vieler knospenreicher Bäume Unter heller, warmer Frühlingssonne. Mochte sein, dass sie dadurch geblendet war. Schon als sie ihn entdeckte, wurde ihr die Leiter zur Umarmung, Und sie lehnte sich daran. Es war ein eigenartiges Empfinden. Unter weiße Haut in Blut getaucht, Ließ es die Wangen spüren. Ja, es stach so deutlich, Dass sie es beschreiben könnte, Ihre Lippen aber überzogen sich Sekundenlang mit Trockenheit und Kälte. Er bemerkte sie sofort und stieg Herab mit einer Frage, die er stellen wollte, Sie kam ihm zuvor: „Beschneidest du die schönen Bäume, Die sind nur noch Stunden vor der Blüte, das versteh ich nicht, das ist so schlimm“, Und sie verstand, ihr Traum vom Blühen wurde jäh Zerbissen und fand dafür keine Worte, Dachte einen Augenblick an Weinen. |
Aber würde sie die Tränen überhaupt als Schmerz um den Verlust der Blüten Oder um den Mann, der ihr so nahe war, Verstehen, oder gar als Selbstmitleid, Weil sie in einer Trauerfalle steckte? Wortlos bückte sich der Mann mit einem Seitenblick zu ihr. Vom Boden nahm er einen Zweig mit ersten Rosaroten Blütenrändern. Die zerrissen, schon im Aufbruch, ihre grüne Knospenwand. Sie schluchzte einmal auf. Das tat so gut. Dann nahm sie seinen kleinen Ast Und schloss im Puppenschlaf die Augen. Das blieb ihm verborgen Als er zu ihr sagte: „Jeden dieser Bäume wird mein Können hoch erfreuen und ihn tausendfach Erblühen lassen. Dabei wünsch ich mir, dass du den einen kleinen Ast in eine Vase stellst und an mich denkst, wenn er Bei dir in Rosarot und Gelb erwacht. Das kann schon heute Abend oder Morgen in der Frühe sein. Ich wäre gern dabei“. |
Sie blinzelte ins Sonnenlicht und Sah darin die violetten, blauen, grünen Blitze und dazwischen kleinste schwarze Punkte, Die sich nicht erhaschen ließen, Blickte sich dann nach dem Redner um, weil sie ihm eine Antwort geben wollte. Aber der, die langen Leitern, die Geräte, Die er bei sich hatte, waren fort, Als hätte es das alles nie gegeben. Nur die endlos vielen, gleichen Blütenbäume Ließen ihre langen Äste sich in einem Windhauch heben und dann wieder senken. Spät am Abend erst sah sie den Gärtner wieder. Der kam aus der Ferne auf sie zu. Bei jedem Schritt im Näherkommen Zündeten die Bäume lichterloh als Blütenfackeln gelb und rot, und Flammen, Die bis in die Kronen schossen, Mischten sich im Licht des Sonnenuntergangs. Es schien ihr alles nur für sie zu sein. Er stand jetzt dicht vor ihr Und bat um ihre Hand: „Ich will mit dir in deiner Vase Nach dem Ast der Blüten schauen, Dir die schöne Last des Zweiges, Wenn du es erlaubst, Durch deines Gärtners Kunst In leichtes, süßes Flügelschlagen Wandeln“. |
Wir kannten uns erst ein paar Wochen. In mir völlig fremder Sprache, Sang sie gerne Lieder in der Freizeit, Ganz vielleicht, mir zu gefallen, denn sie Sprach sonst meine Sprache. Dabei züngelten auf ihrer Stirn die Kleinsten Fältchen als ein Feuer, das mir Bilder von Verlassenheit und Sehnsucht nach Geborgenheit und Obhut zu Beschreiben schien. Ich hörte zu, Und manchmal drängte sich mein eigner Text hinein, Der hätte passen können, Doch ich wusste nichts von ihrem Land Und hätte mich auch nicht Auf Filme und Erzählungen berufen können. Ihre Melodien enthielten viele halbe Töne, Schluchzten oft in schnellem Rhythmus, dass mich eine Traurigkeit Erfasste, grade und nur so, dass sich ein Seufzer über meine Lippen hätte stehlen können, Doch verhaspelte sich der sofort in Dünnen Gräsern meines: „Nein, das kann nicht sein, sie wirbt um mich“! Sobald wir miteinander sprachen, kam sie mir Sehr nah und doch nicht näher. Meine Scheu vor ihr war groß. Ich würde niemals Gärten andrer Unerlaubt betreten. |
Wenn sie sang, sang auch ihr Körper mit. Die Hände wurden schlangengleich zu Fängerinnen. Ihre Fingerspitzen huschten Ausgestreckt und weit vom Körper als Gespaltne Zungen vor und rollten dabei immer wieder In die Mulden ihrer Hände. Ihre Hüften konnten sich im Gleichklang Schnell und sehr, sehr langsam Heben, senken, die Bewegung in den Oberkörper fließen lassen. Ihre schwarzen, hochgesteckten Haare hielt ein Rot und grün lackierter Kamm, vielleicht ein Schnitzwerk, so zusammen, dass doch etliche In Lockenform entwichen, auf die Schultern rollten und den Schlangentanz ergänzten. Auf dem schlanken Hals verschob sie ihren Kopf Sekundenlang in Anmut, Ohne ihn zu neigen, hin und her. An einem dieser Tage machte ihre beste Freundin Unverhofft Besuch und zog sich gleich, Als sie uns sah, ein weißes Tuch im Schleier Über Lippen und die Nase, Senkte ihren Blick in Scham und Drehte sich zurück zur Eingangstür. |
Mit einer Geste ihres linken Arms, den sie In Richtung ihrer Freundin streckte, Winkte sie der zu, das Singen und das Tanzen zu Beenden, hauchte dann ein Wort der Abwehr: „Nein“ und noch einmal. Das war in allen Sprachen zu verstehen. Sie jedoch kam nun direkt auf mich Und öffnete ihr langes Kleid. Sie schenkte mir den Blick Auf ihre ganze Freiheit. Die hätt ich mir gerne selbst erobert, Doch verschleierte sie sie sehr langsam wieder hinter Einem Hauch Batist des Unterkleides. Eng an ihr, fing es die Augen, zu Verführen, ein. Sie stützte sich auf meinen Unterarm, Hob ihr Gesicht und gab mir einen Kuss, Der füllte meinen Mund Und sank tief in die Brust. Was für ein köstliches Geschenk. Sie trug mir ihre Liebe an. Der Himmel kam zu mir, Nicht umgekehrt, dass mich ihr „Ja“ Den Himmel hätte finden lassen sollen. |
Eigentlich wollt ich nie wieder davon Sprechen, dass das Brot sich auf dem Dreieck deiner Schenkel besser aß Als deine Liebe, die, ein Nimmersatt, Der Hagerkeit die Wangen Küsste. |
Du lagst dabei ausgestreckt auf Tagessterneübersäter Wiese, Die du pausenlos bereutest. Trotzdem grünte sie in einem fort. Im Speisen lernte ich noch ihre Gänseblümchen mit den Zehen zu Ergreifen und zu pflücken. |
Jeden Stängel dieser weißen Küsse ritzte ich mit meinen Fingernägeln, Sie dann, gegenseitig dort hinein gefädelt, Mir im Kranz ums Tor der Welt Zu legen. |
Lebensretter retten immer nur die eine Seite, die sie packen und erfassen können. Er, ein vaterloser Jugendlicher, war fast wie verliebt in seine Mutter, die ihn darin unterstützte, und sie machte Keinen Hehl aus ihrer Gegenliebe. Als er älter wurde, wuchs nicht nur die Liebe aus zu Liebe, Sondern Hass und Abscheu, die sich eingeschlichen hatten, Wuchsen mit. Er wollte und er konnte sich ihr nicht entziehen, Fühlte sich als ihr Beschützer, nur vor was, Sah einzig sich als die Gefahr, die drohte. Stets war sie um ihn besorgt und immer Aufmerksam und freundlich, Statt der Mutterliebe sollte in ihm Frauenliebe zu ihr reifen, Ihre Weiblichkeit ihn dabei leiten. Das tat ihr so gut. |
Sie sah sich dennoch auch als Opfer, Weil sie irgendwie auf irgendwas verzichtete. Im Bad, bei ihrer Körperpflege, bat sie ihn zunächst um Kleinigkeiten, dass er ihr ein Handtuch reichte, Später wusch er ihr den Rücken, und sie führte seine Freie Hand, die festen Halt versprach, an Wohlgeformte, weiche Stellen ihres Körpers. Das tat ihm so gut. Er konnte sich trotzdem nicht mehr Ertragen und las in gewagten Büchern nach, Wie man sein eignes Leben enden lassen könnte Und entschied. Er machte aber alles falsch. |
Der Pfeiler, gegen den er mit dem Wagen raste, War die Schranke einer Einfahrt, die ihn fast erdolchte. Erste Helfer und viel Medizin mit ihrer Technik Konnten ihn zwar retten, doch den Rollstuhl würde er nie mehr verlassen. Noch im Krankenhaus gestand ihm seine Mutter unter Tränen, dass sein Vater sie in zweiter Ehe früh verlassen hätte, Und er sei in Wahrheit Sohn von dessen Erster Frau, und sie beteuerte, dass sie ihn wirklich liebe. Das jedoch wurd ihm zum wahren Dolch; Der traf ihn aus dem Hinterhalt und saß von nun an fest In seinem Rücken. |
Du quältest dich, und letzten Endes War es doch umsonst. Du siehst gewissenhaft und langsam in den Spiegel, und was von dir ist. Du fragst die Wand dahinter, So verwirrt bist du. Du siehst jedoch, wie sich die Reflexionsschicht, die dein Bild ermöglicht, Auflöst und mit dir zu Boden sinkt. Du denkst sekundenlang an jenes Märchen von der schönen Königin Und ihrer Tochter, die stets Schöner ist als sie. Doch noch wächst deine Schönheit, Wird mit tausend Worten Aufgewogen. Trotzdem, wenn du ganz alleine bist mit dir Und ohne deine ewig dumme Gegenwart, die sich in teure Kleider hüllt, Hebst du mit beiden Händen deine Brüste an, bist dir so schrecklich Selbstverliebt, dass du den Leib an seinen Spitzen Enden küssen musst. |
Das bringt dir aber keine Lust, Auch der Gedanke nicht, Du hättst dich besser dafür hingegeben. Allzu gerne würdest du der Welt verraten Wie man dich um dich betrügt. Es ginge anders besser, leichter und gerechter, Wenn es einer hören könnte; Und so lügst du weiter in dein Spiegelbild und summst ein Kinderlied, das fällt dir grade ein. Es singt von einer Unschuld, die im Hochverrat Durch falsche Rufer und durch Nachtlaternen an dem andren Ufer, Unterging. Dann schaust du wieder in den unscheinbaren Boten, der dich nicht berühren kann. Und nähmst du ihn zu dir, ja, fräßest du ihn auf, Er bliebe nur das Teil von dir, Das du ihm gönnst. |
Dann tritt ein Mann, den deine Stimme rührte, in das Zimmer Und kommt grade recht. Er steht an deiner Seite und wie du im gläsernen Gewand. Ihr könntet nichts von euch und nichts Vor euch verbergen, und die weißen Federn, die ihm überall am Nackten Körper wachsen, Würdest du ihm lassen, Alles dafür tun, Dass er sich ungeschoren aus dir tränke, Seine Körner aus den Mulden hole, Die du sonst verstecktest, Wenn er dich nur für sein Vogelweibchen hielte. Deine Käfigtür steht dabei weit, weit Offen. |
Für die beiden Schwestern, die sich liebten und vertrauten, Sich um knapp ein Jahr im Alter unterschieden, Stand schon früh in ihrer Kindheit fest, Dass sie nur einen Mann, Sie beide einen und denselben Mann Gemeinsam haben wollten. Dafür würden sie auf einiges verzichten, Heirat und den Kindesvater nennen, falls es Kinder gäbe, oder ihn benennen, wenn es denn sein Wille wäre. Er, den sie sich schließlich auserkoren hatten, War noch etwas größer als die beiden, die ganz Schlank und hochgewachsen, andre überragten Und sich sonst in dem, was sie für richtig hielten, Äußerst einig und im Aussehn, der Gestalt, Sehr ähnlich waren. Beide konnten mit den blonden Haaren, Streng zurück gekämmt und Dann, als Lockenpracht in Blütenschalen Sich im Nacken öffnend, Unter Sonnenlächeln andere mit sich beschenken. Er war stolz, weil er die beiden Gradezu mit Leichtigkeit für sich gewann, Es nahm ihm fast den Atem, den Verstand. Die Schönen sahen ihn mit Herzen in den Augen an und scheuten sich In keiner Weise ihre Liebe gegenseitig Und ihm zu gestehen. |
Anfangs lagen alle drei des Nachts zusammen, Dann entschieden seine Frauen eine Trennung, die sie oft nicht ordneten, weil Eine erst nur eine Nacht und später auch die nächste Nah an seiner Seite liegen wollte, Und die andere sich freundlich danach richtete. Er fragte dann nicht viel und dachte, Warum nicht. Sie lebten in dem großen Haus, das beide Frauen, Um dem Ziel der Wünsche nah zu kommen, Sich ersparten und erbauen ließen. Jede wurde zweimal Mutter, und er glaubte an die Liebe, die ihn oft erfüllte, und an die Gedanken, Die ihn nach der Wirklichkeit in seiner Liebe fragen ließen. Dafür fand er seinen Freiraum durch die Forschungsarbeit vor den weit entfernten Inseln tief im Südpazifik. Dort erweckten Polygame Schlinggewächse, deren Art zuvor noch nie beschrieben wurde, sein Intresse. Ihr Erscheinen und so plötzlich, Übersprang die Regeln jeglichen Verstehens. Hier, bei seiner Arbeit suchte er Erholung Und den Abstand, den er brauchte. Seine eigentliche Frage aber, wer vielleicht Erfahre Unrecht und von wem in seinem Leben, Beide Schwestern, weil er glaubte sie zu lieben, Oder er, weil sie ihn sich zum Treffer machten, Blieb ihm ohne Antwort und ein Rätsel. |
Der Verdacht jedoch, dass einerseits ihn Eine unbewusste Neigung Ungewollt zu ihrer Marionette machte, Und die Frauen stark erregte, Und dass, Machenschaften andrerseits und Egoismus im Komplott, das Werk, ein Kunstwerk, Dieser beiden sei, Ließ ihn nicht los. Im Forscherdrang geriet er aus Notwendigkeit bei einem großen Fest zu nahe An die Tochter eines Stammesfürsten. Jetzt erfuhr er erstmals jenes Wohlgefühl des Mannes, Den die Liebe plötzlich streift. Er sonnte sich darin. Es wurde später Abend und man hatte das Geschehen rundherum bemerkt. Die junge Frau ließ sich, weil es so unumstößlich Brauchtum war, mit einer Demutsgeste vor den Ältesten, Zu seiner Frau erklären; Und in deren Tradition war es nur gut, Dass er auch anderswo gebunden war. Das sprach für ihn. So ließ sie über ihren Vater sagen, Dass sie ihm in allem folgen wollte und die Beiden jüngeren der Schwestern auch. Sie zogen alle vier ins Haus der Braut. Hier nahmen sich die Schwestern rücksichtsvoll und Frauensanft gemeinsam ihres Gatten an. Er träumte einen Augenblick von großer Liebe zu nur einer Frau. Doch der Gedanke war schnell auf der Flucht vor dem, den Anfang einer neuen Welt auf solche Weise zu verpassen. |
Er radierte schon ein Leben lang die Liste seiner Liebe. Dort vermerkte er nur die, die keine Ware brachten. Übergroß und überschwer war seine Körperfülle, So behäbig, dass er seine Kleidung machen lassen musste. Eine andre Liste gab es nicht, und dieser Liste nahm er ihre letzten Namen. Alle machte er zu abgestorbenem Gestrüpp, das einem Feuer armer Sammler überlassen bleiben sollte. Seine Sehnsucht, eines Tages anzukommen, Lag begraben neben seiner Einsicht, für die eigne Unvollkommenheit Gezeichnet und verantwortlich zu sein. Er war sehr reich und hatte nie die Qualen des Erreichens eines eigenen Erfolges spüren sollen. Sein „lieb Mütterlein“, Bescherte ihm den Wohlstand, Auch wie er zu nutzen sei Und auch mit wem, das hieß für sie mit Niemandem. |
Er setzte sich, als sie verstorben war, im Krankenhaus auf eine Bank im Flur, Gleich neben eine junge Frau, die saß aus Blei gegossen, ohne Regung. Ihre Haare fielen schulterlang in goldnen Ähren, die die Zugluft dieses Ganges Als ein Teil des Feldes aus Getreide, langsam Und in leichten, langen Wellen hin und her Bewegte. Dabei wandte sie den Kopf mit großer Kraftanstrengung sehr, sehr langsam zu ihm hin Und sagte, zu bedächtig für sein Ohr: „Ich bin Undine“, Dabei sprach ihr Mund mit Flügeln eines Schmetterlings, der auf der Blüte ruht, den Nektar saugt und zwischen Ein, zwei schnellen Flügelschlägen in Verzögerung verfällt, im Stillstand wartet. Er sah ihren Mund, So feucht, so lieb, so nah und ihre Wangen rosig, Kirchenfensterglas vor Abendsonne. Sie behielt die Ruhe der Bewegung bei Und drehte ihren Kopf zurück. Als redete sie zu den Knien, Entschlüpfte ihr: „Wir können nichts mehr tun, Wir sitzen beide vor den Sterbezimmern“. |
Dann, als fiele ihr noch etwas ein: „Wenn ich mich schnell bewege oder zu schnell rede, Überschlagen sich bei mir der Wille und die Unbewusste Steuerung. Ich bin nicht krank, so wie man krank ist, Was ich brauche ist ein starker Stamm, Der sich und mich in seinen Zweigen wohnen lässt“. Sie war sehr gut gekleidet, Darin kannte er sich aus. Sie schälte sich noch einmal aus der Bleifigur, und wollte sich erheben. Da erkannte er den Kurzschluss zwischen ihrer Absicht und der körperlichen Möglichkeit, Und fing sie auf. Sein ungeübter Griff jedoch ließ sie im Schmerz sich wieder niedersetzen. Ihr Gesicht verriet ihm nichts, doch Er war über sich entsetzt. Er zog sie nun, an sich gestützt, mit Vorsicht und ganz leichter Hand, und so Behutsam wie es ging, An seine übergroße Brust. Er sagte leise in ihr Ohr: „Wir gehen jetzt gemächlich, Hand in Hand, Aus diesem Haus. Das ist, so glaube ich, der schnellste Weg Und auch der sicherste, Und nichts wird uns mehr halten“. |
Suche nach versagtem Liebesleben Ohne Absicht hörte ich, wie andere Von einem Garten als von einem Wundergarten sprachen, dessen Bäume, Pflanzen, Blätter Schattenspiele schufen, Die durch Winde angeregt, Ein Eigenleben führen konnten. Menschen, die in ihm spazieren gingen, Ahnten, rochen und erfuhren manchmal, wie sie Teil von einer Handlung wurden, die nicht zu Begründen und nicht zu erklären war. Der Garten reizte, ihn an warmen, lauen Tagen, Nicht nur in den Abendstunden, zu begehen. Dann war aber trotz der vielen Menschen keiner zu Erblicken, ausgenommen der und die, Die man zu sehen wünschte, und Natürlich fand sich jeder selbst. An einem solcher Abende entdeckte ich nicht nur den Garten sondern darin dich. Ich sah dich unter den Gesichtern blasser Frauen segeln. Ihre Lichtgestalten, angehellt von Mondschein und der fernen Stadtbeleuchtung, Beugten sich fast zum Berühren bis zu dir herab. |
Tief unter hohen Bäumen, deren Kronen Abendwolken über Blätterschatten auf dem Boden ziehen ließen, Stilles Wasserkräuseln auf der Oberfläche, Fuhrst du deinen Kahn mit Ruderblättern und Bewachtest über dir die Frauenbildnisse. Sie schienen zwar vertraut, Doch trauen durftest du den Bildern nicht, Denn bald schon traf dich starker Wind von ihnen, Ließ das Boot beinahe kentern. Du triebst ganz alleine auf dem Wasser, Niemand hätte helfen können. So erfuhrst du, als sie dich im Sturm erfassten, Ihren Willen dir zum Herrn zu zwingen, Unterwarfen sich jedoch dafür sogleich Mit schleiervoll verhängten Blicken jeglichem Verlangen, das du für sie hegen solltest. Abendstille strömten sie nun aus. |
Sie machten scheinbar sich dir zum Geschenk, Doch müsstest du von nun an dich In allem in sie teilen. Da entschiedst du dich für Flucht in Schatten schwerer, süßlich, duftender Gewächse, Die das Ufer endlos säumten, Und als Anfang einer Dunkelheit in unbestimmter Ferne mit der Nacht verschmolzen. Ich nahm letzte Tropfen einer faden Silberfährte auf dem Wasser wahr, dann löschte Finsternis die Spur, Und du verschwandst mir aus den Augen. Einzig wusste ich, dass du alleine lebtest. Einmal traf ich noch auf Segel Irgendeiner Nachtfahrt unter den Gesichtern blasser Frauen. Deren fahles Leuchten irrte hin und her, Vielleicht in neuer Suche nach versagtem Liebesleben. |
Von Liebe wurde nie gesprochen Die Geschichte eurer Liebe scheint so Intressant, dass ich sie von euch hören möchte. Alle Welt spricht über sie. Man weiß, dass ihr vor etwa zwanzig Jahren zueinander fandet. War das Zufall oder Schicksal? Ich bin Journalistin und besuchte sie, Die mit der Tochter, sonst allein, auf ihrer Südseeinsel leben. Er stieg aus, mit sehr viel Geld, und sie Kam an, mit nichts. Sie suchten etwas, Das sie nicht erzwingen konnten Und doch beide in sich trugen. Seine Tochter aus der anderen Verbindung klagt: „Sie zahlt nicht einen Cent und raucht mir meine Zigaretten weg.“ Ihn rührt das nicht. Mit einer Selbstgedrehten schräg im Mund Trinkt er daran vorbei, Zieht neue Saiten auf die Holzgitarre und Versendet liebevolle Blicke, Redet dann durch seine Schulterlangen Haare: „Wer sagt, dass es Liebe war. Ich nahm und nehme alle auf, die zu mir Kamen und die kommen. |
Sie war eines Tages auch dabei. Und blieb und blieb. Nur einmal habe ich sie rausgeschmissen. Das war mitten in der Nacht. Da war sie aber weiter nicht als bis zum Strand gekommen. Morgens war sie wieder da. Ob ich sie liebe, weiß ich nicht. Von Liebe war bei uns noch nie die Rede“. Seine Frau hört ruhig zu und unterbricht ihn nicht, Dann sanft und liebevoll: „Als ich hier ankam, war das Kind noch klein Und seine Mutter war davon gelaufen. Er hat nicht um sie geweint. In allem hab ich mich ihm angepasst. Das war ganz leicht, weil ich doch Gar nichts hatte. Ich bin einfach so bei ihm, und ob es Liebe ist, Hab ich nie hinterfragt. Du willst doch für die Zeitung schreiben, aber sicher möchte niemand Das erfahren oder lesen. Wenn wir miteinander schlafen, könnte Jedenfalls das eine und das andre Mal Für mich auch anders sein. Ich habe viel darüber nachgedacht Und schwärme dann im stillen Kämmerlein für einen Mann mit festem Handwerk. |
Gerne hätte ich auch eine Frau in meiner Nähe, Als ein geistverwandtes Wesen, um mich Auszutauschen. Nein, von Liebe wurde nie gesprochen. Wir sind aber gleichermaßen stark und Lang verliebt in dieses Bild dort drüben, ‚Kleiner Ausschnitt eines Gartens‘, mit dem Aufgeblühten, dem Betrachter zugewandten Orange-gelbgeflammten, tellergroßen Zwillingsmohn vor weißer Wand, darunter braunbemooster Fels, Zwei Sonnen nahe aneinander, Die, umrankt von früh verwelktem Flieder, Kleinen, roten Rosen, himmelsblauem Steppensalbei und umkränzt von Grünen, transparenten, aderreichen Blättern, Schwankend fast, im Liebesglühen stehen. Ihre beiden tiefblauschwarzen Kelche Lenken jeden Blick auf sich. Ein wenig abseits, fast am Rand des Bildes, Wartet die Laterne auf die Dämmerung“. |
Ich hab mich nicht getäuscht, denn Als ich mitternachts vor meine Haustür trat, sah ich den Großen Bären senkrecht über mir, Und du behieltst genau so recht, als du Nur kurz zuvor von Blitzen sprachst, die du Am Horizont gesehen haben wolltest. Jetzt sah ich sie auch als Wetterleuchten. Dir war diese Nacht zu kurz geworden, und du Ließt mich unter meinem Sternendach Allein mit mir in Dunkelheit, dass mich das alte Leiden, Sehnsucht, wieder überkam. Sie war mein neuer Schatten, der sich von mir Trennen konnte und sich an mich heftete, ein Tagtraum und ein Nachgespenst, Und diesmal beides und zu gleicher Zeit. Ich hatte dir davon noch nie erzählt. |
Die Sehnsucht war mehr als Verlangen, Hatte ein Gesicht, das öffnete sich jetzt im Grellen Blitz, der schien dem Siebenstern dort oben schräge Augen Einer Eisprinzessin, die Verführung suchte, zu verleihen, Ließ mir prachtvoll Silberhaare Niederfallen. Voller Lust griff ich in sie und stand doch still. Das alles hatte nichts mit dir zu tun, Nein, ich erinnerte mich nur an eine Frühere Vergeblichkeit, Denn Liebe war für mich stets Arzt Auf den ich hörte, auch wenn ich ihn Nicht vernehmen wollte. |
Meine Liebe war beständig und versprach mir Süße Leiden. Ärzten und der Liebe gab ich leicht Versprechen, doch gehorchen tat ich nur dem Leiden. Ja, ich weiß, dass du mich nachher fragen wirst: „Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen, So wie jeden Abend“, Und auch, dass ich keine Antwort geben kann. Es hat ja nichts mit dir zu tun, Es ist nur meine Art von Liebesleid. |
Die Verliese einer gartenbunten Bluse Sie ist eng mit mir zusammen und Trägt Tuch und trägt es nicht, Ich jedenfalls sah solches bisher nie an ihr. Sie will mit ihren sechzehn Jahren, Dass ich alles an ihr respektiere und Nichts übersehe und Bescheid weiß und Sie nicht
verrufe und ihr liebes Tuch, wie sie
persönlich, achte und es als Geschenk an mich
betrachte. Ich sprach ihre
Mutter an, und die erklärte mir: „Sie hüllt sich
gerne in ihr Tuch, so sagt sie, doch hab Ich es nie an
ihr gesehen, und es wird so bleiben“. Allerdings sei
sie sehr oft die Frau, so jung sie ist, Die andre Frauen
und das Recht auf Frau zu sein,
verteidige. Sie sprach mir
Mut und sagte noch, dass ihre Tochter mich
sehr liebe. |
Die Familie meiner
Freundin ist sehr groß Und auch sehr
klein. Ihr jüngster
Bruder sprach mich an: „Ihr Tuch ist
ihr das wichtigste, Sie trägt es Tag
und Nacht. Sei vorsichtig,
dass du es nicht und sie damit verletzt“. In meiner
Neugier dachte ich, dass sie, Versteckt vor
mir, es nur woanders trüge Und befragte
sie. Sie aber lachte
und versicherte: „Mein größtes
Liebespfand würd ich doch Nie vor dir
verstecken. Nein, ich trag
es Tag und Nacht. Sei vorsichtig
damit, dass ihm und mir Daran nichts
Schlimmes widerfährt“. Da gab ich mein
Suche auf und wollte ihr Gewissheit geben
mit nur einem Kuss, Den setzte ich,
weil es in Rötung strahlte,
auf ihr rechtes Ohr, Das war, so sah
ich nun, von einem Glitzerstecker
fein durchstochen. |
Rücklings hing
daran der Anfang eines Doppelfingerbreiten
purpurroten Bandes, das Bezog den
Hinterkopf mit ein und fächerte Vom Rinnsal aus
zu einem süßen, flachen Bach, der
schlang sich einmal um den Hals, Floss locker
weiter über ihre Schultern und Fiel vorne dann
hinein in die Verliese einer Gartenbunten
Bluse, Deren Beete
waren eingerahmt von Schmalen, weißen
Seidensäumen. Dunkle Kelche
rosafarbenen und blauen Mohns bedeckten
ihren Ausschnitt, den der Oberste der
Perlenknöpfe Pfortenartig und
nur angelehnt ein wenig Offen hielt. |
Sie war stolz
auf sich. Sie lebte im
Verbund in Suaheliland, In einem
Fünfzehnhüttendorf, Zusammen mit den
Eltern in nur einem Fensterlosen
Raum. Das Licht darin
kam neuerdings aus einer Plastikflasche,
halb ins Wellblechdach gesteckt, Die sammelte und
spendete enorme Helligkeit. Sie war ergänzt
mit einer wunderbaren Technik, Dass auch nachts
bis hin zum frühen Morgen Keine Dunkelheit
entstehen musste. Alles das
verstand sie kaum, Doch öffnete es
ihr die Augen weit. Sie wusste, dass
sie alt genug für eine Heirat war. Mit zwölf war
sie beschnitten worden. Daran durfte sie
nie wieder denken, Denn es war für
sie noch schlimmer Als für jenes
Mädchen, welches Frauen, Weil sie sich
dem widersetzte, für die Nacht An einen Hügel
mit Termiten banden. Das war nicht zu
überstehen. Beides war so
Tradition. |
Sie durfte
endlich mit dem jungen Mann Aus einem etwa
vierzig Hütten großen Nachbardorf Die Hochzeit
wagen. Eines Tages,
wusste sie, käm sie als Lehrerin zurück An ihren Platz
und würde alles, alles tun, mit dieser Tradition zu
brechen. Um jedoch zu
lernen, musste sie in Ehe leben. Das war Schutz
und Garantie für sie. Der junge Mann
bestand nicht auf Beschneidung, aber
es war Brauch, und Anders hätte er
sie nicht bekommen. So nahm sie den
langen Marsch zu ihrem Studium in einer Holzbaracke
täglich auf, aß Wegesfrüchte Statt der
Speisung in der Schule und sah ihren Ehemann im Jahr
nur, wenn die Sonnenwende kam, Ein andres Mal,
wenn Regenzeit versiegte. Er hielt an ihr
fest, auch wenn sie wusste, dass er Noch zwei andre
Frauen aus dem Fünfzehnhüttendorf
zu seinen Liebsten zählte. Das tat gut,
weil es ihr zeigte, dass er viel Verständnis für
ihr Wohlergehen hatte und sie Nicht bedrängte. |
Selber hatte sie
aus Neugier auch schon Einmal auf dem
Wochenmarkt ein Zelt betreten,
das ein wenig abseits stand. Der Mann darin
versuchte guten Rat zu geben, War sehr
einfühlsam und tat ihr gut. Doch konnte er
ihr die Verstümmelung Von
Frauenkörpern, scheinbar um die Liebeslust Zu töten, nicht
erklären. In dem Studium
war es für sie am wichtigsten Die Strategien
und alles Wissen über die Beschneidung zu
erfahren, um die Wurzeln eines
immer neuen Wachstums Endlich auszutrocknen. Dabei dachte sie
stets an die Plastikflasche
in der Wellblechdecke Und die
Finsternis, die die vertrieb. Sie traute sich
von nun an alles zu. |
„Schmetterling, du kleines Ding, Such dir eine Tänzerin“, sang man im Chor der Kinder, Mütter und der Kindergärtnerinnen. Alle hatten sich im Kreis versammelt. Mitten drin ein Junge, der sich suchend Drehte und erkennen wollte. Dem entließ die schnellste Mutter ihre Blondgelockte, himmelssüße Tochter aus der Hand in seine Arme. Die war davon angetan, doch nah genug an ihm Verstand sie gleich, dass seine Ausschau Andrem galt und stampfte heftig Mit dem Fuß. |
Der Junge aber fand im Kreis der Kleinen seinen wahren Freund. Sie hakten sich im Gegenüber ein Und tanzten federleicht im Kreis zu Reimen, Die gesungen wurden, Ließen sich dabei nicht aus den Augen Strahlten über Kreuz einander an Und hoben ihre freien Arme, tasteten dann mit den
Fingern, die sich Fühlern gleich Zur Mitte über ihnen streckten und berührten, Wechselten die Innenseiten schnell nach Außen, dass die Körper flatterten und Fortzufliegen drohten. |
Alles ging so schnell zu Ende, Welch ein kinderleichtes Spiel. Die Kindergärtnerinnen und die Mütter Und ein Gast am Zaun, Erkannten augenblicklich die besondre Art der Harmonie von Freude beim Zusammensein Und Ausdruck in gemeinsamen Bewegungen. Man klatschte ganz verhalten, und die beiden Nahmen sich bescheiden in die Arme. |
Ein wunderbares Schluchzen seiner
Träume Er war immer dankbar gegenüber seiner Mutter. Sie beschenkte ihn mit großer Lebensfreude. Seinen Vater hatte er nicht viel gekannt, Der hatte viel zu viel gespielt mit ihm, mit Anderen, mit Geld und allem, was ihm nicht Gehörte, und ihm selbst gehörte schließlich Nichts. Das reizte ständig zu gewinnen. Er, als Kind, verstand nur, dass der Vater selten häuslich war, danach wurd er Besuch und blieb dann schließlich aus. Die Mutter liebte ihren Sohn und küsste ihn auch Später noch auf seinen Mund. Er legte dann die Hand auf ihre Brust und war ihr so sehr nah, denn seine Liebe galt nur ihr. Sie hörte wie er Pläne schmiedete. Die Welt war ihm zu klein. Er wollte Großes leisten und lag immer Noch auf seiner Wiese, eingebettet zwischen Felsen Und versteckt im hohen Halmengras. Er zählte graue Wolkenpferde, Reiter, Denen gab er gelbe, rote Kleider, Morgens oder wenn die Sonne unterging, Dann wieder Fahnen, die dort oben wehten, Sah gelockte Frauenhaare auf sich niederfallen, Ihn berühren, Sah, dass die Besitzerinnen Seiner Mutter gar nicht ähnlich waren, Die Gesichter sich jedoch in allem glichen. |
Das erzählte er nun jedem der es Hören wollte oder nicht, auch Gräsern, Fischen und den Bäumen. Einer dieser Bäume hatte langes Mädchenhaar, Das klirrte wie es Birken tun. Er lernte Solveig kennen. Die lag neben ihm und lächelte ihn an, Ließ seine Hand gewähren Wie er es bei seiner Mutter tat. Das weckte ihn jäh aus dem Traum. Er hatte Angst vor Angst, Er hasste Angst. Die legte sich nun über ihn. Die junge Frau war Wirklichkeit, Und ließ sich gern von ihm entführen in sein
Haus, Wo sie die Mutter kennenlernte. Beide fanden herzliches Gefallen aneinander, Waren voller Liebe, die sie an ihn Weitergaben, dass er nicht, nun eingeengt, Sich ungewollt entscheiden müsste. Doch er fand sein Glück nicht wieder Und verwünschte sie und wünschte sich das Böseste, den Teufel in die Welt, In der er lebte. Der war schnell zur Stelle. |
Seine Mutter starb des Nachts in seinen Armen. Solveig war dabei und sah ihn leiden. Da ging er zu seiner Braut Und sah an ihr die Liebe wachsen. Aus der Tiefe ihres Mitgefühls sang sie für Ihn ihr Liebeslied aus Wolkentreiben, Frauensehnsucht und Berührung. Das drang in sein Ohr und wurde ihm ein Wunderbares Schluchzen seiner Träume, Die sie ihm sein Leben lang Mit sich Bewahren wollte. |
Ich würde dich zu gerne
fragen Ja, ich würde
dich zu gerne fragen, Ob du dich
erinnerst. Aus dem Internet
erfuhr ich kürzlich, dass du einen Flug zu fremden
Sternen Unternommen
hättest. Du warst
schließlich einmal Vorstandssekretärin. Damals sagtest
du ganz nebenbei Und trotzdem
überzeugt: „Das ist im
Leben nichts für mich“, und Deine Chefs
behielten dich, Vielleicht
deswegen. Jetzt nach
vielen Jahren Sucherei Entdeck ich dich
auf einem Video im Zwischenraum von
Publikum Und
Dirigentenpult versteckt Als Mitglied des
Orchesters. Dort bedienst du
wieder eine Schreibmaschine,
Weiß, getarnt
als digitalisiertes Tasteninstrument, Das ist an einen
Synthesizer angeschlossen. Elektronisches
spuckst du zu einem Dirigenten, der,
wie damals deine Vorgesetzten,
mit den Fingernägeln auf den Leeren
Joghurtbecher trommelt. Meine Liebe
kannte keine Grenzen. Sie galt dir,
nur dir allein. Gestehen konnte
ich dir nichts, Doch du
erkanntest eine Chance für dich Und wolltest
mich mit der Pistole deines Vaters töten,
wenn ich nicht der Vater deines Kindes würde. |
Du und ich, wir
hätten Treuebruch begangen, Das bedeutete
dir nichts, Und du gestandst
mir nebenbei: „Ich hatte
einmal eine Fehlgeburt von einem Frauenarzt. Der wusste immer
alles besser. Er nahm mich in
seiner Praxis“. Diesmal wolltest
du von mir die Vaterschaft um
jeden Preis. Ich hätte gern
den Wunsch erfüllt, Doch glauben
konnte ich dir nicht, Und deinem Mann,
schien mir, war ich ein Weiterer von
vielen. Deine Hände,
deine Augen, deine Lippen flöteten
mir sanfte Lieder, die versprachen eine Weiche oder
herbe Liege, wie ich wollte, Und dein Mann: „Um den brauchst
du dich nicht zu kümmern, Der weiß alles
und Bescheid“. Ich konnte es
nicht glauben und Befragte ihn
sogar. Er gab dir recht
und dass er deine Liebe teilen
würde, wenn ich dich nur Lieben könnte. |
Nichts zehrt
mehr als unerfüllte Liebe. Ich stand mir im
Weg, Und ihr umwuchst
mich schlangengleich als ein Geflecht aus
Rosen und aus Dornen, Redetet mir aber
ein, Ihr ebnetet für
mich ein wunderbares Beet. Ich sah mich
schrecklich eingeengt in dieser Hecke, Tief verkeilt im
Zwiespalt zwischen Liebe Und Betrug. Die Scherben,
die ich fand, verzerrten Meine Wünsche,
dass ich schließlich aufgab Und bei fremden
Leuten weinte. Lange führten
kleine, große Trümmer, Trauer, Wut und
Müdigkeit, ihr Eigenleben. Nahrung dafür
war genug in mir. Heut leuchtest
du als Abendstern
herüber. Ich hab Tag für
Tag an dich gedacht Und würde dich
zu gerne fragen. |
Die Morgenröte einer Schwangerschaft Sie fasste allen
Mut zusammen, Als sie zu ihm
sagte: „Ich bin neu
verliebt“. Er war nie herrisch,
grob, gewalttätig. Das war, was sie
so an ihm liebte Und auch hasste. Niemals sagte
er, was er in Wahrheit wollte. Das war manchmal
gut, Und andre Male
ließ es sie alleine stehen. Jetzt, so dachte
er, gesteht sie, dass sie mich Von einer andren
Seite lieben lernt Und fand sich
plötzlich äußerst liebenswert, Und schließlich
waren sie ein Paar seit fünfzehn Jahren. Sie ergänzte: „Du verstehst
mich nicht, Ich will es dir
erklären“. Das gefiel ihm
nicht, und er bestand auf Überraschung,
was sie sehr verwirrte. Das war, was sie
an ihm hasste. Immer sah er
alles positiv und lenkte ein. |
Sie hatten keine
Kinder. Nein, sie hatte
Kinder nie gewollt, Es hätte eine
Leere, die sie spürte, Niemals
ausgefüllt. Doch nun, von
einem Tag zum anderen, war diese Leere fort und
hatte nichts mit ihm zu tun. Sie hatte neues
Land betreten, Eigentlich
bekanntes Land verlassen, Das versuchte
sie ihm zu erklären. Er verstand,
dass sie um Worte rang Und sah, wie
Glut in ihre Wangen schoss. Er deutete, dass
ihr die Morgenröte einer
Schwangerschaft das Herz Geöffnet hätte
und nahm sie in seine Arme, flüsterte
ihr unter Küssen liebe, warme Worte auf den
Nacken und die Schultern. Sie entwand sich
diesem Zugriff mit Bescheidener
Zurückhaltung Und sagte dann
noch einmal: „Ich bin neu
verliebt, dass musst du Akzeptieren, und
ich werde dich verlassen“. |
Sie empfand sich
nun tatsächlich schwanger, Als unendlich
liebesschwanger, Und ihr wurde
schwindelig. Sie griff nach
seinen Armen, den Gewohntem Halt
zu finden. Ihn aber rief
dies in die Wirklichkeit zurück. Er fragte: „Kenn ich ihn“? Sie sagte nur: „Wir reden
später weiter. Heute schlaf ich
anderswo“. Er wollte
wissen: „Wann ist bei
dir später, Wann bist du
zurück“? Zum Abschied
hätte sie ihm fast noch einen Kuss gegeben,
das erwartete sie so von sich. Doch als sie
fort war, sah er aus dem Küchenfenster,
dass sie eine Fremde In die Arme
nahm, und sich die Frauen, Eng umschlungen,
Küssten. |
Ich hab mich sehr an dir
verletzt Am späten Abend
saßen sie noch Beieinander auf
dem Bettrand im Hotel, In dem sie
wohnte. Sie war seine
ganz und gar vertraute Liebe. Von Bekannten
hatte er erfahren, dass sie Eine seiner
Freundinnen in Leidenschaft Umarmt, geküsst
und dann in einem Haus mit ihr, so
hieß es, Übernachtet
habe. Als ihm dies zu
Ohren kam, wurd seine Welt zu einem
Käfig, dessen Tür er Nicht mehr
finden konnte. Sie stritt alles
ab Und senkte dabei
ihre Augenlider, Doch sein Mund
war eine Schranke, Die sich von
alleine nicht mehr öffnete. Sie hatte
Schlangenzungen, die in kleinste Spalten drangen
und beim Züngeln winzigste Aromastoffe
gierig schmeckten, Deren Spitzen
tasteten den Mund Nach einem
Schlupfloch ab, um tief Hineinzustoßen, Und sie sagte
zischend: „Sei deswegen
bitte nicht mehr böse“. So verriet sie
sich. |
Er wollte
widersprechen, doch es wurde nur ein Kläglicher
Versuch wie Gurgeln. Das nahm sie als
gutes Zeichen Und begann ihm
ihre ganze Weichheit,
Weiblichkeit und Wärme in
Geborgenheit zu bieten, Dass ihn andere Gedanken
nicht Erzürnten und
entkleidete erst ihn, dann sich von Allem
Überflüssigen. Er konnte ihre
Schlangenzungen aber nicht Vergessen, Die beherrschten
Öffnungen des Kopfes, Krochen in die
Ohren und verliefen sich in Seinem Mund. Mit
allerfeinsten Schuppen, die kaum Seine Haut
berührten, zog sie sich Blitzschnell um
seinen Körper. Nichts wär ihm
nun lieber, als der Stich der Viper, Er verlangte
fast danach. Es wäre jetzt
ein köstliches Geschenk und
würde dieses Ringen Enden lassen. |
Sie jedoch gab
sich ihm gänzlich hin, Dass er ihr
Sieger würde. So verriet sie
sich noch mehr, Und seine Hitze
schwoll zur Glut. Mit Absicht ließ
er Alles auf das
weiße Laken ihrer Lügen fallen. Das empörte sie
zutiefst. Es durfte
niemand sie als das behandeln Was sie war Und schnellte
auf zu ihrem Biss: „Ja, du hast
recht, es stimmt. Ich liebe deine
Freundin und auch deinen Freund und beide
lieben mich Und sich“. Da sagte er in
Müdigkeit und voller Abschied: „Liebe, die ich
für dich hege, Kannst du nicht
bezwingen, Doch das Herz
ist mir an dir zerronnen, Und ein weiteres
von dir an mir. Ich hab mich
sehr an dir verletzt“. |
Jenes Land, aus
dem sie kam, Beherbergte,
erzählten Reisende, Nur ansehnliche,
schöne Frauen; Selbst die alten
wurden von den Männern gleichen
Alters, wenn es welche gab, Als schön
bezeichnet. Das lag viel an
ihrem Äußeren, Der
Ebenmäßigkeit der Züge, den Bewegungen Der Hände, Füße,
ihres ganzen Körpers, Doch
beherrschten meistens Ihre
Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit
sowie die Anmut, die von innen kam, Die Wärme, die
Bescheidenheit, gepaart mit Unbestimmter
Dankbarkeit das Bild, das sich in Herzen prägte. Viele Frauen und
die Mädchen hatten Namen, die In irgendeiner
Weise mit Maria endeten, begannen Oder damit in
Verbindung standen. Männer, die von
auswärts kamen, suchten oft ihr Glück bei ihnen
und bemühten sich, Wenn sie es
fanden, solche Frauen Heimzuführen. Von den Fremden
wusste keiner eigentlich Genaues über
sie. Sie mussten sehr
auf das vertrauen, was sie an Erlebnissen
geschenkt bekamen Oder sich
entdeckt zu haben glaubten. |
Paare, die sich
fanden, sprachen voller Sehnsucht,
häufig nur in dritter Sprache, Miteinander über
das, was kommen sollte. Später, in der
neuen Heimat löste jedoch manche der Gewohnheiten der
Liebsten, die ganz Selbstverständlich
handelte, Verwirrung und
Verwunderung bei beiden aus. Zunächst erwarb
der eine und der andere, um einen Neuanfang zu
wagen, Stühle, Sessel, kleine Tische, andre Winzigkeiten, um
den Schmerz an die verlassene und ferne Heimat
abzumildern und ging dann getrost auf Reisen, weil er
damit Unterhalt verdiente. Das war
schließlich seine Tätigkeit. Kam er dann
irgendwann, trotzdem so Schnell wie
möglich, heim, fand er bei seiner Rückkehr seine
Frau in einem Zelt, Das hatte sie
aus einem Tisch und umgedrehten Stühlen, deren
lange Finger sich in Andacht falteten, Im Wohnraum
eingerichtet. Über allem lag
die neue, leichte Chinaseidendecke
als ein Kopftuch, Das verschleierte
den Eingang. Darin lebte sie, Saß dort bequem
und mit gekreuzten Beinen auf dem
handgeschnitzten Schemelchen, das
sie sich im Gepäck, Fast aus
Versehen, mitgenommen hatte. |
Er entdeckte
sie, ein wenig vorgebeugt, Vor einer Art
Kulisse einer Landschaft, Die schloss
scheinbar einen Altar ein. Es lagen
silberweiße Weihnachtskugeln aus dem Fundus eines
Pappkartons darin verteilt. Sie hatte in die
Löcher hoher, kürzlich erst erworbener Designer-Salz-
und Pfefferstreuer Mit sehr viel
Geschick und Gabe schlanke, grüne Palmenblätter
aus Papier gesteckt. Darunter war das
dunkle Holz der Griffe. Alles war
erhellt mit Flackerkerzen, die das Licht aus
Batterien bezogen. Wasserschälchen,
angefüllt mit Leuchtend roten
Rosen, die auf großen Gelben Blättern
schwammen, alles Aus Papier
geschnitten, Standen an den
Seiten. Sie war
glücklich hier zu leben, wo es Solche Schätze
gab und fühlte sich Zuhause
angekommen. Irgendwann würd
sie ihm sagen, dass sie eine Tochter…doch das
hatte Zeit, Er würde es
verstehen. Selbstzufrieden
und zugleich verliebt Erwartete sie
innig seine Rückkehr, Um ihn in die
neue Wohnung in der Wohnung, In ihr
Brautgemach, zu Führen. |
Für ihn endete
das Leben plötzlich Mit dem seiner
Frau. Das Weiterleben
über ihren Tod hinaus War ihm mehr Tod
als Leben. Beide wären sie
in einem Alter, Welches lang
ersehnte Reisen Hätte möglich
machen können. All die Jahre
schwärmte sie von einem „Land der
Gegensätze“, das war bis zuletzt Ihr Lebenstraum gewesen. Seine Lust
hingegen hielt sich sehr Bescheiden, es
genügte, was ihm still begegnete. Nach dem Verlust
war er zu oft allein Und suchte ihre
letzte Ruhestätte immer wieder auf. Die Trauer aber
nahm kein Ende und, Er konnte seinen
eignen Weg nicht finden. Da beschloss er,
ihren Traum zu seinem Wunsch zu
machen, Und die Reise in
das Land zu wagen, Dass es
irgendwie Erfüllung gäbe. Zweierlei war
dabei zu bedenken: Einerseits besaß
er reichlich Geld, das machte frei, Und andrerseits
war er unheilbar krank. Man hatte seine
Reise bestens vorbereitet, schien es, Aber bei der
Landung fand er alles ausgebucht und Strandete an
einem Ufer voller Zelte. Eine Frau
daraus, vielleicht ein wenig Jünger als er
selbst, Bot ihm bei sich
zu schlafen an. |
Sie lebte
zwischen selbstgeklebten Schmetterlingen,
daumen- und handtellergroß, die Sich im Luftzug
zu bewegen schienen, Trug in
Selbstverliebtheit grelle, gelbe, rote, blaue Stoffe, die sie
sich drapierte und mit kleinen Klammern hielt
und ging des Abends, unter einem Sonnenschirm
versteckt, spazieren. Sie wurd ihm das
Vögelchen, das zwitschernd, flatternd Ohne jede Hast
in seinen Ästen kletterte und In der Krone
wohnte, Dabei stahl sie
ihm, fast wie versehentlich, in einer Nacht sein Herz,
dass er ihr seine Liebe offenbarte. Das empfand sie
als ihr Frauenglück Und ihn als
wahren Schatz. Sie lebten lange
in dem Zelt, doch Seine Leiden
zwangen mehr und mehr zu einer andren Bleibe, die wurd
nun ein Wohnmobil, dem zwar der Antrieb fehlte,
welches aber komfortabel und Gut zu begehen
war. Sie zogen um. Im
zeitvergessenen Beisammensein, Im Miteinander,
Füreinander, Zueinander, Wuchs hier eine
Art von Gleichheit, die nicht Unterschied,
denn jeder fühlte sich, Auch körperlich,
als Teil des anderen und Dachte so und
lebte so und liebte so. Das war für ihn
besonders und ergänzte jene Zweisamkeit wie
er sie kannte, wo zwar jeder um den Andren lebte,
aber auch sein Eigenleben führte. |
Lange hofften
sie auf einen Funken der Genesung,
anfangs voller Zuversicht, dann nur noch Im Vertrauen auf
die Medizin. Erst sah er
deutlich die Vergeblichkeit Und dann, dass
Abschied Nun der beste
und der letzte Ausweg war, um Vor dem Ende
anzukommen. Schließlich
wählten sie den Sonnenaufgang Für die
Trennung. Kurz vor seinem
Abflug schenkte er ihr noch ein Büchlein, das,
mit einem Schloss versehen, Später erst von
ihr geöffnet werden sollte. Darin lag ein
Umschlag mit der Summe Geldes,
die er für den Todesfall von der Versicherung
erhalten hatte. Die verschmähte
er und wollte davon nichts für sich. Darüber lag ein
kurzer Brief, den hatte er für sie geschrieben: „Meiner Frau und
ganz besonders dir Verdanke ich ein
zweites Leben. Du und ich sind
jeder Teil des anderen geworden“. Auf dem ganzen
lag ein transparenter Schmetterling
mit hochgestellten Flügeln. Er schrieb
weiter: „Einmal
losgelassen, wird das kleine Ding, von Sonnenlicht
betrieben, Kinderleicht
entfliegen“. |
Es steht ein
viel zu langes Video im Internet, Das heißt „Aleppo
mon amour“, und es ist gänzlich Ohne Ton. Ich kenne nur
die Kriegsberichterstattungen aus Nachrichten und
meiner Tageszeitung Und erfahre so
von kellerbrechenden Granaten und von Bomben, die sich
selbst in neue Bomben sprengen. Diese Stadt war eine
Stadt, und wer sich dort Bekämpft, weiß
niemand mehr. An Flucht ist
nicht zu denken. Auf dem Video
sieht man die Krater in den Häuserwänden,
wenn sie denn noch stehen. Gleich dahinter
lauern Heckenschützen Auf dem ersten
Rang. Darunter wachen
und bewachen auch die Wenigen, die
überleben. Drüben an der
Hauswand steht ein junger Mann, der
plötzlich das Gewehr aus seinen Händen fallen
lassen muss, weil ihn die Kraft verlässt. Im Niederstürzen
tränken sich sein Hemd Und seine Jeans
mit Blut. |
Er liegt
sekundenlang, dann springt aus einer Kellerwand die
junge Frau, versucht ihn Aufzufangen, und
erkennt sofort wie wenig Hilfe sie ihm
bringen kann, in Angst umschlingt sie Seinen Kopf. Sie ist mit
schwarzem Tuch Verschleiert
angekommen, Doch jetzt reißt
sie das mit einer Einzigen
Bewegung ganz vom Leib und gibt ihm Ihre Brust. Die Straße ist
von Menschen leer. Verzweifelt hebt
sie seinen Kopf auf ihren Schoß. Die Berge Schutt und das Zerstörte rundherum Erwachsen in Reliefs zu Heiligtümern, und die Stille dieses Videos zerschneidet jedes
Schweigen, Dass ich Schüsse, Schreie, Kinderschluchzen, Explosionen und Sirenen höre. Köpfe in den
Häuserlöchern harren in Bewegungslosigkeit,
und Läufe der Gewehre werden Eingezogen. |
Jeder hier erkennt nun Liebende, die Abschied nehmen. Sie legt ihn
behutsam auf die Straße und den Schleier als ein
Bündel unter seinen Kopf, Sieht sich dann
um und schaut zum Himmel. Ruhe um sie her
wird nochmals still. Von oben droht
ihr nichts, und Häuserwände
schwanken nicht. Sie kommt ganz
langsam hoch, Hebt in der
Blöße ihres Oberkörpers das
Gewehr vom Boden auf, und
schwenkt es in die Richtung Wo der Schuss
gefallen war. Sie zielt, als
ob es Absicht ist, Zu lange und zu
ungenau. Sie fällt. Drei Männer, die
den Schutt als Deckung nehmen, Und die weiße
Helme tragen, Wollen helfen. Mit geübten
Griffen ziehen sie den Schwerverletzten
unter ihrem Körper fort. Sie drehen sie
noch einmal zur Kontrolle Auf den Rücken, Doch es bleibt
vergebens. |
Man hatte mich,
weil ich aus hohem Norden stamme,
angesprochen, ob ich als Gesandter, eine
Botschaft, die man mir jedoch Nur mündlich
übertragen könnte, dorthin Übermitteln
wollte. Die wär der
Empfängerin sehr wichtig, Andrerseits stünd
sie als Abgeschlossenheit
im Raum, und Ihr Verlieren
würde nichts bewirken, doch Geschrieben
könnte sie in falsche Hände fallen Und viel Unglück
stiften. Meine Nachricht
gälte einer Tochter, die mit ihrem Vater und der
Mutter einsam und am Stadtrand lebte. Ich war in
Semesterferien und alle Kosten würde man
erstatten. Auch am Ende
bliebe noch ein guter Rest für mich. Mit neuer
Technik, meinen Weg zu finden, Traf ich schnell
dort ein. Ich stand vor
einem leeren Haus, Die Türen waren
unverschlossen. Ich trat ein und
rief den Namen der Empfängerin. Das Schweigen
und die Abgeschiedenheit, Verrieten viel
Vertrauen. Bäume standen um
das Haus und schnitten mit den Aufgeregten
langen Armen weite Fenster In die
abendliche Landschaft. Drinnen waren alle
Türen angelehnt, sie Schauten voller
Sehnsucht nach dem Ankömmling und
atmeten im Pendeln warmer Zugluft Ein und aus. |
Ich war
willkommen und Ließ ich mich
auf einen Sessel fallen, Schlief dort
ein. Doch in der
Nacht wurd ich geweckt, nicht als ein Eindringling,
vielmehr als Gast, der die Gepflogenheiten
kannte. Eine junge Frau,
fast noch ein Mädchen, Sicherlich die
Tochter, fasste meinen Arm. Ich wurde wach
und sah mich um. Sie stand allein
vor mir und fragte gleich: „Hast du nach
mir gerufen“? „Ja“, bestätigte
ich ihr, „Wenn du alleine
bist, hab ich dir eine Botschaft
auszurichten“. Sie darauf: „Mein Vater und
die Mutter Schlafen hinten
in der Kammer, Aber gleich wird
mich der Vater holen, Und ich freu
mich schon darauf. Er ist mein
Liebster“. Das verwirrte
mich, Doch ich begann
ihr mitzuteilen: „Meine Nachricht
an dich ist, dass man Den von dir
eingereichten Text, Es handelt sich
um ein Gedicht, aus Tausenden als
den herausgefunden hat, Der wert ist,
einer großen Allgemeinheit Vorgestellt zu
werden. Du brauchst dem
nur zuzustimmen“. |
Ihre beiden
Hände flatterten vor Freude und vor
Seligkeit auf ihre Augen, ihren Mund, Verschlossen
ihre Ohren, und sie Hüpfte
kinderartig in ganz kleinen Sprüngen, Fiel mir
schließlich um den Hals: „Ich stimme zu;
ja, ja, ich stimme zu. Ich hab nur
diese eine Strophe eingesandt. Hör her, Weil ich so
glücklich bin, Und weil ich
keinen stören will, Sing ich sie
leise, leise in dein Ohr: ‚Die Dichterin, Die nachts den Schatten zu dem Vater in die Kammer schickt, Sich zu ihm legt, Von ihm empfängt, Und ungeachtet ihrer Mutter Sich von ihm zu Tode lieben lässt, Die also, wie das tote Armenkind die Risse an der Zimmerdecke zählt, Zerreitet jene Tiere blutig, Die uns tags die Wachheit Hüten‘. Nun geh schnell
und fort von hier. Mehr sag ich
nicht. Mein Liebster wird gleich zu mir kommen“. |
Wir, zwei
Freundinnen, genossen Eine Morgenfrühe
in dem Garten des Hotels. Das Frühstück war
verlockend, wurde uns Gebracht, und
wir ereiferten uns über Andere, die
waren nicht wie wir. Der Freund der
Freundin kam an unsren Tisch und nahm
sich aus dem Brotkorb eine
Leichtigkeit mit Selbstverständlichkeit
im Stehen. Sie schob mit den
Fingern ihrer linken Hand, Vielleicht sich
schön für ihn zu machen, Dünnste
Strähnchen ihrer Haare von der Stirn und
hinters Ohr. Ihr Haar war
etwas mehr als nackenlang, Und schimmerte
in Rötlich-Braun. Zu Anfang war es
glatt gekämmt, Dann sprang es
ganz am Ende, schon in Schulternähe,
herrlich auf zu Locken einer Königlichen
Krause. Sie sah
freundlich zu ihm hoch und sagte: „Nur weil du mit
mir geschlafen hast, Darfst du noch
lange nicht von meinen Brötchen
nehmen“. Er ließ sein
Gebäck sofort zurück ins Körbchen fallen
und bemühte ein Zermürbtes
Lächeln, weil er ihr nicht Glaubte. Darauf legte sie
die rechte Hand darüber, dass er Nicht auch noch
nach Kaffee fragte. Er ging fort. |
Ich wagte
einzuwenden: „Gestern wart
ihr euch noch einig, Er dein Liebster
und dein Schatz Und plötzlich
so“? Sie aber: „Ja, ich liebe
ihn und trau mich nicht Es ihm zu sagen. Du verstehst es
nicht und Kannst es nicht
verstehen. Unsre Liebe
könnte nur noch Wochen halten,
denn ich bin sehr Krank, mein Herz
versagt. Ich wage nicht,
ihn aufzuklären. Besser ist, er
glaubt, dass ich nur mit ihm Spiele. Doch in Wahrheit
ist er meine übergroße Liebe, Das beweis ich
mir auf diese Art. In seinen Armen,
und nur dort Bin ich daheim. Stets wünschte
ich ein Leben, das Ich noch nicht
kannte, grad wie dies. Es wäre jedoch
Lug und Trug, so wie ich bin, Mit all der
Liebe und dem Glücklich-werden-wollen,
Mich ihm an die
Hand zu geben. Unsre Zukunft
ist zu kurz für zwei Und viel zu kurz
für Zwei
Vergangenheiten. |
Nur den Augenblick
will ich Erleben. Nein, ich möchte
ihn nicht Leiden sehen. Er soll lieber
denken, dass ich mir nichts aus ihm Mache“. Ich entgegnete: „Ist das nicht
unerträglicher als deine Wahrheit, und
vielleicht gibt es noch Eine
Möglichkeit“. Sie sagte ohne
Trauer in der Stimme: „Jede Aussicht
haben wir geprüft, Es gibt nur
Aufschub, der ist Ungewiss und
sehr, sehr kurz, Es liegt in
meinen Genen, Und ich frage
nicht, was schlimmer ist, Für mich zählt
es, geliebt zu werden, Aber mehr, viel
mehr als das, Bedeutet mir es,
selbst zu lieben. Er verzeiht mir,
dass ich manches Mal, Zu unnahbar und
schroff, Ihn scheinbar
von mir weise“. Meine Freundin
starb an diesem Wochenende im Hotel. |
Die Lippen dieser jungen Frau, harmonisch, Engelsflügeln gleich, Ein ungewohnter Blickfang, Ließen oft die Kunden ganz kurz innehalten. Manchmal, im Verkaufsraum, fiel ein Schwaches, weißes Licht von Neonröhren Auf die rosa Haut, Dass jemand, der die Frau nicht kannte, Darin Unwirkliches, Überirdisches entdecken mochte. Sie verbrachte ihre Zeit in einer Schlachterei und weinte nachts darüber, dass Die vielen Tiere, die sie kurz zuvor Lebendig hatte sehen können, Starben. Sie aß niemals Fleisch und ihre blasse Haut Schien ihre Engelsflügel einzufassen. Nein, sie wollte keine Welt verändern, Suchte nur nach Schutz für sich. Der größte Kontrahent war ein Gesundheitspolizist, der auf gesundes Schlachten achtete. Dem sah sie eines Tages voll Vertrauen Offen ins Gesicht. Ihm graute plötzlich bei dem Anblick der verschreckten Tiere. |
Sie jedoch wurd ihm zum Reh, das lockte, ihn entführte in die Niederungen sanfter Tagesstunden, Bis sie einhielt und sich unversehens nur Mit ihren weiten, braunen Augen über ihren Engelsflügeln, die geschlossen blieben, Offenbarte. Er hätt sie nur allzu gerne fest in seine Arme schließen wollen. Doch sie war dem Schlachter eng verbunden, Hatte ihm dreimal ein Kind geboren. Ihre Liebe zu den Kindern könnte sie nicht
teilen, Wenn sie auch von nun an ihre neue Welt als köstlichstes Geschenk, als Gabe Einer Morgenfrühe packte, An sich drückte und beschwor, Sie nie in ihrem Leben wieder frei zu lassen. Ihr stand allzu heftig Herz auf Kopf, Und nie geträumte Hoffnung öffnete vor ihren Augen Ungelebtes Leben, Frei vom Töten aller Unschuld. |
Er war sehr verständnisvoll und ließ ihr jeden Freiraum, den sie brauchte, Und hielt sich zurück. Den aber nutzte sie geschickt, ganz eng und nah Bei ihm zu sein. Um ihr sein wahres Herz zu zeigen, schrieb er ihr Gedichte. Das war einfach und nahm ihre Traurigkeit Den Tieren gegenüber, ernst. Im Haus des Schlachters ging er ein und aus, Der Schlachter hatte ihn darum gebeten, und Verstand sich mit den Kindern gut. Doch wohnte er schon lange fest in ihrem Herzen wie sie Wohnung nahm in Seinem. Dann ließ sie die Engelsflügel frei bis sie als Ganzer Engel bei ihm wohnen blieb. Der Schlachter aber schlachtete und schlachtete, Als ginge es für ihn Um Leben und um Tod und machte den Betrieb zum größten Schlachthaus Weit und breit. Das nannte man ganz allgemein Das Engelstor. |
Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir Sie, Simone de
Beauvoir, war ihm gewachsen, Und sie wollte
gleich ein Kind, ein Kind von ihm. Er aber, Sartre,
war dazu nicht in der Lage, Er war
unfruchtbar. Das machte sie
zur Stärkeren, doch Konnte sie ihn
darum nicht verlassen, das Verstieße gegen
ihre eigne Freiheit, den Zu lieben, den
sie wollte, Und sie sagte
noch: „Ich hasse meine
Eifersucht, ich kann jedoch nicht Ohne sie, ich
liebe diesen Schmerz“. Sie stritten
sich, sie liebten sich, und Gaben jedem
seinen Freiraum, dass er das Bekäme, was ihm
groß und wichtig wäre. So verfasste er:
„Das Spiel ist
aus“, Und sie verstand
darin, dass er sich nicht Vor ihr
versteckte. Sie erwiderte,
dass sie nun endlich einen wahren Mann gefunden
hätte, der ihr geben könnte, Was das „Spiel“
verlängern, und ihr Schwangerschaft
bescheren würde. Sie wurd
wahrhaft schwanger, aber nur mit einem Neuen Buch. Er brüllte auf
vor Schmerz, Das würde er ihr
nie verzeihen. |
Beide waren eng
verstrickt in ihre Herzensfragen, Und der laut
verkündete Verzicht auf Gegenseitigen
Besitz und Anspruch Konnte nicht den
tiefen Argwohn stillen, Sich und dem
Geliebten gegenüber Wirklich zu
entsagen, Sondern baute,
heimlicher und unbemerkter, Herzenskäfige in
ihnen aus, Den anderen dort
einzusperren, Um ihn gänzlich
zu beherrschen. Beide waren sehr
berühmt und Weckten seltsam
Neugier bei den Völlig Unbeteiligten,
auch weil sie Ungemein
gefräßig schrieben, Und ihr Leben
dem zu unterwerfen Schienen. Sie bemerkten
lange schon nicht mehr, dass Glück und
Unglück, noch bevor es sie Entzündete, die
Tageszeitung überschwemmte, Als Gerücht
kursierte. Sartre ging so
weit, Dass er sie nur
noch seine Freundin hieß Und schrieb in
philosophischer Manier, dass Sie dem Druck
der individuellen Freiheit
ausgewichen sei und ihren Wunsch nach
Schwangerschaft auf seinem Rücken abgeladen
hätte. Das verriete
allen Ursprung Freiheitlichen
Denkens, wonach jeder Seine
Wirklichkeiten leben dürfe, und auch er den Anspruch darauf
hätte. |
Man las
ungeduldig und gefasst, dass sie ihn Reuevoll um
einen Neuanfang Gebeten haben
sollte, Und von ihm,
dass er ihr jüngstes Buch Schon nach der
zehnten Seite aus den Händen legen
musste, weil bei ihr von dem, Was sie
gemeinsam jahrelang bekämpft, Umstritten und
erlitten hätten, Nichts zu finden
sei. Der Leser aber
legte sich zu ihren Füßen, bettelte
um Niederwerfung, Endlich fühlte
er sich wahrgenommen. Dann, von einem
Tag zum andren, ging sie Lautlos ihrer
Wege. Niemand sah sie
wieder. Er bekam den
Großen Preis von weit her Zuerkannt. Doch den
verschmähte er in einem Kurzen Brief vom
Grundsatz her. Die Presse
schwieg dazu, und Man vergaß sie, Jean-Paul Sartre
und Simone de Beauvoir. |
Jenes Dorf,
Worpswede, hoch im Norden,
eingebettet zwischen Torfabstich und Moorlagunen, Sollte einer
jungen Frau, zur Zufallsheimat werden. Sie, die Fieber in
sich spürte, suchte Kunst, Und sie, die
eigentlich die Kunst studierte, Sich mit
Malerei, Musik und Schreiben Auseinandersetze,
durfte keine Kunst studieren. Man erlaubte ihr
allein das Studium zur Lehrerin. Das war sehr
viel, und tapfer klemmte sie den Fuß in diesen
Spalt. Sie war erneut
auf Suche, als sie in Worpswede auf die Bilder großer
Männer traf, doch ihre Sehnsucht galt
nicht denen. Angezogen ganz
besonders von der Landschaft Und den Menschen
dort, den Blumen, Bäumen
und verschlungenen Gewässern
zwischen braunem Erdreich, Lockte es sie,
das und mehr zu malen, In Gemälden
festzuhalten. Das jedoch war
unwürdig für eine Frau. Bei einem
weiteren Besuch begegnete sie Einem Künstler,
Otto, und dem Freund, dem Dichter, Der ihr seinen
Namen und den seiner Anvertrauten Kalligraphisch,
Rainer-Maria und dann Clara, Süß verknüpfte
mit dem ihren, Paula. Diese Botschaft
legte er japanisch an als Farbholzschnitt
und ihr zu Füßen und in ihre Hände. |
Er war
unentschieden zwischen beiden Und begnügte sich
zunächst mit Schwesterlichen
Huldigungen: „Du, die blonde
Malerin, und du, die Dunkle“. Otto galt ihr
dennoch mehr, auch weil ihr Malen ihm ein
wachsendes Verstehen abgewann, Und ließ sich
von ihm heiraten. Dabei behielt
sie ihren Dichter fest verschlossen, tief im Herzen. Sonst war man
als Künstler unter sich, und Frauen, war man
einig, bis auf sie, Vergeudeten mit
Kunst und Malerei nur ihre Zeit. Sie war poetisch
und beschrieb die Bienen und die
Hummeln nach Gehör als Brummeln. Das erschloss
ihr neue Welten. Überhaupt war
sie auf Neue Welten aus. Ihr Mann war
älter, und er machte sie zur Mutter seiner
Tochter, die war klein. Dem Drängen
ihrer Eltern gab sie nach Und glaubte fest
an Liebe und an eigne Kinder. Sie verhielt sich
still, und ihren Schrei nach Freiheit Nahmen beide
Männer, die an ihrer Seite standen,
überhaupt nicht wahr. Sie malte nicht,
was sie studieren wollte Sondern was das
Herz, das Auge ihr bescherte. Das war neu, und
niemand fand es der Beachtung wert. Sie malte in
Manier der unverbrauchten Schaffenden Die weißen
Birken, Kinder, schmale Wasserläufe, Die sich durch
die Wiesen hin zum Torfstich
schlängelten Und folgte ihrer
Tradition von Herzensfreiheit, Wollte keinen
damit schrecken. |
Einige der Bilder
trug sie in die nächste Kneipe und
verschenkte sie. Der Wirt nahm
sie aus Mitleid an Und spendete
ihr, weil sie Frau war, Auch kein Bier. Da nahm sie sich
ein Herz und floh bis in die Stadt der Liebe,
freien Malerei und ausgelebter Poesie. Dem Ehemann
beschied sie nun getrennte Wege. Das ging lange
gut, weil man sie unterstützte, Und sie malte
Tag und Nacht. Doch dann
besuchte sie ihr Gatte, Drängte und
bedrängte sie. Sie fragte sich
bald nach dem eignen Wohlergehen und
gab unter Heimweh nach. Zu dieser Zeit
soll sich der Freund mit Neueren
Gedichten, die von nächster Nähe zu ihr Schwärmten, fest
in ihrem und dem Schatten ihres Mannes
aufgehalten haben. Sie wurd endlich
schwanger, sah Familienglück
als neuen Silberstreif, Und sie
entschied, das sollte in der schönen Stadt den Anfang
haben. Sie bekam ihr
Kind und war voll Mutterschaft und
Übereifer, Der sich
schrecklich rächte. Als sie hörte,
schon im Sterben, dass sie einem Thrombus
unterliegen sollte, Sagte sie
geschwächt zu ihrem Mann: „Wie schade,
ach, wie schade“. |
Alles hatte sie
so aufgebaut, dass nichts Zu sehen war und
traf sich in der Stadt mit ihm. Es war seit
langem dies das erste Mal, Dass sie die
Nähe eines Mannes wieder Suchte, und er
sagte gleich: „Ich liebe dich“. Sie aber wusste
mehr und tanzte erst mit Ihm, und beide
tranken auch ein wenig. Alles ging ihr
viel zu schnell, doch er bestand auf Einem
Wiedersehen. Sie gab unter
Zögern schließlich nach. Sie trafen sich
ein zweites Mal an einem Abend in Derselben
kleinen Diskothek. Sie spielten
unaufmerksam an Geräten, die sie
bei sich trugen. So vermieden sie
den festen Blick Und hatten doch
nur Augen für einander. Das war
unverfänglich und verliebt. Sie suchte das
Gespräch und sagte: „Ich heiß
Melusine, wie heißt du“? Er horchte auf,
der Name klang zwar fremd, War aber auch
bekannt. Er sagte etwas
stolz: „Ich heiße und bin Ritter“. Freundlich lächelte sie zu ihm auf. Das machte Mut,
und er bedeckte ihre Schönheit mit so
lieben Sätzen wie: „Ich seh dich gerne
an“. „Du strahlst für
mich von innen“, und „Ich möchte dich
berühren, deine Haare riechen“, Dabei legte er
die Mulde seiner linken Hand Auf ihre Wange,
sie ihr federleicht zu streicheln, Die war weich
und warm und rosafarben, dann: „Ich weiß noch viel
zu wenig über dich, erzähl mir Wie ich mich an
dich gewöhnen kann und wie du bist“. |
Sie schien
darüber irritiert und sagte ihm: „Ich bin nicht
ganz, vielleicht nicht wie du denkst“. Darüber staunte
er: „Was heißt nicht
ganz, ich seh dich doch“. Sie aber: „Ja, ich mag es
dir nicht sagen, weil es dich vielleicht Verschreckt“. Sie beugte sich
dabei bis nah an seinen Mund und gab ihm Langsam einen
langen Kuss, doch das Beruhigte ihn
nicht. Sie sprach dann
weiter: „Damals war es eine
schwere Zeit für mich, Ich wurde
operiert Und habe nur
noch eine Brust“. Er lachte über
so viel Kleinigkeit und sagte: „Ich will dich
und nicht an deinen Brüsten liegen“. Daran mochte sie
nicht wirklich glauben, Doch sie war zu
lange schon allein, Dass alle
Zweifel schwanden. Nur mit einem
letzen Aufbegehren sagte sie: „Du darfst mich
niemals dort berühren Oder danach
schauen, das verlange ich von dir“ Und willigte mit
bangem und zugleich erglühtem Herzen In ein Bündnis
ein. Sie lagen oft
zusammen. Er vermied es,
ihre Brüste anzuschauen, Auch, weil sie
sie immer halb und halb bedeckte, Und befolgte das
Gebot. Doch dann brach
Neugier in ihm aus, Und eines
Nachts, als sie sich streckte Und ihm alles
überließ, Schlich er mit
sanfter Hand, verdeckt von ihrem Kleid der Nacht,
bis auf die Milchhaut ihrer
unversehrten Brust, Die war ihm
weicher als die Wange. Die Berührung
tat ihr unter schnellem Seufzen gut. |
Sie legte einen
Arm um seine Schulter, Um den Hals, und
seine Hand glitt weiter Auf die andre
Seite. Die bestrich er
mit der gleichen Sanftheit, Hörte neue
Seufzer, Schluchzen. Sie gab sich der
jungen Liebe völlig hin. Er spürte sie,
von sich gelöst, nach hinten in die Kissen greifen, Und ihr
einstiges Verbot wurd nun zum Glöckchenklingen, Das ließ sie die
Nacht versingen. Er jedoch erlebte seine Fähre, In der Dunkelheit des Meeres ihrer Betten, Strandend auf der schrecklich faltenvollen Lederhaut des Schuppentieres. All sein
Liebeskleid gefror in diesem Augenblick, Und ließ es Rüstung
werden. Die umschloss,
verschloss ihn fest, So fest, dass er
sich würde nie davon Befreien können. Als sie aber
früh am Morgen aufstand und ihn weckte, Schmolz Metall. Sie öffnete ihm
stolz ihr Nachtkleid, Zeigte auf die frisch
vernarbte Brust in einem Hauch von
Alabasterfarben: „Ich hab jetzt
ein Implantat und in Geringer Zeit
ist es unspürbar gut verheilt, Du wirst dann
die verschämten Schwestern nicht mehr Auseinanderhalten
können“. |
Sie lebte letztlich
in der Welt, die ihr Nichts andres
übrig ließ, als Phantasie. Darin war sie
die Frau von ihrem Tagesgegenüber,
ihrem Chef, und lebte so Fast ein
Jahrzehnt, auch diesen Herbst, In ihrem
Puppenhaus. Sie liebte ihn. Er hatte
außerhalb studiert, war Landwirt, Und von ihrem
Können überzeugt. Auch sahen sie
einander täglich, Saßen
schreibtischweise gegenüber Und besprachen
ihren Tagesablauf. Dabei redete sie
äußerst kompetent, In ihrem Herzen
aber Unwichtiges, Das schloss ihre
Puppenstube niemals ein. Er intressierte
sich sonst kaum für sie, Zu ihrem Glück
auch nicht für andre Frauen. Eingehüllt in
einen Mantel der Bescheidenheit, Erreichte sie es
nicht, Ihm die
Befähigungen der verkannten Frau Zu offenbaren,
ihn sich zu gewinnen. Nein, in ihrem
Leben gab es für ihr wahres Leben keine Hoffnung mehr, Die hatte sie
vor langer Zeit verloren, Auch weil sie in
einem Alter war, das Heirat sinnlos
scheinen ließ. So lebten und
verbrachten sie die Tage, Wochen,
Monate und Jahre abgeschieden Auf dem größten
Gut der Gegend, kannten außer Ihrem Nutzvieh
und ein wenig Personal nur
noch den Tierarzt. |
Er, ihr
Angebeteter, das wusste sie, Bewunderte sie
wegen ihrer Urteilskraft
und, wie versehentlich, auch wegen ihrer „Lieblichkeit“,
wie er es plötzlich einmal unvermutet nannte. Sie war
überrascht und fragte: „Woran siehst du
das“? Sie konnte
nichts mit „Lieblichkeit“ beginnen. Er, das ahnte
sie nun auch, war völlig unerfahren, Jedenfalls was
Fraulichkeit und Weiblichkeit betraf. Und
„Lieblichkeit“ war nicht sein Sprachgebrauch. Das Wort war neu
in seinem Mund, so neu, Dass es ihn
selbst verwunderte. Er sah sich
daraufhin sein Leben an Und fragte sie
ganz unvermittelt, ob sie Ihres nicht mit
seinem Teilen wollte. „Liebe“, sagte
er ganz stolz, „ist dabei nicht Im Spiel, doch
die mag kommen“. Sie war hell
erschrocken über seine Frage und die
Worte und rang Nächtelang mit
sich. Zugleich und
instinktiv verstand sie aber, Dass er es nicht
besser wissen konnte, eine Liebe, ihm ganz
fremd, ihr zu gestehen. Sie bedachte
auch die Zeit, die schon Vergangen und
verloren war Und horchte noch
einmal in sich hinein. Dort stand der
Aufprall jener Echos seiner „Lieblichkeit“
und seiner Frage Und verebbte nur
sehr langsam. |
Sie entschied
sich schließlich mit gesenktem Blick Und sagte: „Hättest du mich
das nicht viel, viel früher Fragen können“? Dennoch wagte
sie den Augenblick Und nahm den
Antrag an. Sie schenkte ihm
und sich als Spätgebärende In schneller
Folge eine Tochter und Dann eine
zweite, die gemeinsam Abbild ihrer Eltern waren. Erstere erblühte
innerlich, hielt sich zurück und Schwieg ihr
Leben lang, Die Zweite lebte
scheinbar selbstvergessen an der Welt vorbei. „Im nächsten
Frühjahr“, das entschied sie jetzt, „Erschaffe ich
mein Puppenhaus ganz neu. In einem völlig
andren Anfang Wird er mir dann
eine süß mit rotem Band Verschnürte
Schachtel schenken. Daraus werd ich
einen Ring entnehmen, Den er mir als
Überraschung An den Finger
steckt“. |
Sie war die Frau
des Lotsen, und er
wollte diesen Posten nur, um
möglichst nah bei ihr zu sein. Sie war sehr
groß, Das hatte er zu
Anfang nicht bemerkt. Sie hatte weite,
grüne Augen, Überwuchs ihn
körperlich, Und ihre
Schritte waren die des Panthers,
schleichend, langsam und sehr Weich in ihren
Fußbewegungen, Es hoben sich
die Ballen ihrer Füße Rollend ab vom
Boden, Niemals hörte
man nur ein Geräusch Beim Schreiten. Allzu fest
verschlossne Dosen- oder Gläserdeckel Öffnete sie elegant
im Kreisen mit Nur einer Hand,
dass sie sich Drehend fort
bewegten. Stand sie neben
ihm, dann machte sie ihn Mit erlauchten
Handbewegungen, Zu ihrem großen
Mann. Die Arme und die
Hände wuchsen ihr dann zu Erzählerinnen,
die die Blicke auf sich lenkten. Wenn sie ihr
Theater öffnete, war er gefangen, Und er liebte
sie. |
Auf ihr
Erscheinen und ihr Spielen Könnte er
niemals verzichten. Das gefiel auch
anderen, die nur genießen durften Und sonst
schweigen mussten. Seine Arbeit
aber richtete sich nicht danach. Er musste
neuerdings auch über See Und blieb dann
lange. Seine Frau
vertraute ihm und sich. Im fernen
Schottland traf er unversehens eine Frau, die war
sehr klein und hatte Mitleid, weil er ihr Verloren schien. Sie spendete ihm
Trost Das tat sehr
gut. Sie hatte
schmale Augen, die sie so sehr Öffnen konnte,
dass zwei Spiegel daraus
wurden, eigentlich Zwei Seen in die
man schauen musste. Ihre kurzen
Schritte machte sie auf Zehenspitzen und
erwuchs zur Tänzerin, die
Weite brauchte, Räume füllte und
mit hoch erhobenem Gesicht die
Augen anderer nach Oben riss. Sie schien sich
selbst niemals genug. |
All dies,
gepaart mit ihren flinken Händen, Liebte er von
Anfang an. Es waren
Explosionen eigenartiger Und ganz besonderer
Verwandlungen der winzigsten Ereignisse in
große Illusionen, Und sie machte
ihn zu ihrem Publikum. Er schenkte ihr
dafür sein Herz, Aufrichtige und
wahre Liebe. Später, auf der
Heimfahrt, drückte ihn Ganz unerwartet Zweimal
Traurigkeit. Die konnte er
sich nicht erklären. „Lotsen“, kam
ihm der Gedanke, „steuern Fremde Schiffe
immer sicher in den Hafen, Danach gehen sie
von Bord“. Zurück, bei
seiner großen Frau, kam keine Freude auf, und
aus der Ferne Traf ihn die
Erinnerung an jene kleine So verblasst Als winke sie
ihm wehe Müdigkeiten
nach. |
Von seiner
Mutter stammt noch das Büfett. Das hatte er
geerbt. Es ist furniert
mit Durchsichtig
lackiertem Kirschholz. Seine Oberfläche
schimmert in der Helligkeit des Schmeichelglatten
Bernsteins, den man einem Sonnenuntergang
entgegenhält. Es ist weit über
hundert Jahre alt. Darauf steht
eine weiße Vase und darin Befinden sich
die halb und weniger erblühten Kelche eines
Bundes aus Narzissen, Gelb und weiß. Es ist schon
spät an diesem Abend. Lampenlicht
erhellt das Gelb und Weiß zu
kleinen Sternenhaufen. An der Wand
darüber hängt ein Ausgeprägtes,
übergroßes Bild Mit zwei
Cellistinnen, die geben Traumhaft und
nicht wahrzunehmen, ein Konzert, das
zwingt und rührt, Durch
eigenartige Bewegungen im Stillstand, den Besucher zu
Gehör. |
Vor dem Büfett
steht sie an linker Seite Und er rechts. Erst schauen sie
sich an, Dann auf das
Bild, Und wenden dem
Beobachter den Rücken zu. Sie halten sich
dabei an Ihren Händen. Neben ihnen
liegen, unberührt, Gespiegelt in
der Oberfläche der Kommode, Ihre Telefone. Beide warten auf
den Anruf. Der, so ist sich
der Betrachter sicher, Wird erlösen und
sie aus dem Schock befreien. Deutlich sieht
man ihre Herzen
ineinander kriechen, Und die suchen
ein Versteck, Das fände nur in
einer Kammer Platz, Die müsste sie
gemeinsam bergen. In der Kammer,
die sich dem Betrachter
öffnet, sieht man auf zwei Rosen, die in
Blüte stehen. Eine strahlt in
hellem Weiß, die andere in Purpur, in verstecktem
Rot. |
Man wird erst
später über diese Liebe, Dies Ereignis
sehr viel schreiben und Ein
preisgekröntes Lied Ersingen. Man wird weiter
unermüdlich Eine Wahrheit
suchen und Zusammenhang
erstellen wollen zwischen Nichtgeschehen
und Geschehen, Ihm und ihr Und dem Büfett, Den
bildgefangen, harrenden Cellistinnen Und ihrem
Stillstand in Bewegung und Musik, Sowie dem
Sternenleuchten der Narzissen, Beiden Telefonen
und der Kammer mit der
aufgeblühten Pracht. Auch nicht die
kleinste Kleinigkeit darf dabei Übersehen oder Übergangen
werden. |
Heute spreche
ich mit dir Nach langen,
langen Jahren, die wir uns nicht sahen: „Du erinnerst
dich vielleicht? Ich schenkte dir
zu jener Zeit ein Zartes
Gliederhalsband, Das ist Ewigkeiten
her. Ich legte es dir
um den rosabraunen Hals. Es schmiegte
sich behutsam in die dünnen, hellen Locken deines
Nackenhaares. Seine Glieder,
fingernagelgroße Splitter, wurden unsre, Schaukeln, die,
aus Glas, weit in den Himmel schwangen, Wir mit ihnen. Mit uns glitten
Puppenlandschaften aus Gelben, weißen,
roten Steinchen, Ferne und dann
wieder nahe Böschungen. Die Teile dieses
Bandes schienen einzeln Eingehängt in
Perlenketten, Darin sahen wir
die aufgereihten Engelstränen, Klein und wichtig In geheimer,
unbekannter Botschaft. Glas galt uns
als Diamant, die Perlenkugeln ein
Geschenk des Sternenhimmels. Damit lebten
wir“. Du schweigst und
siehst mich an. Ich fahre fort
im Überschwang: „Wir wohnten
Haut in Haut. Wir schwammen, tauchten,
liebten In den warmen
Wassern dieser Seen. |
Wir schufen an
den Ufern Hütten späterer
Vergangenheiten, Einige davon
verschoben sich Eng ineinander. Damals lernten
wir uns kennen und die Neue Welt, die
sich uns bot. Es gab nichts
weiter, außer uns, Das mussten wir
bewohnen und für Alle Zeiten Überleben
lassen. Etwas weiter
abseits stehen heut noch unsere Erinnerungen,
die von ihrem Uferleben gar
nichts wissen oder wissen können. Sie verkörpern
uns gelebtes Leben außerhalb des Gliederbandes. Drüben auf der
anderen Seite, hinter Strand und
Dünen, sehen wir, versteckt, Schon fast
begraben, aber immer noch nicht Zugedeckt, wo
wir versagten und uns Zweifel, Angst
und der Verlust Um Freunde
brachte, auch um Liebenswerte
Kleinigkeiten. Die erwuchsen
manchmal erst im Nachhinein zu Großem Wert. Die Glieder
deiner Kette lassen mich an all das Denken. Ich erinner mich
und dich“. |
Du bist geneigt
und sagst: „Die Kette ist
so schön bei Licht. Ich liebe sie
und trage sie sehr gerne. Alle Steinchen
waren anfangs Liebesschaukeln,
wurden dann zu Trägerinnen
meiner Tränen und jetzt, Neuerdings ein
hoffnungsvoller Pfad in eine Unbeschwerte
Zukunft und dazwischen, Geb ich zu, Ließ ich sie mir
aus nicht geweinten Tränen vielfach
durch die Hände Gleiten. Manchmal bleibt
dabei die eine und die andere der Perlen in den
Ringen meiner Finger Hängen, dass ich
innehalten muss. Das Halsband,
dein Geschenk Als wenn es
gestern wäre, Möchte ich nie
missen, Und ich will es
Ewigkeiten tragen“. |
In Galaxien einer fremden Frau Von ihrer Nachbarschaft, in der sie beide lebten, Wussten und erfuhren sie nur wenig, eigentlich War man sich fremd, obwohl es Rundherum oft dörflich zuging. Kaum, dass irgendwann das Ungewöhnliche passieren würde. Ihre Namen, er, genannt der Prinz, und sie als Ariadne, waren auch nicht Beitrag für ein Engeres Zusammenleben. Er nahm ihretwegen, weil er davon einst gelesen
hatte, Einen neuen Namen an und taufte sich in Theseus um. Sie sahen auch in einer unverhofften Einladung von einem Ehepaar, das sie nicht Kannten, ein Versehen und ein Missverständnis. Er erkundigte sich trotzdem dort und fragte nach, Und man bestätigte, dass sie sehr wohl Gemeint und sich die „Herrschaft“ Über ihr Erscheinen freuen würde. Jemand käme um sie abzuholen, Mit dem Hinweis, dieses sei das Fest der Feste, Allerdings in kleinem Kreis, vielleicht mit zwölf
Personen. An dem Abend brachte sie ein Wagen vor ein Schloss ganz in der Nähe, davon hatten sie noch Nie gehört. Die beiden waren aufgeregt in leichtem Fieber der Begeisterung und Neugier. Dennoch fühlten sie sich Für den unbekannten Anlass richtig angezogen. |
Andre Paare hatten sich, wie sie, in Schlichte und dezente Eleganz gehüllt, Doch das schien hier nicht wichtig. Ariadne trug die lange Perlenkette ihrer toten
Mutter Auf der roseweißen Chiffonbluse. Die war kinderschüchtern hoch geschlossen Und doch fraulich dekolletiert. Der Stoff verschleierte die Arme und lief bis zur
Taille Über ihre enge, schwarze Hose. Nach dem aufwendigen Essen und der ungewohnten Umsicht einer Dienerschaft, erschienen Hausherr und die Hausherrin in feiner und nicht
strenger Kleidung und der Bitte an die Gäste Sich einander vorzustellen und zu tanzen nach
Belieben. Das war allen recht. Auch Ariadne und ihr Theseus zeigten unbeschwert
im Tanz Verliebtsein in Umarmungen und Küssen. Einige der Paare, sahen sie, verhielten sich so
ähnlich. Auch das Paar, das eingeladen hatte, War sich einig, schaute ohne Heimlichkeit zu
anderen. Die einen ließen sich nicht aus den Händen, Die daneben tanzten in zu großem Abstand. Ariadne und ihr Theseus suchten gegenseitiges
Berühren, Hatten süße Pfeile füreinander in den Augen. Das fiel auf, und einige der Gäste Schoben es auf die enorme Jugend dieser beiden. |
Spät, zu fortgeschrittner Stunde, rief die Hausherrin zu kleiner Runde, und, ob alle etwas Neues kennenlernen wollten, nämlich einen Schicksalstanz. Das hörte sich verwegen an und klang gefährlich. Etwas Zukunftsangst rief leises Zögern wach und barg vielleicht auch Zweifel. Sie erklärte, dass die Paare sich zu Anfang trennen müssten. Jeder, jede sollte nun mit einem andren Partner
tanzen. Darauf sollten sie versuchen, wieder Eins zu
werden. Dafür würde die Musik das Tanzen Dreimal nacheinander unterbrechen. Alle dürften dabei erst mit drei, dann zwei und Schließlich mit nur einem Schritt in Jene Richtung, wie sie wollten, gehen, Um erneut ein Paar zu werden. Danach würde alles Licht gelöscht und auch das Fest der Feste sei vorbei. Der Tanz begann, und schon beim ersten Stopp Sah Ariadne wie ihr Theseus sich In Galaxien einer fremden Frau entfernte. Sie erblasste. Schlimmer noch, gleich nach der zweiten Pause,
stürzte Ihre Liebe tief in die Verliese der Verzweiflung, Als sie ihn nicht mehr erblicken konnte. Weglos, ohne Halt, verlassen, Sank sie still zu Boden. Theseus aber, eine Handbreit hinter ihr, Erreichte sie mit seinem Letzten Schritt und fing sie auf. Dann hüllte Finsternis sie alle ein. |
Noch im Dämmerlicht verblasst die Silhouette Ihre beste
Freundin hatte einst als Junges Mädchen
in das Poesiealbum
geschrieben: „Jungfrau sein
ist doof“. Das ist nun über
zwanzig Jahre her, Jetzt endlich
steht sie vor dem Schritt der Schritte Und vor einem
leisen Bild. Der Mittelpunkt
des Bildes ist sie selbst. Sie schaut sich
auf den Rücken, Sieht sich auf
dem kleinen Holzsteg, welcher Ein paar Meter,
niedrig, her vom Ufer übers
Wasser reicht. Das ist ein
stiller See, der heute keine Wellen hat. Nur Plätschern
ist vom Strand zu hören. Sie steht dort
als Braut im langen Kleid, Die Hände
rückwärts unterhalb der Taille Fest vereint,
gefaltet, scheinbar im Gebet versteckt Das Kleid fällt
als der Glockenturm der leuchtend hellen Tulpe, die den
Kelch nach unten öffnet, glatt herab Und lässt den
Saum die Bretter nicht berühren. Es entsteht ein
Schwingen seines weiten Stoffes. Den bewegt
vielleicht das Säuseln eines Windes oder Jene
Ungewissheit, was sie wohl erwartet, Die ein
angenehmes Zittern überträgt. Dem Bräutigam
erklärte sie die kleine Flucht Und das
Alleinsein wollen. |
Weit vom
Horizont des andren Ufers schimmert Gelblich rotes
Feuer einer Abendsonne Durch die
flache, langgestreckte Nebelbank Herüber. Aus dem
Gegenüber lässt sich eine Zukunft Aber so nicht
lesen. Von der linken
Seite treibt ein Ruderloses,
segelloses Boot heran. Noch ist es
ungewiss, ob Etwas oder Jemand sich
darin verborgen hält. „Vielleicht“, so
denkt sie, „werde ich Von meinem
Bräutigam geholt“. Das Boot ist
aber wirklich leer. Es legt sich
seitlich an den Steg. Mit einem festen
Ruck hebt sie den Blick zum Himmel. Ihre überlangen,
dunkelbraunen Haare Ziert und bindet
eine Blumenspange auf dem Hinterkopf. Sie gleiten
weiter als ein Fall von Schatten
auf die Schultern und
den Rücken, Schmiegen sich
gewunden und gebunden, Werden nun zu
einem Strauß von schwarzen Rosen, Deren Knospen,
kaum geöffnet, fast bis zu den Händen reichen. Unter allem
kleidet sie ein Ärmellanges,
weißes Jäckchen. |
Plötzlich werden
ihre Augen feucht. Sie ist nicht
sicher ob von Tränen, Nein, das wäre
nicht gerecht, Vielleicht
jedoch vor Freude. Jemand von den
Gästen kommt in ihre Nähe Und nimmt sie in
ihrem Innehalten auf. Er schämt sich
aber wegen seiner Neugier und der
Störung dieser Andacht. Er geht
schweigend wieder fort und Löscht dabei das
Video. Die Braut löst
ihre Hände und Rafft eilig Saum
und Rock des Hochzeitkleides, Packt dann
vorsichtig den Rand des Bootes, hält es
fest Und steigt
behutsam ein. Dort nimmt sie
Platz auf einer schmalen Bank Und stößt sich
ab. Es treiben, fast
im Stillstand, Boot und Passagier Erst durch ein
weißlich Grau und später Rötlich
Dunkelblau zum Gegenüber. Noch im
Dämmerlicht verblasst Die Silhouette. |
ISBN 9783743175938