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Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987 …da liegt mein Herz, Geschichten aus Niemandsland 2022 -2024 (im
Entstehen) z.B.: 100 Jahre „Kafka“, eine herrenlose Fundsache (neu) |
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Lyrik, Prosa und Ingenieurarbeiten |
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sich waschen; und die Frau war von
sehr schöner Gestalt…. Und David sandte Boten hin und ließ
sie holen. und als sie zu ihm kam, wohnte er ihr bei.“ (2. Samuel, 11). Im vorliegenden Band bietet der Autor eine
Novelle über 33 Seiten an. Aus dem Inhalt: David und Batseba sind sehr gegenwärtig. Hinterfragen
sie ihre Begegnung? Ist ihre neue Liebe Zufall oder eine Fügung? Ist
Schüchternheit ein Zeichen von Reinheit? Verbirgt sich dahinter vielleicht
Selbstschutz oder Egoismus? Er sah nun seine Chance, fasste Mut und schämte sich
zugleich für seine Dreistigkeit, sie anzusprechen. Er hätte sich beinahe an
seiner Spucke verschluckt. Ehe er jedoch nur einen Laut von sich gegeben
hatte, war sie ihm zuvorgekommen, war schneller und hauchte, noch bevor er
seine Stimme wiedergefunden hatte und etwas sagen konnte, mit der größten
Selbstverständlichkeit: „Ich komm gleich raus. Ich will mich nur kurz
duschen. Ich bin dann draußen, eine Sekunde“. |
David
und Batseba Eine Novelle Jetzt im Buchhandel und online: „David
und Batseba“ Direkt online
bestellen sowie im Buchhandel, 33 Seiten, Format A5. € 4,99 Zum Buchshop © 2020 Birgfeld, Harald „David
und Batseba“ ist auch in den USA, Großbritannien und Kanada unter obiger ISBN und bei abweichenden Preisen bestell- und lieferbar. Auch als E-Book, € 2,99 Zum Buchshop ISBN 9783752655018 |
Inhaltsverzeichnis Sie kam schließlich auf die Straße |
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Er verließ
sein Auto, weil er ein Bedürfnis spürte und ging in einen
öffentlichen Raum dafür. Der war in einem großen Kaufhaus. Erst war alles versperrt
durch Drehkreuzgitter, welche kleine Münzen verschluckten, dann, dahinter,
öffneten sich, hallengleich, neue Räume, die waren hell mit weißem Marmor
ausgekleidet. Man hörte leise Musik, und eine Mitarbeiterin war aufmerksam um
Unauffälligkeit bemüht. Er ging auf sie zu und kam wie unabsichtlich in ihre
Nähe, sah ihr ins Gesicht, und blieb direkt vor ihr stehen. Sie war ihm gleich beim Eintreten aufgefallen. Sie
hatte flinke Augen, und er zögerte, als sie die auf ihn richtete, kaum, dass er
zur Seite sehen konnte. Er holte schnell Luft und wollte seine Aufregung so vor
ihr verborgen halten. An einem derartigen Ort, erinnerte er sich, macht man
gewiss nicht die Bekanntschaft einer Frau. Sein Blick glitt an ihr rauf und
runter, und er fragte sich, ob sie vielleicht seine Sprache nicht sprechen
könnte und wollte sich seine nächste Frage kaum eingestehen. Er erwischte sich
bei dem Gedanken, „wahrscheinlich riecht sie nach ihrem Arbeitsplatz“. Er
schlug zwar nun die Augen nieder, aber sie lehrte ihn buchstäblich im letzten
Augenblick mit ihrem Blick das Gegenteil. Er sah nun seine Chance, fasste Mut
und schämte sich zugleich für seine Dreistigkeit, sie anzusprechen. Er hätte
sich beinahe an seiner Spucke verschluckt. Ehe er jedoch nur einen Laut von
sich gegeben hatte, war sie ihm zuvorgekommen, war schneller und hauchte, noch
bevor er seine Stimme wiedergefunden hatte und etwas sagen konnte, mit der
größten Selbstverständlichkeit: „Ich komm gleich raus. Ich will mich nur kurz
duschen. Ich bin dann draußen, eine Sekunde“.
Sie sprach also deutsch
und ihre Stimme war schwingend, gedämpft und hatte einen leichten Oberton. Der
erinnerte ihn fast schreckhaft an eine frühere Begegnung, wo sich dieser Oberton
später einmal in die Harmonie einer weinenden Frauenstimme verwandelt hatte. Er
erinnerte ihn auch mit dem hellen Schatten einer äußersten Flüchtigkeit an
seine Mutter. Die Frau sagte noch: „Warte bitte dort auf mich“. Glückliche
Gedanken der Erwartung, die er nicht konkret für sich umreißen konnte, kamen
und gingen schneller als seine Augenlider sich bewegen konnten. Plötzlich
musste er an seinen Namensspender denken: David, Held im Buch der Bücher. Ja,
der hieß David. Er hatte oft in Neugier als Jugendlicher erst im Duden und
später in anderen Medien nach Antworten auf die Frage nach der Bedeutung des
Namens gesucht, bis er die dramatische, biblische Geschichte erfahren hatte.
Der biblische David, für ihn der echte David, war lange noch kein König, wie
man es ihm immer wieder und wieder versprochen und vorhergesagt hatte. Sein
Glauben an die Königswürde war tausendmal in Zweifel gezogen. Er, unser David,
hatte auch nicht mehr an sein Glück glauben können. Er war nicht wie der echte
David ein Krieger. Überhaupt fand er, dass der echte David ein „kleiner“
Krieger war. Wie er darauf kam, konnte er nicht begründen. Vielleicht, weil er
so lange erfolglos gewesen war. Er selbst hatte auch keine Nebenfrau, war kein
Nebenmann für eine Frau, ging nie fremd und blieb in allem treu, empfand sich
aber so wie jener stets hingehalten. Nur das Hoffen auf Erfüllung hatte ihn
niemals verlassen. Darin glaubte er, wäre er sich mit dem echten David einig.
Er machte aber nicht wie der, alles zu einer Frage des Glaubens. Ihm genügte
die Hoffnung, und er hatte Zuversicht. Was sich ihm erfüllen sollte, schien
sich nun endlich zu zeigen. Es sollte wahr werden. Die Frau war ihm in einem
hellen Licht und in schöner Gestalt erschienen. Die Sonne war seinetwegen
aufgegangen. Sie war wahrhaftig und wahrhaftige Gegenwart und wuchs ihm zu
einem warmen, weichen Glücksgefühl. Das hatte er bei ihrem ersten Anblick
gleich empfunden. Seligkeit, schoss ihm nun als Gedanke in den Kopf. Das Wort
war neu, und er kannte es nur aus Opernarien. Darüber musste er innerlich
schmunzeln. Dieses Entzücken hatte für ihn auch etwas mit Schweben zu tun. Ja,
er fühlte sich leicht als ein Mensch, dem der Schatten abhandengekommen war,
und dem dies kein Verlust war. Im Gegenteil, diese Schwerelosigkeit hatte ihm
ein ungeahntes Entzücken beschert. Er ging nach draußen und bemerkte, dass sein
menschliches Bedürfnis verschwunden war. Er war überwältigt. Das Neue hatte
seine kleine Welt völlig überrumpelt. Auf der Straße wusste er nicht, wo er auf
die Frau warten sollte und stellte sich neben die Eingangstür. Die Türflügel
öffneten und schlossen sich automatisch und schoben jeden Besucher ohne dessen
Zutun hinaus oder herein. Ihm fiel der gelangweilte Blick einiger Besucher auf
und er dachte, dass sie diese Leichtigkeit wie er empfinden müssten.
Sie kam schließlich auf die Straße und hatte ihn sofort entdeckt. Sie war nicht von
den Flügeln der Tür hinausgetragen worden, sondern hatte eine kleine Seitentür benutzt.
Als sie auf ihn zukam, sah sie einerseits, vielleicht verschämt, zu Boden,
andrerseits ein wenig schräg zu ihm auf. Wie selbstverständlich hakte sie sich
bei ihm ein. Er spürte sofort durch ihre Kleidung und seine Jacke, ihren
Körper, den sie fest an ihn drückte. Sie hatte braune fast schulterlange Haare,
die sich mit winzigen Zöpfchen aneinander klammerten und trotzdem kleine
Löckchen fallen ließen. Die wippten bei jedem Schritt ein wenig wie angestoßene
Schaukelchen. Über einer hellen Bluse, weißer Chiffon, die unmerklich
dekolletiert war, aber eine feine und wohlig füllige Weiblichkeit betonte, trug
sie einen gleichfarbigen offenen Blazer mit aufgesetzten Taschen und dazu
einfache blaue Jeans. Sie roch nach Flieder, schien es ihm, war nicht geschminkt,
vielleicht ein wenig. Ihre Figur war schlank und insgesamt war sie mit den
kleinen Absätzen unter ihren Schuhen fast so groß wie er.
Plötzlich und nicht erwartet rief sie, ein bisschen
zu laut für David: „Ich heiße Batseba und du“?
David genoss das Wohlgefühl,
welches ihre Nähe ihm schenkte, und erschrak ein wenig. Er erschrak aus zwei
Gründen. Zum Ersten, weil ihn ihre Stimme weckte, aber weiter noch, weil er mit
dem Namen zwar direkt nichts verbinden konnte, aber doch einem fernen Echo
lauschte, welches ihm eine Vertrautheit schenkte. Wenn er nur wüsste, woher
oder warum ihm dieser Name vertraut vorkam. Ihre Unbeschwertheit schenkte ihm
dies Vertrauen, und er nannte auch seinen Namen: „…und ich heiße David“. Mit
dem „…und“ erinnerte er sich an die Geschichte von David und Batseba, konnte
sie aber nicht zusammen bekommen und hielt es auch nicht für wert genug, sie
zum Gespräch zu machen. Batseba hingegen hielt inne, packte ihn leicht an
seinem rechten Arm und fragte ungläubig: „Du heißt David? Ist das ein
Vorzeichen, ein gutes Zeichen oder ein böses Omen? Es macht mir etwas Angst. Du
kennst die Geschichte sicher nicht, aber ein biblischer König hatte Batseba
seinerzeit schwer nachgestellt. Batseba war schon vom Namen her auffällig. Er ist
aus dem Hebräischen und bedeutet so etwas wie Tochter des Heils oder der Fülle
oder so ähnlich. Genau weiß das wohl niemand. Naja, damals waren es andere
Zeiten, und es ging ja auch irgendwie für die beiden gut aus. Also für die
beiden. Leider nicht für alle. Sie war zu der Zeit verheiratet“. David sagte
daraufhin: „Lass uns doch über etwas anderes reden. Aber ich möchte keine
Geheimnisse vor dir haben. Also ich bin auch verheiratet, ziemlich lange
schon“. Batseba platzte heraus: „Ich auch. Aber das muss doch jetzt kein Thema
sein, oder? Wir lernen uns gerade kennen“.
David wollte eigentlich
ausführlicher werden, aber er dachte und sagte es: „Du hast recht, wirklich, du
hast recht. Wir sollten nicht mit unseren Türen ins Haus fallen. Ich möchte mit
dir essen gehen, wenn du willst und du es erlaubst“.
Batseba war bescheiden und ihre Kleidung war für David unauffällig
angenehm. Das gefiel ihm sehr. In den Jeans hatte sie eine gute Figur. Sie
stimmte zu. David hatte den Eindruck, dass sie erleichtert war, von ihm nicht
zu irgendetwas gedrängt zu werden, und ihm war ihr zurückhaltendes Wesen ein
Geschenk des Himmels. Sie strahlte Frieden aus, der seiner Seele guttat.
Überhaupt wollte er nicht in die Rolle eines Bestimmers schlüpfen. Das hasste
er sowieso. Damit kann ein Mann zu viel kaputt machen und zu wenig gewinnen.
Und eine Frau, die es anders gerne hätte, wäre ihm niemals so heftig
aufgefallen wie Batseba es gelungen war. Es stellte sich größte Zufriedenheit
bei ihm ein, auch darüber, dass er in sich so ausgeglichen war.
In der Gegend kannten er und
sie sich nicht aus, sie war ihnen fremd. Doch jede erste, beste Möglichkeit
wäre recht, und sie schauten sich um. Sein Blick fiel auf den Eingang eines
Hotels mit Restaurant. Das steuerte er mit ihr im Arm an. Vorbei an der
Rezeption, die sie nicht zu bemerken schien, fanden sie gleich einen strahlend
hell beleuchteten Raum mit sehr aufwendigen Dekorationen an den Wänden und
Kerzen auf den Tischen. David kam sich allerdings darin verloren vor. Das
schien daran zu liegen, dass sie zurzeit die einzigen Gäste zu sein schienen.
Im Augenblick war ihm jede Art der Abgeschiedenheit aber mehr als recht und er
würde mit Batseba einen ungestörten Abend verbringen können. Es war inzwischen
fast sechs Uhr geworden. Sie nahmen Platz und eine dezente Bedienung reichte
jedem von ihnen eine Speisekarte mit erlesenen Vorschlägen. David hatte kaum
Augen dafür. Seine Gefühle trachteten nach Berührung der „schönen Frau mit der
schönen Gestalt“. Diese Worte waren nicht von ihm, sondern sie waren in seinem
Gedächtnis aufgetaucht und wahrscheinlich aus der biblischen Geschichte mit dem
„kleinen Krieger“. Überhaupt war für ihn das Wort „schön“ so nichtssagend als
spräche er vom Wetter. Das Wort „schön“ konnte Batsebas Gestalt nicht ausreichend
beschreiben.
Die Bedienung fragte,
ob sie a la carte oder Menü essen wollten. David war so abwesend, dass er die
Bedienung, es war ein junger unauffälliger Mann in tadelloser Kleidung,
vorsichtig beiseiteschob. Er stand im Blickfeld zu Batseba. David hatte in
diesem Augenblick das sich ausbreitende und einzige Anliegen sie zu küssen. Er
wollte ihr nicht wie einer flüchtigen Bekannten „einen Kuss geben“ sondern sie
völlig mit einem Anfangskuss für sich gewinnen, sie für sich wachküssen. An dem
Ober vorbei beugte er sich weit vor, und sie öffnete ihre Augen unter der
glatten Stirn so sehr, dass er deren Farbe erkannte und noch wahrnahm. Sie
hatte braune Augen und darüber feste dunkle Brauen. Batseba hob aber zugleich
ihre schlanke rechte Hand, die sie an seine linke Wange legte und sagte mit
unterdrückter, leiser Stimme, dass der Ober es nicht hören sollte: „Mir wäre
eine schlichte Gastlichkeit viel lieber, hier fühl ich mich nicht so wohl“.
Dann ließ sie ihre Hand wieder fallen, wie erschlafft und flüsterte: „Ich bin
so glücklich, so glücklich und so frei“.
Das machte ihn stolz und selbstbewusst. Er verstand
ihren Wunsch sehr gut, vielleicht anders als sie ihn gemeint hatte und bedankte
sich dafür.
Wieder auf der Straße meinte er, dass sie es woanders
gemütlicher haben könnten, und sie zogen weiter, beide fest eingehakt. Sie
hielt den Kopf ein bisschen schräg an seine Schulter gelehnt. David nahm die
Gelegenheit und küsste sie in ihr Haar. Auch das roch nach Flieder. Sie
überließen sich einem Schlenderschritt und kamen in eine Vorstadtgegend wo sie
auf kleine, versteckte Gasthöfe stießen. Einige hatten nur eine Tafel, mit
weißer und gelber Kreide beschrieben, an der Eingangstür stehen. Sie boten
Kleinigkeiten zum Essen und zum Trinken an. Trotz der ruhigen Gegend gerieten
sie in einen Gasthof mit vielen Menschen und Gästen. Nicht alle tranken oder
aßen, sondern warteten auf irgendeine Begebenheit. Vorne stand ein Rednerpult,
aber einen Redner gab es nicht. Sie suchten sich den einzigen Tisch mit nur zwei
Stühlen. In der Nähe waren noch andere Gäste.
David sagte: „Ich lebe nicht allein“.
Sie ging darauf nicht ein und
beschwor den Moment: „Ich bin heute glücklich, und es könnte gar nicht schöner
sein, als hier mit dir zu sitzen. Du musst nur verstehen, dass ich mich nicht
ausgehalten wissen möchte“. Er bat trotzdem um diesen Freiraum: „Das verstehe
ich sehr gut, aber heute darf ich dein Kavalier sein. Bitte“. So einigten sie
sich und fanden eng beieinander Kleinigkeiten zum Essen und zum Trinken. Beide
mochten keinen Alkohol. Die Gründe wurden nicht erörtert, sondern die
Übereinstimmung stellte sie zufrieden.
David verbot sich an diesem Abend jeden Gedanken daran, dass er nicht
frei war. Er hätte sich auch gerne jede weitere Ausnutzung dieser Gelegenheit
verboten, wenn er nicht ganz genau von seiner Schwäche gewusst hätte, sich
keinerlei zögerliches Verhalten oder gar einen Verzicht auf den lange ersehnten Augenblick zu erlauben, er wollte
nicht auf sein großes Glück, auf sein persönliches Glück, verzichten. Endlich
war es in greifbare Nähe gerückt. Das Hingehalten sein sollte nun endlich ein
Ende haben. Er gestand sich noch etwas ein, und das überraschte ihn und trieb
eine gewisse Schadenfreude in sein Herz, eigentlich tief in seine Seele, wo
dieser Gedanke keinen rechten Platz fand und sich eingeklemmt in einer Nische
wiederfand. Es war der Gedanke, dass Batseba auch nicht frei war, und es war
ihm Genugtuung, diesen unbekannten Dritten als Verlierer, nein sich selbst als
Gewinner zu empfinden.
Sollte der doch selbst sehen
wie er zurechtkommen würde, mit einer Frau, die sich gerade von einem anderen
Mann den Hof machen ließe. Heute ist heute dachte David und vielleicht
geschieht ja das erhoffte Wunder. Von nun an hatte David noch mehr Augen nur
für Batseba und wollte sie, jetzt mit dem rechten Arm um ihre Taille gelegt,
aus dem kleinen Gasthof führen. Es war spät am Abend, und sie fänden bestimmt
keinen Weg heim. Beide waren verstrickt in ihre Liebkosungen auf Wangen, Hände,
Hals und ihre Schultern. Er küsste ihren Mund, ihre Augenlider und wanderte mit
seinem Mund ihren Hals hinab. David empfand Leidenschaft und mit der
zunehmenden Dunkelheit dort draußen auch die Gewissheit, dass sie nirgends
woanders Einkehr finden würden, um so ihr junges Glück zu bewahren. David
fragte beiläufig, ob sie nicht Zuhause vermisst würde. Sie antwortete ein wenig
schnippisch: „Und du“? Dann lagen sie sich noch fester in den Armen und David
überkam eine seltsame Müdigkeit, die er nicht verstand und die vielleicht etwas
mit Enttäuschung hätte zu tun haben können. David dachte auch: ‚Es ging heute
alles so schnell, ich sollte mich beherrschen, zufrieden sein und mich neu mit
ihr treffen‘. Zu Batseba sagte er: „Lass uns diesen schönen Abend für Träume
aufheben. Ich möchte dich zu gerne wieder treffen. Das musst du mir
versprechen“. In diesem Satz, das spürte, er lag so viel Angst um neuerlichen
Verlust, dass er erschrak. Sie war ihm Versprechen, und nur ganz zögerlich
schob er sie wenige Zentimeter von sich weg.
Beim Hinausgehen kamen sie an der Rezeption vorbei und er entdeckte
das winzige Schild: „Zimmer frei“. Das war für ihn ein Weckruf, und David hielt
wie versehentlich im Schritt ein. Mit dem rechten Zeigefinger zeigte er darauf,
um auch Batseba darauf aufmerksam zu machen. Sie verstand sofort und hielt nur
ihre Augen weit geöffnet auf ihn gerichtet. Das war Zustimmung, das war Sieg
mit allen Freudentaumeln. Die Bedienung hinter der Rezeption hatte ein
geschultes Auge. David fragte: „Können wir ein Zimmer haben?“ „Ja, gerne. Für
wie lange? Mit Frühstück“? Batseba antwortete: „Nur für heute. Nein, ohne
bitte“. Die Bedienung schaute hoch und sagte: „Sie müssen voll bezahlen. Wir
sind kein Stundenhotel. Füllen Sie bitte diese Anmeldung noch aus“. Sie reichte
zwei Formulare über den hellbraunen Tisch. Der hatte auffällige Intarsien.
Batseba erschrak über die Bedienung aber David holte wortlos seine Bezahlkarte
aus der Tasche. Die Bedienung wieder: „Sie haben kein Gepäck“? Batseba: „Das
holen wir später rein“. „Ok“. Die Bedienung gab ihr einen Schlüssel: „Gleich im
ersten Stock. 103“. Beide: „Danke“. Dann füllten sie die Anmeldungen aus und
David schaute Batseba über die Schulter. Sie trug ein Geburtsdatum ein, und er
rechnete schnell, dass sie 28 Jahre alt war. Das gefiel ihm sehr, weil er
befürchtet hatte, dass sie möglicherweise zu jung sei für seine Liebe. Sie war
aber fast sechs Jahre jünger als er. Sie war nicht so neugierig und ließ ihr
Formular auf dem Tisch liegen. Es schien ihr unter den Fingern zu brennen. Sie
kam nach wenigen Schritten an den Tisch zurück, als wollte sie sich über etwas
vergewissern. Sie wischte sich im Nachhinein die Hand an ihrer Jeans ab oder
steckte etwas in die Hosentasche. Dann gingen sie nach oben. Das Zimmer war
leicht zu finden. Batseba hatte enormes Herzklopfen und dachte, dass man das
doch hören müsste. Oben ging sie als erste in den Raum. Das Fenster war leicht
geöffnet. Das war ihr angenehm. David wollte sie in den Arm nehmen und umfasste
sie von hinten. Das war ihr zwar recht, aber sie machte sich frei und ging zum
Kleiderschrank. Den öffnete sie und sah hinein. Der war völlig leer. Sie zog
auch die Schubladen der Nachttische auf den Bettseiten auf. Sie fand nichts und
schien irritiert. Sie schloss die Augen fast ganz, um sich vorsichtig auf das
Doppelbett niederzulassen. Er legte sich gleich neben sie, und beide begannen
sich vorsichtig die Kleidung von ihren Körpern streifen zu lassen oder ein
wenig nachzuhelfen. Beide waren in der Liebe so erfahren, dass sie sich Zeit
ließen, um in Langsamkeit den Körper des anderen für sich zu gewinnen.
Sie lagen dann eine ganze
Weile wortlos nebeneinander, bis er anfing ihr Liebesworte auf die Haut und in
ihre Haare zu sprechen. Sie antwortete mit sanften Bissen in seinen Unterarm
und in den Handrücken. Batseba und David hatten das kleine „schwarze Pflaster“
nicht dabei. Es war eine Nachlässigkeit des Hotels, dieses nicht wie üblich im
Nachttisch zu hinterlegen. So hatten sie ungeschützte Liebe. Beide bemerkten
dies, waren aber stolz auf ihren Mut und ihren natürlichen Umgang miteinander.
Sie konnten sich so ganz hingeben. Sie wussten von der Anwendung des schwarzen
Pflasters, dass es zu ungewollter Ablehnung des Partners oder zu Überreaktionen
der Zuneigung führen konnte.
Ihre Zweisamkeit dauerte bis weit nach Mitternacht. Später gingen sie
miteinander noch ins Bad und genossen sich gegenseitig mit aufmerksamen Worten
und viel Streicheln. Sie beschlossen dann das Hotel zu verlassen und hingen
draußen noch ein letztes Mal aneinander bis sie wirklich voneinander Abschied
nahmen. Für die beiden ganz ungewöhnlich, hörten sie eine verspätete
Abendglocke aus großer Ferne läuten. Ganz in der Nähe sang ein Nachtvogel eine
andauernde Melodie, welche in einem schier endlos währenden Schluchzen oder
erleichtertem Seufzen endete. Sie waren beide sehr beseelt und schwiegen in
Andacht und Ergriffenheit.
David dachte, jeder von uns hat viel gewonnen und
sagte zu ihr: „Ich liebe dich. Sei meiner Liebe sicher. Ich möchte dich
unbedingt wiedersehen. Ich werde dich immer lieben und dich immer finden.
Können wir uns morgen wieder treffen? Ich habe jetzt schon Sehnsucht“. Sie kam
schnell zurück in seine Arme und lachte: „Das ist doch leicht, ich freue mich“.
Das war den beiden Besiegelung und Versprechen. Dann gingen sie tatsächlich
auseinander.
Heimgekommen hätte David gerne
seiner Frau von seiner neuen Liebe erzählt, wie er sich so leicht getragen
gefühlt hatte und fühlte und in seinem Leben endlich angekommen sei. Doch das
versagte er sich. Seltsam fremd wurde nun das Haus für ihn. Er staunte aber,
wie sich alles fügte. Seine Frau behandelte ihn an diesem Abend mit stiller
Rücksicht und Umsicht als sei er krank. Gleich am nächsten Abend erschien er
wieder am Kaufhaus vor den Drehkreuzgittern, doch die und der Raum dahinter
waren zugehangen. Nur ein übergroßes Schild gab Auskunft: „Bis auf weiteres für
unbestimmte Zeit geschlossen“.
David verstand nichts mehr. Es war ja nicht nur, dass seine neue Liebe unerreichbar geworden zu
sein schien, sondern dass er wieder vom Schicksal hingehalten worden war. Er
besann sich auf sein Vertrauen in Batseba und gab ihr keine Schuld. Vielleicht
war sie neuerdings wirklich unabkömmlich. Sie litt sicher genauso unter der Trennung
wie er. Er musste und wollte etwas unternehmen, etwas machen. Aber was? Er war
sicher, sie mit einem Zettel zu erreichen. Den befestigte er mit Klebestreifen
aus dem Kaufhaus an der zugesperrten Eingangsverkleidung. Darauf stand, und er
vermied es seinen oder ihren Namen zu erwähnen: „Bitte melde dich im Gasthaus,
wo wir gestern Abend saßen! Ich vermisse dich, ich liebe dich“! Er klebte auch
einen gleichen an eine Werbung, die hing an der Seite. In dem Gasthaus fragte
er nach den Daten ihrer Anmeldung vom Vortag, aber man gab keine Auskunft, weil
er sein Recht dazu nicht beweisen konnte, und es widerspräche dem Datenschutz.
Also hinterließ er auch dort seine Nachricht. Sie aber meldete sich nicht, und
alles war für ihn verloren.
Da verstand er schweren
Herzens, dass er wiederum vom Schicksal nur hingehalten worden war. Es dauerte
Wochen bis in ihm ganz langsam und gegen seinen Willen erneut das Hoffen zu
wachsen begann. Er hoffte wieder auf Erfüllung und dachte wie früher: ...irgendwann einmal, vielleicht.
Eines Tages, als er einen kleinen
Spaziergang unternahm, bemerkte er einen flachen, roten Wagen, ein offenes
Cabriolet, vor dem Eingang des Mehrfamilienhauses, in welchem er mit seiner
Frau wohnte, und einen Mann, etwa in seinem Alter, der darin auf etwas zu
warten schien. Als ihn der Mann entdeckte, stieg der aus und kam auf ihn zu. Er
stellte sich mit Namen vor und fragte ganz höflich: „Sind Sie David? Kennen Sie
Batseba“? Das traf ihn völlig unerwartet und David vermutete, nun
überglücklich, dass Batseba über Boten oder durch Zufall an ihn geraten sei und
eine Nachricht überbringen lassen wollte. Hastig antwortete er: „Ja, das bin
ich. Haben Sie Nachricht von ihr“? Der Mann: „Ja, das habe ich. Sie ist schwanger,
und sie sagt, von Ihnen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber, wenn das wahr
ist, können Sie sich auf was gefasst machen. Übrigens, ich bin ihr Mann“. Und
er wiederholte seinen Vornamen. Der Mann redete sich außer Atem, und in David
wurde Stolz geweckt. „Sie soll von mir schwanger sein“, dachte er und gleich
weiter, dann muss sie meine Frau werden. „Wo hält sie sich auf? Ich möchte sie
sprechen und sie sehen, bitte geben Sie mir eine Antwort“. Batsebas Mann verzog
das Gesicht als er sagte: „Da können Sie ewig warten, aber demnächst erhalten
Sie Post. Ziehen Sie sich warm an“! Damit sprang er über die Fahrertür in sein
Auto und fuhr an. Gleich vor ihm befand sich eine Ampel, die schaltete gerade
auf Rot, dass er anhalten musste. Er hob die rechte Hand aus dem Fahrzeug und
winkte. David rief: „Bitte, wo find ich sie“! Die Ampel schaltete nun auf Grün,
und der Wagen fuhr nun an, musste aber erneut halten, weil ein Sattelschlepper,
der von links gekommen war, die Kreuzung noch nicht freigegeben hatte. Das
Fahrzeug war schwer beladen und schwenkte in die gleiche Richtung, in welche
der Wagen von Batsebas Mann fahren wollte. Es dauerte bis es die Kurve genommen
hatte. In der Zwischenzeit reckte Batsebas Mann seinen Oberkörper aus dem Wagen
und schaute dabei ganz nach hinten. Er machte ein verächtliches Zeichen mit
seinen Fingern und dem Daumen der rechten Hand und fuhr gleichzeitig, ohne nach
vorne zu sehen, mit einem Kavalierstart los, dass die Reifen ein wenig
quietschten. Er nahm nicht wahr, dass der Sattelschlepper Überlänge hatte, und
eine flache Eisenplatte von der hinteren Auflagefläche des Wagens weit über
einen Meter in die Straße ragte. Sie sah für David aus wie ein fliegendes
Schwert. Er wollte aufschreien, hielt sich aber die rechte Hand fest auf den
Mund.
In der Kurvenfahrt des langen Fahrzeuges schwang dieses Ende mit
großer Geschwindigkeit aus in die Fahrtrichtung in die Batsebas Mann nun fuhr.
Dieser geriet mit dem gesamten Fahrzeug darunter. Die Eisenplatte rasierte
alles oberhalb der Kühlerhaube vom gesamten Wagen ab. Einen kurzen Augenblick
sah David einen dunklen Blutstrahl emporsteigen, dann zog der Laster weiter.
Der Fahrer hatte von dem Unfall nichts bemerkt. Hinter ihm blieb das flach
gedrückte Auto etwas schräg auf der Straße zurück. Daneben lagen die
abgescherten Autoteile und irgendwo das grausame Stück eines menschlichen
Torsos.
David war nicht gelähmt oder von dem Ereignis vor
seinen Augen erschüttert, sondern einzig von seinen eigenen Erwartungen. Der
plötzliche Tod von Batsebas Mann berührte ihn weniger als die Unwissenheit über
ihren Verbleib. Darüber brach er in Tränen aus. Passanten deuteten das als
Entsetzen über den Unfall und nahmen ihn in die Arme, um zu trösten.
Das hielt er aus. Er wollte sich nicht verraten. Vor
sich selbst empfand er große Erleichterung, gestand sich aber auch eine
schlimme Mitschuld an dem Unfall ein. Die würde er für sich behalten. Er sah
nun einen klaren Weg, den er beschreiten wollte, um Batseba ganz für sich zu
gewinnen. Im Augenblick fand er jedoch keinen Anfang dafür. Es belastete David,
dass er immer noch nichts von ihr gehört hatte und hoffte in den nächsten Tagen
eine Traueranzeige zu finden. Die sollte ihm Aufklärung bringen. Wenn er
wenigstens eine Anschrift wüsste oder ihren ganzen Namen. Und es war ihm immer
noch nicht klar, woher Batsebas Mann seine Adresse hätte haben können.
Vielleicht war Batseba klüger als er vermutete und hatte sich im Hotel seine
Adresse merken können. Alles war verbunden mit viel Vielleicht und Zufällen. Eine
Traueranzeige fand er nicht, auch seine Suche im Internet blieb zunächst
umsonst. Als er aber zufällig eine Spamnachricht verfolgte, traute er seinen
Augen nicht. Es lag dort eine Nachricht von Batseba vor, die sie einen Tag nach
ihrem Treffen an ihn geschickt hatte. David wusste nicht wie das hatte
passieren können, dass er sie hatte übersehen können und war begierig sie zu
lesen. Sie schrieb darin:
„Geliebter,
über alles Geliebter. Mein Mann hat mich entdeckt und meine neue Liebe. Von dir
habe ich nichts erzählt, aber ich musste ihm Treue auf immer und ewig schwören,
damit er mir verzeihen würde. Was soll ich machen. Rette du mich. Zeig uns
einen Weg. Ich weiß nicht, ob du mich noch lieben kannst. Ich habe so viel
Sehnsucht, aber ich sehe keinen Weg. Wenn ich nichts von dir höre, werde ich
denken, dass deine Liebe zwar unendlich schön war, aber dich nicht völlig
erfüllt. Ich werde dich immer vermissen. Ich liebe dich auf ewig. Batseba.“
Darunter stand ihre vollständige Anschrift. David
holte tief Luft.
Plötzlich hatte er nicht nur
ihre E-Mail-Adresse sondern auch ihre komplette Anschrift Er wollte sofort auf
die E-Mail antworten, musste sich aber besinnen, denn er konnte vor Aufregung
nicht schreiben. Ihm zitterten die Hände und seine Finger gingen eigene Wege
auf der Tastatur. Außerdem, wo und wie sollte er beginnen. Er machte eine
Pause, weil er einen Einfall hatte. Er rechnete sich aus, in welchem Monat
ihrer Schwangerschaft sie sich befand. Es musste der vierte Monat sein. Bei dem
Gedanken wurde ihm übel vor Aufregung, dass er sich beinahe übergeben musste.
Er saß in seinem Zimmer
vor dem Computer als seine Frau anklopfte und eintrat. Sie entdeckte sofort
seinen Zustand und traf nach Frauenart gleich ins Schwarze: „Du bist verliebt
und nicht in mich. Ich mach es dir leicht, nein uns. Es ist kein Weltuntergang
für mich. Ich ahnte es schon länger und, ehrlich, es kommt mir entgegen. Sehr
sogar“. Das hatte er nicht erwartet, und es bedeutete, dass auch sie sich schon
lange innerlich und vielleicht auch anders von ihm getrennt hatte. Er war sehr
von sich enttäuscht. Der Gedanke von ihr verraten worden zu sein, schlich sich
zwar ein, aber es entstand kein Groll. Sie hatten sich so sehr voneinander
entfernt, dass sich für sie, aber nicht für ihn wohl eine besondere Art
Freundschaft aufgebaut hatte. Er hatte für sich einen Spruch: Freundschaft
zwischen Mann und Frau gibt es nicht.
Sie äußerte sich nicht weiter.
David saß zwischen den Stühlen, befand sich
zwischen Baum und Borke. Von Batseba wusste er ja nur durch die letzten Worte
ihres Mannes. Er wollte sie nun aber endgültig ganz für sich gewinnen und
dachte nach. Es graute ihm vor einer Aussprache mit ihr. Die wollte er mit
allen Mitteln umgehen.
Er rief einen Blumenladen in seiner Nähe an und
bestellte
vier große, weiße Rosen und vier große, rote. Die
Verkäuferin sollte einen Brief dazu legen. Darin ließ er schreiben:
„Meine über
alles geliebte Batseba.
Vier weiße
Rosen sind für jeden Monat deiner werdenden Mutterschaft und vier rote sind für
jeden Monat, den wir uns nicht gesehen haben. Ich möchte dich treffen, dich
sehen und mich mit dir aussprechen. Ich liebe dich. David“.
Beim Diktieren fragte er sich,
woher Batseba seine E-Mailadresse hätte gehabt haben können, und ihm fiel ein,
dass er in Gewohnheit im Hotel den Anmeldebogen damit versehen hatte und dass
sie mehr Geschick als er gezeigt haben musste, um an Information über ihn zu
gelangen. Anders konnte er sich das nicht erklären. Über die war dann wohl auch
ihr Mann an seine Adresse gelangt.
Die Rosen wurden zugestellt, und Batseba meldete sich erneut. Sie schlug ein Wiedersehen im Hotel
vor. Das machte ihn glücklich, aber auch unsicher, denn wie sollte er ihr den
Tod ihres Mannes schildern, wenn sie Genaueres wissen wollte?
Als sie sich trafen, hatte
David ein Geschenk für sie in seiner Jackentasche, traute sich aber nicht, es
ihr zu überreichen. Sie war hereingekommen mit einem nicht ganz knielangen,
weiten Röckchen aus blauer Seide. Der untere Saum war leicht gekräuselt. Dazu
trug sie eine cremefarbene Bluse mit kurzen Ärmeln. Die und die Vorderseide
waren gesmokt, es hingen überall kleine, blaue Bändchen. Es war warm, und die
Sonne schien noch sehr hell. Batseba war wohl aufgeregter als er und sie lag
gleich in seinen Armen. Das machte ihm die Begrüßung sehr leicht. Er nahm ihr
Gesicht in beide Hände und küsste sie auf den Mund und auf die Stirn und wieder
auf den Mund. Batseba fand ihre Sprache wieder: „Ich habe mich so über die
Rosen gefreut und der Brief war so süß! Danke, danke, danke. Woher wusstest du
von meiner Schwangerschaft? Das
kann ich nicht verstehen“! Mit dieser Frage hatte David nun gar nicht
gerechnet. Woher sollte sie wissen, dass ihr verunglückter Mann bei ihm gewesen
war. Sie konnte gar nichts wissen. David war überfordert und ließ sie sich erst
einmal Platz nehmen. Sie bestellten Getränke und David sagte: „Das hat mir dein
Mann gesagt“. „Wieso? War der hier gewesen? Hattet ihr euch getroffen? Hier im
Hotel“? David: „Nein, nein. Er hat mich bei uns zu Hause abgefangen. Also,
meine Frau war nicht dabei. Es war eine kurze Begegnung auf der Straße. Er
wollte wissen, ob er bei mir richtig war und hat mir deine Schwangerschaft an
den Kopf geworfen. Mehr war eigentlich nicht. Er wollte dann sofort wieder los.
Er war ja nicht aufzuhalten, musst du wissen. Alles ging sehr schnell. Er ist
gleich danach unter den Laster geraten“. Sie: „Hat er irgendetwas gesagt, dass
er sich das Leben nehmen wollte oder so, verstehst du. Ich hatte ihm ja meine
Liebe zu dir beichten müssen. Weißt du, ich hatte unsere Anmeldungen im Hotel
mit meinem Handy fotografiert. Das mache ich immer so. Alles was ich
unterschreibe, fotografiere ich. Aber die Zettel waren so klein und ich wollte
mich beeilen, da habe ich beide Anmeldungen, deine und meine, zusammen auf dem
Bild gehabt. Das war mir doch auch gleichgültig. Aber nun leide ich unter einem
schrecklich schlechten Gewissen, dass ich vielleicht Schuld bin an dem Unfall,
dass es kein Unfall war, sondern Absicht von ihm. Das Foto hatte er gefunden
und mich gleich ausgefragt. So kam alles raus. Andererseits musst du wissen,
dass er Rennfahrer war und immer viel riskiert hatte. Er übte Autofahren im
Stehen. Das musst du dir mal vorstellen. Welch ein Leichtsinn! Viel Geld kann
ein Rennfahrer normalerweise auch nicht verdienen. Ganz im Gegenteil. Die
Fahrer müssen noch Startgelder bezahlen. Es war gut, dass ich meine eigene
Arbeit hatte. Ich habe nur in Angst um ihn gelebt und um mich. Deswegen haben
wir auch keine Kinder. Es musste ja irgendwann einmal etwas geschehen. Und nun
das. Es muss schrecklich gewesen sein“. Es sprudelte alles aus ihr heraus und
er spürte ihre Verzweiflung überdeutlich. Er staunte, dass Batseba nicht in
Tränen ausgebrochen war. Trotzdem wollte David sie beruhigen und schloss sie
wieder in seine Arme: „Ich habe von dem allen ja nichts gewusst und von dem
Unfall praktisch auch nichts mitbekommen. Es ging alles viel zu schnell. Ist
denn die Polizei noch bei dir gewesen“? Sie: „Ja, natürlich. Man hat mir ja die
Nachricht überbracht. Und jetzt ist es schon wieder so lange her“.
David atmete auf.
Über Batsebas Gesicht huschte das Lächeln einer Gewinnerin. Eigentlich
fühlte er sich als Sieger, denn nun würde er niemals mehr mit ihr über das
verhängnisvolle Gespräch mit ihrem Mann reden müssen. Welch eine Erleichterung
und welch ein Widerspruch. Er war der Gewinner und sie fühlte sich anscheinend
als Siegerin. Ihre glückliche Mine konnte er sich nicht erklären. Trauer oder
doch Traurigkeit bei ihr hätte er verstehen können. Er dachte, Frauen sind eben
anders als Männer.
David fand nun Mut, wenngleich in ihm auch die
Frage auftauchte, ob dies wirklich der geeignete Augenblick dafür sei, und
blickte ihr aufrichtig in die Augen: „Ich habe mich von meiner Frau getrennt,
ganz getrennt. Wir sind uns einig und müssen ein Jahr warten. Das will ich aber
nicht. Deswegen frage ich dich, ob wir zusammenziehen wollen, ob du meine Frau
werden willst. Willst du mich heiraten“? Batseba öffnete den Mund weit und
stotterte etwas in einer ihm nicht bekannten Sprache. Dann sagte sie: „Das ist
hebräisch und heißt Ja, Ja, Ja. Ich will, ich will: warten und heiraten. Ja,
ich will“.
Dann sprach sie noch etwas in der anderen Sprache
und sagte: „Das bleibt mein Geheimnis. Das übersetze ich dir nicht“.
David holte sein kleines Kästchen aus der
Jackentasche, öffnete es und überreichte ihr daraus einen blanken Goldring mit
einem Mondstein, den er ihr an den Mittelfinger der linken Hand steckte. Das
und die besonderen Umstände, in denen sich Batseba befand, erlaubten eine Heirat
vor Beendigung der Trennungszeit. Sie war glücklich, wusste das und dankte ihm
mit einem Kuss erst auf die Wange und dann auf den Mund.
David aber behielt auch ein Geheimnis in seinem Herzen.
Wegen seines Verhaltens ihrem Mann und seiner Unehrlichkeit ihr gegenüber,
würde das Schicksal sein Leben lang mit ihm hadern. Das nahm er als unabdingbar
hin.
Batseba bekam ihr Kind, einen Jungen, als Davids
angetraute Ehefrau.