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Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987 …da liegt mein Herz, Geschichten aus Niemandsland 2022 -2024 (im Entstehen) z.B.: 100 Jahre „Kafka“, eine herrenlose
Fundsache (neu)
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zu Olympia
– olympische Spiele! |
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online und im Buchhandel |
Lyrik, Prosa und Ingenieurarbeiten |
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Der vorliegende Gedichtband spannt als Epos
aus 26 Teilen einen
zeitgenössischen Bogen in schillernden Farben über das Geschehen. Erwartungen, Hoffnungen und Versprechen auf
Liebesglück reihen sich aneinander. Die Verliebten könnten zueinander finden,
aber die Gesellschaft und das eigene Ich hindern jeden ihrer Schritte: |
Bärbel und Harald Harald Birgfeld Epos,
ein Gedicht in 26 Teilen direkt online bestellen sowie im Buchhandel, 132 Seiten, Format A5. € 7,90 inkl. MwSt. Zum Buchshop © 2018 ISBN: 9783748130628 „Bärbel und Harald“ ist auch in den USA, Großbritannien
und Kanada unter obiger ISBN und
bei abweichenden Preisen bestell- und lieferbar. Auch als E-Book € 4,99 Zum Buchshop ISBN 9783748186403 |
Die Zeit, so dachte ich, Heilt alle Wunden. Zweimal kam sie noch an ihren alten Arbeitsplatz zurück, Nur zu Besuch, Und saß an meinem Tisch Und ließ sich dort ganz fröhlich über alles aus, Und unsere Gedanken, Die wir uns in neuen, frischen Kleidern zeigten, Kamen, gingen eigentlich Mit völlig andren Worten , als wir sprachen, Über unsren Bogen hellen Lichtes. Der stand wieder knisternd über uns Und ließ sich nicht betrügen, Und er stand auf unsren Köpfen kopf. |
Copyright 2018
beim Autor, Harald Birgfeld, alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser
Veröffentlichung darf ohne schriftliche Erlaubnis des Herausgebers, Harald
Birgfeld, reproduziert werden. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,
Übersetzungen, Verfilmung und Einspeicherung sowie Verarbeitung in
elektronischen Systemen.
Weiblich
sein, Ich
hätte nichts dagegen, Sein
Gequältsein, seine Wunden, Würde
ich dann nicht mehr sehen, Sondern
den Verlauf der Frauenhaare. |
Hätte
man die Frau als Jesus kahl geschoren, Würden
meine Augen Über
ihre Züge laufen, Über
ihren Leib natürlich, Der
wär nach wie vor ans Kreuz geschlagen, Wäre
voller Sterben, Und
für mich voll Leben, Wär
für mich alleine Eine
ganz besondere Besonderheit, Es
wär nicht sie, die litte, Sondern
ich; In
ihrem Leib könnt ich mich wahrhaft Wiederfinden. |
Sonst,
so sehe ich sie vor mir, Wäre
sie wohl eine zarte Frau, Sie
würde Ausdruck haben, Ähnlich
der Pietá Michelangelos, Der
Mona Lisa Leonardos. |
Die
Gedanken, die ich dazu habe, Sind
mit Kitsch beladen, Und
man soll nicht denken, Dass
ich mir den Jesus weiblich wünsche, Das
wär falsch. Ich
hätte nur dagegen gar nichts einzuwenden, Und
ich denke auch, Der
Arzt, der mich behandelt, Wäre
besser eine Frau, Und
einmal habe ich schon Glück gehabt, Denn
jetzt bin ich bei einer Zahnärztin. Ich
glaube, sie ist Polin. Und behandelt mich, So
wie ich mich behandelt wünsche. Es
entsteht in mir Ein
königliches Selbstgefühl, Ich
könnte mich ihr völlig überlassen, Und
ich denke auch, Sie
hätte als die Mörderin an mir, Ein
leichtes Spiel, Ich
ließe mich von ihr, fast wie gelähmt, Zu
Tode quälen. |
Der
Gedanke kitzelt mich Und
schüttet eine Wohligkeit auf mich, Der Schrecken des Erwachens, der dahinter steht, Reicht nicht mehr aus, Mich
in die Wirklichkeit zu locken. Frauen
haben eine Welt in ihren Händen, Die
ich nie begreifen werde, Die
ist maßlos fern von meiner, Und
je näher sie mir steht, Steht
sie mir um so weiter weg. Ich
kann zum Beispiel jene Frauen nicht verstehen, Die
behaupten, dass das Leben aus dem Weltall kommt. Es
gibt in dem Zusammenhang Die
Frauengruppe: Frauen, die sich in geschützten Gärten Nackend
mit gespreizten Beinen In
die Sonne legen, Auf
das Weltraumsperma warten, Das
in ihre Scheiden dringen soll. |
Mich
stört ja nicht die Dummheit, Die
versteh ich nicht, Auch
nicht das Glauben ans Geschehen Oder
das Vertrauen auf Unmöglichkeit, Mich
stört, so glaube ich, An
diesen Frauen, dass sie sich So
ohne weitres von den Männern wenden. Noch
ein Beispiel Für
mein Unverständnis, Zielt
auf eine andre Frauengruppe, Alles
Künstlerinnen, Die
ich auch nicht sehen, Nichts
von ihnen hören mag. |
Um
sich in dieser ungerechten Welt der Männer, Wie
sie sicherlich zu Recht behaupten, Durchzusetzen, Schufen
diese Frauen einsam und gemeinsam Ein aus
Ton gebranntes Kunstwerk, „Dinner Party“, Das
als „Fest der 1000 Frauen“ Namen
aller Frauen trägt, Von
denen man inzwischen weiß, Wie
stark sie waren Und
in fremder und in eigner Sachen dienten, Kämpften
und verloren, siegten Und
gewannen. |
Dieses
Kunstwerk haben diese Frauen Rundherum
mit Kacheln schönster Formen Ausgeschmückt
und damit einen Tisch gedeckt, Und
was mich daran stört, Was
sie entblößt und das Intimste zeigt, Das
eine Frau doch niemals ohne ihrer selbst, Wenn
überhaupt, Der Öffentlichkeit
überlassen würde, Ist,
dass diese Kacheln Als
ein metergroßes Mosaik Entfremdeter
Vaginen anzuschauen sind, Man
isst von ihnen. |
Dieses
Kunstwerk ist mir völlig Unzugänglich,
fremd, unnahbar, Und
der Zugang sollte doch natürlich sein. Wenn
ich nun beim Gestehen bin, Dann
gebe ich auch zu, Dass
ich ein Bildnis, Das
ich nicht zu denken wage, Immer
wieder vor mir sehe. |
Ursprung
dafür ist, Dass
eine ausgestreckte Hand Den
abgeschlagnen Frauenkopf Am
Nackenhaar hoch in die Lüfte hebt. Es
ist ein glatter Schnitt, Und
meine Phantasie verbindet diesen Frauenkopf Mit
einem Rumpf Und
trennt ihn immer wieder Von
den mir bekannten Frauenleibern. |
Schmale
Schultern, schlanke Körper, Frauen,
die sich bücken, Schöne
Frauennacken mit ein wenig Flaum Verführen
mich zu diesem Bild. Ich
bin dabei getrost, Es
fließt kein Blut, Und
trotzdem suchen meine Augen Ganz
genau den Schnitt, Der
setzt von hinten an. Das
Bild, erinner ich, Stammt
aus der letzten Köpfung Einer
Bremer Mörderin, Der
wurde, sagt man, nicht der Kopf geschoren. |
Ich
empfinde keinerlei Triumph Und
keinerlei Befriedigung Und
kein Bedauern, nichts, In
mir ist alles abgestumpft. Es
ist ein monotoner Ablauf, Wolken
sind es, Die
sich hoch am Himmel ineinander schieben Und
sich trennen, Sich
erneut zusammenfügen Und
dann auseinanderlaufen. |
Ich
bin des Öfteren in einem Haus Mit mehreren
Etagen. Darin treffe ich
auf Angestellte, Mitarbeiterinnen
und Kollegen. Vor zwei Jahren
oder länger fing dort eine Neue an, Kurz unter dreißig
Jahren, Und der sträubte
sich, Als ich ihr
erstmals „Guten Morgen" sagte, Gleich das
Silberfell der Arme. Das sieht man bei
blonden Frauen gut, Und ihre Augen,
ihre Haare Und ihr schräg nach
vorn geneigter Nacken, Fielen mir gleich in
die Hände, Ohne dass sie meine
Räuberei bemerkte. |
Später allerdings
entdeckte ich, Das wusste ich nur
jetzt noch nicht, Dass ich der mehr
Beraubte war Sie hatte mir im
ersten Augenblick Die Stimme, meine
Augenfarbe, Was ich sagte, Und viel schlimmer,
Alles, was ich
sagen wollte, sagen würde, Schon im Vorhinein
gestohlen. |
Die Gedanken, die
ich hatte, Hatte sie mit
diesem ersten Angriff, Den ich noch als
Sieg für mich verbuchte, Mir so tief
gestohlen, Dass ich mich durch
sie Zum eigenen Gefängnis
machen ließ Und dachte nur und
nur und nur an sie Und kehrte immer
wieder, immer mehr Von allen, allem
andren fast, wie heim zu ihr. Den Gegenangriff Hatte ich sofort
und instinktiv gespürt Und ihn als
Sympathie gewertet, Und ich wusste
auch, Sie hatte einen
Mann, Und alles würde im
Gerede bleiben Und es würde nichts
in diesem Hause Ins Gerede kommen, Und für mich war es
genau das gleiche. |
Meine
Frau konnt ich ja nicht betrügen, Und
ich schrieb an einer großen Sache, Die
stand grade auf Und
brauchte mich total, Und
außerdem, Das redete ich mir seit Kurzem wieder ein, Geschah im Leben alles unter einer Höh‘ren
Ordnung, Die
hätt diesen Einbruch Nur
als Fügung zugelassen, Nicht
als Willen meinerseits. Trotzdem,
Ich
malte mir in einer Ehrlichkeit, Die
ich nicht lassen konnte, Alle
Chancen bei ihr aus, Und
sie wohl auch. Ich
strich die Segel, Wegen
dieser Aussichtslosigkeiten, Und
behielt den Eindruck ihrer Sympathie. |
Sie
hatte in den zwei Sekunden, Die
ich „Guten Morgen" sagte, Eine
große Schlacht geschlagen, Und
ich gab mir keine Mühe Einen
Blick in ihren schönen Kopf Zu
werfen. Sie
hingegen sah schon festes Land, Und
über ihren Hals ergoss sich Dunkles
Rot, das stieg schnell auf Das
steckte ihre Wangen an Und
ihren Mund, Der
war sonst ungeschminkt, Stieg
bis in ihre Augenlider Und
darüber in die Stirn.. |
Sie
kannte sich genau. Ihr
blondes Haar stand auf der Schulter, Stützte
sich als Bilderrahmen, Als
ein hochgestellter Kragen Darauf
ab, Ein
Vorhang, der Kulisse hatte, Und
sie sagte fest, Mit
einem Willen, der erschrecken lassen könnte Und
zugleich mit einem Unterton, Der
galt nur mir: „Das
wünsch ich Ihnen auch“. Die
Augen heftete sie an den Boden, Und
ich riet, wie weit die Wurzeln dieser Röte In
die Tiefe stießen, Und
sie ließ mir Zeit Darüber
nachzudenken. |
Gegenüber
saß die andre Frau, Ein
freier Mensch, Den
immer frohe Laune stach, Dass
ich sie manchmal darum mied, Die
kam dazwischen: „Ihr
in eurem Alter braucht euch vor Verlegenheit Nicht
zu verstecken“, Und
wir schreckten beide hoch Und
sahen sie mit aufgerissnen Augen an. |
Ich
musste mich erinnern, Wo
ich war, und grüßte sie Und
sagte zu der Neuen, Dass
ich mich das eine und das andre Mal Hier
sehen lassen müsste, Um
ihr ihre Arbeit zu erklären, Und
um sie nach Fragen abzufragen, Falls
sie welche hätte, Und
die Unterschriften, Die
sie von mir brauchen würde, Gäbe
ich an meinem Tisch, Der
stünde zwei Etagen tiefer; Und
für mich war es nicht neu, Die
Neuen einzuweisen, Und
ich achtete aus vielen Gründen Stets
darauf, Dass
immer eine weitere Person zugegen war. |
Die
Unterschriften gab ich nur An
meinem Tisch. Dort
gab es immer und für alles Leute, Die
die Augen vorn und hinten hatten Und
mich sehen konnten, Und
ich war zugleich in meiner Ecke So
getrennt von denen, Dass
ich die Gespräche führen Und
auch wählen konnte, wie es nötig war Und
wie ich selbst es wollte, Und
ich konnte auch Gespräche Ganz
dem Partner überlassen, Niemand
konnte uns verstehen. |
Von
dort oben zog ich mich verwirrt zurück Und
schämte mich dafür vor mir: ‚Du
bist wohl drauf und dran dich zu verlieben! Bist
ein Trottel, hast Familie, Bist
schon über fünfundvierzig Jahre, Siehst
doch allen Frauen nach, Und
meistens wegen einer Kleinigkeit. An
die gewöhnst du dich wie an die anderen. |
Denk
an die eigne Frau, Und
lass das kindische Benehmen sein, Und
reiß dich doch zusammen, Denk
an ihren Mann, Den
kennst du nicht. Lass
dich nur nicht so schnell dort oben Wieder
blicken Und
bedenke Eine
Frau aus zweiter Hand Würdst
du nie nehmen, so groß Kann
die Liebe gar nicht werden, Und
ein Abenteuer kommt für dich Am
Arbeitsplatz niemals in Frage.‘ |
Also
rettete ich mich Und
war schon auf der Flucht, Und
fühlte mich auch überlegen, Und
in mein Gedankengut Sah
ich den Keim von ihr gelegt, Der
zündete als eine Explosion Nach
innen. |
Wo die Arbeit, wo
uns das Geschäft, In Ruhe ließ. Es tat sich nichts,
Und wir versuchten
alles Ins Gespräch zu kommen,
ohne aufzufallen, Ohne unbesonnen uns
zu offenbaren. Ich erfuhr von ihr, Dass sie noch keine
Kinder hatte, Und wir sprachen
über viele intressante Dinge, Kunst und
Wissenschaft, Sie hatte grad ihr
Studium Erfolglos
abgebrochen und lag so wie ich Stets auf der Lauer
nach dem Denkbaren. Wir trafen uns bei
ihr dort oben, Und bei mir dort
unten, Und wir waren nie
allein Es sei denn, dass
wir in die Pause gingen Und das Haus
verließen, Um in der Kantine
unter anderen Allein zu sein, Das war für mich
als säße ich einem Kino Und versuchte auf
die Leinwandhelden Einzureden. |
Jeder von uns
beiden sprach am anderen vorbei Und meinte ihn doch
pausenlos zu meinen. Damals richtete ich
manchen Weg so ein, Dass ich in ihre
Nähe kam, Der morgendliche
Weg war mir genauso recht Wie unser
Treppenhaus, Und immer häufiger
sprach ich mit ihr. Sie hatte eine
Eigenart, der war ich Auf der Spur. Sie konnte mich mit
Argumenten fangen, Die ich selber
spürte Und oft vor mir
hatte, Aber nie aussprach, Sie konnte mir die
Sicherheit, Die mich umgab, Die ich für meine
große Sache, Eine dichterische
Arbeit, brauchte, Rauben. Konnte alles
schnell ins Wanken bringen, Und sie führte mich
an Punkte Meiner
Unzufriedenheit. |
Und ihre Argumente
waren, Dass ich durch und
durch verlogen wäre, Und ein typisches
Produkt totaler Hörigkeit. Ich sollte endlich
einmal Irgendetwas nur für
mich entscheiden, Und nicht immer so,
wie ich wohl meinte, Dass es andere von
mir erwarteten. Ja, wenn ich
meinte, dass ich mich In meiner
Schreiberei, die neben dem Beruf geschah, Nicht frei
entfalten könnte, Sollte ich doch
alles ‚an den Nagel hängen‘ Und mich ganz dem
Antrieb überlassen, Und man sähe ja auf
Anhieb, Dass ich zu den
Opfern meiner Umwelt zählte, Und sie sähe es mit
Schmerzen Und Bedauern, Dass ich mich auch
ihren Argumenten näherte, Und keinen festen
Standpunkt Außer monotoner
einstudierter Litanei Mehr von mir geben
könnte. |
Später
sagte sie auch so, Es
gäbe eine Möglichkeit, Die
könnte mir die Freiheit bringen, Und
ich dachte lange nach und kam nicht drauf, Und
dachte auch, Wie
frei ich wirklich wäre, Und
von ihr war ich schon lange nicht mehr frei Und
fuhr in eine Unfreiheit, die mir gefiel. Bei
ihr, so dachte ich, wär alles anders. Eines,
fiel mir plötzlich ein, War
unbedacht von mir Und
nicht bedacht Und
nur in meiner Phantasie vorhanden, Denn
ich nahm es still und schweigend an, Dass
diese Frau mich lieben könnte, Dass
es sich um diese, Frau zu werben, Lohnen
könnte, Dass
es bei uns beiden aber nicht zum Schüren Einer
Glut Und nicht zum Zünden eines Feuers Kommen würde. Woher wollte ich nur wissen, Dass
sie überhaupt an Liebe dachte? |
In
Gesprächen kamen wir uns näher, Eigentlich
nur, um uns nah zu kommen, Und
sie war doch eine Frau In
fester Hand Und
sprach sehr gut von ihrem Mann, Und
ich sprach gut von meiner Frau, Und
über beide sprachen wir sehr wenig. Sicher
sprach sie nur mit mir Um
der Gespräche willen, Alles
intressierte sie, Und
die Gedanken an die Liebe Brach
ich endlich ab, Und
schalt mit mir Und
war ein Tor davor Und
hatte nur an mich gedacht Und
nicht an sie. In
Zukunft wollte ich viel sachlicher Und
nüchterner mit ihr verkehren, Und
das würde sie verstehen, Und
ich sprach sie einmal darauf an Und
richtete es ein, Dass
wir alleine waren, Und
ich sagte ihr, Dass
ich sie gerne sähe, Und
ich hätte mehr als Sympathie Für
sie entdeckt. |
Die
würde aber schnell an eine Grenze stoßen, Wo
auch andere mit einbezogen werden müssten, Ob
wir wollten oder nicht, Und
bat sie um Entschuldigung, Weil
es an mir gelegen hätte, Und
ich sagte noch im Spaß, In
meinem Horoskop hätt ich gelesen „Hände
weg vom Löwen, Der
ist Gift für einen Skorpion“, Und
sprach natürlich von uns beiden. Sie
war Sommerkind Und
ich im Herbst geboren, Und
sie sagte keck und wurde gar nicht rot, Dass
sie mich liebte, Und
sie ließe nicht davon Und
zeigte mir den Ausschnitt Eines
andren Horoskopes, Den
sie aus der Tasche holte. Und
ich musste lesen, Was
für sie geschrieben stand „Der
Skorpion ist Ihnen Wie
ein Dolch in einer Wunde, Der
sticht fort und fort“. |
Ich
fand die Warnung gut Und
dachte auch an ihren Mann, Das
sagte ich Und
sie sofort, Der
ginge mich nichts an. Ich
dachte an Zuhause und an den Betrug, Den
ich begann, Betrug
auch an dem großen Werk, Das
ich zu schreiben hatte, Und
an meinem Gott, Den
wagte ich ihr erstmals ganz zu zeigen, |
Und
sie lachte über mich Und
sagte noch „Du
wirst es nie begreifen Und
versuchst es allen, selbst den Unsichtbaren, Recht
zu machen, Das gelingt dir nicht, Denk einmal nur an dich, Und sage mir, dass du mich liebst!" Ich
schwieg sofort Und
hätte auf mein Herz geachtet, Das
schlug Sturm, Und
achtete auf ihren Mund Und
gab ihr einen Kuss. |
Es
fiel mir dabei auf, Dass
sie ein wenig größer war als ich Und
roch an ihrem Haar Und
fasste sie ganz fest Und
ließ sie sein Und
ging verlegen fort an meinen Arbeitsplatz. An
Ordnung war nicht mehr zu denken, Und
sie war sogleich am Telefon, Ich
hörte sie nur atmen, Und ich legte auf und nahm mir vieles vor Und würde sie in allem meiden müssen, Und zugleich besann ich mich auf mich Und maß mein Glück, Es
war noch nicht zu fassen. |
Der Sommer kroch dahin, Wir mieden uns in
diesen Tagen Eigentlich war ich
es, der ihr auswich, Ich war außerdem in
Angst Um meinen
Arbeitsplatz, Und eine Liebschaft
hätte mich den Ganz bestimmt
gekostet, Und ich war sehr
schroff zu ihr Und tat ihr vor den
andren weh Und sagte auch, Dass ich nur noch
alleine Zur Kantine gehen
wollte, Und sie schloss
sich der Kollegin an, Die hatte nichts
bemerkt und rief mich auf, Gerechter zu den
Neuen Und ein wenig
rücksichtsvoller Ihnen gegenüber
aufzutreten. Einmal liefen wir
uns noch im Treppenhaus Ganz unversehens in
die Arme, Und ich war vor
Freude fast besinnungslos, Und unbesonnen
küsste ich sie in die hohle Hand, |
Die hielt ich mir
als Trinkgefäß An meinen Mund, Dann auf die Stirn,
die war ein wenig heiß, Ich dachte, so stürmt
eine Reiterei, Wenn sie auf Beute
ist, Dann wendete sie
sich, so weit es ging zurück, Den Kopf an eine
Wand gelehnt, Und unsre Münder
lagen als zwei warme Rücken Aufeinander, Und es dauerte, bis
sie sich öffneten, Und dabei hielt ich
ihr die Hand, wie Kinder, Die sich zueinander
neigen. Stumm war alles, Kein Geräusch von
uns entstand, Wie lauschten nur
treppauf, treppab, Dann trieben wir
als schnelle Balken, Die ein Strudel
irgendeines Wassers Nicht zu Boden
reißen konnte, An die Oberfläche, Wurden frei von
seinem Sog Und drehten uns auf
unsren Weg zurück. |
Ich ließ sie
endlich los, Die Arme waren lang
gestreckt, Und jeder musste
ans Geländer greifen, Dass er Halt bekam,
Dann war der
Augenblick vorbei, Wir eilten weiter, Ohne uns noch einmal
umzudrehn, Das weiß ich
jedenfalls von mir. Zur Mittagszeit
verstieß ich sie, Das konnte sie
nicht ahnen Heute würde ich
nichts essen, Und der Weg in die
Kantine Sei mir viel zu
weit. In ihren Augen
standen Tränen, Und sie ging
alleine aus dem Haus Und rief mich auch
nicht an. |
In
mir begann ein Sandsturm aufzustehen, Der blies trocken
und sehr heiß. Ich dachte tagelang
an meine Freiheit, Ob es wirklich
keine Freiheit sei, Und mein Zuhause Schnitt am
schlechtesten von allem ab, Und dabei hatte ich
es hier am besten, Alles war, so
dachte ich daheim, durch mich, Durch meine
Rücksichtslosigkeit, Auf meine
dichterische Arbeit abgestellt, Die ließ sich nur
in meiner freien Zeit Bewältigen, Und die ließ keine
Freiheit zu. Ich sah das
Häusliche von nun an Mit Befremden an. Es fehlte mir ja
Raum zum Schreiben, Und die Ruhe war in
dieser Enge nicht zu finden, Und dann hatte ich
den Dauerkampf Mit dem Gewissen,
der Familie gegenüber, Zu ertragen. |
Lange Zeit
entsandte die Familie Hohn und
Drückebergerei in meine Arbeit Und in die
Gedanken, die ich schaffen wollte; Sandte mir mit
Worten Beileidstelegramme
in mein Werk, Sie wusste es nicht
besser, Und sie ahnte
nicht, dass ich mein Schaffen Gegen alles, über
alles stellen würde, Und ich dachte
doch, Dass es ein Auftrag
sei von höchster Stelle, Und der sei an mich
ergangen; Und ich wusste
auch, Dass ich mit meiner
Eitelkeit An einer Waffe
schmiedete, die hing nun Über meinem
Schreibtisch, War auf mich
gerichtet, So bedrohte ich mich
selbst. Es war die Waffe, Die hängt jeder
Dichter über sich Und rechnet täglich
mit der Tötung, Durch sich selbst, Die treibt ihn an
zu schreiben, Die verletzt ihn
dauernd schwer Und lässt ihn auch
gesunden. |
Diese Waffe ist ein
Fallbeil, Das im Gegensatz zu
andren dauernd niederfährt, Das steht im
Blutbad einer Köpferei An dieser einzigen
Person Und steht nicht
still. Die Häuslichkeit
ist eine rücksichtslose Enge Und ich konnte
keinen Raum für mich alleine Schaffen, Dauernd brachen Stimmen
ein, Und jemand hatte
hier zu tun, Ich hing ein Schild
von außen an die Tür, Das brachte wenig
Schutz, Denn, wenn schon
keiner einbrach, Lagen meine Ohren,
meine Augen Auf dem kleinen
Flur davor Und hielten Wache. Als den Tänzer auf
dem Seil Muss man den
Dichter sehen. Niemals darf man
ihn im Schaffen stören, Nicht einmal mit
den Gedanken, Weil die als ein
Zerren an dem Faden Aufgenommen werden Und ihn stürzen
lassen. |
Schwankend
ist sein Leben ohnehin, Und pausenlos wird er zu Fall gebracht Und schlägt sich Wunden, Die
erkennt kein Mensch, Die
heilen auch nur schwer. Für
diese Dinge gibt es selbstverständlich Keine
Lösung, Selbst
ein Schloss mit Dienerschaft, Wie
ich es manchmal denke, Käme
ungelegen, Weil,
und das ist ihm ein Widerspruch, Dasselbe
Leben, das ihn stört, In
seinem Rücken leben muss. Er
muss es spüren, Es
muss ihm die Kehle drücken, Er
darf sich ihm nicht entziehen. So
kam meine Häuslichkeit am schlechtesten davon Und
war vielleicht das Beet Auf
dem allein und einzig Meine
dichterische Arbeit wachsen konnte. Der
Gedanke an die Trennung drängte sich mir auf, Und
ich tat alles, |
Um
mich innerlich und äußerlich vom Haus Und
der Familie loszusagen, Das
kam meiner Arbeit sowieso entgegen, Und
ich wusste nicht mehr ein noch aus Und
rief nach meinem Gott, Der
sollte bei mir stehen, Weil
ich alles, was ich dachte Auch
zugleich gleich widerrief, Und
wenn ich dachte, Dass
ich einen Auftrag zu erfüllen hätte, Fühlte
ich mich auserwählt Und
lachte augenblicklich Über
die Naivität von mir. Ich
konnte so nicht auf mich zählen, Und
ich nahm mich ernst Und
spottete auf meinen Weg, Der
war der Weg des ganz Gerechten, Und
er tummelte sich in der Ungerechtigkeit, Die
richtete sich gegen mich Und
gegen sie Und
gegen ihren Mann Und
gegen die Familie, die ich hatte, Und
sie kam, als Gipfel meiner Ungerechtigkeit, Von
ihm, von meinem Gott; |
Und
hätte mich ein Mensch gefragt „Glaubst
du an Gott?" Hätt
ich mich in Verlegenheit gesonnt Und
sicher nicht bekannt. Der
Neuen gegenüber, Ja,
ich tu mich schwer mit ihrem Namen, Will
jetzt noch nicht Auf
die Passage meiner Lippen trauen, Vor
ihr grub ich alles aus Und
ließ es mir von ihr zerstören. Dumm
ist jeder Mensch, der seine Hand In
kochend Wasser hält. Die
Freiheit, die ich hatte und bedachte, Hätte
ich von einem weiteren Verschluss Befreien
müssen, Das
war dieser Zwang zu schreiben. Nichts
konnt ich mir denken, Das
mich den Entschluss zu schreiben Jemals
hätte reuen lassen können. Alles
war ich dafür aufzugeben Und
zu opfern Und
zurückzudrängen fest entschlossen Und
bereit. |
Der
Zwang zu schreiben, War
der Zwang an sich an mir, Es
war die Möglichkeit auf die ich Zwei
Jahrzehnte hoffnungsvoll gelauert hatte, Und
von der ich schwer geträumt, Auf
die ich ahnungsvoll gewartet hatte, Und
nun stand sie endlich in der Tür, In
einer offnen Tür Und
ließ mich ihre Schwelle überschreiten Und
die neuen Räume mehr und mehr erobern. Nichts
hätt mehr vor dieser Möglichkeit Gegolten, Und
sie brachte einen schwachen Punkt mit sich: Wer
mich in ihr bestärkt Und
unterstützt, sogar gefördert hätte, Wäre
die Verkörperung der Möglichkeit Für
mich geworden. Und
ich sehnte mich danach Und
spielte unentwegt mit dem Gedanken Es der Frau ganz unbedacht zu unterstellen, Und ihr leichtes Spiel mit mir zu machen. So, auf diesem Weg, |
Wär
ich bereit gewesen Alles
aufzugeben. Darin
sah ich einzig die Gelegenheit In
meinem Leben diesem Leben Ohne
Reue zu entrinnen. Neuanfang
mit ihr stand in der Tür, Und
in der Tür stand neben ihr ein Königreich, Das
legte sie mir vor die Füße, Sie
sich selbst dazu, Ich
brauchte nur danach zu greifen Und
mit ihr zu gehen. Neuanfang
und Neubeginn verlangten keine billige Bezahlung. Vieles
würde liegen bleiben Trennung
von Familie, Haus und Arbeitsplatz, Ihr
Mann und Schwierigkeiten über Schwierigkeiten Sah
ich an dem Weg. Ich
wusste nichts von ihr, Nicht
wie sie lebte Nicht,
was in ihr lebte. Letztlich
hätte ich, |
Das
war am schlimmsten, Meine
Treue brechen müssen. Davor
hatte ich die Angst, Weil
dieser Schritt so gar nicht widerrufbar war, Und
sah dabei wie recht sie hatte Und
dass ich das Schlachtvieh meiner Umwelt war Und
dazu hatte machen lassen, Denn
die Treue ist heut nichts mehr wert Und
ist kein Gegenstand der Diskussion, Und
Eifersucht aus diesem Grund Ist
fast schon lächerlich. Ich
litt ganz schrecklich unter dem Gedanken, Und
noch schrecklicher war auszudenken, Was
danach erst käme, Wenn
ich nüchtern und besonnener zu denken hätte Was
hast du getan an dieser Frau Und
an der anderen? Ich
schaffte es, ihr aus dem Weg zu gehen, Das
ging ein paar Tage gut. |
Man muss das Leben eines Angestellten sehen, Der kann sich die
größte Mühe geben, Das nützt alles
nichts. Er hat ein
Allerweltsgesicht zu machen Und kann seinen
Widersachern Nicht entweichen, Seinen Freunden
nicht und, Wenn sie sich
ergibt, Auch einer Liebschaft
nicht, Und nichts von
allem dürfen andre wissen, Und die Arbeit
bindet alle ein Und aneinander, Und nur, wer
neutral und ohne jede Auseinandersetzung Seinen Arbeitstag
verbringt Und ‚funktioniert‘,
Hat eine echte
Chance. Launen und auch
Stimmungen sind tödlich, Und die andren
werden dann, |
Weil sie sich
selbst beherrschen müssen, Unbeherrscht und zu
Hyänen, die den, Der sich gehen
lässt, Im Handumdrehen
auseinanderreißen. Alles das, was
außerhalb geschieht, Bleibt unerwähnt,
so soll es sein, Und kann nicht
schaden. Neuen sieht man
vieles nach, Und andre müssen
Vorbild sein. Wer Vorbild ist, Soll alle gleich
behandeln, Dann darf er sich
sogar Strenge leisten. Wenn ich sie vor
allen stehen ließ Und sie mit Tränen
in den Augen Ganz allein entließ
und ihre Forderung, Sie zur Kantine zu
begleiten, abwies, Dann war das ein
Akt der Strenge, Den die andren, die
es hörten, Gelten ließen, |
Und im Grunde
wehrte ich damit nur die Gefahr Entdeckt zu werden,
von mir ab, Denn meine Liebe zu
der Frau wuchs ungeheuerlich, Und eigentlich war
es ja ein Begehren, Und, dass sie als
erste das Begehren formulierte Und es mir ganz
ruhig hatte sagen können, Hatte einen Riss in
mich getragen, Der als Sprödbruch Durch die dicke
Decke Eis geschossen war, Die hatte unter
einer Nacht gelegen, Und es hatte einen
mörderischen Schrei in mir gegeben, Der verhallte
nicht. |
Die Sommertage waren warm Und viel zu
trocken, Und der Staub stieg
in mir auf. Es war auch so,
dass sich der Sandsturm, Der in meinem
Innern tobte, nicht beruhigte, Und meine Nächte,
meine Träume Wurden zu
dramatischem Entsetzen. Was sie mich
durchleben ließen, Konnte ich am
Morgen nicht mehr wissen, Aber meine Frau
beschwerte sich Und fragte mich, Und schlimm sei es
mit mir, Und meine Rufe,
meine Schreie seien fürchterlich, Und ich war nass im
Schweiß Und suchte mich am
Tage um so mehr zu fassen. |
Meine Frau, so
denke ich, Erkannte die
Veränderung Und konnte sie
nicht orten, Und ich selbst
stritt alles ab Und war in dem
Prozess, Den konnte ich
nicht formulieren, Und ich hatte eine
neue Art Mit der Familie
umzugehen, Die erinnerte mich
an den Satelliten, Dem man lange vor
der Korrektur der Bahn Das
Steuerungskommando geben musste, So ließ ich mich von
ihr dirigieren. Ich war weit, weit
draußen, Und nur selten traf
mich ein Befehl. Ich schwebte fest
im Raum Mit einem Ziel in
Aussicht, Ohne mich nur einen
Zentimeter zu bewegen. |
Eines Nachmittags
rief sie mich an, Wir waren beide im
Büro, Ich möchte diesen
Abend länger bleiben Und mit ihr
spazieren gehen, Dass wir
miteinander reden könnten, Und sie möchte mich
im Park am Wasser treffen Oder wo ich wollte, Nur damit man
endlich einmal miteinander Ungestört und
ungehört Versprechen sprechen könnte, Und sie sagte
gleich: „Ich liebe dich“, Und mich verstünd‘
sie nicht. Ich sagte:
„Ja" und war bereit Und richtete mich
darauf ein Und gab Zuhause
nicht Bescheid, Man musste doch
auch einmal ohne Grund Nicht pünktlich
sein. |
„Mein
Mann“, das sagte sie mir noch, „hat
montags, mittwochs einen Kursus, Der
vermisst mich nicht“. Sie
sagte dies am Telefon mit einer Fröhlichkeit, Als
wollte sie aus unsrer Liebe Kein
Geheimnis machen. Abends
gingen wir getrennt aus dem Gebäude, Trafen
uns sofort danach auf einem Weg Der
sich im Park verlor. Ganz
hinten lag der Fluss, Fast
unbewegt, Die
Schiffe standen still auf ihm. Wir
gingen artig, fassten uns nicht an, Und
meine Neigung hielt ich felsenfest zurück, Ich
durfte ihr nicht in die Augen sehen, Und
sie wollte meine Antwort hören, |
Die
kam so nicht an, Mein
Innenmund schrie noch nicht laut genug. Ich
sagte keinen Ton zu ihr, Die
Stimme blieb in mir. Ich
dachte nur an das, Was
ich mir vorgenommen hatte, Meinem
Wunsch nicht nachzugeben, Und
wir sprachen über eine Stunde lang Und
kamen nicht zum Punkt Und
standen in der Nähe einer Bank. Dort
ließ ich meinen Vorsatz sein, Nahm
sie an ihre Hand Und
setzte sie zu mir Und
gab ihr meine Antwort, Dass
sie sich an mir verschlucken sollte. Sie
war überrascht und nahm mich an Und
hatte den Vulkan in mir entdeckt, Der
brach an vielen Stellen auf. |
Ein
frischer Wind bewegte sich, Der
strich durch eine angenehme Dunkelheit Und
unser Haar. Mein
Mund war tief in ihr Gesicht getaucht, Und
meine Hand lag unter ihrem Kleid, Und
eine Wohligkeit ergoss sich über mich Und
über sie, Sie
ließ es sich gefallen, Und
sie fragte nun nicht mehr und nicht mehr nach, Dann
drängte ich mit meinem Kopf In
ihren Schoß, Und
ihre Hände fassten mich im Nacken, Und
es war ein liebevolles, angenehmes, Nie
gekanntes Beugen ihres Körpers über mich. |
Sie
mochte mich, Und
es war neu, dass mich ein Mensch So
liebevoll berührte. In
Sekunden der Erinnerung, Die
wir nicht steuern können, Die
uns überraschen, Die
wir uns gefallen lassen müssen, Schossen
stolze Worte meiner Mutter Als
Verletzungen durch meinen Kopf: „Ich
habe meine Kinder nie im Arm gehabt Und
nie auf meinen Schoß gesetzt, Wir
hatten dafür immer Personal“. Ich
dachte, dass ich niemals einen Kuss
von ihr empfangen hatte, Niemals
zur Begrüßung, Nie
zum Abschied, Keinen
Händedruck, Nie
irgendeine Zärtlichkeit. In
einem zweiten Augenblick Gestand
ich mir noch etwas andres ein Selbst
meine Frau vermied es, Ihre
Hand auf mich zu legen, Ja,
mich nur mit einem Streicheln ‚anzuregen‘, |
Denn
es endete, so sagte sie, doch immer gleich. Ich
hielt dagegen, Dass
es sowieso und immer wieder so Beendet
würde. Frauen,
die bisher in meinem Leben standen, Hatten
mich nie angefasst, Und
jetzt befiel mich diese Sehnsucht Nach
Liebkosung. Ich
entdeckte sie durch sie ein zweites Mal, So
dass ich innerlich in Tränen stand, Das
wollte ich ihr nie vergessen, Und
ich bat ihr vieles ab Und
sagte nichts zu ihr, Und
dachte auch, Ich
gäbe mich damit noch mehr in ihre Hand Und
schwieg und schwor, Wenn sie ein Gott in meine Augen sehen Und sie darin lesen lassen würde, Sollte sie es wissen und erfahren |
Und
sah zu ihr auf Und
suchte ihre Augen. Fast
gelangweilt blickte sie den Weg hinab. Ein
Ausdruck war in ihren Zügen, Der von keiner Regung sprach, Und ihre Hände kraulten mich, Als hätte sie ein Hundetier auf ihrem Schoß. Ich
kam nun hoch Und
hörte auf ihr Herz Und
drückte ihr mein Ohr fest auf die Brust, Dazwischen
lag nur wenig Stoff, Und
ihre Brust war mir ein königliches Kissen, Hinter
dem vernahm ich einen Sturm, Den
hatte ich dort nicht erwartet, Und
ich glaubte ihr, Dass
sie das lähmte. |
„Wenn
du mich nur etwas liebst", so sagte sie, „Dann
sag es mir, ich will es hören“. Ihre
Stimme war die sanfte Hand, Die
strich die Kissen glatt, Und
sie betörte mich. Die
Augen waren weich im zarten Blau, Die
Haut war blass. Ich
knöpfte ihre Bluse etwas auf Und
küsste ihre Haut, Und
schloss das Kleid Und
war zufrieden; Mehr,
so dachte ich, ist nicht, zu machen; Dann
sprach sie noch einmal: „Oft
hab ich an meinem Herzen Schmerzen, Die
sind fort, wenn du in meiner Nähe bist Und
mich nicht quälst“. |
„Du
solltest mich vergessen Und
ich dich und auch, Dass
ich auf deinem Schoß gelegen habe. Lass,
es sich dabei bewenden, Lass
es wie es ist. Du weißt, Dass
ich nicht kann, nicht will, nicht darf Was
ich gern möchte, Und
auch der Gedanke, Dass
du einem andren Mann gehörst, Macht
mich ganz krank. Ich
kann nicht eine Frau in Liebe lieben, Die
noch eben einem anderen gehört hat“. Darauf
sie „Das
ist ja lächerlich. Für
dich kann ich nicht wieder Jungfrau werden“. |
Und
dann ich „Ich
würde dich für mich auch ganz verlangen Und
mit keinem teilen wollen. Das
ist mehr als nur ein Grund“. Sie blieb ganz ruhig: „Dann nimm dir ein Zimmer Und ich zieh zu dir. Ich
suche mir so schnell es geht Woanders
eine Arbeit. Das
ist einfach, Und
ich mache keinen Spaß“. Ich
sagte: „Nein" und „Nie". |
Und
sie gab eine andre Schmeichelei, Die
war noch süßer und viel schlimmer „Komm
mit mir, Mein
Mann hat seinen Kursus, der kommt spät, Dann
bist du ganz bei mir“, Und
sagte dies mit einer Selbstverständlichkeit, Dass
ich mich vor sie stellte Und
nichts mehr zu sagen wusste. Das
nahm sie als Zeichen Und
stand auf und sah mich freundlich an, Ein
Engel, dachte ich, gesandt, um mich zu quälen, Und
ich wurde derb: „In
euren Betten soll ich toben, Und
dein Mann erfährt davon Durch
irgendeinen dummen Zufall, Schlägt
mich tot, ich weiß nicht was noch alles“. „Ach
das wird er nicht“, sie war ganz ruhig, Sprach
auch leise. „Woher
kannst du das wohl wissen, Ich
wär fürchterlich in meiner Raserei!" |
Das
hatte ihr gefallen, Und
aus ihren Augen blitzte es, Sie
brachte mich voran, das gab ihr Sicherheit Und
Mut. Mir
fiel auch ein, Dass
wir das ‚Sie‘ hier draußen sofort unterließen Und
das ‚Du‘ verwendeten. Wir
mussten in der Firma darauf achten, Und
ich sagte es zu ihr. Sie
sagte: „Mir
ist es egal, was andre denken, Und
die im Büro erfahren es doch sowieso. Ich
glaub, die wissen längst Bescheid“. Das
konnte ich nicht glauben, Und
sie hätte doch mit niemandem geredet. Nein,
sie habe nichts erzählt. Ich
wurde ruhiger und sah sie wieder an „Ich
muss jetzt gehn, Und
mit dir geh ich nicht. Du
weißt nicht, was du in mir angerichtet hast“. |
„An
mich denkst du natürlich nicht. Was
soll mit mir geschehen, Und
mein Mann merkt wirklich nichts, Und
wenn er etwas merkt, ist es nicht schlimm“. „Du
bist total verrückt. Warum
ist es nicht schlimm, Das
kannst du doch nicht wissen“. Alles
war für mich ein Durcheinander, Und
sie sprach in Rätseln, Die
konnt ich nicht lösen, Und
ich nahm mir vor, dass dies die einzige Und
letzte wirkliche Begegnung Mit
ihr bleiben sollte, Dachte
an die Schreiberei, An
meine Frau, die Treue, die ich wahren wollte, Die Familie, Meinen Gott, Den Arbeitsplatz, An ihren Mann, An
das, was nachher wäre, wenn jetzt etwas wäre, Und
an sie, die Frau aus zweiter Hand, Und
sagte ihr: „Ich gehe jetzt“. |
Sie
änderte die Stimme, Wurde
rot und rief: „Du Schwein, Du
liebst mich nicht, Du
liebst nur meine Quälerei !" Und
stampfte mit den Füßen auf den Weg Und
klopfte sich mit ihren Fäusten an die Schläfen, Und
ich kam zurück und sagte noch: „Es
geht doch wirklich nicht, Und
wenn es mit uns etwas werden soll, Dann
arrangiert es sich von ganz alleine, Nicht
durch mich und nicht durch dich“. Sie
schrie nun auf, Und
etwas, das ich nicht verstand, brach aus. Es
war ein Schrei, Den
hatte ich noch nie von einer Frau gehört. Ich
warf mir ihre Quälerei Nun
wirklich vor. Dann
wurde sie mit einem Atemzug, Der
kam von innen, sanft und sagte „Gut,
wir gehen jetzt zum Bahnhof, Und
ich lasse nicht von meiner Liebe, Dass
du es nur weißt. |
Vergiss
es nicht und nie, Und
meinen Mann brauchst du nicht zu bedenken. Tu
als gäbe es ihn nicht für dich. Den
lieb ich auch, und er liebt mich. Es
wäre schön, wenn ihr euch gut verstehen könntet, Und
ihr hättet mich, Und
übrigens mag dich mein Mann gut leiden“. Ich blieb auf der Stelle stehen, Und ich musste ihren Arm ergreifen: „Also sprecht ihr über mich". „Natürlich, seit ich in der Firma bin, Bist du das Hauptgespräch Am
Morgen und am Abend, Und
wir haben auch dein Buch gekauft, Und
lesen die Gedichte, deine Zeilen, Die
sind schlimmer, als du denkst, für uns. Wir
beide mögen dich Und
nicht so, wie du denkst". |
Ich
dachte nicht, nicht irgendwie. „Und
deinen Mann willst du betrügen". „Ich
betrüg ihn nicht, auf keinen Fall mit dir". Ihr
Ton war freundlich und versöhnlich, Sie
war nah an mir. „Ihr
seid euch also einig", Sagte
ich nun mehr zu mir. Erst
an der Tür zum Bahnhof Konnte
ich nicht mehr, Und
mein Verstand nahm nichts mehr auf. Ich
sah auf sie und stellte ihn mir vor, Dass
er mich mögen könnte, Und
es widerte mich an, Und
sie erschien mir als ein Engel Der
in Flammen stand. Ich
stieg in meinen Zug. Sie
blieb zurück Und sah auf ein Plakat und nicht zu mir. Ihr Blick war lang und suchte wie vorhin, Als ich, den Kopf auf ihrem Schoß, Den
Blick nach oben hob. |
Mein Gott war voll Erbarmen. Als ich später, als
gewohnt, nach Hause kam, War die Familie
ausgeflogen. Nur ein Zettel lag
im Flur „Wir kommen alle
erst nach sieben Uhr nach Hause“, Und ich brauchte
nicht mit Lügen aufzuwarten, Und ich nahm mir
ganz fest vor, Von nun an wollte
ich mich Wie ein Mann
beherrschen, Und ich dachte
auch, dass ich das alles nicht verstünde, Denn es wäre aus
der Sicht der Frau Nur gut und
richtig, Wenn sie sich dem
eignen Mann, dem sie vertraut, Auch anvertraut, Und seine Sympathie
für mich Konnt tausend Gründe
haben, Und bei mir fand
ich nur Vorurteil, Voreingenommenheit. |
Und meine
Selbstzufriedenheit an dieser Frau; Und das Gefühl, das
sie mir gab, Ja, dass sie sagte,
mich zu lieben, War ein hohes Maß
an Ehrlichkeit Und Offenheit, Das brachte ich ihr
nicht entgegen. In mir stritten der
Verlust Um wohlbekannte
Dinge Gegen eine neue
Liebe, Die ich gar nicht
zu erringen brauchte, Und ich hegte den
Verdacht Dass ich für sie
ein Spielzeug sei, Dass sie aus einem
andren Grund, als Liebe, Auf mich kam. Ich dachte auch,
sie hätte ein Problem, Das ich nicht lösen
könnte, Und ich gäbe besser
alles auf. Dann dachte ich,
dass sie mit ihrer Liebe Eine Wahrheit
zeigte. Diese Wahrheit sei
nun ich. |
Doch war sie nicht
allein für mich, Ich nicht allein
für sie, Das schränkte alles
wieder ein, Und irgendwie hätt
ich sie gern und ganz Für mich gewonnen. Innerlich war ich
zerrissen, Innerlich war ich
zerweint Und wusste keinen
Rat, Da ging das
Telefon, und ich nahm ab, Und sie war dran
und sprach mich an, Und ich sei fort, Und sie sei nun
allein und bäte mich Und bat mich, noch
einmal zurückzukommen, Und wir könnten uns
in einem Park, In einer andren
Park, direkt im Zentrum treffen, Und sie machte eine
Uhrzeit aus, Die war nicht
einzuhalten, Und ich hatte
keinen Wagen, Und in diesem
Augenblick kam meine Frau zurück, Und ich versprach
zu kommen. |
Meine
Frau erschrak, dass ich das Haus verließ, Und
konnte meine Eile nicht verstehen, Und
ich sagte ihr „Ich
bin schon auf dem Weg zu einer Vernissage Und
nehm den Wagen“. „Nein", rief sie, „den brauche ich noch unbedingt Heut abend", Und
ich nahm die Bahn, Und
alles ging nicht schnell genug, Und
eine Warterei schloss an die andre an. Dann
endlich traf ich sie im Park an einem Wasser, Und
es war dort kalt. Wir
setzten uns auf eine Bank, Und
sie beschwerte sich, Dass
sie mir nicht einmal das Geld für eine Taxe Wert
gewesen sei. |
Sie
war mit ihrem Rad gekommen Und
seit über einen halben Stunde An
der Stelle. Jeder
Vorsatz war dahin. Wir
lagen uns im Arm, Und ihre Hände übergriffen mich, Wir wurden uns einander leiblich Und vermieden unsre Leiblichkeit. Sie rollte über meine Schenkel, Kniete sich von mich Und
legte ihren Kopf in meinen Schoß Und
baute sich mit ihrem Haar ein Nest. Ein
Bild in mir stand auf Es
lässt die Frau die langen Haare In
das Wasser eines Baches gleiten, Hebt
sie seitlich an, und geht mit ihnen Und
dem Wasser, das sich darin hält, Zu
ihm, der liegt im Rasen, Um
ihm seine Stirn zu kühlen. |
Keine
Frau hat je vor mir gekniet, Kein
Mensch hat je mit mir gemacht, Was
sie ganz einfach tat, Und diese Demut, diese Liebe, Dieses Sich- Hingeben nahm ich an Und schwor ihr innerlich den Vorsatz, Den ich hatte, ab. Wir
sprachen wenig, kaum in ganzen Sätzen. Es
war kalt, Und
weit entfernt im Park Sah
ich sich jemand nähern, Und
ich sagte leise, froh gestimmt, im Spaß: „Da
kommt dein Mann". Ich
kannte ihn doch nicht, Und
sie sah auf Und
sagte ganz gelangweilt: „Kann
schon sein. Sein
Kursus ist um diese Zeit beendet, Und
er geht dann immer durch den Park, Wir
wohnen hier ja in der Nähe". |
Ich
versank vor Scham und Angst, Und
ich verstand sie wieder nicht, Und
sah, dass sie vor ihm wohl wirklich Kein
Geheimnis hatte Und
stand auf Und
ließ sie einfach sitzen Und
ging auf den Weg zurück. Ich
kämpfte gegen meine Tränen an. Darin
verbargen sich die Wut auf mich, Das
Selbstmitleid, Die
Ohnmacht meines Unverstandes, Und
ich irrte mich im Weg. " |
Sie
kam nicht nachgefahren, Und
ich kam an einem falschen Ausgang Auf
die Straße, Und
die Busse, die ich nehmen musste, Fuhren
nur noch selten, Und
ich fror von innen und von außen Und
stand unterwegs Und
musste wieder warten, Und
es war nach Mitternacht, Als
ich nach Hause kam. Es
schliefen alle, niemand sprach mich an. Ich
ging ins Bett und wünschte mir, In
dieser Nacht möcht doch ein anderer Der
Träumer meiner Träume sein. |
Ich
weiß nicht, Oh
und wann ich endlich schlief. Am
Morgen ließ man mich in Ruhe, Und
die Augen der Familie Folgten
mir mit großer Neugier, Und
ich dachte dann, du musst doch etwas sagen, Und,
die glauben dir die Vernissage, Und
das ist gut Und
rettet dich vor neuen Lügen. Und
ich sagte: „Gestern ist es spät geworden, Und der Kunstmarkt
bringt nichts Neues.“ |
Tagelang stand nun die Uhrzeit Zwischen uns ganz
still, Und keiner zog das
Uhrwerk auf. Ich ging nicht zu
ihr rauf. Dann stand sie
eines Mittags Vor dem
Schreibtisch, Um mich für die
Mittagspause abzuholen, Und ich sagte: „Nein, heut gehe
ich allein“, und dankte artig, Weil die anderen
uns hörten, Und das machte ihr
nichts aus. Sie ging mit ihrer
Freundin, Und ich war mir
sicher, dass sie auch mit der Die Angelegenheit
bis ins Detail besprach. |
Das war mir recht Und war mir auch
ganz gleich, Denn meine
Schwäche, meine Liebe, Meine, ach, ich
weiß nicht was es war zu ihr, Bestand ja nur vor
mir und ihr Und nicht vor
anderen. In Wahrheit, das
erfuhr ich später, Schwieg sie wie ein
Grab auf ihrem Arbeitsplatz Und redete mit
keinem über das, Was sie für mich
und ich für sie empfand. An einem dieser
Tage rief sie mich von oben an, Das kam nun häufig
vor, Das ließ sich nicht
vermeiden, Und wir hatten dann
Geschäftlichkeiten zu bereden. Diesmal aber sagte
sie „Ich werde nichts
mehr essen, Bis du wieder mit
mir redest“. |
Andre Frauen
hätten, Auch, wenn sie es
zehnmal besser wüssten, Nachgefragt, warum
ich nicht mit ihnen Hätte sprechen
wollen. Sie zog eine
Konsequenz und blieb dabei Und war schon nach
zwei Tagen blass, Und tiefe Ringe
hingen unter ihren Augen, Dass ich mich vor
mir beschuldigte Und wieder mit ihr
essen ging Und bat sie,
meinetwegen, mir zu Liebe, Ihre Folter
aufzugeben, ihre Fasterei zu enden, Und sie fragte mich Und wollte endlich
wissen, Ob ich sie nun
liebe, Und sie glaube
schon nicht mehr daran. |
Ich
stellte meinen Willen in die Ecke, Nahm
mir ihre Hand Und
küsste die am Mittagstisch Von
außen und von innen und sprach so zu ihr: „Ich
will dein Leben Und
mein Leben nicht erschweren, Und
du weißt, Ich
will, ich kann, ich darf dich niemals lieben, Und
du weißt auch, Wenn
es anders kommen soll, Dann
nicht durch meine Hand; Und
weil du mich nun fragst Und
es anscheinend noch nicht weißt, So
sage ich es dir Und sage es dir nur
dies eine Mal Und nie in meinem
Leben wieder, Und
ich werde es vor allen, die es hören wollen, Leugnen, |
Und
vor mir werd ich es nicht in zweites Mal gestehen. Also,
es ist wahr, Dass
ich dich liebe, liebe, liebe, Mehr
als alles in der Welt. Ich
liebe dich und möchte dich, Ja,
alles möchte ich von dir, Und,
glaube mir, Es
fällt mir so unsagbar schwer, Davon
zu lassen, Und
die Liebe, die sich nicht erfüllen lässt, Gräbt
tief in mir ein Grab. Ich
bitte dich darum, Erschwer
uns nicht die Tage, Die
wir wenigstens so nahe beieinander sind, Und
sage diesmal nichts dazu |
Und
glaube mir, Auch
wenn ich es vor dir und anderen Nicht
zeige. Und
die Gründe will ich dir nicht wieder nennen, Eines
aber ist gewisser als gewiss, Bevor
ich meine große Arbeit nicht beendet habe, Meine
Dichtung abgeschlossen habe, Das
wird nicht vor Mitte nächsten Jahres sein, Kann
sich hier nichts erfüllen, Weil
es sich verbietet, Nein,
weil ich es mir verbiete, Nein,
weil ich es mir verboten habe, Nein,
weil ich es nicht erlauben werde“. |
Und
sie holte Luft Und
hielt den Atem an Und
glaubte mir Und
hatte sich, Ich
wusste nicht wogegen, nicht wofür, entschieden. Und
sie sagte: „Wenn
du glaubst, das nehme ich so hin Und
lass durch dich mit mir geschehen, Was
die anderen sich wünschen, Irrst
du dich. Du
hilfst dir nicht, Du
willst mir auch nicht helfen, Und
so nehme ich die ganze Sache in die Hand“. |
Ich
sagte: „Das ist gut, Du
machst, was du für richtig hältst“, Und
ahnte nichts und sagte noch: „Ich
bitte dich, dass du nun wieder isst“. Es
lag mir wirklich viel daran, Und
sie aß eine kleine Speise, Sah
mich dabei lange an Und
sagte: „Wenn
du wüsstest, was ich alles machen möchte, Um
dich zu bekommen, Und
du könntest alles, alles von mir haben“. |
Ich
sah in ein überirdisches Gesicht, Das
wurde eingerahmt von blonden Haaren, Und
ich dankte meinem Gott Für ihre Einsicht, Sagte
davon aber nichts zu ihr Und
hoffte nur, Dass
niemand, der uns kannte, Meine
Zuneigung zu dieser Frau Bemerkt
und wirklich wahrgenommen hatte. |
Und sie schrieb mir
einen Brief nach Hause, Der zwang mich, Obwohl er noch
verschlossen war, Zur Offenbarung
gegenüber meiner Frau. Ich mag es nicht im
Einzelnen erzählen, Und ich mag es
nicht beschreiben, Und ich leugnete
und log Und schwächte alles
ab Und sagte ihr und
mir zum Schluss, Dass wirklich
nichts gewesen wäre zwischen uns, Und meine Absicht
wollte sie nicht hören, Und sie war sehr
ungefasst, Dann wieder sehr
gefasst, Und ich verwünschte
mich und alle Frauen, Und ich sah, dass
sie statt Freude Nur Probleme
brachten. |
Und ich dachte auch
an meinen Gott dabei, Das gab mir etwas
Ruhe, Denn ich hätte gern
gewusst, Warum das alles war
und sei, Und schließlich
waren wir in seiner Hand, Und, das ist wahr, Der Brief, den ich
bekommen hatte, War von mir noch
nicht einmal gelesen worden. Und ich nahm ihn
mit mir mit und las ihn dann Und fand ein
Angebot von ihr darin, Das konnte ich im
Anfang nicht verstehen, Dann besann ich
mich. |
Sie bot mir an, mit
ihr von ihrem Geld zu leben, Und ich brauchte
nichts dafür zu tun Und könnte ganz für
meine Dichtung leben. Sie verlangte
nichts dafür von mir, Als das
Zusammensein. Sie bot mir auch noch
an, Das Sekretariat für
mich zu führen Und die ganze
Schreiberei auf sich zu nehmen, Mir dies
Hauptproblem, Weil sie es so gut
konnte, abzunehmen, Und ich war von
diesem Brief gerührt Und glaubte ihr nun
diese Liebe wirklich, Aber nicht an das,
was sie mir schrieb, Und machte ihr ein
Antwortschreiben Und sah auch, Wie schnell ich
immer tiefer In die Strudel,
diesen Sog, geriet Und fühlte mich
sehr wohl dabei. |
Ich
schrieb ihr, und das meinte ich, Dass
ich ihr meine Liebe niemals hätte Besser
eingestehen können, Als
sie es mit ihren Zeilen machte, Und
die hätten mich nun wirklich überzeugt, Und
vorher, gab ich zu, Wär
ich an ihr noch fast verzweifelt, Und
ich sähe nun, sie wäre sicher meine Chance, |
Die
einzige Gelegenheit mich zu befrein, Doch
wär sie selbst nicht frei, Und
ich wär vierfach unfrei, Weil
ich doch letztendlich treu zu bleiben hätte, Meinem
Gott gehorchen wollte, Meine
große Arbeit zu beenden hätte Und
mir niemals eine Frau Mit
einem andren würde teilen wollen. Und
ich bat sie, mich zu lassen, Und
es könnte, dürfte, sollte doch nicht sein. |
Den
Brief und ihren eignen Sandte
ich an sie zurück, Und
meiner Frau gestand ich, Dieser
Frau nun abzusagen, Und
ich nahm mir vor, Vor
ihr von ihr nichts weiter zu erzählen, Dass
sich langsam Ruhe über alles legen konnte. Außerdem,
nahm ich mir vor, Würd
ich, falls Briefe kämen, Die
in einer Art von Selbstbestrafung Und
um mich zu schonen, Nicht
mehr öffnen, Um
sie nicht zu lesen. Meine
Arbeit konnte ich nicht wechseln, Und
der Arbeitsplatz War
ja noch nicht direkt gefährdet Und
stand doch sehr in Gefahr. |
Ich weiß nun nicht mehr, Wann sich was
ereignete, Und wie es in der
Folge weiterging. Mag sein, dass ich das
eine und das andre In der Reihenfolge
unabsichtlich fälsche Oder schon bis
hierher nicht ganz richtig wiedergab, Das eine überging Und etwas vor der
Zeit erzählte. Sei es wie es sei, Es ist die Schuld
des Kopfes, den ich habe, Der erinnert sich nicht
immer richtig, Und er sieht die
Dinge, die geschehen Oft in einem
ungewohnten Licht, Ich lasse mich dann
blenden Und muss eine
Wirklichkeit ertasten, Stoße dann auf
Wahrheiten, die möcht ich lieber missen Und auf andere, die
bringen mir ein neues Glück, Das hätte ich mit
meinen Augen nie gesehen. Eines Abends
brachte uns ein Taxi Einen Brief, der
war von ihr, Den ließ ich
ungeöffnet. Ich werde dich mir
mit ihr teilen. Du wirst sicher
nicht mit ihr darüber Reden wollen. Weiß sie überhaupt
schon etwas von uns beiden?" |
Meine Frau verstand
mich nicht. Ich sagte nur zu
ihr: „Den möchte ich
nicht öffnen“, Und ich sandte ihn
am andren Tag Zurück in einem
neuen Umschlag, Und ich schrieb
kein Wort dazu. Es kam nun mit der
Post ein neuer Brief, Der war von ihrem
Mann, Den machte ich
nicht auf, Den ließ ich für
zwei Tage liegen, Dachte über seinen
Inhalt nach Und kam nicht drauf Und sandte ihn an
ihn zurück Und schrieb kein
Wort dazu. Sie richtete es auf
der Arbeit ein Und sprach mich auf
die Briefe an, Die könnte ich doch
lesen, Und ich spräche
nicht mit ihr Und riefe sie nicht
an, Und ihre Sätze
waren kurz, Weil man uns nicht
entdecken sollte, Und ich dachte,
ihre Freundin Sei mit ihr im
Bund, und innerlich Schlug ich mir eine
Wunde, Weil ich so
beharrlich schwieg und dachte, Alles könnte man
mit Schweigen überschweigen. |
Und ich sagte
einmal, nur zu ihr, Als wir in der
Kantine saßen: „Wenn wir jetzt
noch Schüler wären, Brächte man uns
anders zur Vernunft. Man würde dich nach
England, Mich nach
Frankreich senden, Wo wir uns
vergessen müssten“. Sie sofort: „Wir
sind nicht Schüler, Ich auf keinen
Fall! Und wer entscheidet
über die Vernunft in mir, in dir? Du bist
versteinert, Und ich habe es mir
vorgenommen, Dich daraus zu lösen, Aber ohne deine
Hilfe werd ich es, nicht schaffen. Du kannst nicht
einmal mehr lieben! Du liebst nichts,
nicht deine Frau, Die Dichtung nicht,
nicht die Familie, Nicht dein Haus Und dass du mich
liebst, glaub ich nicht. Es ist mir auch
egal. Ich weiß, dass ich
dich liebe, Und ich weiß, dass
du zur Liebe fähig bist, Die will ich in dir
wecken“. |
Jedes
ihrer Lächeln, dachte ich, Sieht
unterschiedlich aus, Und
dieses nun ist mütterlich. Ich
dachte auch, So
mütterlich sieht die Zerstörung aus, Die
sie an mir vollzieht, Und
gab ihr recht. Es
machte auch nichts aus, Ob
sie im Recht war oder nicht. Sie
hielt mir beide Briefe hin, Die
nahm ich nicht mehr an. Sie
stand in ihrer Spur und sagte: „Es
macht mir nichts aus, Obwohl
es schlimm für mich ist Und
für meinen Mann. Mein Mann liebt mich, Dich
liebt er auch, Wir
könnten alle drei..“. „Das
könnten wir ganz sicher nicht“, Fiel
ich ins Wort Und
dann im Scherz: „Ganz
anders säh es mit zwei Frauen aus Und
einem Mann, Das
könnte mir gefallen“. |
Und sie sagte: „Gut, dann rede ich mit deiner Frau“. „Du bist verrückt!" „Ich
habe mich entschlossen, Wenn
ich dich nicht ganz bekomme, Dann
will ich dich halb. Das
Gespräch blieb ungestört, Weil
keiner kam, Und
niemand nahm Notiz von uns. Ich
dachte über eine Antwort nach Und
sagte: „Ja,
sie weiß inzwischen, dass es etwas gibt, Dass
es dich gibt Und
weiß auch von der Briefeschreiberei, Und
sie will letzten Endes, Dass
ich mich entscheide“. Das
war unwahr, und es war mir so herausgefahren, Weil
ich es vielleicht so wünschte, Und
ich hatte meine Frau Noch
nicht an diesen Punkt gebracht, Und
was ich eben sagte, Brächte sicher neues Wasser auf die Mühle; Aber sie, am Tisch, wurd wieder milde, Und
wir sprachen liebe Worte zueinander. |
Und
ich fragte sie nach ihrem Mann. Sie
sagte gleich: „Sprich
nicht von ihm Und
nicht von deiner Frau. Sprich
nur von mir und dir“. Ich
sagte: „Selbst das einfachste Zusammenkommen Ist
nicht möglich, Weil
ich keinen Abend dafür nehmen könnte. Lügen
müsste ich, das will ich nicht. Man
darf doch eine Liebe nicht Auf
einen Haufen Lügen setzen, Wie
soll die am Leben bleiben können“. „Das
ist auch nicht nötig, Wenn
wir gleich zusammenziehen“. Die
Gespräche drehten sich erneut im Kreis. Sie
hörte nun von mir zum ungezählten Mal, Dass
ich als Ehemann Niemals
mit einer fremden Ehefrau Die
Betten teilen würde Und
so weiter und und und... |
Am Abend klingelte bei uns das Telefon Und meine Frau ging
an den Apparat. Ich sah sofort, wer
in der Leitung war, Und meine Frau und
ich erschraken über sie. Ich hatte ihr den
Mut, hier anzurufen, Niemals zugetraut Und ging hinaus. Die Tür stand
offen, Und ich hörte meine
Frau nur wenig sagen „So“, „Aha“, „Das
denken Sie", „Wie lange soll das
halten?" „Bis ans Lebensende,
oder nur zehn Jahre", Hörte ich sie
wiederholen, „So, das sagt mein
Mann dazu", „Sie wissen auch,
wovon Sie leben wollen?" „Ja", dann
wieder Schweigen, Dann wurd
aufgelegt. |
Ich weiß noch
alles, was dann kommen musste Und was kam. Das Telefongespräch
war gegen sechs gewesen, Und erst gegen elf
Uhr Hatte sie sich
soweit ausgetobt, Dass sie nur noch
in Tränen stand. Ich durfte nicht in
ihre Nähe kommen Und sie nicht
berühren, Und ich hatte wenig
Trost für sie, Nicht, weil ich sie
nicht hätte trösten mögen, Sondern weil ich
sah, Wie fern und fremd
mir beide Frauen waren. |
Nirgends fand ich
mehr ein Liebesnest an ihnen, Sah, dass sie sich
um sich selbst bekümmerten, Und war das falsche
Rad am Wagen, Jede von den beiden dachte nur an. Ich zwang mich der, die näher stand Ein Wort zu sagen: „Lass dich doch ein
wenig trösten. Sag mir selber, was
du möchtest, Soll ich dich
verlassen, oder bleiben“. Zwischen
Schluchzen, Naseputzen Und dem Schimpfen
auf die Frau und mich, Kam es besonnen,
dass ich sehr erschrak: „Ich möchte, das du
bleibst, Da weiß ich
wenigstens noch was ich habe“. |
Götter
schweigen, wenn sie reden sollen,
Und ich rief nach
meinem Gott umsonst Und las seit vielen
Wochen einmal wieder In dem Buch der
Bücher. Diesmal schlug ich
eine Seite auf, Befahl mir wahllos,
die zu lesen, Und mir sprang ein
Satz, Der keine Lösung
brachte, in die Augen. Dieser Satz, so
schien es mir, War nur für mich
geschrieben worden, Und ich las ihn
immer wieder durch, Verstand ihn
irgendwo Und konnte ihn doch
nicht verstehen. Ich las ihn für
mich Und horchte weit
nach innen: „Sieh, ich habe dir
geboten, Sei getrost und
unverzagt, lass dir nicht grauen, Lass dich nicht
entsetzen, Denn der Herr, dein
Gott, ist hier mit dir In allem, was du
tust“. |
Ich ging die Worte
durch Und suchte einzeln
in den Wörtern, Bis ich auf den
Schlüssel stieß, Den nahm ich an, Er steckte in dem
Wort ‚entsetzen‘, ‚Lass dich nicht
entsetzen‘, hieß es, Und ich las es
wieder, Diesmal aber etwas
anders ‚Lass dich nicht
ent – setzen‘ und verstand sofort. Mein Platz war
hier, Und was mir
widerfuhr und widerfahren sollte, Durfte mich nicht
grauen, Und ich war in
diesem Augenblick, Wie es geschrieben
stand, getrost und unverzagt Und dachte auch
zugleich: ‚Ein andrer Mann
hätt nicht so lang gefackelt Und sich zu der
Frau gelegt, Und ich bin dumm
und ein Idiot, Und nun ist Schluss
und es ist aus, Und wenn sie mich
noch will, Nehm ich mir die
Gelegenheit Und geh zu ihr und
mache , was sie will, Das will ich
schließlich auch‘. |
Ich dachte, was
kann diese Frau dafür, Dass sie mich
liebt, dass ich sie liebe. Ihren Mann hat sie
vor mir gefunden, Und man sollte eine
Frau, die einen andren liebt, Nur als Station
betrachten, Und danach soll er
sie wiederhaben. Ja, es ist viel
besser so, Denn mit dem
Ehemann an ihrem Hals, Werd
ich sie schneller wieder los. So wollte ich die
Sache nun beenden, Und die Frau in
meinem Hause mochte kreischen, Mochte schrein,
wenn sie etwas erführe, Und sie würde sich
beruhigen. Was ging mich an,
was nachher wär. Wer weiß wie oft
mir meine Frau Vielleicht die
Treue brach. Gerade die von
denen man es überhaupt nicht denkt, Sind oft die
schlimmsten. Nein, so dachte ich
sofort, Das traue ich ihr
wirklich doch nicht zu, An ihrer Treue hab
ich wirklich nie gezweifelt, Auch, wenn ich‘s
nicht wissen konnte. |
Liebe
ist das eine Und
Begierde ist das andere, Und
was ist, wenn nun beides aufeinander fällt, Und
wenn man gar nicht eines von dem andren Trennen
will, ja, trennen kann? Warum
die ganze Quälerei. Ich hätt die Frau schon lange haben können, Und kein andrer hätt so lang. gezaudert. Außerdem ist es ganz gegen die Natur. Die
will ihr Recht, Und
die, die heute freier denken, Handeln
richtig Und
sind auch nicht schlechter oder besser, Und
ich dachte, alle denken so, Und
selbst der kleine König David, Hat
die Frau von seinem Knecht verführt Und
ihn auch noch getötet oder töten lassen. Soweit
wird es hier nicht kommen können, Und
ich war nun frei und hatte mich befreit, Und
auf der Arbeit würden wir mit Umsicht Und
mit Schläue unsre Liebe pflegen. Schließlich
musste man nicht alles haben, Und
Zuhause sollte auch Zuhause bleiben. |
So
besann ich mich und wurde froh Und
wurde König, Und
ich würde mich ihr schneller Als
ein Vogel fliegen kann, In
allem offenbaren. Anderntags Rief
ich sie in der Frühe an. Sie
merkte meine gute Laune Und
war selbst ein froher Mensch. Ich
hatte festgestellt, dass wir den Mittwoch hatten, Und
zur Mittagspause und gemeinsam gingen wir in die Kantine, Und
sie aß nun wieder, Und
ich aß mit ihr, Und
unser Tisch war gar nicht abgesondert, Und
wir sprachen noch nicht über uns, Und
meine Augen glitten über sie Und
nahmen ihren ganzen Körper wahr, Dem
hatte ich zuvor nur Mit
versteckten Blicken nachgejagt. Ich
sah sie jetzt, so schien es mir, Mit
offenem Begehren an Und
freiem Willen, Und
ich dachte nicht an ihren Mann Und
nicht an meine Frau, Und
sie war mir ein Blütenbaum, Der
steckte voller ‚Augennester‘, Wie
ich zu mir sagte. |
Überall
blieb ich an ihnen hängen, Und
vor mir gestand ich, Dass
ich sie in meiner Phantasie Ganz
schrecklich schamlos über jede Einzelheit Befragte, Ja,
ich spürte körperlich, Wie
ich mich um sie legte, Ganz
war ich um ihren Körper, Der
rang nicht mit mir, Und
in Gedanken fasste ich sie kräftig an. Ich konnte, ohne es zu wollen, Manchmal sehr brutal mit meinen Kräften sein, Das hätte man mir niemals angesehen, Und ich dachte auch: ‚Du liebst die Frauen und das Eisen‘. Eisen
hat mich immer magisch angezogen, Immer
fasziniert, Und
lockte mich, es umzubiegen, Oder
mit Gewalt zu formen, Und
im Eisen sah ich eine Stärke, Wie
ich sie in meinem Körper Manchmal
spürte. |
Langsam
wollte ich mich ihr nun offenbaren, Und
ich musste wissen., Ob
sie noch Intresse an mir hatte, Ob
sie überhaupt noch so weit gehen wollte, Wie
zuvor. Ich
wollte nichts riskieren Und
sie nicht ‚verbiegen‘. Meinen
Umschwung deutete ich ihr nun an Und
sagte, dass ich über eine andre Freiheit Und
die Freiheit der Beziehung Zwischen
Mann und Frau gegrübelt hätte, Und
es wäre wohl nicht recht von mir, Von
ihr Unmöglichkeiten zu verlangen, Und
ich selbst sei ja als Ehemann ‚gebraucht‘, Und
lockerte mit meinem Reden Unsre
Reden auf. Sie
hatte helle Ohren Und sie hörte Silberglöckchen läuten, |
Deren Echo fing sich gleich in ihrem Mund, Ich achtete auf alles, was sie sagte: „Wenn du mich nun glaubst zu lieben Und
mich lieben willst, Muss
ich dir eine Wahrheit sagen Und
noch eine andere Und
eine, die du nicht verstehst, Und
eine die ich selber nicht verstand“. Sie
sah mich fragend an, Ich
schwieg betreten, Ich
war nicht gefasst auf das was kam. Sie
fuhr dann fort: „Ich
hatte vor zwei Jahren eine Fehlgeburt, Und
einmal hab ich abgetrieben“. So
sprach sie beim Essen. Das
Besteck hielt sie ganz still in ihren Händen, Ruderblätter
waren es, Die
unbeweglich über stillem Wasser schwebten, Die
nichts vorwärtstreiben wollten. |
Das,
so dachte ich, ist meine Strafe. Herr,
mein Gott, rief ich nach innen. Herr,
verzeih mir meinen Übermut Und
dass ich mich von meinem Platz ‚ent-setzen‘ wollte. Sie
erzählte weiter „Ja,
das Kind kam, glaube ich, Von
meinem Mann, Das,
was ich abtrieb, kam von einem Arzt. Das
ist noch gar nicht lange her. Es
war in diesem Frühjahr erst“. Vor
meinen Augen tanzte ihr Gesicht, Ich
hatte Angst, besinnungslos zu werden, Und
ein Kartenhaus begann In
einer Langsamkeit, Die
niemand nachempfinden konnte, Einzustürzen. |
„Weißt
du“, sagte sie, „Ich
nehm die Pille nicht“, Und
lachte plötzlich auf Und
strahlte mich mit blanken Augen an „Was
würdst du tun, Wenn
ich von dir ein Kind bekäm?“ „Wie
willst du das denn machen, Noch
sind wir noch nicht einmal...“. Ich
war entrüstet, Und
sie hatte mich nur halb gehört. „Du
hältst mich jetzt für eine Nutte. Das
versteh ich gut, |
Und
trotzdem sag ich dir, Dass
ich es dir nur darum beichte, Weil
ich dich für mich alleine haben möchte, Lieben
will ich dich, Und
liebe dich bereits Wie
nie zuvor nur irgendjemanden. Ich
sag es auch, Damit
du mir vertraust. Vertraust
du mir?" Ich
sagte nur: „Wer
kommt nach mir, Kennst
du den schon? |
Was
ist mit mir, wenn ich nicht mehr der letzte bin?" Das
war gemein, Und
sie erwiderte mir darauf nichts. Dann
hob sie ihren Kopf. Das
ist, so dachte ich, ein schöner Kopf, Und
durch die Haare fiel ein Rückenlicht, Das
rahmte alles ein, Das
ließ die Haare als verirrte Ranken Ums
Geländer wachsen, Sie
begrenzten eine Treppe, Die
nur meine Augen sahen, Und
ich stürmte sie hinauf. |
Sie
fing noch einmal an Und
legte ihre Hand auf meine, Und
ihr Blick war unter mir Und
stieg nach oben: „So
wie ich dich liebe, Liebt
dich keine zweite Frau, Das
ist nicht möglich. Deine
Frau, Ich
glaube dir, dass sie dir treu ist, Deine
Frau und du, Ihr
beide habt von Liebe keine Ahnung, Aber
dich will ich die Liebe lehren, Die
ist unermesslich“. Und
ich sagte: „...hat
für viele Platz“. Mein
Kartenhaus war eingestürzt, Der
Sandsturm schwieg in mir, Und
wenig Asche war geblieben. „Für
ein Jahr“, so sagte sie, „War
ich mit einer Frau zusammen, Hab
mit ihr gelebt, Und
Frauen lieben intensiver und intimer. Allerdings
sind sie viel eifersüchtiger. Das
mochte ich zum Schluss nicht mehr“. Ich
wurde intressiert „Und
deinen Mann hast du danach gefunden?“ |
„Nein,
wir kennen uns schon aus der Jugend, Lange
kennen wir uns schon. Ich
lieb ihn anders, als nun dich. Es
wäre schön, Wenn
ihr euch gut vertragen würdet“. Einen
Augenblick versuchte ich mir auszudenken, Wie
das wäre, Dann
stieß ich mit einem falschen Schritt In
das Geröll und stürzte ab. Ich
konnte ohnehin nichts mehr begreifen, Und,
dass ich nun einer Frau wie ihr begegnet, Aufgesessen
war, fast aufgesessen war, Geschah
mir recht. Sie
wertete dann dies Gespräch Und
war erleichtert, Sei
es doch das erste Mal, Dass
ich von meinen Vorurteilen abgekommen wäre. |
Und
sie sähe mich nun deutlicher Und
auch, wie schwer es für mich sei, Das
aufzugeben, Was
man mir in viereinhalb Jahrzehnten, Als
das einzig richtige und seligmachende, Als
Speise eingetrichtert hätte, Und
sie habe noch die Briefe, Ihren
und auch den von ihrem Mann, Ob
ich die nehmen und nun lesen wollte. Was
ihr Mann mir schrieb, das könnte sie nicht wissen, Und
was sie mir sagen wollte, Hätte
sie mir aufgeschrieben, Und
ich sagte „Briefe
deines Mannes mag ich nicht. Ich
weiß nicht, was das soll und was der will, Und
dass er mich nicht mag, Mich
warnen will, versteh ich auch Und
du kannst mir doch sagen was du willst. Und
außerdem hab ich genug, ich möchte gehen“. Und
wir gingen, und sie schwieg Und
hatte ihre Briefe wieder eingesteckt. Die
mochte ich nicht nehmen. |
Ich kämpfte wieder tagelang mit mir Und gegen meine
Liebe, gegen ihre Liebe, Und es war nun so, Wenn ich sie sah, Vergaß ich alles,
was ich von ihr wusste, Und ich stahl ihr
mit den Augen, Was ein Männerauge
einer Frau nur stehlen konnte, Sprach sie dann mit
mir, Stand ich im Schrecken,
der wich erst, Wenn sie sich
liebevoll, Wie wirklich keine
andre Frau jemals zuvor, Mir in die Hände
gab, Es brach dann eine
sehnsuchtsvolle Liebe andrer Art Aus mir, Die wollte geben,
wollte angenommen werden, Und ich brauchte
keine Überwindung. War sie aber aus
den Augen, Sprach ich nicht am
Telefon mit ihr, Dann schwor ich
tausend Schwüre, sie zu lassen. Drei, vier Tage
ging nun alles gut, Und langsam schlich
sich der Verdacht auf mich, Sie habe
aufgegeben, |
Und von mir aus
würde nichts erfolgen können, Selbst bei größtem
Willen War ich wie
gelähmt. Sie würde mich
vergessen wollen. Eines Abends
klingelte es an der Tür: „Ich bin ihr Mann, Wir kennen uns doch
von der letzten Dichterlesung“, Und er hatte recht. Er war an meinen Texten
intressiert gewesen, Und jetzt wusste
ich erst, wer er war. Es kam auch meine
Frau hinzu, Die guckte uns
verlegen an Und fragte ihn, Ob wir mit
irgendetwas dienen könnten. „Nein, ich bin in
Eile Und mein Taxi
wartet. Alles, was ich
möchte, ist, Dass sie den Brief
von ihr annehmen. |
Den von mir behalte
ich zurück, Doch der von ihr
ist wichtig, Und ich bitte nicht
für mich um den Gefallen“. Ich verstand ihn
nicht, Und meine Frau nahm
ihm den Brief aus seiner Hand Und gab ihn mir. Ich steckte ihn
sofort, als wär er glühend, In die Botenhand
zurück. Er drängte mich: „Ich bitte Sie, so
nehmen sie ihn doch“. „Weiß sie davon, Dass sie mit ihrem
Brief hier bei uns sind?“ Er sah nun fort, Und sein Gesicht
war abgewandt Und ging nicht aus
der Tür. Ich bat ihn
einzutreten, Und er lächelte ein
wenig überlegen, Lehnte ab und dann
zu mir: „Sie weiß es nicht.
Sie tut mir leid. Ich möchte sehr,
dass Sie den Brief erhalten“. |
Und ich sagte: „Nein, ich nehm ihn nicht, Und
sehe auch nicht ein, dass sie mir schreibt, Wenn
sie doch mit mir reden kann“. Hier
brach ich ab und hätte gern gesagt: „Sie
kann ja selber kommen", Doch
ich dachte schnell an meine Frau, Das
hätte sie mir nie verziehn. Nun
stand er da, Und
konnte die Mission so nicht zu Ende bringen, Und
er trat nicht ein Und
ging nicht fort, Und
sonst fiel ihm nichts ein. Er
sagte noch „Ich
leg den Brief auf diesen Sockel, Falls
sie es sich anders überlegen“, Und
ich sagte schnell und schroff: „Das
ist umsonst, Es
gibt nichts mehr zu überlegen. Diesen
Brief nehm ich nicht an“. Nun
hatte er doch die Idee: „Ich
lese Ihnen vor, was sie hier schreibt“. |
Das
hörte meine Frau und ging beiseite, Und
ich lehnte ab und ging ihr nach Und
bat sie doch zu bleiben. Er
stand in der Tür und harrte aus Und
war in allem, wenn ich so bedenke, Wie
betäubt, als wäre er aus Watte, Gar
nicht in der Wirklichkeit. Er
stand noch mehrere Minuten Mit
dem Schreiben in der Hand Und
sah an uns vorbei und keiner sprach. Dann
drehte er sich langsam um Und
ging den Weg zurück, den er gekommen war, Und
stieg in seine Taxe, die noch wartete. Wir
schauten hinterher Und
wussten dazu nichts zu sagen. Meine
Frau: „Du
hättest doch das Schreiben an dich nehmen sollen“. |
Ich
verstand die Frau nicht mehr Und
sagte nur noch: „Nein, Weil
ich es mir geschworen habe. Briefe
nehme ich nicht an“. Das
reichte ihr, sie sagte auch: „Fängt
nun das ganze noch einmal von vorne an?" Ich sagte: „Nein, Die Sache ist doch längst vergessen, Und vielleicht wollt er nur testen, 0b ich irgendetwas mit ihr habe“. „So sah der nicht aus“. Sie
sprach sehr wahr, Und
sicher war die Sache nicht zu Ende, Und
ich nährte heimlich doch noch eine Hoffnung, Weil
ich sie nun lieben wollte, Und
es war mir alles, alles irgendwo Total
egal. |
Die
Arbeitstage waren schon seit langem Eine Quälerei für
mich geworden, Und ich sah sie Und ich durfte sie
nicht sehen Und verstand sie Und verstand doch
nichts von ihr, Und zog mich abends
auch Von der Familie ganz
zurück In meine
Schreiberei, Und meine Frau Und meinen Gott Und alles, was ich
früher liebte, Stellte ich nun
hinten an. In unsrer Firma Zeichneten sich
neuerdings Veränderungen ab, Die mich am Rande
mit berührten. Irgendwie erfuhr
ich Von dem Wechsel in
der Chefetage, Wo sie Sekretärin
war. Die neuen Herren
würden ihre eignen Damen wünschen. |
Und es kam nun so,
dass man ihr riet, Die Firma zu
verlassen, Auf der andren
Seite wäre noch viel Zeit, Denn die
Entscheidung stünd noch aus, Und alles sollte
sich erst spät im Herbst vollziehen, Oder nächstes
Frühjahr. Immerhin bewirkte
es, Dass sie, beleidigt
wegen dieser Sache, Schon von sich aus
kündigte. Das ging so schnell
und ganz an mir vorbei, Ich hätte vieles
ändern können, Und ich sprach mit
ihr Und mit der
Personalabteilung, Und sie sah nun
ihren Übereifer ein Und zog die
Kündigung, zurück. Die ließ man aber
schweben, Und sie hörte, dass
man ihr den Arbeitsplatz Auf unsrem
Stockwerk, wegen ihrer Qualität, Nicht vorenthalten
wollte. |
Die Entscheidung,
wollte man ihr später Schriftlich geben. Diese Sache hätte
alles enden lassen können, Dachte ich, Und war
erschrocken, Dass sie ihren
Arbeitsplatz und meine Nähe In Sekunden opfern
konnte, Und ich dachte
auch, dann hat sie sich Nun damit
abgefunden. In mir riss ein
Vorhang ein, Und zeigte mir ganz
deutlich, Was ich zu
verlieren hatte, Und es war nicht
auszudenken. So beginnt ein
Irrsinn, Der zielt auf die
Selbstzerstörung. Dann besann ich
mich und wollte, Wenn es enden
sollte, dass es Uns in Freundschaft
auseinander brächte, Und ich sprach mit
ihr Und sagte es zu
ihr. |
Sie
war in dem Gespräch ganz ruhig, Und
sie hatte sich daran gewöhnt, Dass
sie von mir nichts zu erwarten hätte, Und
sie sagte so und lachte: „Wenn
ich hier nichts werden kann Und
dich nicht lieben darf, Dann
werd ich eben Terroristin“, Lachte
herzlich über sich, dass ich erschrak, Und
dachte, gut, dass sie es leicht nimmt: „Bei
den Terroristen kannst du ohne Waffe Gar
nichts werden“. „Das ist kein Problem, Die habe ich schon lange. Ganz genau genommen, weiß ich, Wo mein Vater eine hat, Und
kann sie auch bedienen, richtig damit schießen. Einmal
durfte ich es ausprobieren. Alles
hat er mir gezeigt“. Ich
wurde blass, das spürte ich, Und
sagte: „Den
Gedanken, mich zu töten, Hast
du lange schon, nicht wahr?" |
Sie
sagte: „Wenn nicht dich, Dann
einen anderen. Dich
möchte ich noch lieben“, Und
sie kam ganz nah an mein Gesicht: „Das
weißt du doch“. Dass sie an eine Waffe kam, Ließ mich nicht los, Und
ein Gedanke, den sie ausgesprochen hatte, Blieb
doch noch nicht ausgesprochen, Und
die Sache könnte enden, Und
ich fürchtete mich nicht, Wenn
ich ihr unterliegen müsste. Einen
Tod durch sie erhalten, dachte ich, Wär
eine Krönung, alles, Glück,
Befriedigung, Befreiung, Leiden
und Verschmelzung mit ich weiß nicht was. Es
goss sich über mich ein warmes Singen Es
entstand ein Hochgefühl, Das
machte sie mir wertvoll Und
mich frei. |
Ich
musste sie mir unbedingt erhalten, Und
ich sagte von dem ganzen nichts zu ihr. Die
Tür, so sagte ich zu mir, Drück
ich, so leis es geht, Ins
Schloss zurück. Ich
tat, als würde ich die Sache nicht verfolgen, Und
zu ihr gewandt; rief ich: „Viel
Glück, Madame, Ich
biete mich als Opfer an“. Und
sie: „Vielleicht
komm ich darauf zurück“. Sie
wurde plötzlich ernst und bat mich einfach: „Schlaf
mit mir, weil ich es will. Ich
will ein Kind von dir, um Himmelswillen“. Dann
ganz langsam „Mach
mir doch ein Kind. Ich
will ein Kind von dir. Du
sollst dann deine Ruhe haben, Kannst
uns jederzeit besuchen kommen, Wann
du willst“. „Wer
ist das, uns, dein Mann und du vielleicht?“ Ich
stand in heller Wut. |
Sie strich mir übers Fell: „Du bist ja dumm. Du kommst zu mir Und deinem Kind, so oft du willst. Ich gebe alles auf, Und
wir sind nur noch für dich da“. „Und
wovon wollt ihr leben?" „Ach,
das weiß ich nicht, Vielleicht
hast du Erfolg mit deinen Büchern“. Das
war meine schwächste Stelle, Weil
es meinen Ehrgeiz traf Und
meine Hoffnung, die mir alles retten sollte. Nur
allein, dass sie mich darauf ansprach, Machte
sie mir wieder lieb und wert. Ich
sagte so: |
„Vor
Mitte nächsten Jahres tut sich nichts, Das
hab ich dir erklärt, Das
hab ich dir gesagt“. Sie
sagte, und ich wagte meinen Ohren nicht zu trauen „Gut,
ich habe Zeit, ich werde warten, Und
ich komme ganz bestimmt darauf zurück“. Ich
machte den Versuch: „Du
hast doch deinen Mann; Knöpf
deine Bluse auf Und
zeige ihm die Frau darunter. Blind
und steinern müsst er sein, Wenn
er dich übersehen würde. Den
mach dir zum Vater deines Kindes, Geh
zu ihm, sei brav und ‚untertan‘, Du
wirst schon alles richtig machen“. |
Von
der Seite sah sie mich nun an, Mit
einem Blick, den werd ich nie vergessen können. So
sieht eine Frau in ihren Morgenspiegel, Wenn
er sie belügt, Wenn
sie sich ausgekämmt, frisiert, Mit
bloßem Oberleib noch einmal überprüft Und
die Ästhetik ihrer Formen, ihrer Haut genießt Und
doch bedauert, Dass
sie dieses Glücksgefühl für sich behalten muss, Dass
es so wertlos wird, Wenn
sie es keinem zeigen kann und darf, Und
keiner so nach ihr verlangt. |
Es kam nun so,
Dass ich aus einer
Neugier Und, weil ich wohl
danach suchte, Mich an ihre Freundin
wandte, mich der anvertraute. Das, so geb ich zu, Tat ich auch wegen
dieser Waffe, Und es hätte mir
nicht gut gefallen, Wenn kein Mensch
darüber etwas wüsste. Meiner Frau konnt
ich das Ganze nicht erzählen, Und ich hatte
keinen Freund. Nein, fiel mir
dabei ein, An Freunde hatte
ich mich nie gewandt, Ich hatte keine
Freunde. Sie sprang dafür
ein. Ich fand in ihr
unendlich viel Verständnis. |
Sie war sehr
gerecht, weil sie sie mochte, Und sie hörte mich
mit großem Staunen an Und hatte bisher
nichts geahnt Und nichts bemerkt
und nichts gewusst, Und wir
beschlossen, Uns ihr jetzt noch
nicht zu offenbaren, Und ich dankte ihr Und war
erleichtert. Und das ganze stand
nicht schlecht um mich Und nicht um sie, Und was mir fehlte,
sah ich nun mit einem Schlag, War Abstand von den
Dingen, von der Sache, Abstand von der
Not, Die die Gefühle
ganz und gar beherrschte. |
Und sie riet mir
gut Und riet mir
abzuwarten, nichts zu übereilen, Und sie fragte
noch: „Sie haben mich
ganz sicherlich In einem Punkt
nicht richtig eingeweiht, Und wenn ich Ihnen
glauben soll, Ist der doch sehr,
sehr wichtig, Nämlich, haben Sie
nun. mit der Frau geschlafen Oder nicht. Ich frage ganz
direkt, Damit ich es
erfahre, Und sie sagten
doch, es wäre nichts passiert, Das aber kann ich
gar nicht glauben“. |
„So gesehen, weil es selbstverständlich
scheint, Hab
ich Sie nicht belogen, Auch
wenn ich nun als der Trottel und Idiot Vor
Ihnen steh. Ich
habe sie geküsst Und
liebe sie Und
hab sie doch nicht angerührt, Das
ist ja das Dilemma“, Und
sie glaubte mir nicht recht. |
Es
war dann Feierabend und ich ließ das Haus Und
wollte, weil es später war als sonst, Nach
Hause eilen. Das
Bürogebäude lag kaum hinter mir, Als
ich aus einem Eingang jemanden, Den
ich doch kannte, kommen sah. Er
kam direkt zu mir, Und
ich erkannte ihren Mann. Der
musste dort gewartet haben. |
Zwischen
mir und ihr, so dachte ich, Ist
nichts gewesen, Und,
dass ich zu weit gegangen bin, ist schlimm; Ich
werde mich entschuldigen, Ihn
einfach um Verzeihung bitten, Und
ein Schläger scheint er nicht zu sein. So
kam er auf mich zu. Er
überragte mich, trug einen Hut Und
hatte eine Tasche in der Hand. |
Er
grüßte nicht, Obwohl
ich „Guten Abend" sagte, Und
nahm seinen Hut nicht ab. Er
sah auf mich Und
brauchte lange, bis er mir, So
knapp es irgend ging, entgegenwarf: „Ich
möcht Sie sprechen, Wenn
es geht, im Bahnhofsrestaurant. Mehr
sag ich nicht“, und dann noch: „Gehen
wir“. Ich
fand ihn albern und auch flegelhaft Und
musste etwas lachen. Meine
Angst vor ihm war dumm gewesen, Und
ich dachte doch, Wer
weiß was so ein Kopf ausbrütet, Und
ich sagte: „Wenn
es sein muss, meinetwegen. Worum
geht es denn, Wir
können ja mit dem Gespräch beginnen. Bis
wir da sind, ist noch lange Zeit“. |
Er
schwieg und sah mich auch nicht an. Ich
wurde ärgerlich: „Mein Gott, es geht um Ihre Frau. Nun hören Sie mal zu, Ich
bin auch nur ein Mann, Und
ihre Frau ist schön, ich finde sie sehr schön, Und
Sie doch sicher auch, Sie
sind sogar ihr Mann“. Er
schwieg und machte seinen Mund nicht auf. "Sie
wollen wissen, was gewesen ist. Ich
sag es Ihnen. Zwischen
ihr und mir war nichts, Und
ich verspreche Ihnen: Zwischen
ihr und mir wird niemals etwas sein“. |
Ich
sprach dabei zu mir: ‚In diesem Fall darf ich ein wenig lügen, Das wird ihn beruhigen, Denn
für die Zukunft möchte ich die Hände Nicht
für mich ins Feuer legen‘, Und
ich sah ihn an, Ob
er‘s bemerken würde, Doch
er schwieg und sah auf seinen Weg. Ich
sagte nun: "Ich
finde Ihr Benehmen kindisch. Um
sich auszuschweigen, Lädt
man niemanden zum Reden ein. Nun
sagen Sie schon, was Sie wollen, Denn
ich habe nicht viel Zeit“. Es
war, als spräche ich mit Blättern Oder
einer Tür, die in den Angeln pendelt. |
Er
ging stur zum Bahnhof, Immer
dicht an meiner Seite. "Gut,
wenn Sie nicht reden wollen, Komme
ich nicht weiter mit, Dann
fahre ich nach Haus. Viel
Spaß, Auf
Wiedersehen!" Drehte mich Und
bog in meine Richtung ab. Nun
sagte er sehr scharf: „Ich
werde Ihnen ja nichts tun. Da
oben ist die Gastwirtschaft“. Ich
wollte wissen, wie das enden würde Und
gab nach: „Von mir aus“. |
Mir
fiel ein, dass er auch lügen könnte, Und
ich wollte eine Nachricht hinterlassen, Sagte ihm: „Ich ruf noch schnell Zuhause an, Das wird doch alles länger dauern“. Und ich ging zum Telefon. Er
stand davor und sah nicht hin Und
hätte auch nichts hören können. Ich
bekam den Anschluss nicht, Das, dachte ich, ist gut vielleicht, Und hing den Hörer wieder ein. Das
Geld fiel aus dem Automaten, Und
ich dachte, das hat er gehört Und
weiß, dass niemand etwas weiß. Ich
glaubte ihm noch immer nicht. |
Wir
gingen ins Café. Er
hing den Mantel auf, Ich
legte meinen neben mich, Und
er bestellte nur für sich Ein
alkoholisches Getränk, Und
ich verlangte nur Kaffee. Der
Ober möchte sich beeilen, sagte ich, Und
zahlte gleich Und
war voll Unmut, weil mein Gegenüber Sich
so rüpelhaft benahm. ‚Er
ist ein Kindskopf‘, dachte ich. ‚Er
lädt mich ein Und
will noch nicht einmal bezahlen, Und
die Schweigerei ist mir zu dumm, Er
kommt so nicht zur Sache‘. Und
ich sagte nun: „Beeilen
Sie sich bitte, Weil
ich mir für diese Kinderei Nur
wenig Zeit von Ihnen stehlen lasse“. |
Das erfreute ihn, als hätte er mich nun so weit Und griff in eine Seitentasche Und zog einen Brief heraus, Der war in keinem Umschlag, Legte ihn vor mir auf unsren Tisch Und sagte: „Kennen Sie den Brief?“ Ich
sah darauf. Die
Schrift war ähnlich der von seiner Frau. Ich
konnte mich auch täuschen, und ich sagte: „Eine
Frauenhandschrift ist das wohl. Soll
das die Überraschung sein?" „Das
erste, was Sie heute lernen sollen, Ist
zu wissen, wie es ist, Wenn
man nicht angenommen wird, Und
darum habe ich geschwiegen. Ich
hab lange nachgedacht, Ich
wollte Ihnen die Lektion erteilen. Das
ist mir geglückt. |
So
ist es, wenn man ohne Antwort spricht, So
ist es, wenn man Briefe Ungeöffnet,
ungelesen übergeht Und
sie zurückgibt, Dass
der Sender dieser Schreiben Sich
zum eigenen Empfänger wird. Das
ist gemein und rücksichtslos, Das
mussten Sie am eignen Leibe kennen lernen, Spüren
sollten Sie‘s“. „Sie
hätten Lehrer werden sollen. Sind
Sie fertig, kann ich gehn, Herr Lehrer?" „Dieses
ist der Brief, Der
Brief von meiner Frau, Den
können Sie jetzt lesen“. „Danke,
keine Lust und gar kein Interesse“. „Dann les ich ihn vor, Sie
können heut noch etwas lernen“. „Über
wen und was?" |
„Ich
denke über sich!" Ich
dachte, eigentlich hab ich den frechen Mund, Sei
froh, wenn er sich so beherrscht, Und
schließlich ist er schlechter dran Mit
einer Frau, die sich Nach
einem andren Mann umwendet, Und
ich dachte: ‚Sei nun friedlich, hör ihm zu Und stimm ihm zu, Dass
er vor sich ein König wird, Das
ist viel klüger Und
kann meiner Sache doch nur nützlich sein‘. Ich
dachte auch an mein Gesicht, Das
zog ich glatt und sagte freundlich: „Kennen
Sie den Inhalt?" Er
erleichtert: „Nein,
nur oberflächlich, Weil
mir meine Frau davon erzählte“. |
„Gut, dann möchte ich ihn hören“. Er
nahm sich den Brief, sah noch einmal zu mir Und
las dann vor. Der
Brief begann mit wüster Schimpferei auf mich, Man
schalt mich den Sadisten, Der
in einer wilden Lust an Quälerei der anderen Sich
selbst befriedigte. In
Einzelheiten wurde dies nun ausgemalt. Ich
rief dazwischen: „Lesen
Sie doch leise, guter Mann, Das
schrieb doch niemals ihre Frau, Das
kann doch gar nicht sein!" Er
lächelte mich überlegen an Und
fuhr nun fort: Ich
würde sicher nichts von alledem zugeben wollen, Und
es wäre ihr auch nichts daran gelegen, Aber
einmal wollte sie mich, So
wie ich sie dauernd peinigte, Mit
gleicher Münze quälen. |
Und
er las: „Ich
zwinge dich, uns zuzuhören Und
uns zuzuschauen, Und
ich liege nackt vor dir Mit
einer andren Frau in Bett, Und
wir verwöhnen uns Und
freuen uns an dir, Denn
ich hab vorgesorgt, Du
kannst uns nicht verlassen Und
musst immerzu zu uns herüber schaun. Ich
knie vor dieser andren Frau und rufe, Dass
du’s hörst, den einen Namen immer wieder, Rufe
deinen Namen immer wieder“. Er
sah auf und sah auf mich. Ich
hatte einen Schock. Das
Blut, so spürte ich, Lief
mir im Leib zusammen, Und
ich hatte dieses Bild, So
kümmerlich, wie es beschrieben war, Vor
Augen. |
Diese
Frau mit einer andren Frau im Arm zu sehen, War
ein schrecklicher Gedanke, Und
ich sagte einfach, mehr zu mir, Als
wäre ich dabei gewesen: „Damals
kannte sie mich doch noch nicht“. Dann
sah ich hoch Und
merkte, wie er mich mit langen Augen Unter
schweren Wimpern musterte, Als
täte ich ihm leid, Als
hätt er Sympathie für mich, Ja,
schlimmer noch, Als
wär ich eine Frau, Der
er die Liebe eingestehen wollte, Und
er streckte seine Hand ganz langsam nach mir aus. |
Ich
riss den Mantel hoch, stand auf Und
sah auf ihn herab: „Wahrscheinlich
haben Sie den Mist Allein
geschrieben“. Und
er reichte mir den Brief Und
zeigte auf die Anschrift und die Unterschrift. Ich
sagte: „Wenn
schon, Das
soll sie mir selbst bestätigen“, Und
ging und grüßte nicht. Ich kam zur Treppe, und ich dachte, Dass
er sich ja nicht bei mir beklagte, Sich
nicht über mich beschwerte, Mir
nicht einmal einen Vorwurf daraus machte, Dass
es zwischen seiner Frau und mir So weit gekommen war, Das
konnte doch nicht alles sein. In
mir stand eine Neugier auf, Die
klang sehr gläsern, Und
ich ging zurück Und
setzte mich noch einmal an den Tisch. |
Er
trank aus seinem Glas, Und
meine Rückkehr wunderte ihn nicht: „Von
meiner Frau hab ich gehört, Dass
Sie sehr langsam sind“. Ich
dachte, das ist doch ein Teufelspaar. Die
beiden sind mir sehr gefährlich, Und sie wollen sich mich etwa teilen, Das wär wissenswert gewesen, Und
ich sprach ihn ruhig an: „Die
Schuld, das wollte ich noch sagen, Liegt
auf meiner Seite, Und
ich hätte fast vergessen, Sie von Mann zu Mann, wenn Sie erlauben, Um Entschuldigung zu bitten. Ihre Frau ist selten schön Und ist für mich trotzdem Ein Engel der im Feuer steht. Den kann ich, werde ich Und
will ich nicht erreichen, Und
ich fänd es gut Wenn
Sie das als Beruhigung mit sich Nach
Hause nehmen könnten“. |
„Ja,
ich weiß. Sie machen meiner Frau Das
Leben schwer. Sie
ist ein lieber Mensch Und
hat für mich sehr viel getan. Wir
mögen uns sehr gerne. Ja,
ich liebe sie“. Ich
dachte mir, Nun
bin ich auf der Spur und sagte ihm: „Ich
will es jetzt versprechen, Und
ich richte mich danach: Ich
fasse Ihre Frau nie wieder an. Was
heißt nie wieder. Angefasst hab ich sie nie. Sie
wissen aber, was ich meine“. Und
er sagte: „Ja, das ist es eben“. |
Ich
verstand ihn nicht Und
sah ihn fragend an. „Sie
sollten wissen“, sagte er, "Sie
müssen wissen, dass wir uns die Freiheit lassen. Meine
Frau lässt mich und ich lass sie. Wir
mögen uns trotzdem sehr gerne. Meine
Frau hat mir auch Ihr Problem erzählt. Sie
tun mir leid, Und
meine Frau bedauer ich, Weil sie bei Ihnen
nichts erreicht“. „Sie hätten also nichts dagegen, Wenn sich Ihre Frau und ich zusammenfänden?“ „Nein,
nein gar nicht, Und
ihr Zustand, jetzt, ist so, Dass
sie nach Ihnen schreit, Verstehen
Sie, es ist ein innerlicher Schrei, Der
hört in ihr nicht auf. Wenn
sie sich diese Liebe wünscht, Kann
man sie ihr doch einfach geben, denke ich“. |
Ich
sagte: „Ja,
Sie haben recht. Es
ist ganz einfach, und man gibt die Liebe“. Und
ich dachte, was ist daran schlecht, Und
warum finde ich nicht diese Leichtigkeit, Mit
Liebe, Treue, Glauben. umzugehen. Eigentlich
bin ich es, Der
sich selbst im Wege steht, Und
der sich dauernd hindert. Nein,
ich konnte diesen beiden Nicht
mehr länger böse sein. Der
Dümmste von uns drein war ich. Vielleicht
war sie ein wenig schlechter dran Vielleicht
auch er, Doch
in der Dummheit war ich beiden Haushoch
überlegen. Und
ich wollte ihnen keinen Vorwurf machen. |
Jetzt,
so dachte ich, Erlaube
ich es mir, sie freizusprechen, Und
zuvor, als ich hierher kam, Bangte
ich um mich Und kämpfte gegen schlechtestes Gewissen, Das man haben konnte. Ihre
Schreiberei und ihre Schimpferei Verstand
ich nun ein wenig, Und
der Brief war doch von ihr geschrieben worden, Und
die Hoffnung, dass sie leugnen würde, Brächte
gar nichts ein. „Er
ist ein netter Kerl“, So
dachte ich, und dachte auch, „Es
ist ein Glück, dass er und ich Nur
über diese Frau Berührungspunkte haben Und
sonst nicht“. Ich
stand noch einmal auf und sagte: „Trotzdem
glaube ich, Dass
es mit Ihrer Frau und mir Nicht
klappen wird. Ich
habe es ja auch versprochen“. |
„Wenn Sie wollen, gebe ich das Wort zurück. Es
ist nicht meine Sache, Und was Sie den anderen versprechen oder sich, Ist auch nicht meine Sache“. Und
ich sagte noch: „Weiß
Ihre Frau von diesem Treffen eigentlich?" Ich
sah, wie er erschrak, Obwohl
ich harmlos fragte Und
mir gar nichts dabei dachte, Und er sagte und ergriff mich fest am Arm: |
„Ich bitte und beschwöre Sie, Sie
darf davon kein Sterbenswort erfahren. Sie
behalten es für sich. Versprechen
Sie es mir. Sie
weiß es nicht und wird mir diesen Schritt Im
Leben nicht verzeihn. Sie hat es ausdrücklich verboten. ‚Das geht dich nichts an‘, hat sie gesagt, Und alles habe ich aus mir heraus getan“. |
Ich dachte dieser Mann ist ärmer dran Als seine Frau und ich Und
dachte auch, dass ich der Teuflischste Von
allen dreien war, Denn
diese Schwäche; die er zeigte, Gab
mir Stärke, Und
ich rechnete mit ihm nicht mehr. |
Von
ihm war mir Gefahr, wie ich sie kannte, Nicht
mehr zu erwarten. Ohne
Abschied, ohne Antwort Ging
ich nun zu meinem Zug Und
fuhr nach Hause. Unterwegs
bedachte ich den Scherbenhaufen, Der
vor meinen Füßen lag, Der
wurde immer größer. Mein
Zuhause war dabei und die Familie, Und
ich dachte, Ärmer
ist der Mensch als alle andren dran, Der
nicht in Ruhe Und
in einer eignen Kammer weinen kann. Die
Tränen hielten auf den Wimpern Wache. Wenn
ich nun nach Hause käme, Bliebe
mir zum Weinen nur die Toilette. |
Meinen Gott verstand ich immer wieder falsch, Und aussichtslos war das Bemühen, Etwas
zu erkennen. Schwach
war ich im Glauben. Meine große Arbeit, meine Dichtung, Hatte ihren Sinn verloren Und
war eine Fleißarbeit geworden, Die
mocht ich nicht mehr betreiben, Und
sie stockte mehr und mehr. An
ihrem Mann, der auch in diesem Scherbenhaufen lag, Hatt
ich den Wert von Treue, Liebe
und Abhängigkeit, genau wie ich sie kannte, Nur
mit umgekehrtem Zeichen vorgefunden, Und
ich sah nun ein, Wie
tönern das Gebäude war, In
dem ich wohnte. |
Doch
das schlimmste war von allem, Dass
ich trotz der Einsicht, Trotz
der Besserwisserei Von
dieser Frau nicht lassen konnte Und
nicht lassen wollte Und
mich unablässig nach ihr sehnte. So
steckt man auf Neuland, Das
man nie bewohnen wird, sein Fähnchen, Dachte
ich. Betrübt
war ich Und
lag in großen Schmerzen. Mich
erkannte ich in meinem Teufelskreis nicht wieder. |
Und. suchte einen
Arzt für meine Wunden, Der war nicht zu
finden. Ich ging zur
„Museumsinsel“, Dorthin floh ich
oft Und schaute auf ein
Bild, Das kannte mich,
das gab mir Trost. Es ist die Nana Und zeigt die
Kokotte vor dem Spiegel, Vor verloschnen
Kerzen, vor sich selbst Und vor dem Einen
auf dem Bild Und vor den anderen
wie ich. Sie ist für mich
das „Selbstportrait" Der Frau an sich. So denke ich, kann
nur ein Maler malen, Wenn er das Objekt
durchdringen will Und stellt doch
alles, Was zu suchen und
zu finden ist, in Frage. Sie ist mir Gespräch,
wenn ich sie sehe, Und sie spricht mit
mir. Ihr Bildnis regt
mich maßlos auf. Ich gebe dabei eine
Ähnlichkeit mit ihr Und ihr in ihrer
Haltung zu, Vielleicht in ihrem
Blick, in ihren Augen. |
Die Frisur ist
völlig anders, Und dann ist sie
plötzlich sie, Und sie ist doch
nicht sie, Sie ist die, die
ich suche und nicht finde. Die Museumsinsel
ist sehr trist Und ungepflegt. Man
legt nicht großen Wert Auf sie. Ich dachte auch,
was gehen mich die Menschen an, Vielleicht bin ich
im Traum Und träume nur. Ich wünsche immer
wieder, Fremd in einer
fremden Welt zu leben. Das hat seinen
Grund Könnt ich die Welt
als Fremder sehen, So, als käme ich
aus einer andren Welt, Würd mir die Welt
doch völlig fremd Und neu erscheinen
müssen. Alles hab` ich
deshalb aufgeboten, Mich ihr zu
entfremden, Und ich sagte mir,
dass ich ihr dadurch eines Tages Als ein Fremder
gegenüber stehen müsste, Und das wollte ich
erleben. |
Also konnte es
schon sein, Dass diese Augenblicke,
die mir traumhaft schienen, Augenblicke der
Entdeckung der Entfremdung waren. So verging ein
langer Tag. Am nächsten Morgen
fand ich mit der Hauspost, Die man in der
Firma austrug, Einen offnen Brief
an mich gerichtet Auf dem
Schreibtisch liegen. Aus ihm zog ich
Noten eines stillen, Sanften, beinah
frommen Liebesliedes. Die Akkorde waren
die Begleitung Für ein
Saiteninstrument. Sie wusste, dass
ich darauf spielte, Und sie selbst
spielt die Konzertgitarre. Die Akkorde
wechselten in schöner Folge Zwischen Dur und
Moll. |
Es
war das erste Pflaster, Das
mir jemand reichte, War
ein Kuss auf meine heiße Stirn. Ich
hätte sie dafür umarmen können. Nur
den Text des Liedes, Weil
er wieder eine Wurzel in mir fressen sollte, Fand
ich nicht so gut. Doch,
dass sie an mich dachte Und
so liebevoll, Stieß
mich in einen Blumenteppich, Und
ich schwor ihr süßen Frieden Und
rief bei ihr an und dankte, Und
sie wusste gleich, Dass
sich für sie das Glücksrad wieder drehte. Ihre
Stimme hatte leichte, leise Schwankungen, Die
unterdrückten nur das Lachen Über
eine große Freude. |
„Glücklich machst du mich“, so sagte ich, Dass sie verlegen schwieg. Sie
rief mich später wieder an; Die
Sache mit dem Arbeitsplatz Wär
bis auf weiteres gelöst, Sie käme nun in absehbarer Zeit zu
uns, In
meine Nähe, und sie freute sich darauf. Wie
lange das so bleiben konnte, Müsste
man dann sehen. Darauf
sagte ich: „Wie
soll das werden, wenn wir uns so nahe sind?" Und
ihre Antwort wartete ich gar nicht ab Und
sagte noch: „Ich hab mit deinem Mann gesprochen, Eigentlich sprach er mit mir“. |
„Ich
weiß, Und
das hat dich gleich krank gemacht, Dass
du am nächsten Tag nicht kommen konntest“, Lachte
sie. Dann
sagte ich: „Dein Liebeslied soll mir ein Pflaster sein. Ich werd es heute Abend singen“. Und sie sagte: „Denk
an mich dabei“. Das
war ganz überflüssig, Und ich würde es nur singen, um an sie zu denken, Das fiel mir jedoch erst ein, Als
sie es sagte. „Hast
du wirklich diesen Brief geschrieben?" „Hat
mein Mann ihn dir gezeigt?“ Sie
wusste also doch nicht alles, Und
ich sagte: „Ja, so ähnlich, ja“. „Wenn
er den richtigen genommen hat, Dann
ist er wohl von mir“. |
„Naja, dazu möcht ich nichts weiter sagen“. „Brauchst
du nicht. Du“, sagte sie Mit
weicher Stimme und auch mit Genüsslichkeit, Als
reckte sie sich über ihren Rücken, "Lass
uns heut zusammen sein. Ich
möchte mit dir schlafen, Möchte
bei dir sein“. Das letzte hatte sie geflüstert, Und ich war nun wieder wach: „Ich komm darauf zurück. Soviel
ich weiß, liebt dich dein Mann“. „Ich
weiß, er hängt an mir, Und
ich an dir“. |
Dann
wieder leise, kaum zu hören: „Nur
von dir will ich ein Kind. Mein Mann sagt auch zu mir: Wenn ihr zusammenkämet, Würdest
du von ihm sofort ein Kind bekommen, Der
sieht mir ganz danach aus“. Dann
lachte sie ganz unverschämt. „Aha,
und woran sieht er das, Und
warum sagt er das zu dir?" „Er
kennt doch meinen Wunsch, Und
du als Skorpion bist voller Leidenschaft, Bist
voll Begehren, bist voll Eifersucht, Und
was du anfängst, machst du ganz. Wer
sich auf dich verlässt Ist
nicht verlassen“. |
„Nur
der Anfang fällt mir also schwer?" „Das
ist es, ganz genau“. „Und
von der Löwin hat er nichts gesagt?“ „Nein,
das hab ich zu ihm gesagt. Ich
hab gesagt, die Löwin Lässt
von ihrer Beute nicht“, sie lachte, „Die
bist du“. |
Nur in der
Mittagspause nahe aneinander, Und es war die
Freundin stets dabei, Das war mir sehr,
sehr recht. Ich hielt mir die
Gedanken nicht mehr frei Für anderes und
dachte nur an sie, Und auf den Straßen
sah ich sie, Wenn eine Frau nur
ihre Haare trug wie sie, Sah ihre Hände in
den Händen andrer Frauen, Hörte sie im Lachen
andrer lachen Und verwünschte
mich, Weil ich sogar Begegnungen
in unsrem Treppenhaus Zu meiden suchte, Dabei sehnte ich
mich doch am meisten Nach der
Streichelei, Nach ihren Händen, Denen ich mich
unterwerfen wollte. |
Ihrer Freundin
hatte ich nun alles Ausführlich soweit
erzählt Und wusste nicht
genau, Warum ich mich ihr
anvertraute, Aber es tat gut,
ein wenig abzuladen. Die sah weiter, und
sie riet mir, Ganz alleine einen
Urlaubstag, Vielleicht auch
zwei zu nehmen, Und ich sollte doch
verreisen, Eine Galerie
besuchen, mich mit Bildern, Die ich doch so
liebte, zu befassen. Darin läge auch die
Chance Von allem wieder
etwas Abstand zu gewinnen, Und sonst müsste
man dann sehen, Wie es weitergeht. Ich sollte auch das
Schreiben nicht vergessen, Das sei mir doch
wichtig, Und sie hatte
recht. |
Sie war ein guter
Mensch Und litt auch etwas
unter einer Neugier, Wie die Sache
zwischen ihr und mir Nun schließlich
enden würde, Und ich sagte ihr,
dass ich von dem Vertrauen Zwischen ihr und
mir Der andren gern
erzählen würde, Und ob sie dagegen
etwas einzuwenden hätte. „Schließlich“,
sagte ich, „Spricht sie ja
auch mit ihrem Mann darüber“. „Der ist ja ihr
Mann, Und das ist etwas
anderes, Und ob sie sich
daran gewöhnen kann, Dass ich auch alles
weiß, Kann ich nicht
wissen“. |
Eigentlich
hatt ich erwartet, Dass
sie meinen Vorschlag ganz und gar Verwerfen
würde, und ich dachte, Dass sie ihn jetzt nur in Frage stellt, Hat diesen Grund: Wenn
sie sich mit der Freundin über mich Wird
unterhalten können, Wird
sie endlich wissen, 0b
nun etwas zwischen uns passiert ist Oder
nicht. Sie
glaubt mir doch noch nicht so recht. Ich
sagte ihr: „Sie
können sie dann nach der Wahrheit fragen, Denn
Sie denken doch noch, Dass
da etwas war. " „Ich
kann nicht glauben, Dass
es zwischen Ihnen beiden Nichts
gegeben hat, als Quälerei Und
das, was Sie mir sagten. |
Jeder Mann packt die Gelegenheit Beim Schopf, wenn sie sich bietet, Und dies ist ein schöner Schopf, Und sie ist eine kluge Frau. Es ist für mich, wenn ich ganz ehrlich bin, Nicht zu verstehen, Dass
Sie so etwas verstreichen lassen Und
an ihr vorübergehen, Und
sie bietet sich noch an. Im
Grunde sind Sie ganz schön dumm Und
später wird es Ihnen sicher einmal leidtun“. Dass
sie mir nicht glaubte, Hatte
ich ja angenommen, aber nicht, Dass
sie mich nicht verstand, Und
nicht, dass sie nicht sah, Wie
schwer ich mir erkaufen musste, Was
ich mir bewahren wollte. |
Und
ich dachte, Ja,
du willst dir eine Wahrheit retten, Die
ist längst schon überholt, Und
selbst die braven Leute lachen Über
einen Ritter so wie mich. Ich
sagte: „Gut, wir werden sehen, Und
ich muss mich sehr beherrschen. Denn
die Frau ist mir durchaus nicht gleich, Und
mein Gefühl darf ich hierbei nicht fragen. Ihren
Vorschlag finde ich sehr gut. Ich
werde für zwei Tage Urlaub nehmen, Ihr
nichts sagen Und
mich andren auch sehr schönen Dingen widmen“. |
Und die Freundin scherzte „Auf
der Reise lernen Sie vielleicht Noch
schöne Frauen kennen“. Ich
neige oft dazu Mich einer Eingebung zu beugen, Kommt
die noch dazu von einer Frau, Der
ich vertraue, um so besser. So
beschloss ich eine Reise in die andre Stadt Und
nahm dafür zwei Tage frei Und
reiste auch alleine, Und
Zuhause gab es keinerlei Probleme, Ganz
im Gegenteil bestärkte mich noch meine Frau. Das
Ziel der Reise sollte eine Kunstausstellung sein, Die
wäre nie in unsre Stadt gekommen. Fast
sechs Stunden dauerte die Fahrt dorthin. Ich
nahm den Zug Und
war schon in der Morgenfrühe Auf
dem Bahnhof. |
Nur
ein Zeitungsstand, der neben den Journalen Auch
ein wenig Literarisches vertrieb, War offen. In
dem Fenster sah ich unverhofft Ein
Kunstbuch liegen. „Künstlerinnen",
hieß es nur, Das
kaufte ich mir für die Fahrt. Der
Umschlag dieses Buches Sprach
mich ungewöhnlich an. Ich
wusste nicht warum und hatte jetzt Auch
keine Zeit, um es herauszufinden. In
dem Wagen war es sehr bequem. Ich
schlief die erste Stunde, Dann
schrieb ich an meinen Texten, Und
damit ich irgendwie zur Ruhe kam, Nahm
ich die ‚Künstlerinnen‘ Und
sah mir das Titelbild genauer an. Ich
sah das Bildnis einer jungen Frau, Und
nun las ich es nach, Es
hing im ‚Centre Pompidou‘, Dort
hatte ich es auch schon mal gesehen. |
Eine
freudige Erinnerung vermischte sich Mit
eigenartigem Erkennen, Denn
die dargestellte Frau Mit
blonden Kunststoffhaaren, Mit
dem grünen Kunststoffkleid, Dem
Kunststoffleib, Dem
eingelegten lebenslosen Leben, Das
zugleich mit der Lebendigkeit, Als
hätte man es eben zur Verbreitung unsres Lebens In
die Welt gesandt, dem Kunstfreund In
die Augen sprang, War
das Phantombild jener Frau, Nach
der ich dauernd auf der Suche war, Es war die Frau, die in mir lebte, Die ich überall entdeckte und nicht
sehen konnte, Sie
war Mensch und Plastikfrau in einem. Dieses
Bild von ‚de Lempicka‘ Wollte
ich mir endlich einmal merken. |
Lange
dachte ich darüber nach Und
hatte aus dem Buch nur dieses eine Bild Betrachtet. Gegen
Mittag kam ich in die Stadt Und
ging gleich ins Museum, in die Galerie. Ich
gab mir alle Mühe, doch Ich
konnte die Gedanken nicht auf diese Werke lenken. Immer
wieder dachte ich an sie Und
setzte mich gequält auf einen Stuhl. Der
Nachmittag verging, Ich
hätte mir ein Zimmer suchen sollen, Und
ich floh aus dem Gebäude. Als
ich draußen war, War
ich sofort entschlossen und ging auf die Post, Und
rief, als wäre es das Selbstverständlichste, In
ihrer Wohnung an. |
Sie konnte grad von ihrer Arbeit Heimgekommen sein. Ich
ließ es einmal klingeln Und
ihr Mann ging an den Apparat Ich
nannte meinen Namen Und verlangte seine Frau, falls sie Zuhause sei. Sie
kam und wusste gleich Bescheid. Ich
sagte ihr: „Ich
halt es nicht mehr aus“. Sie:
„Ja, ich weiß. Wo
bist du denn.?" Ich sagte: „In sechs, sieben Stunden Könnt ich bei dir sein. Wir hätten dann den Rest der Nacht Und einen ganzen Tag für uns; Das
würde keiner merken. Könntest
du ein Zimmer finden, Könntest
du von deinem Mann..“. |
Ich
schwieg, und sagte dann sofort: „Hört
er dir zu, ist er mit in der Leitung?“ „Nein, er ist im
andren Zimmer. Aber er wird hören, was ich sage“. „Könntest
du denn kommen? " „Sag
nichts mehr, ruf mich In
zehn Minuten wieder an, Dann
weiß ich alles, dann ist das geklärt“, Und
unterbrach die Leitung. Ich
war stolz auf mich Und
hatte endlich einen eignen Schritt getan, Und
suchte mir die Ankunftszeiten aus dem Plan, Dass
sie mich treffen könnte, Und
ich dachte auch: ‚Verflucht,
wenn sie nun ihre Tage hat, Dann
kann sie auch nicht kommen, Und
wir müssen die Gelegenheit verstreichen lassen‘. |
Dann
rief ich zurück. Sie
war am Telefon und sagte: „Ja, ich komme“. „Was
sagt denn dein Mann dazu?" „..erfährst du später. Sag mir, wann du kommst“. Ich
gab ihr eine Uhrzeit an, Die
war genau um Mitternacht. Wir
sagten uns auch zwei, drei liebe Worte, Und
ich fragte nach: „Was
sagt dein Mann dazu, hört er jetzt mit?“ Sie
sagte: „Nein, Ich
glaub, ich hab ihn sehr verletzt“. Dann
sagte ich: „Kannst
du denn überhaupt?" Sie
darauf: „Ja, es geht“. Ich
wunderte mich insgeheim, Dass
sie verstanden haben musste, was ich meinte, Grüßte
sie und hängte meinen Hörer ein. |
Die Zeit verging nicht schnell genug, Ich dachte nicht an meine Frau, Und
meinen Gott hielt ich in meinem Rücken, Mochte
er mir, wenn er wollte, Über
meine Schulter blicken, Heute
wollte ich nur sie Vor
meinen Augen haben. Dann fuhr ich zurück. Es war zu dumm: Die Ausstellung war mir zu viel gewesen, Und in dieses Buch der Künstlerinnen Konnte ich mich ganz vertiefen. Nie
im Leben, dachte ich, Werd
ich die ‚Plastikfrau‘ vergessen, Und
ich übertrug das Bild auf sie. Es passte ihr wie angegossen. Sie, so dachte ich, ist die
Verkörperung Des Bildes, das ich sah. Ich dachte intensiv an sie, Und
ihre Stimme war in mir, Die sprach mich an und rief aus mir, Ja, ihre Stimme sprach in mir aus mir: |
‚Du bist der Mann aus Blech dazu‘, Und
lachte laut zu mir und lachte wieder: ‚Mann
aus Blech, ein Mann aus Blech, Der
ist nicht zu verbiegen!‘ Alles
war so wahr, Dass ich mich heimlich umsah, Aber niemand sah zu mir, Der Wagen war fast leer. Ich
hatte mich vor mir erschrocken. Langsam
blätterte ich weiter in dem Buch Und
dachte: ‚Mann
aus Blech und Plastikfrau, Wie
sollen die sich jemals lieben können?‘ So
entstand in meinem Kopf ein Stillstand, Der
war fürchterlich, Es war ein Teer, der in der Sonnenwärme Aus dem umgeworfnen Eimer kroch. |
Dann
sah ich auf ein andres Schreckensbild, Das
sprach noch deutlicher mit mir. Ich
sah das Bild der ‚Gentileschi‘: ‚Judith
köpft den Holofernes‘. Dabei
dachte ich zuerst, Die
Mörderin hat keine Übung, Und
es ist für sie gewiss das erste Mal. Ich
lehnte mich zurück Und
kurze Träume tauchten auf, Die
pendelten sich zwischen Wachheit Und
erschöpftem Schlafen ein, Und
Wachheit wurde dabei Schlaf Und
Schläfrigkeit war voller Wachsamkeit. Die
Träume trieben mich auf dünnes Eis, Und
ich brach ein Und
konnte doch vor jedem Einbruch fliehen. Alles
brachten sie mir durcheinander: Frauen,
die mich köpften; Eine
Frau, die freundlich zu mir war, Mich
dann verlachte; Einer
Frau lag ich im Schoß, Die
hatte dort und statt der Brüste Schubladen, |
Die
ich ihr öffnen musste, Und
die gähnten mich in ihrer Leere an; Und
Frauen waren in den Träumen, Die
ich nie zuvor gesehen hatte Und
nicht kannte. Dann
erwachte ich Und
war schon fast Zuhause. Meine
Stirn war etwas feucht vom Schweiß. Ich
saß in einem Wagen, der war ohne jede Unterteilung, In
der Mitte war ein langer Zwischenraum, ein Flur, Den
gingen dauernd Leute auf und ab. Ich
blickte hoch und plötzlich wurde ich gegrüßt Und
wusste nicht, von wem. Man
sprach mich an, Sie
sei die Dame aus der Nachbarschaft, Drei
Häuser weiter, Und
ich sei wohl in Geschäften unterwegs. Sie
sagte noch: „Wir haben‘s gleich geschafft“. |
Ich
wagte nicht mehr nachzudenken, Und
sie war schon fort. Im
zweiten Augenblick erkannte mich ein Herr, Den
hatte ich zu grüßen, Und
er war erleichtert, dass ich es auch tat, Und
kannte mich mit Namen. Aus
dem höchsten Turm fiel eine Glocke Und
zerschmetterte mich unter sich. Ich
stieg als Letzter aus dem Zug. Der
fuhr nicht weiter, Stand
und stand und stand. Dann
kam sie mir entgegen, Und
sie fand sofort heraus, Dass
wieder etwas gegen uns gehandelt hatte, Und
ich sagte ihr „Nun
geb ich‘s auf Und
will nicht mehr Und mag und kann nicht mehr“, Und gab ihr auch die Leute an. Sie glaubte mir aufs Wort. |
„Du
machst dir noch Gedanken Über
diese Witzfiguren“, sagte sie, „Vielleicht
denkst du einmal an mich Ich
habe meinen Mann verlassen“. „Das
versteh ich nicht. Was
soll das heißen: Habe meinen Mann verlassen“. Und
sie wiederholte: „Habe
ihn verlassen. Habe ihm gesagt, Dass
ich ihn nun verlasse Und hab auch gesagt, warum, Und
dass wir nun zusammenziehen werden“. „Heute
Nacht und morgen“. Gut,
sie gab mir einen Kuss, Das
hatte ich versäumt und holte es nun nach. Wir
hielten uns Und
brauchten beide diese Stütze. Dann
fing ich noch einmal an: „Ich
glaube, das sind alles Zeichen gegen mich“. |
Sie
schrie, Dass
es im ganzen Bahnhof widerhallte: „Nein!" Und
dann zu mir: „Jetzt
machst du, was ich sage!" „Gut, hast du ein Zimmer?" „Nein, wir gehen ins Hotel. " Ich sagte: „Das wird viel zu teuer, Soviel Geld hab ich nicht mit. Bei uns ist alles eingeteilt, Ich weiß nicht einmal, wie viel ich verdiene“. „Spar
dir die Gedanken. Geld hab ich genug dabei“. Sie
war nun voller Energie Und
wollte es zu Ende bringen, Und
ich sagte schnell: „In
Gottes Namen“. |
Darauf
Sie: „Der wird nichts ändern“. Drüben
in der Seitenstraße sagte sie: „Geh du voran und schreib den Meldeschein“. Wir
gingen ins Hotel, Und
sie war eng an meiner Seite. Ja,
ein Doppelzimmer war noch frei. Dann
trug ich meinen Namen und den ‚Namen
meiner Frau‘ auf diesen Schein. „Sie
sind aus dieser Stadt?" Ich
sagte "Ja, wir beide“. „Tut
uns leid, Dann
dürfen wir Sie hier nicht übernachten lassen“. Ich
verstand die Dame nicht: „Was
ist denn das?“ „Ja,
wir sind leider dazu angewiesen. Von
der Direktion, verstehen Sie. Den
anderen Hotels ist es genau wie uns Verboten“. |
Draußen
auf der Straße war es eisig kalt. Sie
sagte schnell: „Die
sind total verrückt, Wir
suchen uns ein andres Zimmer“. Und
ich sagte: „Nein, Das
ist für mich die dritte Warnung. Nichts
wird mich mehr dazu bringen!" Plötzlich
fing sie an zu weinen, Und
sie könnte nicht nach Haus zurück. Dann
schimpfte sie auf mich, Ich
hätte alles nur so eingefädelt, Um
sie neu zu quälen, |
Und
sie sei so ‚saudumm‘, Dass
sie noch einmal darauf reingefallen wäre: "Ja,
du bist ein Schwein!" Das
kannte ich Und
fühlte mich nicht schuldig Und
war frei und nicht durch mich. Es
sollte, dachte ich nicht sein, Und
ließ sie endlich einfach stehen. In der Bahnhofstür hielt ich mich noch Fast eine Stunde auf, sah unentwegt zu ihr. |
Sie blieb, wo ich sie hatte stehen lassen. Sie fuhr ab und zu Mit
einem Taschentuch in ihr Gesicht. Dann ließ ich alles sein Und fuhr nach Hause. Morgen
würde ich, als wäre nichts geschehen, Wieder
arbeiten Und
meinen Urlaub streichen lassen. |
So
begann ein neuer Tag in
Demut. Meinen ganzen Mut
nahm ich zusammen Und rief bei ihr an
und fragte: „Lebst du noch“,
und: „Kannst du mir
verzeihn?" Sie hatte einen
frohen Ton in ihrer Stimme, Sagte gleich: „Wir haben Pech
gehabt, Und das ist alles“. Darauf sagte ich: „Ich hab dir lange
nachgesehen“. "Ja, ich weiß. Ich dachte auch, du
würdest dich besinnen Und noch einmal
kommen“. |
„Konntest du mich
sehen? Woher weißt du
das“. „Ich stand vor
einer großen Fensterscheibe, Und du hast dich
drüben in die Tür gestellt. Ich hab dich
immerzu beobachtet“. Jetzt konnte sie
darüber lachen, Und ich war
erleichtert. „Du da drüben hattest
nur den Rückenakt der Dame, Und ich hatte dich
frontal in meinem Spiegel“, Sagte sie. |
„Dann bist du
wirklich nicht mehr böse?" „Nein, bestimmt
nicht“. "Und dein
Mann?" „Der fand es gut, Dass ich so schnell
nach Hause kam. Genau gesagt, War er nicht da, Als ich Zuhause
war“. „Es ist doch spät
geworden.. Also gut“. Wir legten auf, Es kam ein anderes
Gespräch dazwischen. Alles schien mir
unwahr, Und auf meinen
Augen klebte noch der Rest Von einem Spinnweb, Das ich mit den
Fingerspitzen Fortzuziehen
suchte. |
Ihren Urlaub. Davon zeigte sie
der Freundin Und den andren
Bilder, Mir, und nicht den
anderen, jedoch ein Bild, Auf dem sah man die
Doppelbetten stehen. Sie lag ganz allein
und brav darin. „Da hat dein Mann
dich aufgenommen?" Fragte ich. Sie wusste, dass
ich sie verstanden hatte. Dazu nickte sie. Es war das Picken
eines Vogels Aus der Tränke. |
Mir schien sie sich
gut erholt zu haben, Hatte eine schöne
Farbe im Gesicht, Und mit der Stimme, Deren Lachen ich so
liebte, Stieß sie bis in
meinen Himmel, Und ich dankte
meinem Gott, Dass ich sie wieder
sehen durfte. Ja, ich hatte sie
vermisst, Bis zur
Verzweiflung nach ihr ausgeschaut Und hatte mich
zugleich beruhigt: Das ist eine
Medizin, Die wird dir gut
bekommen. |
Unser Umgang
miteinander war nun wieder etwas Distanziert, und
sie sprach nicht ein Wort Von der Beziehung
zwischen uns. Wir sagten im Büro
auch zueinander „Sie". Dann feierten wir
den Geburtstag, Den sie hatte, und ich
schrieb ihr ein Gedicht, Das spielte nicht
auf unsre Liebe an. Ich schrieb vom
Freiheitskampf Der Gummibärchen,
die in Tüten leben, Und dann, wegen
ihrer Süße Als Bonbons
gegessen werden. Das Gedicht ging
so: |
Die Zeit der
Gummibärchen ist vorbei, Sie schrien umsonst Nach einer dummen Freiheit. Kinder haben die Bonbons
gegessen; Von den aufgeblasnen Tüten Blieb ein Knall. |
Man lässt das Unkraut Wieder in den Gärten wachsen. Zwischenwege, die einst waren, Sind vergessen. . |
Irgendwo entsteht ein neuer
Ursprung, Den erkennt man An der ausgestreckten Hand. Die schneidet einfach Fenster In die Landschaft. Das bringt Raum Und großen Abstand. Natürlich hatte ich
auf vieles angespielt |
Im Oktober sandte sie mir einen Brief. Ich hatte meine
Liebe nicht verhindern können Und nicht kühlen
können, Und ich dachte so
zu mir: Wenn sie nun nichts
mehr sagt, Dann wird sie es
vergessen haben, Und es kann auch
sein, Dass sie ein Kind
erwartet Und es mir nicht
sagen mag. Es kann auch
tausend andre Gründe haben, Und ich redete mir
eine Ruhe ein, Die konnte keine
Ruhe werden, Aber ich hielt
still Und bastelte an
meinem Scherbenhaufen. Was benutzbar war,
wollt ich für mich Verwenden und
gebrauchen. Die Lektion, so
dachte ich, Ist letzten Endes
gut. Soweit war ich, als
ich den Brief bekam. Der Vorsatz, ihn
nicht mehr zu öffnen, War dahin. |
Ich musste, um vor
mir ein wahrer Mensch zu bleiben, Alles wissen, was
sie schrieb. Nach diesem Brief
erhielt ich einen zweiten Und danach den
dritten und.... Ich. dachte, dass
ich sie Und damit mich
verstehen lernen würde, Lernen könnte mit
uns beiden besser umzugehen, Und ich gebe ihre
Briefe nun, Im Nachhinein, so
wie sie kamen wieder. Wochen liegen
zwischen ihnen. Mögen sie aus ihrer
Sicht ein Bildnis sein. Dazu gehört jedoch,
dass ich den allerersten Brief, In welchem sie das
Angebot, Für mich zu
arbeiten, verfasste, Auch vorlese, Weil man sehen
wird, Dass sie mit ihrem
neuen Schreiben darauf fußt. Den Brief schreibt
sie nach Mitternacht Und redet mich
darin nicht an. |
Der erste Brief: „Ich liebe dich und
mache dir ein Angebot. Zum Ersten liebe
ich nur dich, Und mich und alle
anderen verrate ich damit. Zum Zweiten biete
ich dir an, Für dich nach
Feierabend Und an Wochenenden
deine Texte abzuschreiben. Drittens bleibe ich
noch zwei, drei Jahre In der Firma, Dann versuche ich
zu wechseln, Um mehr zu
verdienen, Und du brauchst
nicht mehr zu arbeiten. Wenn du“, fährt sie
nun fort, „An meiner Absicht,
ihrer Echtheit, zweifelst, Dann leg deine Hand Auf meine linke
Brust. Mein Herz ist zwar
gebrochen, Aber deine Liebe
wird es dann lebendig machen. Unterschrift“. Sie hatte aufs
Papier des eigenen Vertrags geschrieben, Den sie mit der
Firma abgeschlossen hatte, Dass ich sah, was
sie verdiente. |
Nun
kam jener zweite Brief, Der
sich darauf bezog- (Am
Anfang schreibt sie meinen Namen, Nur
den Namen und daneben stehen Datum und die Uhrzeit. Es ist mittags.): Ich
bezieh mich auf mein ‚Angebot‘, Das
kann in dieser Form nicht gültig bleiben. Zu
Punkt eins: Ich
glaube zwar, Die
Fähigkeit des Menschen zur Veränderung, Sich
zu verändern, Ist
nicht ohne Grenzen möglich, Ich
jedoch, will mich nicht künstlich so beschränken. Eine
Freiheit, mit dir in Verbindung, ja, Das
heißt, wenn sie mir alle Möglichkeiten offen lässt. Ich
akzeptiere die Zerstörtheit in uns beiden, Aber
es verbietet mir ein Trieb, Aus
dem heraus ich dich so sehr, sehr liebe, Mich
auf der Zerstörtheit auszuruhn. |
Die
Liebe, die ich für dich habe, Ist
das Gegenteil von Tod Und
springlebendig, Ja,
mein. Lebenswille Bricht
durch alle destruktiven Komponenten Unserer
Beziehung; Deshalb
diese Korrektur zu meinem ‚Angebot‘: Zu
eins: Ich liebe dich. Zu
zwei: Ich möchte viel mehr über dich erfahren. Lies
mir vor von dem, was du geschrieben hast Und
lass mich fragen, Lass
dich auch auf meine Fragen ein. Zu
drei: Ich lehne es ganz einfach ab, Dir
weiterhin noch mehr die Illusion zu geben, Dass
du dich von den Bedingungen, Die
realistisch um dich sind, Entfernen
kannst. |
Das
heißt, du kannst dich nur verändern, Wenn
du dich auf alle die Erscheinungen, Die
dich umgeben, Mit
dem ganzen Wesen einlässt. Außerdem, wie soll ich mich entwickeln, Wenn ich alle meine Zeit Für
fremde Zwecke opfere. Ich
will nicht opfern sondern helfen. Helfen
will ich gerne. Solche
Unterstützung kann dir helfen. Sag
mir, was du denkst. Ich
mag dich“. (Unterschrift)
Wohlgemerkt, Ich
ließ die Schreiben unbeantwortet. Vielleicht
auch, weil ich sie nie ganz verstand. Sie
standen mir im Gegensatz zu einer Und
zu meiner Liebesabsicht, Und
die sollten sie, so dachte ich, doch grad begründen. |
Dritter Brief (Mein
Name, Datum): „Wollen
wir das Werk derjenigen, die uns zerstör(t)en, Selbst auf diesem Weg vollenden?" Damals
wusste sie nicht, dass ich ihre Briefe wieder las, Daher
der nächste Satz: „Solange
diese beiden Briefe ungeöffnet bleiben, Gibt
es für uns keine Lösung. Einen Waffenstillstand kann es nur dort geben, Wo der Krieg herrscht. Das
heißt nur, man schreitet mit Gewalt in den Konflikt, Und
Krieg und Waffenstillstand Können
niemals Mittel sein, Um
das Problem zu lösen. Jedes
zwanghafte Vergessen Ist
Heraufbeschwören Einer
Fehleinschätzung der Realität, Heraufbeschwören
unberechenbarer Ängste Und
der Kriege“. |
Vierter Brief (Nur
Datum, Uhrzeit: nachmittags halb sechs): Verständigung Ist
eine utopische Dimension von Sprache. Einen
einmal angefangenen Prozess In
der Verständigung zu unterbrechen, Heißt
auf den Verständigung Versuchenden Und
den Verständigung noch Suchenden. Gewalt
in stärkstem Maße auszuüben, Und
sich der Gewalt nicht zu entziehen, Nicht
mit anderer Gewalt dagegen anzukämpfen, Heißt
sich der Verletzung auszusetzen. |
Ich
bemerke, wie an mir die Risse Und
die Wunden immer größer, Immer
tiefer werden, Und
ich sage dir, Solange
ich das Brennen Meines
rohen Fleisches spüre, Brauche
ich die Hoffnung noch nicht Aufzugeben. Weg von dem Sadismus, Masochismus, Der sich weidet an der Quälerei. Lass Wunden zu, Um ihre Konsequenzen, ihre Wurzeln Zu erforschen, um zukünftig Leiden Von derselben Art ganz zu vermeiden. Daraus
wächst die neue, ungeheure Kraftentfaltung; Eine
Energie wird freigesetzt, Sie
lebt von völlig neuen Konstruktionen“. |
Fünfter Brief (Ganz
ohne Namen, nur mit Datum Und
gehetzt geschrieben): „Du
kannst sagen, Was
hab ich mit dir zu schaffen, Du
kannst sagen, Dass
du nichts mit mir zu schaffen haben willst. Mir
darfst du aber eines nicht, ‚Vergiss mich!‘ sagen. Damit
zwingst du mir mit allen Konsequenzen auf, Was
du von der ‚Beziehung‘ zu mir hältst, Du
willst damit auf meinen Willen Einfluss
nehmen. Sicher
könntest du von mir verlangen, Dass
auch ich mit deinen Augen sehen lernte, Die
Realität, in der du lebst, Verstehen
lernte. Eines
aber darfst du nicht, Du
darfst mir nicht verschreiben, ja, verschreiben, Was
ich mit Gedanken und Gefühlen, Ob
für dich, für mich zu machen habe. Das
ist meine Sache. |
Mit
mir kannst du machen, was du willst, Und
hoffentlich erwartest du nicht, Dass
ich dir zum Wohlgefallen alles mache Und
nur deiner Fährte folge, Dass
ich etwa sagen müsste: Du
hast Schuld an mir, dass ich so bin. Doch
was ist Schuld, Was
ist das, eine Schuld? Ich
habe nichts mit ihr zu tun. Sie
macht mich höchstens traurig, Und
sie ist nicht mein Gefühl, Sie
hat mit dir zu tun.. Ja,
das Empfinden einer Schuld Ist
Seelenwäsche jedes einzelnen. Versuche
etwas: Werd lebendig! Mehr wirst du dagegen kaum noch machen können! Frag dich: Warum ist sie traurig, Hab
ich daran eine Schuld? Kann
ich es ändern, und: Warum, ruf ich in ihr Die Traurigkeit hervor? |
Die Schuld hat zwei gewollte Konsequenzen: Sie macht klein und unterdrückt, Und
kleinlaut werden die Gedanken, Die
man wegen einer Ungerechtigkeit Zum
Himmel schreien müsste. Das
gilt auch für die Verhältnisse, Die
überhaupt bestehen. Ja,
die Schuld an einem selbst Verhindert
es, die andren Missetäter auszurufen. Zweitens
brauchen sich die Menschen selbst Nicht
zu verändern. Das
ist doch bequem, Ein
Ruhekissen für Empfindungen, Es
ist ein Garten mit beschilderten Gefühlen, Anzufassen,
zum Berühren. |
Eine
Züchtung reiht sich an die andere. Sie
sind zum Kennenlernen, Und
man lernt sie so nicht kennen. Schließlich
lebt man ja nicht In
der Wildnis, Und
es kostet viel mehr Energie Lebendige
Personen wahrzunehmen, Ihnen
mit den Mitteln eines „Menschen" zu begegnen, Als
sie in ein ‚Fach‘, das grade passt, zu legen Und
sie abzustempeln: Ist
moralisch zu vertreten oder nicht. Es
ist ein Stempel, den die ‚andren‘ Wohl
genauso geben würden. Schließlich
wird man selbst zum Opfer, Selbst
zum Stempel, Den
benutzen dann die ‚andren‘. „Ich
hab Schuld daran.“. ist leicht zu sagen, Das
ist weiter nichts als Schubfach
drei von oben mit dem Schild: |
‚Für
Unwohlsein, für Selbstvorwürfe Und
für Eigenzweifel‘. Schuld
ist weiter nichts, Als
Vorprogramm für seelisch-geistige Verarbeitung Und
eigentlich die geniale Falle Unseres
Zusammenlebens: Hast
du Schuld, bist du in sie geraten. Schuld
engt ein, hemmt deine Neugier Andre
Leben zu probieren: So
macht sie dich dumm. Du
kannst nichts mehr in Frage stellen. Wenn
du Schuld empfindest, Bist
du in der Wiederholung, eines Machtverhältnisses, Dem
kannst du nicht Aus
eigner Kraft entkommen. |
Die
‚Verwertung‘ schreitet fort. Ich
komme nun zu dir. Du
hast von mir verlangt, Dass
ich, wie du, das Spiel mitspiele Und
dich so entschuldige, Das
zieht dich weiter ins ‚Verderben‘, Und
ich sehe mir das nicht mit an! Hier ist die Punkt, hier ist die Stelle, Wo sich unsre Welten trennen Oder
richtiger, Wo
unsre ‚Welten‘ aufeinander stoßen, Wo
zwei ‚Welten‘ sich begegnen. Hier
verlöre ich, was ich den ‚Glauben‘ nenne, Den
an dich Und
alle lebenden Geschöpfe. Deine
Antwort höre ich: „Auch
ich hab einen, meinen Glauben, Den
geb ich nicht auf“. |
Wir
müssen über unsren Glauben Miteinander
reden können Und
Bereitschaft zeigen. Allerdings
bin ich der Meinung, Dass
ich dich von meinem Glauben überzeugen kann, Und
dass er für uns beide gut ist. Du
hast diese Hoffnung nicht. Dein
Glaube lässt nicht mit sich reden. Alle wären wir verurteilt still zu stehen, Lebten einer neben jedem anderen Und
kämen nicht voran und nicht zurück. Die
Kriege, alle Kriege, sind aus diesem Grund Am
Leben. Wenn wir etwas retten wollen, Dann doch uns zu allererst! Wir müssen sehen und erkennen Wie wir aufeinander angewiesen sind. Das
will ich nicht im negativen Sinn Für
mich begrenzen, Weil
ich weiß, wohin das führt, Mein
Selbstbewusstsein braucht das nicht, Ich
kenne diesen Trick. |
Ich will sehr viel Vertrauen, Dialoge. Jede
Rangelei um ‚Güter unsres Glücks‘ Verdrießen
mich, Ich
mag sie nicht, Ich mag sie weniger als möglich. Daran
wächst ein schlimmer Dorn: Man
denkt sehr leicht, das wäre Überheblichkeit. Dem
setze ich mich aus. Wenn
der mich sticht, Brech
ich in mir zusammen Und
bin hilflos. Dir
macht das nichts aus. Es
stört dich scheinbar nicht, Dass
ich den Abstand halte. Deshalb
dachte ich, du wärest so wie ich, Du
wärest wirklich ‚Ich-bezogen‘. Doch
dein ‚Ich‘ ist weiter nichts Als
eine Zucht, Die
kommt aus einem Schrebergarten! |
Glaube,
Liebe, Hoffnung, wachsen wild! Die
kann man nicht begießen Und
beschneiden, Denen kann man nicht zu gradem Wuchs verhelfen. Ja, die wachsen in der Freiheit auf, Die haben alle drei denselben Boden; Ihre Wurzeln ähneln sich, Das
ist kein Zufall. Sie
bedingen sich einander, Und
ich kann sie nicht in meiner Seele Voneinander
trennen. Doch
dein Glaube schließt die Liebe aus, Und
du lebst auch in einer Wildnis, Aber
die ist karg und unfruchtbar, Dein
Weg ist falsch. Du
bist so voller Widerspruch, Denn
alles machst du nur, Um
ausgetretne Pfade zu vermeiden, Und
in Wahrheit gehst du immerfort auf ihnen, Siehst
nicht links nicht rechts davon Und,
was noch schlimmer ist, Siehst
nicht in dich dabei. |
Dein
drittes Auge, das nach innen sieht, Hast
du dir, scheint es, Ausgestochen, Und
man denkt, Wenn
man dich sieht: ‚Der
hat ein großes Ziel vor Augen, Und
gewaltig ist sein Marsch‘. Das müsste dir zu denken geben, Denn du siehst nicht, Dass
du dich von etwas fortbewegst. Du
stehst dir selbst im Rücken und im Wege, Und
du fliehst vor dir, vor deinem ‚Ich‘. Dem
‚Ich‘ in dir lässt du in deiner Existenz Ein
kümmerliches Dasein, Das
hält sich nur auf Papier, In
den Gedichten, die du schreibst, In
den verschlüsselten Geschichten. Deinem
‚Ich‘ gestattest du es nicht, Sich
auszuruhn. |
Es
wird von dir gequält, Weil
andere dich quälten. So
gesehen, sehe ich, Dass
du dir mit dem Schreiben Eine
Freiheit baust, Die
könnte eine Freiheit werden. Aber
gibt es nicht umfassendere Arten, Ohne
auf das Dichten zu verzichten? Mögen
meine Bleistiftmine, das Papier Für
diesen Brief, für diese Zeilen Auch
vergeudet sein, Und meine Zeit hätt ich vielleicht Für Häuslichkeiten besser nutzen können, Hab sie so mit Denkbarem vertan, Doch dies ist eigentlich, Was
ich dir sagen wollte: Nichts
kann meine Liebe zu dir löschen, Auch
du selber nicht (Und
Lieben schließt die Wut nicht aus, Die
geht vorüber). |
Trennung,
räumlich uns zu trennen, Ist
nur die Verschiebung des Problems. Und
ein Beiseiteschieben Ist
von neuem Flucht, Und
wenn du mich aus deinem Denken ausschließt, Mich
in dir nicht wohnen lässt, Lieb
ich dich deshalb doch nicht weniger. Ist das nicht eine ‚ideale‘ Liebe? Liebe unter jedem Umstand und bedingungslos? Kann ich nicht anders, weil ich machtlos bin, So machtlos wie ein Kind? Ich
bin doch gar nicht machtlos, Könnte
mich ja gegen meine Selbstverstümmelungen Wehren. |
Wie du siehst, such ich mir meine Wand, Und renne gegen sie, so oft ich will. Und diese Wand wird stehen bleiben. Ist
es das, in was ich mich verliebte?! Dieses
ist in unserer Beziehung Das,
was mich zerstört. Du
bist die Macht darin. Kannst
du dich wiederfinden? Also
zwing ich mich, Die
Augen aufzuhalten. Nichts davon soll sich an mir, der Blinden, Wiederholen, Und
ich will erkennen, |
Wann
ich mich dagegen wehren muss: Denn
trennen will sich die zerstörerische Liebe Von
der Liebe, die im Wachsen ist. Zerstörerische
Liebe ist ein Schein, Die
sonnt sich in der Tradition. Die
andere wird Blüten tragen wollen. Hör
nun zu, was ich dich frage: Kann
ich diese Trennung finden, Kann
sie mir gelingen? |
Hätte sich die Wiederholung gleich verhindert Und vermieden mit dem ‚Nein‘, Dem
‚Nein‘, das ich als erstes hätte sagen müssen? Ist
die Chance (schon) verpasst? Wenn
das so ist, Dann
wiederhole, inszeniere ich mit dir, Mit
jedem neuen Tag, Das
Leben einer ungeliebten Tochter. |
Dann
erfahre ich an dir mit jedem Tag Den
Vater, der die Liebe seiner Tochter Nicht
erwiderte. Das
wär ein Spiel, Zu
grausam inszeniert, Um
länger zu bestehen, Und
ich will, ich will, ich will es enden. Ist
es mir noch immer nicht gelungen? Manchmal
denke ich auch völlig anders, Denke,
dass mir eine Anstalt helfen könnte. Doch
dann sehe ich vor mir die Seelenärzte, Die
mich wieder ‚funktionieren‘ lassen möchten, Und
nach ei n paar Wochen wird es heißen: Ab
in die Verwertung. |
Der
Prozess beginnt von neuem Weil
die Prozedur nicht endete. Den
Ärzten gegenüber bin ich voller Misstraun, Und ich sagte dir
ja damals, Dass ich mit dem Arzt… War das der Reiz, Warum ich ihn an meinen und in meinen Körper Und in meine Seele ließ? Nun
hab ich etwas Angst, Dass
du dich bei dem Lesen langweilst, Auch,
dass ich dich so vielleicht Von
deinem Werk entfernt und abgehalten habe. Ist
es so, dann finde ich es trotzdem Sehr,
sehr traurig. |
Übrigens
bedeutet Anstalt Freiraum. Frei
im Raum von jeder Pflicht. Allein
dies Wort ist Schutz, Jedoch
ein Schutz, den es nicht gibt. Ich
bin die Feindin des Systems, Und
das System ist überall. Die
Folgen des Systems sind tief in mir Verwurzelt.
Darum
wünsche ich mir auch Oasen Und
ich halte danach Ausschau, Ausschau
halte ich nach etwas, Das
es gar nicht geben kann. Ich
blicke trotzdem hoffnungsvoll umher. Ich
träume heute Nacht bestimmt von dir. (die
Unterschrift) |
Ich wurde ziemlich krank, Ein Fiber saß in meinem Körper Und stand in der Tür, Zum Sprung bereit auf meine Seele. Da
schrieb sie mir mit der Freundin einen Brief, Der
gab mir, wieder Freude. Und
sie schrieb zum Schluss: „…Nachdem
wir hier den höchsten geistigen Und
den moralischen Bedürfnissen Die Stirn geboten haben, Treten
wir ermattet aber selbstzufrieden, Unsren
Heimweg an. |
Wir
wünschen gute Besserung. Jedoch
bedauern wir zutiefst, Dass
wir Sie im Moment so wenig ärgern können. Es
entgeht uns dadurch doch ein gut Teil Wahrer
Lebensfreude?“ Diese Späße mochte ich. Die
grüßten mich und trugen so Zu
der Gesundung bei. |
Der
fünfte oder sechste Brief War
die Kopie von aufgeschriebnen Oder
abgeschriebnen Folgerungen, Die
mich sehr verwirrten. Er
enthielt nicht einen Namen, Nur ein Datum, und es schossen Pfeile Zwischen den Begriffen, die dort standen, Hin und her. Sie sprach von Zwang und Pflicht, Von Lust, Struktur, Verarbeitung, Funktion und Abwehr, vom Vergessen Und vom Sich- Erinnern. Alles
schien mir wirr, und war vielleicht Ein
Abriss aus der Studienzeit. Ich
habe nie danach gefragt. |
Das Jahr ging ruhelos zu Ende, Und wir mieden uns Und. sahen uns
nicht in die Augen. Und begegneten uns
kaum, Doch stand von Kopf
zu Kopf auf uns Ein weißer Bogen
hellen Lichtes, Der saß fest Und sprang nicht ab Und ließ uns zu den
Säulen eines Eingangs werden. Ohne, dass wir
miteinander sprachen Trug der uns
einander die Gedanken zu Das endete den
ganzen Tag nicht Und nicht in der
Nacht. Der Bogen wurde
immer greller, Und je näher wir
uns kamen, Desto deutlicher
stand er auf uns, Und bündelte sich
um so stärker. Einmal liefen wir
uns unverhofft Im Treppenhaus vor
die Gesichter, Und ich küsste
einfach ihr die Stirn. Sie suchte flüchtig
meinen Mund Und flüsterte: „Ich
liebe dich, ich liebe dich“. Ich küsste sie
zurück. Den Bogen hellen
Lichtes Zogen unsre Köpfe
wieder auseinander. |
Spät im Januar kam
sie zu. uns Und hatte ihren
neuen Arbeitsplatz auf meinem Stockwerk, Gleich nach Ostern Würde sie die Firma
ganz verlassen. Wenig, sprachen wir
darüber, Nur das Nötigste Und nichts, was die
Bedrängnis in uns Hätte zeigen
können. In den Ostertagen Trudelte bei mir
Zuhause Eine offne Karte
ein. Es war ein
Ostergruß ganz eingner Art. Die eine
Kartenseite war beklebt Mit schmachtenden
Verliebten und dem Text „Lass schwören
wieder mich aufs Neu Dir meiner Liebe
ewge Treu“. So stellte sie mich
bloß, Denn meine Frau las
diese Worte doch vor mir Und fragte, ob denn
noch nicht Ruhe sei, Und jetzt sei sie
so weit Und wollte sie zur
Rede stellen Und sie nach der
Absicht fragen, Und das ginge doch
zu weit. |
Ich sagte, Es sei alles lange
aus, Und bat sie zu
vergessen, Und sie tat sich
schwer damit, Ich dachte auch,
man tut ihr Schlimmes an, Und mir war es
nicht leicht, Dass ich mit Lügen
leben musste. Dann sah ich den
Text der Karte Auf der andren
Seite, Den sie wohl
geschrieben oder abgeschrieben hatte, Um mich so zu
treffen, Oder die Banalität
an mir zu zeigen: „Wenn die
Osterglöckchen läuten, Welch ein
Freudenzauber nimmt mich an die Hand Und lässt mich
dieser Tage Blicken ins
Erwachen der Natur. Ja, offenbart sich
nicht in ihr und allem, Was sich tief in
unsrem Busen regt, Von Seiner großen
Güte etwas, Seiner Macht? Wir wollen uns zu
unsrem Besten Fügen in den großen
Plan, Hernach aus seiner
Hand An Liebe zu
empfangen, Die ist mit des Anstands Schöner Zier
gekrönt Und wird zuteil dem
Haupt, Das sich in frommer
Demut beugt, Felice, deine
Glückliche“. |
Nach Ostern nahm sie ihren letzten Urlaub, Und es lag ein Tag dazwischen. Diesen Tag, so war es üblich, Wollte sie von den Kollegen Und im Kreise der Kollegen Abschied nehmen. Meine
Angst davor war groß, Und
machtlos hatte ich mit angesehen, Was
geschehen war. Der
Lauf der Dinge fragte nicht, Und
alles war normal, wenn man nicht fragte Und
nichts wissen wollte, Und
ich sagte mir: Du
kannst daran nichts machen, Und
vielleicht wird sie Vielleicht
wirst du nun wieder froh. Ich
schwieg mich aus Und
schimpfte dann mit mir, Weil
ich in einer Feigheit, Die
ich nicht mehr überwinden konnte, Diesen
Tag nicht im Büro erschien. Ich
nahm mir frei Und
hatte einen Grund. Ich
hörte später, wie man sagte: „Sie
hat diesen ganzen Tag geweint Und
traurig dagesessen, Und der Tränenflor ist nicht gewichen“. |
Ich
verbrachte diesen Tag Mit
einer Hausarbeit, mich abzulenken. Ein
paar Tage später sandte sie mir noch Ein
Buch zurück, Das
hatte ich ihr ausgeliehen, Und
sie selbst vermachte mir ein Werk, Von
einer Frau geschrieben, Das
erklärte, wie die Kindheit Und
die Jugend den Erwachsenen in allem Was
er denkt und tut, bestimmt. Die
erste Seite, unbedruckt, benutzte sie, Um
mir noch etwas mitzuteilen, Redete
mich mit dem Namen an und schrieb: „Wir
haben uns missachtet, Gegenseitig
nicht geachtet. Wir
missachten uns noch immer selbst Und
haben es nur so gelernt. |
Man
hat vor uns Die
Ängste vor Verlust, Bestrafung, Tod gestellt, Sie
sind der Grund, Dass
wir in starren negrophilen Schritten, Die
aus dem Theater stammen, Aufeinander
zugehn Oder
uns entfernen. Wir
sind so nicht in der Lage Einen
Unterschied zu finden Zwischen
Kräften der Bejahung und Verneinung, Das
ist unsre Lebenspraxis. Darum
konnte es uns nicht gelingen, Dieses
masochistische und auch sadistische Verhalten Zu
durchbrechen und herauszubrechen. Dass
wir unsre Rollen tauschten, Brachte
gar nichts. Das,
so denke ich, ist das Dilemma. Dir
und mir wünsch ich, Dass
endlich unser Tagestod beendet wird, Wir
dürfen unsre Tode nicht mehr Langsam
täglich weitersterben“. (Unterschrift) |
Heilt alle Wunden. Zweimal kam sie noch
an ihren alten Arbeitsplatz zurück, Nur zu Besuch, Und saß an meinem
Tisch Und ließ sich dort
ganz fröhlich über alles aus, Und unsere
Gedanken, Die wir uns in
neuen, frischen Kleidern zeigten, Kamen, gingen
eigentlich Mit völlig andren
Worten , als wir sprachen, Über unsren Bogen
hellen Lichtes. Der stand wieder
knisternd über uns Und ließ sich nicht
betrügen, Und er stand auf
unsren Köpfen kopf. |
So sprachen wir von
uns Und stellten damit
nach dem andren Fragen, Sprachen über liebe
Dinge, Die wir so dem
andren sagten, Stritten wieder um
das Denkbare Und dass es nun
kein Ende nehmen würde, Und wir würden
jeder, was es auszutauschen gäbe, Schon sehr bald für
sich behalten müssen, Und ich hoffte auch
für mich: „Vielleicht wird sie
von ihrem Manne schwanger, Das würd mich
ernüchtern Und sie ihrem
Wunsch ein wenig näher bringen“. |
Sicher war es so,
dass sie mir die Gedanken Raten konnte, Denn ich spürte,
was sie dazu dachte: „Nein, ich will das
Kind von dir, Und frag mich nicht,
warum, Ich weiß es selber
nicht“. In Wahrheit aber
sprachen sie und ich Die Tagesdinge an, Die wollte keiner
von uns beiden wissen. Irgendwann begann
sie eine neue Arbeit, Und ich hatte Tag
für Tag an sie gedacht, Und hatte Tag für Tag
darauf gewartet, Dass ich sie
vergessen würde, Dass ich in
Gedanken nicht mit ihr Gesprochen hätte, Und dem Kopf kann
man doch die Gedanken nicht verbieten. |
Ihre
Freundin blieb eng in Kontakt mit ihr Und
wurde schnell zur Brücke für uns beide. Wir vermieden es, dass sie für uns zur Botin wurde Und wir ließen uns durch sie Nicht
eine Nachricht überbringen, Und
wir fragten nie durch sie direkt Und
ließen uns durch sie doch jeden Satz des anderen Fast
wörtlich übermitteln, Schürften
darin nach dem Gold, Das
war so nicht zu finden. Und ich fragte auch für Wochen nicht nach dem, Was
sie der Freundin sagte. Damit
staute sich in mir Die
Neugier bis zur Unerträglichkeit, Dass
ich mich selbst nur noch zwei Dinge Wählen
lassen wollte: |
Ruf sie an, frag
sie direkt, Ob sie noch an dich
denkt, Weil du sie nicht
vergessen kannst, Und alles fängt von
vorne an, Und andrerseits bleib an der Freundin hängen, Forsch sie weiter aus Und
warte auf den Tag. An
dem du sie vergessen hast. Mir
hätte man von solchen Dingen Nichts
erzählen dürfen. Jedem
hätte ich ein Schnellrezept entworfen Und
die Weichlichkeit, in der ich selber
stand, Verdammt. Dann
fing ich an Mich
damit abzufinden, Dass
ich täglich an sie dachte, Und
ich sah es ein. Es
war ja töricht, anzunehmen, Dass
sich etwas Unerfülltes Durch
Vergessen auch vergessen ließe. |
So
vergingen eineinviertel Jahre. Dreimal
rief sie an, Und einmal hatte ich nach ihr am Telefon verlangt. Ich gab ihr zu, Dass
mir das Herz bis in die Schläfen schlage, Und
ich brauchte danach mehr als eine Woche, Um
mich zu beruhigen. Einmal
schrieb sie mir noch einen Brief, Der
hatte mich in seiner Sprache so verletzt, So
tief verletzt, Weil sie den Wunsch, den ich und sie Gemeinsam hatten, drastisch formulierte, Und sie schrieb auf einer ganzen Seite immer wieder: „Fick mich, fick mich…" usw. Zwischen diese kurzen Sätze Schrieb sie eine Uhrzeit Und bemerkte auch, Wie
lange es in ihrer Phantasie gedauert hatte. |
Diesen
Brief tat ich in einen Umschlag, Sandte
ihn zurück Und
schrieb kein Wort dazu. Schon
nach zwei Tagen sandte sie mir Meinen
leeren Umschlag wieder, Ohne
jeden Kommentar. Das
habe ich nicht mehr verstanden. Sonst
verstrich die Zeit Und
brachte keine Heilung, Und
ich wartete umsonst. Bei
ihr, Das
hörte ich aus Kleinigkeiten, Die
die Freundin wusste, Und aus einem Satz, den sie der Freundin gab, Weil sie zu ihr vertraulich wurde, Schien sich langsam eine Wandlung zu vollziehen. Irgendwann
erzählte sie der Freundin, Dass
sie ihre ‚Weinerei nach innen‘ Hatte
enden können, Und
sie wäre nun so weit, Dass
sie sich endlich Mit
viel Kraft und viel Verschleiß Von
mir befreien konnte, Und
sie sei nun etwas fester in der Spur. |
Die
Freundin hatte ich dazu bewegt, Ihr
einzureden, dass sie nicht mehr schreiben
Und
sich nicht mehr telefonisch melden sollte. Das
versprach sie ihr Und
hielt sich auch daran Und
sagte gleich, dass sie das machte, Um
mir Zeit zu geben., Denn
sie sähe manches ein, Und
ihre Drängelei sei sicher falsch gewesen, Und
ich stünde nun Mit meinem, Rücken an der Wand, Dazu in einer Ecke Und ich müsste mich von dort mit eigner Kraft, Mit eigner Hilfe retten und befrein. So endeten doch die Gedanken an uns nicht, Und alles, was wir dachten, Überbrachte dieser Bogen hellen Lichtes, Der riss nicht für einen Augenblick. |
Ich
hatte auch Gedanken, Die
ich vor mir selbst kaum eingestand: Ich
dachte oft an ihre Waffe, Und
ich hatte keinen Mut Und
hätte sie darauf nie angesprochen, Und
ich hatte doch, Seit
sie es mir erzählte, Dauernd
den Gedanken an den Tod, Den
wollte ich durch sie. Dann
dachte ich sofort, Ich
darf sie nicht in Schuld verstricken, Und
bei dem Gedanken hielt ich ein, Und
ich ertappte meinen Gott, Wie er mir wieder über meine Schulter blickte, Und ich nahm ihn grollend wahr Und war dann froh, Dass er sich zeigte. |
Meine Dichtungen begannen langsam In ein andres Wasser zu gelangen, Und ich schrieb mit großer Freude. Auch
in der Familie sorgte ich Für
größere Gerechtigkeit, Die hatte ich um meinetwillen Meinen Launen ausgesetzt, Das sollte besser werden, Und
ich wurde so zum Richter über mich. Der
fand, weil es in eigner Sache war Kein
Recht Und
übte sich in Milde, Nachsicht, Einsicht Und
verzichtete zum Schluss Auf
die Bestrafung ganz. |
Ich kam nicht ohne Hinterhalt auf diesen Spruch, Denn
schlimmer als die Nichtbestrafung War
in mir die Stimme, Die
rief höhnisch Und
verlachte die Bestechlichkeit, Und vor gerechten Richtern Hätte ich nicht überdauern können. Und ich dachte, Winn ich andere belüge, Warum dann nicht mich Und redete mir ein, Dass
es nun langsam alles besser würde, Und
ich dachte jeden Tag an sie. |
Ich
dachte auch, weil es mich quälte, Dir
wächst dieser Buckel, Leb
mit ihm, Du
wirst ihn dir an keiner Wand Vom
Rücken scheuern können. Und. es war nicht so, Dass
die Gedanken an die Frau In
mir Zufriedenheit, ein Glücksgefühl, Bestätigung
und warme Liebe übermittelt hätten, Sondern,
ausgewachsen, wie sie sich nun auf mir Ausgebreitet
hatten, Brachten
sie mir Dauerquälerei, Die
war nicht fort zu denken. |
Über
ihre Freundin lebte ich nun In Gedanken mir ihr
weiter. Ihre Freundin blieb
uns, Ohne einen Botendienst
zu machen, Botin. Manchmal war ich in
Versuchung, Sie zu bitten, uns
ein Wiedersehen einzurichten, Doch ich wagte
nicht den kleinsten Schritt. Der Bogen hellen
Lichtes Stand auf meinem
Kopf, Und alles, was ich
wissen wollte, War, ob er bei ihr
erloschen war, Ob ich mich
täuschte, Oder ob es dieses
Wissen um den anderen, Von dem man nichts
mehr wusste, Wirklich geben
konnte und auch gab. Vielleicht, dass
sie nun doch ein Kind bekäme, Oder neue Freunde
hätte, Dass sie mich jetzt-
wissen lassen wollte, Dass wir uns
bescheiden müssten, Dass uns alles
zwänge, aufzugeben, Dass wir letzten Endes aufgegeben hätten Und nur noch der Funken einer Einsicht Dazu nötig wäre. |
Vor drei Monaten
entschied sie sich, Die Botin nicht
mehr zu verwenden, Und erkundigte sich
auch nicht mehr nach mir Und gab von sich
nichts preis Und war ein fremder
Mensch. Von einem Tag zum
anderen, Sprach nichts mehr
aus, Was auszusprechen
wert gewesen wäre, Und ließ mich von
sich Kein Sterbenswort mehr
wissen. So schien ich für
sie Nicht mehr zu
existieren. Diese Stille war
bedrohlich Und beruhigend
zugleich. Mit größter
Vorsicht Ging ich über ihre
Freundin, Um herauszufinden, Was den Bruch
entschieden hatte. Die kam auch nicht
weiter, Und sie sagte mir, Ich sollte doch nun
froh sein, |
Wenn sich wirklich
alles so Zu einem Ende
neigen würde, Und ich fragte sie,
fast unter Tränen, Ob sie es vergessen
hätte, Dass ich diese Frau
doch liebte, Und ich wüsste
nicht warum, Und wüsste selbst, dass
es am besten wäre, Stillzuhalten, doch
ich müsste unbedingt Ein Lebenszeichen
von ihr haben. Ihre Freundin sah
in meine Not Und mühte sich auf
unsichtbaren Wegen, Und es schien, Dass sie mich
wirklich missen wollte, Missen konnte, Und es kam kein Wort
von ihr Das nur an mich
erinnert hätte. Ich verstand nicht, Dass sich dieser
dünne Faden über unsre Botin Hatte trennen
lassen, Hatte nicht
gesehen, wie gefährdet er Die Wochen, Monate
gewesen war. Ich war
verzweifelt. Trotzdem glaubte
ich zu spüren, Dass sie stärker
noch als sonst, Mit den Gedanken
bei mir war. |
Sie
war erneut in meinen Kopf gebrochen, Hielt
die Plätze, die sie immer hatte, Unbeirrt
besetzt, Und
wollte sie nicht mehr verlassen. Tag
für Tag, zwölf Wochen, Hatte
ich in Ungeduld gewartet. Auch,
wenn ich die Freundin bat, Nach
ihr zu fragen, Traf die auf den Schild, Der
wehrte alles ab. Ich
fragte nun die Freundin, Ob ich einfach ein Gespräch mit ihr am Telefon Versuchen, oder ob ich lieber Ein
für allemal vergessen sollte, Und
sie sagte: „Rufen
Sie sie an. Wenn
es so ist, wie es mir scheint, Wird
sie es sagen, Und
sie kriegen eine ‚kalte Dusche‘, Die
kann gar nicht schaden; Wenn
es nicht so ist, Dann
hat sie einen Grund, Den
wird sie sicher sagen. Darum
sollten Sie es, wenn sie meinen, Ganz
getrost versuchen, Denn
sie selber machen sich doch Mit
den dauernden Gedanken an die Frau kaputt“. |
So
war ich froh für diesen Rat und rief sie an. Sie
war in einer andren Firma Und
in guter Position. Ich
dachte, dass sie mit dem Anruf Gar
nicht rechnen konnte, Und er würde sie aus heitrem Himmel treffen, Und sie würde sicher nicht allein In
einen Zimmer sein. Als
sie mich in der Leitung hörte Und
ich ihre Stimme wieder wahrnahm, Waren
es die Zauberworte unserer Erlösung. Sicher würde sie,
das dachte ich, Mit einer Röte, die
ich kannte, überzogen. Ihre
Stimme änderte sich augenblicklich, Und
sie schien es nicht zu glauben, Dass
sie meinen Namen hörte. Ich
war vorsichtig genug und sagte: „Darf
ich mit dir sprechen, Hast
du etwas Zeit?" Sie
sagte: „Ja, sag, was du willst, Ich
höre zu“. |
Und
ich begann, so schnell es ging; Und
auch so ordentlich ich konnte: „Weißt
du, seit drei Monaten Hör
ich kein Sterbenswort von dir. Das
halte ich nicht aus. Ich
will nur wissen, wie‘s dir geht, Und
dir zwei Sachen sagen, wenn ich darf“. „Ich
hör ja zu“. Sie
war ganz lieb Und
doch auch fest in ihrem Willen. „Erstens
ist es so, dass ich noch immer An
dich denk, Das
geht so Tag für Tag und hört nicht auf“. „Du
bist ein Dummer“, sagte sie, „Es
geht dir so wie mir, Das
wird sich auch nicht ändern“. „Woher
weißt du das. Wir
sind doch so weit auseinander, Und
wir sehen uns nicht mehr Und
hören nichts mehr voneinander“. Sie
war im Gespräch für Augenblicke unterbrochen Und
erledigte dort irgendetwas. Dann
kam sie zurück. |
Ich
sagte noch einmal: „Ich
kann das nicht verstehen“. Darauf
sie: „Das
ist so, das ist unser Schicksal“. Daran
hatte ich noch nicht gedacht, Dass
es ein Zustand hatte werden sollen, Der
so bleibt und ist und der besteht Und
eine Sonne wird, Ein
Stern am Himmel, Etwas,
das selbst einen Tagesablauf haben würde, Ein
Bedürfnis, ein Verlangen, Eine
Sache, die so ist, weil sie so ist, Ein
Schicksal einfach. Nein,
das hatte ich noch nicht bedacht. Ich
sagte: „Zweitens wollte ich Nur
deine Stimme hören. Wollte
wissen, ob es dich noch gibt. |
Ich
hab auch deine Freundin angesprochen“, Und
erzählte, dass die mir die ‚kalte Dusche‘ Angedeutet
hätte. Darauf
sagte sie: „Du
brauchst für alles sehr viel Zeit, Das
hab ich eingesehen, Und
ich warte“. Sie
war ruhig, und es war, Als
wäre alles in der besten Ordnung. „Also“,
sagte sie, „wann werden wir uns sehen?“ Damit
hatte ich nun nicht gerechnet Und
versuchte abzulenken: „Von
der Freundin habe ich gehört, Dass
du die Haare anders trägst, viel kürzer, |
Dass
ich dich vielleicht nicht mehr erkenne, Und
noch eines sag mir, Die
Geschichte mit dem Kind von mir Ist
doch aus deinem Kopf?“ „Du
kannst ganz ohne Sorgen sein“. Ich
fragte sofort nach: „Du
kriegst ein Kind? Ich gratuliere, Das
hab ich mir fast gedacht“. Ich
war erleichtert, wenn ich gleich auch einen Stich verspürte, Und
ich dachte: „Meine Liebe, meine Liebe habe ich verloren“. |
Es
wär aber eine Lösung, wenn sie schwanger wäre, Ich
gewönne Abstand und Vernunft, Und
sicher war das auch der Grund, Warum
sie sich in Schweigen hüllte. „Merke
dir“, sie sprach ganz leise, „Das,
wovon wir sprechen, Wünsche
ich mir nach wie vor von dir Und
nur von dir und keinem anderen, Und
darum nehme ich jetzt auch die Pille. Du
kannst ohne Sorgen bei mir sein“. Und
dann: „Wann
können wir uns treffen?“ |
Gott,
so dachte ich, Auf
was lass ich mich wieder ein. Wir
würden uns nun übermorgen Abend Um
halb fünf vor dem Gebäude treffen, Wo
sie tätig war, Und
hätten Zeit bis gegen sieben, Danach
müsste ich zu einer Feier, Die
war unumgänglich. Und
sie war zufrieden, Und
sie sagte noch: „Ist
dir jetzt wieder wohler, Geht’s
dir besser?“ |
Und
ich sagte: „Wie
soll ich es dir beschreiben. Ja,
ich bin erleichtert, ich bin froh, bin sehr, sehr froh“. Ich
dachte, nun hab ich In
meiner Felswand Wieder
eine Tür gefunden. Und
dies war das erste Mal, Dass
ich mich nicht um mein Gewissen kümmerte, Zu
groß war die Erleichterung, Es
regte sich auch nicht, Und
alles hatte seine Richtigkeit. |
War ich am Platz. Ich dachte, dass
ich Blumen hätte kaufen müssen Oder ein Geschenk, Vielleicht ein
Schmuckstück. Doch die Blumen hätte
sie nicht angenommen, Und ein
Schmuckstück, dachte ich, Hätt sie in
Schwierigkeiten bringen können. Außerdem, war mir
der Schmuck Der ihr gefallen
könnte, Nicht so, wie ich
ihn an Frauen Schön gefunden
hätte. Schmuck ist auch
ein Teil der Künstlichkeit An einem Menschen, Und die lehnte sie
fast gänzlich ab. Ich konnte mich zum
Beispiel Nicht daran
erinnern, Dass sie jemals
einen Lippenstift benutzte Oder ihre
Augenlider nachgezogen hätte. Es lag daher nahe,
ihr von meinen Texten Einige als Vorabzüge
mit zu bringen. |
Als ich vor dem
Haus ein wenig abseits stand, Schlug mir das Herz
bis in den Hals. Das Warten wurde
lang, Dann kam sie
plötzlich aus der Tür Und auf mich zu. Sie hatte sich, bis
auf die Haare, Nicht verändert. Schmal war sie und
etwas blass. Ich sagte gleich: „Da bist du ja“,
und küsste ihre Stirn. Sie ging in Hosen, Das mag ich bei
Frauen nicht so gerne, Und trug eine kurze
Jacke Und darunter einen
einfachen Pullover. So war sie nicht
übermäßig weiblich angezogen, Und die neuen Haare
machten sie mir fremd. „Ich hab den
Wagen“, sagte ich, „Wir können aber
auch spazieren gehen“. „Ja, dann lass uns
doch ans Wasser fahren, Dass wir etwas
laufen können“. |
Sie erinnerte sich
an das Treffen, Das ich noch am Abend
haben würde, Und sie sagte: „Dann sind wir auch
in der Nähe Deiner
Festlichkeit“. Mir war es recht. Bis wir am Wagen
waren, Sprach sie über
ihre neue Arbeit Und von
Einzelheiten und benutzte Namen, Die mir gar nichts
sagen konnten. Und ich fragte: „Hast du einen
guten Posten?“ Dass sie mir ihn
ganz genau erklären konnte. Dann von mir: „Freust du dich
nicht, Dass wir uns
sehen?“ Sie blieb stehen,
sah mir ins Gesicht Und sagte: „Sag mal, merkst du
das denn nicht?“ Ich sagte: „Doch,
natürlich. Wenn ich dich hier
auf der Straße küssen würde, Wär das schlimm für
dich? Ich meine, kennen
dich hier irgendwelche Leute Aus der Firma?“ |
„Das ist mir egal“. Ich
küsste sie, doch das blieb flüchtig, War
nur, dass ich eine Oberfläche streifen konnte. Davon
blieb nichts hängen, Nichts
blieb haften, Und
ich fragte sie, ob ich ihr, Statt
der Blumen, die sie doch nicht nehmen würde, Manuskripte
schenken dürfte „Die
sind nur ein Vorabzug. Wenn
sie dich intressieren, Möchte
ich sie dir gern schenken“. Und
sie sagte einfach: „Ja“. Als
wir im Auto saßen, küsste ich sie noch einmal. Sie
schloss die Augen nicht Und
schickte ihren Blick, Wie
ich ihn kannte, wieder in die Ferne, Dass
sie mir gelangweilt schien. Wir
kommen, dachte ich, so nicht zusammen Und
fuhr los. |
Sie
kannte sich gut aus Und
lotste uns in eine Seitenstraße, Dicht
ans Wasser. In
dem Auto küsste ich sie nun nicht mehr. Sie
lehnte sich an mich Und
schloss die Augen. Ruhe
kehrte ein Und
Frieden schwebte über uns. Wir
sprachen nicht. Dann
kam sie wieder hoch, so dass ich dachte, Dass
sie meinetwegen still gehalten hätte, Und
ich hatte es nicht ausgenutzt. Sie
sagte: „Lass
uns gehen“. An
dem Wasser war es frisch, Obwohl
die Sonne schien. Sie
sprach noch einmal von der Arbeit, Und
sie hatte dort wohl viel zu tun. |
In
dummer Überheblichkeit
und Selbstgefälligkeit Sprach
in von meiner Schreiberei Und
mir Und
meiner Häuslichkeit Und
meiner Frau, Und
dass ich mich von ihr in meiner Dichtung Nicht
verstanden fühlte. Darauf
sagte sie: „Es
hat doch keinen Sinn, Sich
bei mir auszujammern“. Das
war hart; Sie
hatte auch noch recht dazu, Und
diese Zeit, die blieb, War
unsre Zeit, Die
mussten wir uns umeinander kümmern. Und
sie sagte noch, Als
könnte sie Gedanken lesen: „In
zwei Stunden Kann
man nicht ein Jahr nachholen, Und
auch nicht die Zeit davor. |
Bis
jetzt hast du dich stur und konsequent geweigert, Dich
mit mir nur einmal auszusprechen. Immer
waren wir vor fremden Ohren, Nie
mit uns allein. In
zwei, drei Stunden Ist
doch das nicht aufzuholen. Außerdem
sollst du mich nicht Und
will ich dich nicht mit Gedanken überrollen, Die
in dieser Zeit gewachsen sind. Man
wird dann nichts verstehen. Jede
einzelne der Überlegungen dahin Ist
wichtig. Wenn
man jetzt nur das Ergebnis sagt, Fehlt
doch der Sinn“. Das,
was sie sagte, Traf
mich schlimmer als die erste Fremdheit Von
vorhin. Dies
war der Spalt, Der
zwischen uns gewachsen war, |
Und
alles, was wir taten, dachte ich, Ist
Schein und Scheinbarkeit, Und
sie ist wiederum am Ziel, Wenn
ich den Weg noch suche. Darum
schwieg ich nun. Ich
war zutiefst betroffen. Mein
Geschick, so dachte ich, Ist
doch von Anfang an verflucht. Dann
machte ich mich etwas grade, Und
ich wollte sie Nicht
mehr mit meiner Traurigkeit belasten Und
bat sie Noch
mehr von sich zu sprechen. Dabei
dachte ich: „Ist
sie die Frau, Nach
der ich suche oder ist sie‘s nicht“. Ich
sah zwei Frauen vor mir, Eine
die ich kannte, Und
dieselbe, die ich kennen lernte. Dann
bat ich sie wieder in das Auto, Und
dort überlagerten sich erst die Bilder. |
Um
mit ihr zu reden, sagte ich, Dass
sie sich ihre Haare wieder länger Wachsen
lassen möchte. Und
sie sagte: „Die
Frisöse ist auf Reisen. Wenn
sie wiederkommt, lass ich sie wieder schneiden“. Und
sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Manchmal
konnte sie mit ihrem Widerspruch Die
Liebe zeigen. Schließlich
konnte sie mit ihren Haaren Machen,
was sie wollte, Und
ich sah ihr ins Gesicht Und
strich mit meinem Finger Über
ihre Haut und über ihren Mund Und
sagte: „Lippenwanderer. Wie
soll ich nur beschreiben, was ich sehe“. |
Sie
hielt still und hielt mich aus, Und
vor mir öffnetet sich eine Landschaft, Die
war herb und melancholisch, Weit
und nah. Es
war ein Küstenstreifen. Harte
Wellen tobten über schroffe Steine, Wasser
spritzte hoch, Die
Sonne lag in einer Blauluft, Buchten
lauen Wassers gleich daneben, Grüne
Weideplätze, Flächen,
die sich boten, Alles
zu vergessen, Und
dazwischen lagerten die Dünen, Gelber
Sand verrieselte, Die
Gräser neigten sich fast gläsern über ihn. Ihr
Mund war eine winzig kleine Brandung, Die
ich hätte beißen mögen. Meine
Augen taten es für mich. Ich
sagte: „Du hast recht, Wenn
du behauptest, dass ich keine Liebe habe“. „Deine
Liebe ist ein Beutezug. Du
raubst und liebst in Einem“. „Meine
Liebe wäre dir zu häufig“, sagte ich, Und
sie gestand, Dass
sie sich gerne häufig lieben lassen würde. |
Und
ich dachte so: „Wenn
ich sie nur betrachte, Und
nur ihr Gesicht berühre, Ist
sie schnell als Frau beleidigt, Fasse
ich sie aber an, So
wie ich möchte, Werde
ich mich nicht beherrschen können“, Und
ich legte meine Hand auf ihre Brust, In
ihren Schoß, Und
küsste sie nur so, Dass
ich noch wusste, was ich tat. Sie
bäumte sich trotzdem ein wenig, Und
ich glaubte ihr die Lust auf Liebe. „Soll
ich mir ein Zimmer nehmen?“ Fragte
sie. „Dort
kannst du mich besuchen, Wann
du willst“. „Du
denkst nur an ein Kind von mir. Hör
bitte zu: Wenn
ich den Wunsch verstehen könnte, Würde
ich ihn dir erfüllen, Aber
ich versteh ihn nicht. |
Wir
nehmen einmal an, Du
kriegst ein Kind von mir, und dann? Dann
darf ich dich besuchen, Und
das Kind wird mir doch nicht vertraut. Wie
soll ich es denn lieben? Das
ist doch ein Mensch, Der
wird aus Fleisch und Blut. Und,
wenn ich dieses Kind nicht liebe, Kann
ich auch die Frau nicht lieben. Also,
sag mir bitte, was ich machen soll, Ich
weiß es nicht“. „Vergiss
es“, sagte sie, „Das
hat ja sowieso noch Zeit. Vielleicht
will ich es auch noch gar nicht“. „Warum
muss es denn von mir sein. Du
sagst selbst, dass du von deinem Mann geliebt wirst, Und
dass du ihn liebst“. Sie
wurde laut: „Ich
weiß es selber nicht Und
kann es nicht erklären, Und
ich will das Kind von dir. Es
muss ja noch nicht jetzt sein“. „Außerdem“,
so sagte ich, „Ist
jeder Mann normalerweise tief verschreckt, Wenn
er nur dafür vorgesehen ist“. |
Sie
sagte noch einmal: „Vergiss
es ganz“. Ich
sagte: „Du hast recht, Und
ich war viel zu dumm. Man
kann nicht in so kurzer Zeit Versuchen
aufzuholen, Was
ganz langsam wächst. Ich
hatte vor, dir vieles zu erzählen“. „Es
ist schlecht, Den
anderen mit den Ergebnissen zu überfahren, Ohne
zu erklären, wie man dazu kommt. Das
dürfen wir nicht erst versuchen“. Sie
nach langer Pause: „Wenn
wir uns nicht lieben können, Dann
gelingt es mir mit keinem anderen“. Die
Zeit war fast vorbei, Ich
musste zu dem Treffen. Sie
kam mit und sagte unterwegs: „Lass
doch die Feier sein Und
komm mit mir. Ich bin allein“. |
„Du
weißt doch, dass ich das nicht tu‘, Du
hast doch einen den Mann, und ich hab eine Frau“. „Dann
lassen wir uns scheiden, Willst
du das?“ Ich
sagte: „Niemals
würd ich das von dir verlangen, Und
ich kann und will mich auch nicht scheiden lassen“. Dann
war kaum noch Zeit. Ich
musste drängen. Sie
verbarg nun eine kleine Wut Und
sagte: „Du
hast Zeit genug. Sag
mir ganz ehrlich, Bist
du du, bist du du selbst, Wenn
du zu dieser Feier gehst?“ |
Ich
lachte: „Du
bist gut. Natürlich
bin ich nicht ich selbst, Sonst
ginge ich nicht hin, Das
weißt du doch“. Und
dann verzweifelt: „Was
soll ich denn machen?“ Sie
zog ihre Jacke an, nahm ihre Sachen Und
das Manuskript und sagte: „Wenn
du wiederkommst, wart ich auf dich“, Und
drehte sich auf ihren Hacken um Und
ging. Ich
rief ihr nach, Sie
hätte ja kein Abschiedswort gegeben Und
rief ihren Namen hinterher. Sie
ging und blieb nicht stehen. |
Kam ich zurück zu
meinem Wagen, Und sie war nicht
dort. Ich atmete ganz
tief und war erleichtert. An der
Windschutzscheibe, Unter einem
Scheibenwischer, Steckten ein paar
Zeilen, ein Gedicht von ihr, Das mir gefiel, ich
fand es gut Und sah, Sie sprach nun
endlich meine Sprache: |
Rückzug Deine Wirklichkeit Lässt du zum Schein
verkommen Du bist verkommen Zu dem, der du meinst
zu sein. Eine kleine Insel Auf die du dich In Panikfällen
flüchten kannst Ist dein Verhängnis Immer stehst du
zwischen dir Und deiner
Wirklichkeit Warum lässt du dich
nicht sein. |
Sie hatte recht,
ich hatte recht. Sie war an mir die
mörderische Ärztin, Die ich suchte, der
ich meinen Tod empfahl. Sie hatte das
Skalpell in ihrer Hand. Mein Herz schlug
schnell und hart. Ich fuhr mit meinem
Auto überschnell nach Hause, Zog mich dort
gleich völlig aus Und trat vor einen
großen Spiegel, Und es schien, weil
ich es wollte, Dass mir heute
Nacht Der Buckel
ausgewachsen war, Ein Monstrum, Den würd ich in
meinem Leben Nicht mehr leugnen
können. |
ISBN: 9783748130628